~ 3 min

In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Debatte auf die Entwicklung unserer Gesellschaft konzentriert. Welches Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell wollen wir fördern? Das G8-Treffen gibt uns die Gelegenheit, unsere Kritikpunkte kurz zu skizzieren und einige Ideen zu dem Gesellschaftsmodell zu entwickeln, das uns vorschwebt.

Wir stellen fest, dass in unserer Gesellschaft Entscheidungen oft von wirtschaftlichen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls diktiert werden. Der Individualismus hat die Solidarität auf fast nichts reduziert, und die aufeinanderfolgenden Liberalisierungswellen verleihen reichen Einzelpersonen, multinationalen Konzernen und internationalen Währungsinstitutionen, die de facto die Herrschaft über die Staaten ausüben, eine unverhältnismäßige Macht.

Fehlende demokratische Kontrolle

Die Verhandlungen innerhalb der G8 und der großen Finanzinstitutionen (WTO, IWF und Weltbank) werden hinter verschlossenen Türen geführt, was die Entscheidungen verschleiert. Es gibt keine öffentliche Konsultation, keine demokratische Kontrolle. Die Verlierer sind die armen Länder und Bürger, deren Bürgerrechte auf diese Weise eingeschränkt werden. Besorgniserregend ist, dass sogar die Schweizer Delegation bei der WTO über das GATS (General Agreement on Trade in [Public] Services) und die Privatisierung von Wasser verhandelt, ohne ein Mandat des Schweizer Volkes zu haben. Die UNO, ein demokratisches Gremium auf supranationaler Ebene, wird ins Abseits gestellt.

Für mehr soziale Gerechtigkeit!

Die uns auferlegten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme fördern den Individualismus und verweigern Solidarität und Chancengleichheit. So schaffen wir Gesellschaften, in denen der Stärkste regiert, um sein persönliches Vermögen zu sichern. Der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, Errungenschaften, die unter anderem den Reichtum der Schweiz und der westlichen Demokratien ausmachen, sind gefährdet.

Angesichts dieser Missstände setzen wir uns für eine Gesellschaft der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit ein. Wir kritisieren scharf diesen Diskurs, der besagt, dass jeder Einzelne durch reine Willenskraft alles erreichen kann. Nicht alles ist eine Frage des Willens, sondern hängt von den Mitteln ab, die einem zur Verfügung stehen. Wir plädieren für Verantwortung auf individueller Ebene, die aber die staatlich organisierte Solidarität nicht ersetzen kann. Wir wollen eine Gesellschaft, in der das Geld wieder seinen rechtmäßigen Platz als Mittel und nicht als Zweck des Wirtschaftens einnimmt und in der die demokratische Kontrolle wirksam ist. Zum Beispiel muss es eine Obergrenze für die zulässige Investition von Geld in demokratische Abstimmungen und Wahlen geben, denn es besteht eine reale Gefahr der Manipulation durch finanziell stark unterstützte Kampagnen. Ebenso beobachten wir mit Sorge die Lobbyarbeit von Wirtschaftskreisen in den Vorzimmern internationaler Institutionen und in Parlamentssälen.

Für eine Wirtschaft im Dienste des Menschen

Wir setzen uns für demokratische, starke und unabhängige Medien ein, da immer mehr Medien durch Werbekunden zensiert werden oder sogar im Besitz von Wirtschaftskonzernen sind. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die Debatte über die Auswüchse unserer Demokratien neu zu beleben und mutige Reformen in Angriff zu nehmen. Durch eine engagierte Zivilgesellschaft müssen wir die Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen fördern.

Das derzeitige Wirtschaftssystem konzentriert immer mehr Reichtum in einigen wenigen Unternehmen unter dem Druck der Aktionäre, die immer höhere Gewinne verlangen. Dies geschieht auf Kosten der Mitarbeiter, was bei den einen zu Entlassungen und bei den anderen zu mehr Druck und Stress führt. Das Streben nach wirtschaftlichem Wachstum auf Kosten der Gesellschaft und der Grundwerte der Menschenwürde ist nicht länger akzeptabel. Wir fordern daher unsere Regierung auf, eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik zum Wohle der Mehrheit zu betreiben. Sind wir bereit, Maßnahmen zu akzeptieren, die uns teuer zu stehen kommen können?

Für einen Sinneswandel

Demokratisierung ist eine notwendige Bedingung für eine gerechte Gesellschaft, aber ohne ein Herz für den Nächsten wird die Demokratie nicht ausreichen. Wir müssen von unserer Angst vor Mangel befreit werden, sei es wirtschaftlich oder persönlich. Dies erfordert ein Bewusstsein und Regeln, die ethisches Verhalten auf allen Ebenen fördern.

Markus Meury/Silvia Hyka, Mai 2003

~ 8 min

CHRONIK EINER PSEUDO-DEMO

Kulisse: Die Festung des Weltwirtschaftsforums (WEF) steht einmal mehr unter dem Höchstschutz von Polizei, Militärpolizei und Armee mit dem Auftrag, mit Autodurchsuchungen, Identitätskontrollen usw. die „guten“ von den „bösen“ Demonstranten zu trennen.

1. Akt: Die Spannung steigt:

11.00 Uhr: Unsere sieben „Terroristen“ besammeln sich in Thusis (GR). Nach einem kurzen Fototermin für das Familienalbum ? mit Transparenten, die könnten unterwegs ja konfisziert werden ? wagen wir den Ansturm auf Davos.

11.30 Uhr: Erste Polizeikontrolle. Angespannt, aber korrekt untersuchen die Beamten unser „Arsenal“ im Kofferraum. Wenigstens werden meine Krücken nicht beschlagnahmt, uff! Journalisten schiessen die ersten Bilder und figurieren als eine Art Beobachter.

11.45 Uhr: Zweite Polizeikontrolle. Sind wir eigentlich im Kino? Unsere Autos werden von vier bis zu den Zähnen gepanzerten Rambos umstellt, die uns am Aussteigen hindern. Wir befinden uns direkt an einem Tunneleingang und sind von einem ganzen Regiment umzingelt (für dieses Mal ohne Beobachter). Die Rauchgranaten sind einsatzbereit. Kofferraumkontrolle zum Zweiten. Identitätskontrolle via Hauptquartier. Unsere Leumunde scheinen (bis dahin?) leer gewesen zu sein, und eine Viertelstunde später sind wir wieder unterwegs ? immer noch mit Krücken, uff zum Zweiten! Auf wann die dritte Kontrolle? (Andere hatten dieses Privileg…)

12.30 Uhr: Nach einer friedlichen Reise ? vor uns ein Polizeiauto und fünf Busse (nicht von der Polizei, aber sie passten gut ins Bild), über uns ein oder zwei Helikopter ? erreichen wir Davos wohlbehalten. Die Polizei ist überall, das Dorf ist ausgestorben.

13.00 Uhr: Wir essen in einem der wenigen offenen Restaurants. (Sogar die Tankstellen sind geschlossen, weil die Demonstranten ja Feuer legen könnten…)

14.00 Uhr: Wir brechen auf und suchen andere Demonstranten. Doch wo sind sie? Jemand schickt uns auf einen 30minütigen Fussmarsch. Endlich treffen wir auf 3 oder 4 Mitdemonstranten. Wir entrollen unsere Transparente und machen einen Privatumzug.

14.30 Uhr: Endlich treffen wir auf einem Platz eine bunt zusammen gewürfelte Masse von etwa 1000 Demonstranten, die schon seit einer Weile dort warten ? die Demonstration war auf 13.30 angesetzt. Gewerkschafter, Anarchisten, Zapatisten, Pazifisten, Private und viele viele Journalisten. Das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren, Stil eher alternativ.

