Recht und billig?

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Christen und die Marktkräfte

Wie wenig darf es kosten? Textilfirmen verlegen die Produktion unserer Kleider von Bangladesch nach Äthiopien, um im internationalen Wettkampf von Angebot und Nachfrage bestehen zu können. Wie reagieren wir Christen auf diese und ähnliche Entwicklungen?

Als Christen sind wir aufgerufen, uns für Gerechtigkeit und Mass einzusetzen, also gegen die Marktkräfte. Dafür gibt uns Paulus in Römer 12,2 einen wichtigen Hinweis: «Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr zu prüfen vermögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.»

Mit den Marktkräften sind Angebot und Nachfrage gemeint, die den Preis einer Ware oder Dienstleistung bestimmen. Dabei geht die Wirtschaftswissenschaft von einer unpersönlichen Strömungsbewegung aus. Diese anonymen Kräfte können ungerechte Normen setzen, etwa die Ausbeutung in den armen Ländern.

Auch wird es plötzlich normal, dass alle immer nach mehr streben, dass Gier und Geiz plötzlich «geil» sind. Hier warnt uns Jesus: «Seht euch vor und hütet euch vor jeder Art Habgier! Denn auch dem, der im Überfluss lebt, wächst sein Leben nicht aus dem Besitz zu.» (Lukas 12,15)

Dem Mainstream widerstehen

Als Einzelne empfinden wir den Druck der Marktkräfte stark. Können wir dem Mainstream alleine widerstehen? Wenn wir etwa auf unfair produzierte Kleider verzichten, haben wir den Eindruck, uns beschneiden zu müssen und uns von den Anderen zu unterscheiden. Aber ist das so schlimm? Wir alle suchen zwar die Anerkennung von Mitmenschen und ahmen sie mehr oder weniger nach. Aber eigentlich streben wir damit nach Gemeinschaft, nicht nach Konformität.

Auch die Selbstverwirklichung ist ein treibender Faktor, den auch wir Christen immer wieder mit Konsum und Arbeit zu befriedigen suchen. Dabei kommen Gott und der Nächste zu kurz. Doch eigentlich würde weniger Konsum (weniger Ausgaben) und weniger Arbeit (weniger Einnahmen) Raum für den Dienst an Gott und am Nächsten schaffen.

Wie wirkt sich unser Marktverhalten konkret auf andere Menschen aus? Ein anschauliches Beispiel dazu gibt die eingangs erwähnte Textilindustrie: Wie gesagt, hat die Marktlogik Textilfirmen jüngst dazu getrieben, von Bangladesch nach Äthiopien zu delokalisieren, weil sie dort noch billiger produzieren können. Das alles für die «Kostenoptimierung», damit ihr Angebot wettbewerbsfähig (möglichst billig) bleibt. Dabei können die Näherinnen von ihrem Lohn nicht anständig leben, obschon 1 Franken mehr pro Kleidungsstück oft reichen würde, um einen existenzsicherenden Lohn zu garantieren. Die Firmen rechtfertigen ihr Verhalten damit, die Kunden seien nicht zu höheren Preisen bereit.

Nicht der Preis allein

Aber für die Konsumenten ist es auf einem weltweiten Markt sehr schwierig, die Arbeitsbedingungen für alle Produktionsschritte ihres T-Shirts zu kennen. Der Erfolg der Fairtrade-Labels, die genau diese Transparenz gewähren, zeigt, dass immer mehr Konsumenten bereit sind, für einen fairen Preis auch tiefer in die Tasche zu greifen. Ähnliches gilt bei den Mobiltelefonen mit dem Experiment «Fairphone». Sind wir Christen bereit, uns als Konsumenten von den «Marktkräften» zu lösen und andere, gerechtere Kriterien als nur den Preis in den Kaufentscheid einfliessen zu lassen?

Insbesondere im Nahrungsmittelbereich gibt es immer mehr Fairtrade-Produkte. Neben den Weltläden finden wir auch in Grossverteilern wie Coop, Migros oder Aldi zusehends Kaffee, diverse Fruchtsäfte, Tee, Schokolade, Marmelade, Honig, Reis, div. Getreidearten und vieles mehr. Was für uns ein paar Rappen mehr kostet bedeutet für eine Bauernfamilie im Süden ein existenzsicherndes Einkommen. Mit einem konsequenten Konsumverhalten unsererseits ermutigen wir die Dienstleistungsbetriebe, ihr Sortiment umzustellen, und zwingen damit die Grosskonzerne wie Nestlé, Coca Cola etc., für die Grundnahrungsmittel (endlich) faire Preise zu bezahlen.

Den Willen Gottes finden

Wir wissen, dass die Probleme unserer Welt mit unserer Ablösung von Gott zusammen hängen. Niemand in dieser Welt stimmt ganz mit Gottes Plan überein (Röm. 3,10ff.). Eine Auswirkung davon ist, dass die Menschen unbedacht der Marktlogik folgen, womit sich der Markt in eine menschenfeindliche Richtung entwickelt. Jesus will uns helfen, uns hiervon zu befreien und den «Willen Gottes» zu finden.

Es ist klar, dass in der Kostenminimierung der Textilindustrie lebenszerstörende (Markt-) Mächte am Werk sind. Hier brauchen unsere Mitmenschen unser Zeugnis dringend. In Wort und Tat. Sind wir so sehr von Jesus angezündet, dass wir uns vom «Schema dieser Welt» verabschieden? – Auch wenn es etwas (mehr) kostet?


Mehr Infos:

Erstmals erschienen in Wort+Wärch, Mai 2015. egw.ch/wortwaerch

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