15.30 Uhr: Nach einigen Interviews und Begegnungen, ergreifen verschiedene Redner das Wort. Wir erfahren, dass in Landquart etwa 4000 Demonstranten blockiert sind und den Kontrollzirkus ablehnen. Einige Überdrüssige haben Schaden angerichtet. Die Spannung steigt. Wir warten. Später wird durchgegeben, man habe zu einer Einigung gefunden, die Kontrollen würden im Zug stattfinden. Landquart ist offen! Doch nicht lange, denn kaum sind die Demonstranten im Zug, sollen sie doch wieder einzeln kontrolliert werden!

Hurra, ein Zug kommt an! Doch leider ist er leer. Die Spannung steigt weiter. Man sagt uns schliesslich, es komme niemand hoch. Es wird entschieden, dass wir auf unser Recht auf Demonstration verzichten und aus Solidarität nach Landquart hinunterfahren. Die Polizei könnte sich so unversehens in ihren eigenen Spielchen gefangen wiederfinden (im Sandwich zwischen zwei Demonstrationen). Die Spannung steigt weiter, und wir ermutigen die Organisatoren, zu Gewaltlosigkeit aufzurufen.

2. Akt: Wer hat was von demonstrieren gesagt?

16.00 Uhr: Endlich setzt sich der Umzug in Bewegung! Wir strecken unsere Transparente in die Höhe: „Ihr wollt die Welt beherrschen? Die Welt sagt WIDERSTAND!“, „Anti-internationale Solidarität“, „Löscht das Forum aus!“. Ein riesiges Goldenes Kalb wird durch die Menge getragen und von Affenpolitikern (Busch & Co.) mit Dollars beregnet. Wir schaffen es doch noch, vor dem Forums-Fort durchzuziehen. Schneebälle fliegen. Als einzige Zuschauer schauen fast nur die Berge. Die Bewilligung für die Demonstration wird vor dem Rathaus verbrannt, um die inakzeptablen Demonstrationsbedingungen anzuprangern.

17.00 Uhr: Schliesslich löst sich die Demo auf. Keiner weiss wieso. Wir gehen nicht nach Landquart. Alles fährt nach Hause. Wie wir hören, sind die sowieso schon gegangen. Die Polizei hat uns effizient auseinander gehalten, die Demonstration verzögert und sogar verhindert.

3. Akt: Die Zeitbombe:

23.00 Uhr: In einem Kloster bei Chur schauen wir die Nachrichten am Fernsehen: Die Demonstranten von Landquart haben nach Zürich umgeschwenkt, doch die Polizei ist da. Einige sind bis nach Bern weitergefahren, wo sich extreme Anarchisten (?) Strassenschlachten mit der Polizei liefern und Schaufenster einschlagen.

Bilanz:

Unser Einsatz hat dazu beigetragen, einen äusseren Druck auf das aktuelle Wirtschaftssystem auszuüben (auch wenn eine weitere Mobilisation der Bevölkerung nötig ist). Diesem äusseren Druck muss ein innerer, politischer Druck folgen, sollen fundamentale Veränderungen eintreten. Wir konnten ChristNet (und seine Forderungen in Davos) etwas bekannter machen und Kontakte knüpfen.

Wir sind überzeugt, dass die Gewalt kein Mittel für diesen Kampf ist. Im Gegenteil: Sie schadet der Glaubwürdigkeit und dominiert die Medienberichterstattung auf Kosten der echten Probleme.

Also auf nächstes Jahr? Vielleicht können wir dann an einer Demonstration teilnehmen, die diesen Namen verdient. Und noch friedlicher!

Epilog: Die Desinformation der meisten Medien:

Montag, 27.01.03, ich öffne meine Tageszeitung. „Le Matin“ titelt: „Tausend Demonstranten gegen 400 Polizisten“. Ein total unklarer Titel, da er dem Durchschnittsleser suggeriert, 1000 Demonstranten hätten Schaden angerichtet. Der nachfolgende Artikel ist nicht klarer. Ähnlich tönt?s in der Lausanner Zeitung „24 Heures“.

Doch in der Genfer Zeitung „Le Courrier“ (die ich Euch für ihre Unabhängigkeit und kritische Haltung der Globalisierung gegenüber empfehle) heisst es: „… mehrere Dutzend Vermummter haben Schaufenster der umliegenden Banken und Hotels eingeschlagen“. Die Polizei habe unverzüglich angegriffen, als ein Demonstrant eine Rakete losgelassen habe. Ausserdem habe die Polizei mit Gummigeschossen auf einen Zug geschossen, der Landquart verlassen hat, und einen Demonstranten verletzt! Auf der selben Seite ist sogar die Rede von ChristNet! Sag mir, was du liest, und ich sage dir, auf welcher Seite der Globalisierung du stehst…

Vincent Léchaire, 31.01.03, übersetzt von Samuel Ninck

ChristNet geht nach Davos!

Am 25. Januar findet die grosse Demo anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos statt. ChristNet geht mit einer kleinen Gruppe dort hin. Warum denn das??

Wir haben das Gefühl, dass die Spielregeln der Globalisierung heute hauptsächlich von den Interessen der reichen Länder und der grossen Konzerne beherrscht werden, und dass der Mammon mehr und mehr regiert. Dass dies nicht gut gehen kann, ist klar. Was ist aber, wenn die Menschen in fünfzig Jahren fragen werden, wo denn die Christen gewesen sind, als all dies geschehen ist? Werden sie sagen müssen, dass die Christen genauso dem Mammon alle Macht gegeben haben? Sollen die Menschen sagen, die Christen sind ja nicht besser gewesen, und darum unseren Gott ablehnen? Wir wollen der Welt zeigen, dass den Christen die heutigen Vorgänge nicht egal sind, sondern dass wir menschenwürdige und demokratische Spielregeln in der Globalisierung wollen.

Ist eine Demo der richtige Ort? Nicht nur, aber auch. ChristNet setzt sich in vielerlei Art ein. Aber auch da, wo engagierte Menschen zusammenfinden, wollen wir uns zeigen.

Aber sollen wir mit diesen Gewalttätern mitziehen? Nein, wir wollen bewusst dort dafür beten und mithelfen, dass diese Demo friedlich abläuft. Wir möchten uns dabei auch Pfarrer Ueli Wildberger anschliessen, um entspannungsfördernde Aktivitäten mitzutragen (Lieder singen etc.). Es ist für die Sache unheimlich wichtig, dass die Demo friedlich abläuft .

Und was haben wir sonst dort zu bieten? Das Gebet! Denn wir kämpfen nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit Mächten und Gewalten in der geistlichen Welt. Dies ist unser spezifischer Beitrag, und ohne Gott können wir nichts tun. Veränderung der Spielregeln der Globalisierung ist nur möglich durch Veränderung der Herzen weg vom Mammon, hin zu Gott. Wir werden uns auch schon am Freitagabend treffen, um Zeit fürs Gebet zu haben.

An der Demo tragen wir Plakate und Transparente mit, die wir selber anfertigen. Unsere Slogans:

– Make mercy, not money

– Mein Gott heisst nicht Markt

– L?homme ? crée à l?image de Mammon?

Wir wollen auf unserem Weg nach Davos auch Flugblätter verteilen, wo wir unsere Visionen, Vorschläge und Forderungen dem Publikum näherbringen, denn ohne Kommunikation und Erklärung nützt der Gang an die Öffentlichkeit nichts.

Unsere Gedanken zum Thema Globalisierung (und Unterthema Wasserprivatisierung) können in entsprechenden Artikeln auf dieser Website nachgelesen werden.

Bitte tragt unsere Teilnahme in Davos im Gebet mit! Wir bitten Gott vor allem um Bewahrung, aber auch darum, dass er alle Herzen beruhige, damit die Demo friedlich bleibe. Bitten wir Gott auch darum, dass viele Menschen berührt werden, speziell die Teilnehmer am Forum, damit sie sich von der Liebe für die Armen leiten lassen und nicht von Marktgesetzen!

Markus Meury, ChristNet

Flugblatt: Schon wieder diese Chaoten!

… oder: Warum wir nach Davos gehen

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos zieht neben hunderten von Wirtschaftsführern und Politikern jedes Mal viele mehr oder minder friedliche Demonstranten an. Sie werden Globalisierungsgegner genannt, zutreffender wäre aber Globalisierungskritiker, denn die Globalisierung selber ist nicht aufzuhalten. Entscheidend sind aber die Regeln der Globalisierung. Wer bestimmt: die Macht des Geldes, der grossen Konzerne, der reichen Länder? Oder die Menschen, die betroffen sind, nach demokratischen Regeln? Denn in der Welthandelsorganisation (WTO) werden im Moment Weltwirtschaftsregeln ausgehandelt, wo die demokratisch gewählten Regierungen und die Bevölkerungen zu weiten Bereichen wie Gesundheitswesen, Schulen, Eisenbahn und Grundversorgung wie Wasser, Strom und so weiter nichts mehr zu sagen haben. Mit dem Argument, dass der Wettbewerb nicht behindert werden darf, muss die öffentliche Versorgung den internationalen Konzernen geöffnet werden und wir dürften nicht einmal mehr Regeln aufstellen, welche Mindestleistungen sie zu erbringen hätten oder welche Preise sie höchstens verlangen dürften. Wir sind also alle betroffen von dem, was auch am WEF zwischen den Politikern und Wirtschaftsführern besprochen wird. AUCH SIE SIND BETROFFEN!

Wir wollen auf friedlichem Wege Druck auf die Regierungen und Wirtschaftsführer machen, damit die Globalisierung FüR und nicht GEGEN die Menschen geschieht. Wir verurteilen schärfstens jegliche Gewalt, denn diese schadet nicht nur den davon betroffenen Menschen, sondern auch der Bewegung selber. Wir werden versuchen, an der Demo selber zur Gewaltfreiheit beizutragen, aber vielleicht lassen sich nicht alle Chaoten davon abbringen.

Wir sind eine christliche Organisation Namens ChristNet. Wir handeln aus unserem Glauben heraus, weil wir sehen, dass Jesus die Liebe zu den Menschen gepredigt hat und in der aktuellen Form der Globalisierung die Menschen unter die Räder kommen. Für weitere Informationen können Sie die Website www.christnetonline.ch konsultieren.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Tag!

Unsere Forderungen:

Forderung an unseren neuen Wirtschaftsminister Deiss, die Interessen der Ärmsten der Welt statt der Interessen der Multinationalen Konzerne in der Welthandelsorganisation (WTO), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zu vertreten
Stop der Verhandlung im WTO über die Totalliberalisierung und Privatisierung des Servic Public: Wir haben unserer Regierung kein Mandat dazu gegeben!
Mehr Mitsprache für die Entwicklungsländer im WTO, die heute kein Geld haben, sich genügend mit den Themen auseinanderzusetzen
Demokratisierung des IWF und der Weltbank, die im Moment alleine von den Industrieländern beherrscht werden
Öffentliche Diskussion und demokratische Mitsprache der Bevölkerung zur Politik des IWF, der Weltbank und des WTO
Ende der Austeritätspolitik des IWF, der ganze Völker in die Not treibt
Stop der Wasserprivatisierung: in Entwicklungsländern wird auf Druck und Zwang des IWF und der Weltbank in vielen Ländern die Wasserversorgung privatisiert. Inzwischen sind Millionen von Armen von der Wasserversorgung ausgeschlossen, weil die privatien Konzerne die Preise für das Wasser in unbezahlbare Höhen getrieben haben! Täglich sterben Tausende von Kindern, weil sie an Krankheiten sterben, die die Ursache in unsauberem Wasser haben.
Garantierter Zugang auch der Ärmsten zu Wasser, Bildung und Gesundheit!

~ 4 min

Warum wir nach Genf kommen

Der G8-Gipfel zieht neben den 8 mächtigsten Politikern der Welt viele mehr oder minder friedliche Demonstranten an. Sie werden Globalisierungsgegner genannt, zutreffender wäre aber Globalisierungskritiker, denn die Globalisierung selber ist nicht aufzuhalten. Entscheidend sind aber die Regeln der Globalisierung.

Wer bestimmt? Die Macht des Geldes, der grossen Konzerne, der reichen Länder? Oder die Menschen, die betroffen sind, nach demokratischen Regeln?

In der Welthandelsorganisation (WTO) werden im Moment Weltwirtschaftsregeln ausgehandelt, wo die demokratisch gewählten Regierungen und die Bevölkerungen zu weiten Bereichen wie Gesundheitswesen, Schulen, Eisenbahn und Grundversorgung wie Wasser, Strom und so weiter nichts mehr zu sagen haben.

Mit dem Argument, dass der Wettbewerb nicht behindert werden darf, muss die öffentliche Versorgung den internationalen Konzernen geöffnet werden und wir dürften nicht einmal mehr Regeln aufstellen, welche Mindestleistungen sie zu erbringen hätten oder welche Preise sie höchstens verlangen dürften.

Wir sind also alle betroffen von dem, was in Evian zwischen den Mächtigen dieser Welt besprochen wird.

AUCH SIE SIND BETROFFEN!

(Seiten 2 und 3)

G8 ? Gegen die globalisierte Gewalt
Warum gegen den G8?

Seit 1975 spielt der G8 eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung des IWF, der Weltbank und der WTO. Dabei wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne jegliche Transparenz verhandelt.

Die dabei getroffenen Entscheide sind sogenannte ?Gentlemen’s Agreements?, d.h. persönliche Verpflichtungen der Staatschefs ohne jegliche parlamentarische Kontrolle.

Dabei werden vor allem die Interessen der multinationalen Unternehmungen und der durch die 8 vertretenen Industriestaaten berücksichtigt.

Die Forderungen des G8 sind oft ideologisch und gehen in Richtung Liberalisierung und Privatisierung. Dadurch wird das Recht des Stärkeren und die Geldlogik immer stärker verankert und universell gemacht.

Wir sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die auf der Unterdrückung der Schwächsten und der Ärmsten beruht, der Bestimmung des Menschen nicht gerecht wird. Darum setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, deren Werte auf Solidarität, Miteinander und Gerechtigkeit beruhen.

Was wir ändern wollen
Allmacht der Wirtschaft
Die Logik des Geldes macht uns kaputt! Die ewige Dynamik von Konkurrenz, Wachstum und Effizienz erschöpft die natürlichen Rohstoffe, zerstört die Umwelt, macht den Menschen zum Wolf für den Menschen und drängt immer mehr Menschen und ganze Völker an den Rand.

· Für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und der Multis!

Demokratie und Transparenz
· Stop der Verhandlungen im G8 und in der WTO über die Totalliberalisierung und Privatisierung des Service Public: Wir haben unseren Regierungen kein Mandat dazu gegeben!

· Mehr Mitsprache für die Entwicklungsländer am G8 und in der WTO, die heute kein Geld haben, sich genügend mit den Themen auseinander zu setzen.

· Demokratisierung des IWF und der Weltbank, die im Moment alleine von den Industrieländern beherrscht werden.

· Öffentliche Diskussion und demokratische Mitsprache der Bevölkerung zur Politik des G8, des IWF, der Weltbank und der WTO.

Terrorismus und Krieg im Irak
Die tieferen Gründe für Fundamentalismus und Terrorismus liegen oft in den ungerechten Verhältnissen zwischen Nord und Süd und in der Ohnmacht der Menschen angesichts imperialistischer Tendenzen des Westens.

Die Bombardierung ganzer Völker mit dem Vorwand, gegen den Terrorismus zu kämpfen, nähren diese Gefühle und können Gruppierungen von Fundamentalisten und Terroristen künftig sogar Aufwind geben.

· Zuerst muss die Ungerechtigkeit benannt und bekämpft werden!

Trotz des ?Endes der Kämpfe?, das von den USA und Grossbritannien erklärt wurde, sind diese Länder auch weiterhin völkerrechtlich in einen illegalen Angriffskrieg verwickelt. Darum fordern wir, dass

· jegliche Verhandlung mit den USA und Grossbritannien, die sich nicht mit dem Krieg im Irak befasst, aufgegeben wird;

· der Wiederaufbau im Irak unter der Oberaufsicht der UNO erfolgt, damit er demokratisch und vom irakischen Volk bestimmt verläuft und nicht wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der Grossmächte dient.

Politik des G8, FMI, der Weltbank und der WTO
· Ende der Austeritätspolitik des IWF, der ganze Völker in die Not treibt.

· Stop der Wasserprivatisierung: in Entwicklungsländern wird auf Druck und Zwang des IWF und der Weltbank in vielen Ländern die Wasserversorgung privatisiert. Inzwischen sind Millionen von Armen von der Wasserversorgung ausgeschlossen, weil die privatien Konzerne die Preise für das Wasser in unbezahlbare Höhen getrieben haben! Täglich sterben Tausende von Kindern, weil sie an Krankheiten sterben, die die Ursache in unsauberem Wasser haben.

Glossar
IWF ? Internationaler Währungsfonds

WTO – Welthandelsorganisation

G8 ? Gruppe der 7 mächtigsten Staaten (USA, GB, J, D, F, I, CAN) plus Russland

Garantierter Zugang auch der Ärmsten zu Wasser, Bildung und Gesundheit!

 

(Seite 4)

G8 ? Für eine friedliche Demonstration!
Nein zu jeglicher Gewalt!

Wir wollen auf friedlichem Wege Druck auf die Regierungen und Wirtschaftsführer machen, damit die Globalisierung für und nicht gegen die Menschen geschieht.

Darum verurteilen wir jegliche Gewalt, denn diese schadet nicht nur den davon betroffenen Menschen, sondern auch der Bewegung selber.

Wir finden es nicht sehr glaubwürdig, gegen den Krieg im Irak und die Gewalt eines Systems zu demonstrieren, das dem Gesetz des Stärkeren Vorschub leistet, und gleichzeitig zu zerstören, was Anderen gehört.

An der Demo selber werden wir versuchen, zur Gewaltfreiheit beizutragen, aber vielleicht lassen sich nicht alle Chaoten davon abbringen.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Tag!

Wer wir sind
Wir sind eine Gruppe von ChristInnen und Nicht-ChristInnen mit der einen Idee, radikale Forderungen mit gewaltfreien Mitteln vorzubringen. Dabei werden wir von einer christlichen Organisation Namens ChristNet unterstützt.

Die Mehrheit unter uns handelt aus dem Glauben heraus, weil wir sehen, dass Jesus die Liebe zu den Menschen gepredigt hat, während in der aktuellen Form der Globalisierung die Schwächsten und Ärmsten unter die Räder kommen.

Für weitere Informationen können Sie die Website www.christnetonline.ch konsultieren.

~ 7 min

In der Bibel ist oft von „Sünden“ die Rede. Nicht, um uns Probleme und Prüfungen zu bereiten, sondern um auf Fallstricke hinzuweisen. Gott möchte uns zu davor bewahren, zu sündigen, damit unsere wertvolle Beziehung zu Ihm nicht leidet und damit wir uns selber und unseren Mitmenschen keinen Schaden zufügen. Der Irakkrieg hat unseres Erachtens seine Wurzel in einer Kombination von Sünden.

Geldgier

1. Timotheus 6.10 sagt, „….eine Wurzel allen Übels ist die Geldliebe, (…)“. Der Griff nach dem Öl ist für die Bush-Administration eine wichtige Treibfeder: Bush selber kommt aus einer Ölfamilie, Vize Cheney war Chef der grössten Ölbohr-Ausrüsterfirma der Welt (Halliburton), und Bush selber verdankt seine Wahl unter anderem Exxon, die für die republikanischen Kandidaten im Wahlkampf 2000 riesige Summen locker gemacht hat. Im Mai 2001, nach der US-Energiekrise, erklärte Cheney „den verbesserten Zugang zu den Ölreserven im persischen Golf“ zu einer Priorität der nationalen Energiesicherheit. Die Öffnung der irakischen Energiereserven könnte laut dem ehemaligen Saudi-Arabischen Energieminister Jamani die Halbierung des heutigen Ölpreises bedeuten. Ein Segen für ein Land, das 2,5 Mal so viel Öl pro Kopf verbraucht wie die anderen Industrieländer, aber gleichwohl keine Lust hat, an diesem Überkonsum etwas zu ändern…

Auch Medienmagnaten wie Rupert Murdoch haben ein riesiges Interesse am Krieg, der die Einschaltquoten und damit die Gewinne explodieren lässt. Die amerikanische Öffentlichkeit wird deshalb von den Medien zum Krieg getrieben. Und schliesslich hat die Waffenindustrie (die USA haben einen Anteil von 40 % aller Rüstungsbudgets der Welt) ein Interesse am Krieg.

Selbstgerechtigkeit

Daneben treibt aber noch andere prominente Sünde zum Krieg: die Selbstgerechtigkeit. „Was aber siehst Du den Splitter, der in Deines Bruders Auge ist, den Balken aber, der in Deinem eigenen Auge ist, nimmst Du nicht wahr?“(Lukas 6.41) Je mehr wir das Gefühl haben, wir seien gut, desto mehr entfernen wir uns von Gott. Denn dann lassen wir unsere Handlungen nicht mehr durch Gott in Frage stellen und die Weisheit des Heiligen Geistes versiegt. Die Pharisäer haben dieses Schicksal erlitten und wurden von Jesus entsprechend beurteilt.

„Denn wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden“ (Lukas 14.11). Die Selbsterhöhung und Selbstgerechtigkeit hat leider in einigen Kreisen des evangelikalen Christentums z.T. ein Mass angenommen, das immer mehr negative Auswirkungen auf die ganze Welt hat. Es geht hier nicht darum, uns Christen schlechter zu machen als Andere, aber es scheint uns wichtig, auf die Gefahr der Selbstgerechtigkeit hinzuweisen, bevor es zu spät ist. Ohne Umkehr in diesem Bereich riskieren wir, in den Augen der Nichtchristen unglaubwürdig zu werden oder gar die Welt in den Abgrund stürzen. Der Irakkrieg ist dabei ein Schritt näher zum Abgrund.

Nationalismus

George Bush, wiedergeborener Christ, hat den „monumentalen Kampf des Guten gegen das Böse“ ausgerufen und wird dabei von grossen Teilen der evangelikalen Kirchen der USA unterstützt. Wer dabei die Guten sind (und das wird im absoluten Sinne verstanden), das ist von vornherein klar: der Westen, insbesondere die USA, „God’s country“, wie manche zu sagen pflegen. Der „Sendungswahn“ der amerikanischen Regierung hat dabei beängstigende Ausmasse angenommen. Hier hat sich in verhängnisvoller Weise Nationalismus mit Religion vermischt und eine nationale Selbstverherrlichung entstehen lassen. Deshalb glaubt sie auch auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Demokratische Unterordnung unter multilaterale Kompromisse im internationalen Rahmen wird mehr und mehr ein Fremdwort. Dies wurde in den letzten zehn Jahren klar, als die USA kaum mehr internationale Übereinkommen unterzeichneten, die ihre Interessen tangierten. Im Falle des Iraks war die UNO nur so lange das Verhandlungsgremium, bis klar wurde, dass die UNO den Willen der USA nicht mittragen würden. Die Kriegsgegner wie Deutschland und Frankreich bekamen denn auch die Aggression der USA mit Drohungen, Vertragsauflösungen und Verhöhnungen zu spüren. Diejenigen, die nicht tun, was die USA will, werden bestraft. Ist dies die Freiheit, von der sie reden?

Die treibenden Kräfte des Irak-Feldzuges (Rumsfeld, Wolfowitz, Cheney, aber auch Georges Bush’s Bruder Jeb und der ehemalige Vize Quayle) sind übrigens allesamt Mitunterzeichner der Charta des amerikanischen Thrink Tank „The Project for a New American Century“. Ziel dieses Projektes ist dieamerikanische Weltvorherrschaft („American world leadership“) und dass Amerika globale Verantwortung für Frieden und Sicherheit ausübt durch

  • starke militärische Kräfte (deutliche Erhöhung der Armee-Ausgaben)
  • Stärkung der Verbindung zu demokratischen Allierten und Herausforderung von feindlichenRegime im Sinne unserer Interessen und Werte
  • Förderung von politischer und ökonomischer Freiheit im Ausland
  • Akzeptanz von Amerikas einzigartiger Verantwortung im Erhalten und Ausbauen einer internationalen Ordnung, die freundschaftlich gesinnt ist, gegenüber unserer Sicherheit, unserem Wohlstand und unseren Prinzipien. Alles öffentlich nachzulesen unter www.newamericancentury.org

Im „Kreuzzug gegen das Böse“ wird denn auch schön nach dem Schema des Gleichnisses des „Balkens im eigenen Auge“ und der Selbstgerechtigkeit vorgegangen. Schon in der Interpretation des Attentats vom 11. September wurde kaum die Frage gestellt, mit welchen Anteil der Westen mit seinem Verhalten in den arabischen Ländern zum Terrorismus beigetragen hat. (LINK?). Warum hat es genau in den letzten 20 Jahren einen solchen Aufschwung des Fundamentalismus in den arabischen Ländern gegeben? Die Frage nach der eigenen Schuld wurde nie gestellt. Im Gegenteil, wir bleiben die absolut Guten. Im monumentalen Kampf gegen das Böse wird das Böse „irgendwo da draussen“ geortet statt in uns selber. Die meisten Diktaturen, die die USA im nahen Osten bekämpfen, sind zu Beginn von den USA selber gezüchtet oder unterstützt worden sind, um eigene Interessen durchzusetzen. Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit zur Erkenntnis der eigenen Schuld am Aufkommen von Terror verhindert also eine echte Lösung. In der Folge wird der Irak-Krieg die Spirale der Gewalt weiter antreiben: die Schmach der (zu erwartenden) Niederlage der „arabischen“ Seite und der Stachel der amerikanischen Okkupation sowie der Hass der Bevölkerungen auf die arabischen Herrscher, die mit den USA mitgezogen haben, wird dem islamischen Fundamentalismus massiven Aufschwung bescheren und mittelfristig Umstürze provozieren. Hoffen wir, dass es nicht die Atommacht Pakistan betrifft. Mit dem Irakkrieg wird der Terror nicht vermindert werden, wie Bush glauben machen will, sondern sich verstärken. Damit wird dann die Antiterror-Offensive des Westens seine Rechtfertigung finden…

Endzeitangst

Im Winter 02/03 glauben laut einer amerikanischen Umfrage 72 % der amerikanischen wiedergeborenen Christen, dass „wir derzeit die Anfänge jenes Krieges sehen, der zumAntichristen und zu Armageddon führt.“ Vielleicht wird das Verhalten des Westens selber diese Aussagen zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden lassen…. In den letzten zehn Jahren hat im Westen die Auslegung der biblischen Endzeitprophetien einen wahren Boom erleben lassen. Erinnern wir uns auch an die Endzeitromane von Tim La Haye, von denen bereits 50 Millionen Exemplare verkauft worden sind. Dieses Endzeit-Fieber hat die Angst unter den Christen geschürt und lässt bei einer vermeintlichen Bedrohung überreagieren, auch was die Angst um Israel betrifft. Selbsterfüllende Prophezeiung… In seinem alttestamentlichen Sendungswahn hat Bush folglich das Gefühl, die USA müsse Israel vor dem Irak (geographisch am Ort des alten Babylon) retten. Es ist möglich, dass Bush tatsächlich aus Angst um Israel zum Krieg bläst. Seine Berater haben ihm, aus anderen Gründen, wie wir gesehen haben, erfolgreich den Angst-Floh ins Ohr gesetzt… Durch einen westlichen Angriff wird aber vor allem der arabische Hass auf Israel geschürt. Statt Israel zu schützen wird es nur noch mehr in Gefahr gebracht. Einziger Ausweg wird dann die amerikanische Okkupation der gesamten arabischen Welt sein. Die Spirale dreht sich weiter…

In den amerikanischen Reden zum Krieg wird immer wieder betont, es sei eine Pflicht vor Gott, die guten westlichen Werte Freiheit und Demokratie zu verbreiten. Dabei haben dieselben Kreise nicht gemerkt, dass diese Werte z.T. längst durch den Mammon korrumpiert sind:

  • „Freiheit“: Mit der immer grösseren sozialen Ungleichheit und dem immer stärkeren Ausschluss der Mittellosen von Lebens-Grundbedingungen wie Gesundheit und Bildung wird die Freiheit für die Unterschichten immer mehr zur Farce. Nur die Starken haben die Mittel (Geld und Bildung), diese Freiheit auszunutzen. Und diese verschaffen sich mit Liberalisierungen und Privatisierungen auf Kosten der Schwachen auch immer mehr Freiheiten. Parallel wird die Ideologie „Wer will, der kann“ gefördert…
  • „Demokratie“: In den USA sind heute nur noch Reiche oder von der Wirtschaft unterstützte Personen wählbar, die anderen haben in der teuren Wahlwerbeschlacht keine Chance mehr. Im Wahljahr 2000 wurden laut Cash ca. 500 Millionen Dollar für den Wahlkampf aufgewendet, im Wahljahr 2002 bereits eine Milliarde Dollar, zwei Drittel davon als Wahlspenden der Wirtschaft an die Republikaner… Die Meinungsbildung ist ebenfalls durch die Abhängigkeit der Medien von der Wirtschaft massiv verzerrt.

Wie wird es unter diesen Umständen weitergehen? Wir wagen zu behaupten, dass nach dem voraussichtlich raschen amerikanischen Sieg sich die Hybris (in geopolitischen, aber auch in wirtschftlichen Bereichen) noch verstärken wird und sich die Arroganz der Macht weiter entfaltet. Der Irakkrieg wird nicht der letzte Angriffskrieg sein, vor allem, weil wie erwähnt wohl der Terrorismus durch diesen Krieg geschürt wird. Die amerikanische Bevölkerung wird weiter dem „starken Mann“ folgen. Wie werden die anderen Länder reagieren? In einer ersten Zeit werden sich viele, von der Macht beeindruckt, bei den USA anbiedern. Deren Macht wird dann noch mehr zunehmen. Viel wird aber davon abhängen, wer die Medien kontrollieren wird. Je mehr sich die Arroganz der Macht entfaltet, desto mehr werden aber auch Widerstände entstehen. Hoffen wir, dass diese Widerstände nicht in der Gewalt enden, sondern friedlich ausgetragen werden!

Warnung vor Sünde ist also nicht Moralismus, sondern die Sorge um die Folgen der Sünde und um die Liebe, die als erste Schaden nimmt. Lasst uns für George W. Bush und seine Regierung beten. Und möge uns Gott davor bewahren, Kreuzzüge im Namen Gottes auszufechten. Denn wir sind dazu berufen, Gottes Liebe in dieser Welt konkret sichtbar werden zu lassen.


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Es ist eine Ursehnsucht des Menschen, in einer heilen Welt leben zu können. Entsprechend viele Menschen und Ideologien haben der Menschheit den Himmel auf Erden versprochen – und die Hölle gebracht. Man denke nur an Leute wie Stalin, Hitler oder Mao. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt ist indes gottgewollt. Es erstaunt deshalb nicht, dass sich die Sehnsucht nach einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens auch in der Bibel findet und integrativer Bestandteil der prophetisches Hoffnung des Alten Testamentes ist.

1. Die Propheten des Alten Testamentes

Die Propheten des Alten Testamentes haben Gottes Heil unter anderem unter dem Begriffspaar Frieden und Gerechtigkeit angekündigt (z.B. Jesaja 2,2-4; 9,5-6). Die Propheten waren Visionäre, die über ihre eigene dunkle Zeit hinausblickten und die Zukunft mit Gottes Augen sahen. Sie sprachen nicht aus sich selbst – in diesem Sinn waren sie keine Idealisten –, sondern im Auftrag Gottes und getrieben vom Heiligen Geist (2.Petrus 1,21).

Der Erfüllung der prophetischen Vision bedingte den Gehorsam des Volkes Israel gegenüber den Geboten Jahwes. Er hatte es aus Ägypten befreit und zu seinem besonderen Eigentum gemacht. Die eigentliche Aufgabe Israels bestand darin, durch den Gehorsam gegenüber Gott gesegnet zu werden, um so zum Licht für die Völker zu werden. Doch Israel versagte. Am Ende des Alten Testamentes war deshalb das Reich Gottes – so nannte man die Vision der Propheten später – in weite Ferne gerückt.

2. Das Reich Gottes im Neuen Testament

Das Neue Testament knüpft an die Hoffnung der Propheten an. Die Botschaft des Neuen Testamentes ist: In Jesus Christus, dem Sohn Gottes, ist das Reich Gottes endlich da! Jesus verkündete: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15).

Jesu Botschaft weckte Hoffnungen, doch sie warf auch Fragen auf. In Israel glaubte man an die Propheten und wartete demzufolge auf das Hereinbrechen der Herrschaft Gottes. Doch Jesus und seine Jünger schienen nichts zu bewegen. Man stellte fest, dass Jesus mit ehemaligen Prostituierten, Betrügern und einfachen Burschen vom Lande umherzog und das Reich Gottes verkündete. Doch Ungerechtigkeit und Unterdrückung wichen nicht. Die Frage blieb: Wo war das Reich Gottes?

Jesus trieb Dämonen aus und heilte Krankheiten und überwältigte dadurch Satan und sein Reich. Darin zeigte sich die Gegenwart des Reiches Gottes. Ein weithin vergessener Aspekt ist, dass Jesus auch auf seine Nachfolger verweisen und an ihnen die Gegenwart des Reiches Gottes vor Augen führen konnte. In der Gemeinschaft von erlöstem Gesindel, das Jesus nachfolgte, war Gottes Reich angebrochen, denn in dieser Gemeinschaft wurden die Werte des Reiches Gottes radikal in die Tat umgesetzt. Das Reich Gottes ist eben nicht nur ein geistliches, sondern ebenso ein menschliches, greifbares Geschehen.

Jesus blieb den meisten Juden ein Rätsel, denn allgemein erwartete man, dass das Reich Gottes mit Macht hereinbrechen würde. In der Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament hatte sich eine ausgeprägte Messiaserwartung herausgebildet. Die allgemeine Messiasvorstellung – so vielfältig sie war – bestand in der Annahme, dass der Messias ein politischer Befreier sein und das Reich Gottes Israel zu alter Blüte, ähnlich dem Reich Davids und Salomos bringen würde. Doch Jesus lehrte, dass das Reich Gottes nicht mit Macht kommt, sondern klein wie ein Same beginnt (Mt 13,31-32) und so unscheinbar wie ein wenig Sauerteig (Mt 13,33) ist. Jesus hatte kein politisches Programm, sondern er verkündete das Heil Gottes einzelnen Menschen. Allerdings war seine Botschaft derart radikaler, umgestaltender Natur, dass sie, sofern sie von einer Gruppe von Menschen gelebt wurde, sehr wohl gesellschaftliche und politische Auswirkungen haben konnte und auch sollte.

3. Eine Reich-Gottes-Gemeinschaft

Ein sorgfältiges Studium der Evangelien zeigt, dass Jesus die christliche Gemeinde wollte. Er verkündete nicht nur das Reich Gottes, er sammelte auch das Volk, das zu diesem Reich gehört. Er rief einzelne Menschen in seine Nachfolge und begann, sie zu einer Reich-Gottes-Gemeinschaft zu formen. Die Beziehung zwischen der christlichen Gemeinde und dem Reich Gottes ist von grundlegender Wichtigkeit. Die Gemeinde ist das Volk des Reiches Gottes. Sie ist nicht mit dem Reich Gottes gleichzusetzen, sondern ist eine sichtbare Demonstration des in die Geschichte hereingebrochenen Reiches. In ihr beginnt sich die Hoffnung der Propheten zu erfüllen, die davon gesprochen hatten, dass Gottes Reich nicht nur einzelne Menschen verändern, sondern eine veränderte Gesellschaft hervorbringen würde.

Erst nachdem die Jünger Jesu mit dem Heiligen Geist überschüttet worden waren (Apg 2,1ff), setzte sich bei ihnen die grundlegende Erkenntnis durch, dass sie das Volk des Reiches Gottes waren. Diese Erkenntnis revolutionierte ihre Beziehungen. Sie begannen, sich nicht nur als erlöste Individuen, sondern ebenso als erlöste Gemeinschaft zu verstehen. Die Apostelgeschichte legt ein eindrückliches Zeugnis von der transformierenden Kraft dieser Erkenntnis ab. Die erste christliche Gemeinde wurde eine anziehende Alternative zur herrschenden Gesellschaftsstruktur. Man konnte sehen und spüren, dass in ihrer Gemeinschaft das Reich Gottes gegenwärtig war.

4. Drei Reich-Gottes-Werte für heute

Jede Kirche, sofern sie den Anspruch erhebt, Christi Kirche zu sein, muss sich den Werten des Reiches Gottes verschreiben. Sie muss im wahrsten Sinne des Wortes eine Reich-Gottes-Gemeinschaft sein.

Das erste und herausragendste Kennzeichen der christlichen Gemeinde muss die Liebe sein. Jesus hat die Liebe zur obersten Priorität erklärt (Joh 13,34). Diese darf allerdings nicht mit dem postmodernen Toleranzbegriff in eins gesetzt werden. Sie orientiert sich vielmehr an Jesus Christus selbst (Joh 13,35).

Ein zweiter Reich-Gottes-Wert ist die Freude (Gal 5,22). Jesus hat mit seinen Jüngern Freudenmähler gefeiert. Man warf ihm deshalb vor, ein Fresser und Säufer zu sein (Lk 7,34). Doch Jesus reagierte bloss anders auf die politische Unterdrückung und die wirtschaftliche Not als das jüdische Establishment es tat. Während letztere klagten und fasteten feierte Jesus! Die Gottesherrschaft war für ihn, wie Jürgen Moltmann gesagt hat, gleich einer Hochzeitsfreude. Christen sollten trauern und feiern können, denn sie leben in der Gewissheit, dass Gott mit der Erneuerung von Himmel und Erde bereits begonnen hat.

Ein dritter Reich-Gottes-Wert ist der Friede. Jesaja sah voraus, dass durch das Kind, das geboren ist, ewiger Friede den Menschen zuteil wird (Jes 9,5-6). Das Neue Testament sieht in diesem Friedenskind Jesus Christus (Lk 2,14). Jesus pries die Friedenstifter und nannte sie Gottes Kinder (Mt 5,9). Christen sollten Friedenstifter sein. Die Gemeinde ist aufgerufen, in ihren eigenen Reihen Grenzen zu überwinden und Versöhnung zu leben.

Wenn das Neue Testament Liebe, Freude und Frieden als entscheidende Reich-Gottes-Werte sieht, ist damit keiner säkularen Heilsutopie das Wort geredet. Aus dem Neuen Testament wird deutlich, dass der Friede das Resultat des Wirkens des Heiligen Geistes ist (Gal 5,22-23), und dass es den Frieden nur durch Jesus Christus gibt. „Er ist unser Friede“ (Eph 2,14). Eine Friedensphilosophie, die von der gläubigen Nachfolge des grössten Friedenstifters aller Zeiten abgekoppelt wird, ist nichts als Utopie; umgekehrt ist Glaube ohne radikale Verpflichtung zum Reich Gottes nichts als Heuchelei.


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Sind wir nicht immer wieder besorgt über den Zustand unserer Gesellschaft? Grundwerte wie Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein sind am schwinden. Unsere TV-Geräte spuken Gewalt, Banalitäten und Obszönitäten aus. Wir leben in einer Welt voller Missstände.

In der Bergpredigt sagte Jesus, dass seine Nachfolger etwas gegen die Missstände tun können und sollen.

Er tat dies unter Zuhilfnahme des Bildes vom Salz und vom Licht. ?Ihr seid das Salz der Erde…ihr seid das Licht der Welt?, sagte er zu seinen Jüngern (Mt 5,13-16). Mit Salz wurden Lebensmittel haltbar gemacht. Salz hat bewahrende Kraft. Jesus übertrug diese einfache Tatsache auf unser Leben. Er wollte, dass seine Nachfolger für die Welt wie Salz sind; sie sollten durch ihr Leben bewahrenden Einfluss auf ihre Umwelt haben. Das Bildwort vom Licht liegt ähnlich. Als es noch keine Elektrizität gab, zündete die Hausfrau beim Eindunkeln eine Öllampe an. Sie stellte sie in der Mitte des Raumes auf einen erhöhten Platz, damit die Flamme ihr Licht im ganzen Raum ausbreiten konnte. Jesus wollte, dass seine Nachfolger solche Lichter in der Dunkelheit sind. Dunkelheit steht hier für Gottferne und Orientierungslosigkeit. Christi Nachfolger sollen Licht ins Dunkel ihrer Umgebung bringen und Orientierung geben.

Wie können Christen Salz und Licht sein und zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen?

Die Bibel vermittelt uns praktische Leitlinien und gibt uns hilfreiche Beispiele. Sie hilft uns, unsere Gesellschaft kritisch zu durchleuchten und gibt Antworten von Gott her. Die Bibel entstand in ähnlichen Situationen wie der unsrigen. Viele biblische Texte wurden als Antwort auf gesellschaftliche Missstände gegeben. Die Menschen, an die Gottes Wort damals erging, waren genau besorgt um den Zustand ihrer Gesellschaft, in der sie lebten, wie wir heute. Auch sie fragten sich, was sie angesichts der Missstände tun sollten.

Etwas vom wichtigsten das wir tun können ? ja tun müssen ? ist eine kritische Haltung zu entwickeln.

Der Apostel Paulus ruft in Römer 12,1-2 dazu auf, eine gesellschaftskritische Haltung zu entwickeln. Er richtet an seine Leser die Aufforderung, die Denkvorgaben ihrer Kultur nicht unkritisch zu übernehmen. Der Apostel lässt damit erkennen, dass er wie Jesus in einer prophetischen Tradition stand, welche den Status quo nicht einfach unkritisch übernahm, sondern ihn der Kritik der Offenbarung Gottes unterwarf. Dabei muss sogleich gesagt werden, dass es nicht um ein ?Neinsagertum? geht, sondern um eine kritische Weltzugewandtheit.

Die besten Beispiele für eine kritische und zugleich konstruktive Haltung geben die alttestamentlichen Propheten. Sie liebten ihr Volk mit einer leidenschaftlichen Liebe, gleichzeitig waren sie seine schärfsten Kritiker.

Ein Beispiel für die Haltung der Propheten findet sich in Jesaja 2,6-8. Jesaja kritisierte seine Zeitgenossen dafür, dass sie das Land mit Zauberern und Wahrsagern überzogen hatten (Jes 2,6). Im gleichen Atemzug kritisierte er den ungezügelten Materialismus. ?Dein Land ist voll von Silber und Gold und unzähligen Schätzen? (Jes 2,7). Schliesslich wandte er sich auch gegen den Götzendienst. Er klagte darüber, dass das Land voller Götzen ist und jeder sein eigenes Werk anbetet (Jes 2,8).

Die Propheten des alten Israel begründeten eine Gesellschaftskritik, die sich an der Offenbarung Gottes orientiert. Sie waren keine Idealisten im engeren Sinn des Wortes, sondern wussten sich vom Geist Gottes getrieben. Sie entschuldigten sich nicht dafür, für Gott als den einzig Wahren und seine Forderungen an den einzelnen und die jüdische Gesellschaft einzutreten. Das bemerkenswerte an ihrer Gesellschaftskritik ist ihre Ausgewogenheit. Es gab keinen Propheten, der sich auf die moralischen Verfehlungen sozusagen spezialisierte und dadurch die anderen Missstände ausblendete. Jesaja unterwarf sein Volk einer umfassenden Kritik. Spiritismus und Materialismus wurden ebenso wie der Götzendienst angeklagt.

Die Bibel ist ein sehr praktischer Wegweiser zu einer konstruktiven Gesellschaftskritik. Wer sie ernst nimmt, kann den Status quo nicht ungefragt übernehmen.

Eine kritische Haltung allein reicht aber nicht aus.

Christen müssen das, was die Bibel sagt, auch tun. In der Bibel werden gläubige Menschen beständig aufgefordert, Gutes zu tun (z.B. Mt 5,16; 2Tim 3,17; Eph 2,8-10). Es ist nun aber von grundlegender Wichtigkeit, die Gnade nicht mit dem Tun bzw. den Werken zu verwechseln. Versöhnung mit Gott ist reine Gnade. Sie geschieht auf der Grundlage des für uns erlittenen Todes Jesu Christi. Sie ist zugänglich durch Glauben und Annahme Christi als Herrn, nicht durch das Tun. Im Neuen Testament zeigt sich folgendes Bild: Wenn es um die Annahme bei Gott geht, heisst es: ?Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet? (Eph 2,8). Wenn es darum geht, was Gott aus dem Leben derer machen will, die sein Heil empfangen haben, heisst es: ?Seine Geschöpfe sind wir, in Jesus Christus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat? (Eph 2,10).

Der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes, setzt Menschen frei, das tun zu können, was sie tun sollen. Christliche Freiheit ist kein Freipass, sondern die Freiheit aus der Sklaverei der zerstörerischen Selbstbezogenheit, um Gottes Willen tun zu können. Der Glaube drängt zur Tat; in der Liebe zu Gott und zum Nächsten erweist er seine Lebendigkeit. Gott macht uns für die Ursachen der gesellschaftlichen Missstände nicht verantwortlich, denn die meisten sind nicht die direkte Folge unserer Taten. Wir sind gefangen in einem grösseren Zusammenhang sündiger Strukturen. Doch wir laden Schuld auf uns, wenn wir das Fortbestehen der Missstände hinnehmen und nichts dagegen tun.

Doch was können wir konkret tun?

Ich möchte ein paar Gedanken skizzieren: Das wichtigste ist, dass wir beginnen – auch wenn es der berühmte Tropfen auf den heissen Stein ist! Am besten beginnen wir mit der Liebe. Liebe, Liebe, Liebe! Man muss kein Experte sein um zu lieben. Die Liebe ist durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen (Röm 5,5).

Wir haben auch eine politische Verantwortung. Salz und Licht sein heisst in unserer Zeit, auch am politischen Prozess teilzunehmen. Nichts tun heisst, die Dinge zu akzeptieren wie sie sind. Deshalb können wir Wahlen und Abstimmungen nicht ?den anderen? überlassen. Wenn sich unser Demokratieverständnis darauf beschränkt, zwischen 25 Zahnpastamarken im Supermarkt zu unterscheiden, müssen wir uns fragen, ob wir begriffen haben, wozu Jesus uns berufen hat.

Wir müssen auch kritisch uns selbst gegenüber sein und unseren Lebensstil hinterfragen. Sofern wir uns als überzeugte Christen verstehen ? spricht beispielsweise unser Konsumverhalten für unseren Glauben? Schwimmen wir mit oder sind wir eine Alternative? Wenn wir weniger unkritisch konsumieren würden, würde das die Marktordung verändern. Den Marktstrategen und Werbefachleuten würden graue Haare wachsen, denn sie fürchten nichts so sehr, als dass die Leute aufhören, sich von ihren hirnverbrannten Werbefeldzügen beeinflussen zu lassen. Stellen wir uns vor: Bei der Werbung schalten die Menschen einfach ab! Sollen die mit ihren Banalitäten doch wuchern ? uns kann es einerlei sein! Das würde etwas in Bewegung setzen. Die Frage ist: Wer macht den Anfang?


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Die Kraft der Gewaltlosigkeit

„Widerstehen, widerstehen, widerstehen“, mit diesen Worten haben diejenigen, die von den Medien als „Schwarzer Block“ bezeichnet werden, einige von ihnen dazu ermuntert, die Demonstration am 1. Juni aufzulösen: der eine durch den Angriff auf ein „Stück“ der Post, der andere durch den Angriff auf eine Bankfassade, der dritte durch den Angriff auf eine Tankstelle, der dritte durch den Angriff auf eine Bushaltestelle (und sofort von seinen Kameraden in Ordnung gebracht!), der dritte durch den Angriff auf ein Verkehrsschild.

Wir waren unter ihnen unterwegs; wir waren bei ihnen, um Worte auszutauschen, um die Anzahl der Munition zu begrenzen (Steine, die aus der Zerstörung einer niedrigen Mauer stammen, Holzstücke…), um uns zwischen sie und die anvisierten Gebäude zu stellen… (sehr nah an ihnen wie Basketballspieler!), die sie sprühen ließen, aber versuchten, uns einzuschalten, wenn das Projekt zu brechen war. Offensichtlich waren wir zu wenige. Aber wo griffen wir ein? Indem wir uns gegenseitig halfen, wenn ein Konflikt begann, entspannten sich die Dinge! Wir handelten individuell, aber das Wissen, dass andere in der Nähe waren, war wertvoll.

Eine Alternative zur sich wiederholenden Gewalt der Welt
Unter diesen teilweise maskierten oder vermummten Männern und Frauen, oft mit einem Stock in der Hand, manche mit einem Helm am Gürtel, fühlte ich mich immer sicher, auch wenn unsere Begleiter von immenser Wut und auch Hass erfüllt waren. Einer von ihnen sagte zu mir: „Deine Gewaltlosigkeit ist nutzlos. Wenn mein Großvater, der in den Minen arbeitete, uns nicht mit Gewalt bekämpft hätte, wären wir immer noch in dieser Sklaverei“. Ich maß das Privileg meiner Situation: eine andere Zukunft zu sehen als die sich wiederholende Gewalt der Welt.

Unsere kleine, für diesen Anlass geschaffene Hetero-Gruppe ging mit dem, was ich gerne als Schild des Vertrauens bezeichne, unterstützt durch die Gebete vieler, einige an unserem Hauptsitz in Genf, andere anderswo in der Schweiz und natürlich an tausend Orten in der Welt. Die Kraft der Kommunion ist eine Gnade.

Der Anblick von Kameras und Camcordern machte diese speziellen Demonstranten (ein wenig anders als die 70.000 anderen) wütend. Wenn sie eine Kamera sahen, die zu aufdringlich war, wären sie bereit gewesen, den Besitzer anzugreifen. Durch sie bekam ich einen Vorgeschmack darauf, worum es bei der Freiheit geht: mit unbedeckten Gesichtern zu gehen und mit diesen „schwarzen“ Schafen anzugeben, ohne sich Gedanken über die Polizeiakte zu machen, in die wir an diesem Tag geraten waren. Es spielte keine große Rolle. Die Hauptsache war, mit ihnen präsent zu sein, hier und jetzt.

Wenn man diese 150 Demonstranten von außen betrachtet, sieht man eine aggressive Gruppe, man stellt sich die Bedrohung vor, die sie darstellen, die Angst, die sie in uns wecken. Dabei hätte es an diesem Tag ausgereicht, einfach nur 100 friedliche Menschen in ihrer Mitte zu haben, die bereit waren, unter uns zu marschieren, dazu etwa fünfzehn Demonstranten, die sich im „Peace Keeping“ übten, und die Gewaltdynamik der Gruppe wäre nicht gelähmt, sondern aufgelöst gewesen! Ich bin mir sicher, dass es bei dieser Demonstration KEIN DEGAT gegeben hätte, von dem die Polizei absichtlich abgewichen wäre. Ebenso hätte vor den Vallard-Bräuchen die Anwesenheit von etwa hundert Personen zwischen der Prozession und den Raststätten, z.B. für Gewaltlosigkeit sensibilisierte Gymnasien, ausgereicht, um jegliche Plünderung zu vermeiden. Der Beweis. Am Vallard-Zoll, als alle Gebäude verglast waren. Keiner von ihnen wurde gebrochen, weil die anderen Demonstranten und der Organisationsdienst den effektivsten Schutz boten.

Eine erfolgreiche, aber begrenzte Mediation
Unsere Gruppe bestand noch aus sechs Personen, als wir in die Stadt zurückkehrten, auf der Rive-Seite. Dort kamen wir mitten in einer Konfrontation zwischen Polizei und Demonstranten an. Bei mehreren Gelegenheiten konnten wir mit dem Freiwilligen-Organisationsdienst und einigen parlamentarischen Beobachtern fruchtbar intervenieren. Das gab uns einen kleinen Anflug von Stolz… bevor wir zu einem anderen Hot Spot zogen und mit Ausdauer und Geduld wieder von vorne anfingen.

Ganz in der Nähe der Demonstranten und Provokateure (oft Jugendliche) platziert, hatten wir wieder privilegierte Momente des Austauschs. Als ich ihn fragte, warum er das tat, drehte einer von ihnen seinen Freund um. Auf seinem T-Shirt war auf Englisch zu lesen: „Ich sterbe lieber im Stehen als auf den Knien zu leben. “ Worauf ich antwortete: „Dem stimme ich zu. Das ist der Grund, warum ich hier vor Ihnen stehe. „In ihrer herzzerreißenden Wut berührten sie mich und meine eintägigen Begleiter. Und mein Ekel ging an die Pseudo-Badasses, die dort als Voyeure standen, Punkte zählten und ihre Hände in Unschuld wuschen von der Gewalt, zu der sie durch ihre Anwesenheit beitrugen.

Als die Bereitschaftspolizei (die immer hinter unserem Rücken war!) mit ihren Schallbomben, Farbkugeln usw. anrückte, ging der Abend in eine dritte Phase über, nämlich die der Straßenkämpfe. Da wir uns nicht mehr zurechtfanden, beschlossen wir, uns mit einem Umweg über den (potentiell heißen) Bahnhof auf den Weg zu machen und bedauerten nur ein paar Kratzer und Farbflecken! Da wir keine Mittel mehr hatten, um eine fruchtbare Aktion durchzuführen, überließen wir die niedrigen Straßen der Gewalt der einen und der anderen.

Wenn man die Zeitungen liest und die Kommentare im Radio/TV hört, scheint unsere Aktion (und die der Freiwilligen der Organisation) nutzlos gewesen zu sein. Es wurde nicht einmal erwähnt! Aber jeder von uns (insgesamt zehn Personen) konnte – einige zum ersten Mal, andere wieder – die STÄRKE der Gewaltlosigkeit erleben.

Für mich besteht die Bilanz des Tages nicht in Millionen von Franken und auch nicht in Polizeitaktiken, sondern in der Zahl der privilegierten Beziehungen, die auf persönliche und intensive Weise in wenigen Augenblicken mit dem einen oder anderen anonymen Gesprächspartner geknüpft werden und jede andere Sorge als dieses Herz zu Herz auslöschen. Unser Handeln wird durch die (manchmal irritierte) Interpellation gerechtfertigt, die unsere friedliche Intervention provoziert hat, allein durch unseren Körper, die bloßen Hände und das unbedeckte Gesicht. Wir werden nie wissen, was aus diesen gemeinsamen Momenten aufkeimen wird.

Mehr denn je geht es darum, der Gewalt zu widerstehen? auch Sie widerstehen der Gewalt und diesem Gefühl der Unsicherheit, der Ohnmacht, das die Welt (der Macht/Medien) in uns kultiviert und wachsen lässt mit dem okkulten Projekt von CASSER? dem vitalen Moment unserer Hoffnung.

Marie-Laure Ivanov, Lausanne, Juni 2003