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Herausforderungen für die freikirchlichen Christen

 

Viele Freikirchen sind eher apolitisch. Politik und gesellschaftliches Engagement wird aus verschiedenen Gründen vernachlässigt:

 

 

  • Es herrscht die Idee vor, die Welt gehe sowieso bald zugrunde, warum also sich noch um Politik, Gesellschaft und Veränderungen kümmern? Schon immer glaubten die Christen, das Weltende sei nahe. Die zunehmende weltweite Verunsicherung durch die kulturellen Veränderungen verstärken natürlich die Ängste. Doch auch wenn das Weltende durch die Erfüllung verschiedener biblischer Prophetien näher gekommen ist, so haben wir keinen Grund, einfach anzunehmen, das Weltende stehe vor der Tür. Wir glauben, dass es uns nicht zusteht, den Zeitpunkt des Weltendes zu kennen oder ihn zu interpretieren (Mat. 24.36: «Von jenem Tag aber und jener Stunde weiss niemand, auch nicht die Engel in den Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein.»). Es steht auch geschrieben, dass Christus sehr plötzlich wiederkommt. Solange das Weltende also nicht da ist, solange sind wir aufgefordert, Gottes Wort ernst zu nehmen und uns für unsere Nächsten einzusetzen, sei es in Politik oder Gesellschaft.
  • Gewisse Kirchen lehren auch, wir seien nicht von dieser Welt. Dies stimmt zwar, aber die Bibel lehrt uns auch, dass wir IN dieser Welt sind (Joh. 17,14-19). Und sie lehrt uns auch, dass wir unseren Nächsten Gutes tun sollen, ob sie nun Christen sind oder nicht (vgl. z.B. die Geschichte des barmherzigen Samariters).
  • Wir kümmern uns oft nur um das eigene Seelenheil und nicht um unseren biblischen Auftrag der Nächstenliebe. Natürlich ist die Beziehung zu Gott zentral in unserem Glaubensleben, aber die Bibel lehrt uns auch, dass ein Glaube, der keine Werke hervorbringt, tot ist (Jak. 2,17).
  • Das gesellschaftliche Engagement hat sich bisher oft auf Diakonie beschränkt. Diakonie ist gut, aber Diakonie alleine genügt nicht. Allzu oft ist Diakonie nur ein Pflästerchen, ohne aber die Ursachen zu beheben. Wir sollten ungerechte Strukturen ändern statt nur den Opfern dieser Strukturen zu helfen.
  • Das politische Engagement von Freikirchen hat sich bisher oft auf moralische Themen wie Abtreibung, Homosexalität etc. beschränkt. Die Bibel fordert uns aber auf, weiter zu gehen und das Wohl des Nächsten umfassend zu suchen. Gewisse kirchliche Kreise lehnen dies ab, indem sie Theorien des Wohlstandsevangeliums vorschieben. Demnach brauche man nur richtig zu glauben, und man werde materiell gesegnet. Möglicherweise sind hier noch calvinistische Prädestinationstheorien in den Köpfen, nach denen wir durch unseren Arbeitserfolg sehen, ob wir errettet sind oder nicht. Natürlich verspricht uns Gott Segen, aber die Idee, man brauche deshalb keine soziale Gerechtigkeit und keine Unterstützung der Schwachen, steht voll im Widerspruch zur biblischen Lehre. Schon im alten Testament klagen die Propheten über das Volk Israel, über die Bedrängung und das Elend der Armen und Schwachen wegen der Hartherzigkeit der Israeliten. In Matthäus 25 erklärt Jesus, wonach gerichtet werden wird: die Solidarität mit den Armen, Schwachen, Gefangenen usw. Nicht umsonst haben die Urchristen alles geteilt (Apg. 4,32).

 

Die Freikirchen stehen heute vor verschiedenen Herausforderungen

 

Über moralische Themen hinaus denken:

Das Engagement für moralische Themen ist gut, aber es genügt nicht. Ebenso haben wir den Auftrag, uns für Gerechtigkeit und für die Schwachen einzusetzen: « Schaffet Recht dem Geringen und der Waise, dem Elenden und dem Bedürftigen lasst Gerechtigkeit widerfahren » (Ps. 82,3.4) und « Öffne Deinen Mund für die Stummen, für den Rechtsanspruch aller Schwachen . » (Spr. 31,8.9)

 

Gerechte Strukturen statt nur Diakonie:

Aus dem oben Gesagten ist auch ersichtlich, dass es nicht genügt, in diakonischem Engagement Wunden zu pflegen, sondern dass auf politischer und gesetzlicher Ebene die Ursachen bekämpft werden müssen. Dies kann zum Beispiel heissen:

  • Mehr Teilen: Ist es normal, dass Leute mit vollem Arbeitseinsatz nicht von ihrem Lohn leben können?
  • Arbeit für Schwache und soziale Sicherheit: Ist es normal, dass Leute, die von keiner Firma engagiert werden, weil sie zu wenig Fähigkeiten haben oder psychisch/körperlich angeschlagen sind, in Armut leben müssen?
  • Chancengleichheit: Ist es normal, dass die Chancengleichheit in der Bildung durch Privatisierungen und Abbau von Stipendien für Kinder einkommensschwacher Eltern mehr und mehr zerstört wird und gewisse Kreise dann behaupten, jeder könne alles selber erreichen?
  • Macht: Ist es normal, dass Kreise, die viel Geld haben, über Abstimmungs- und Wahlwerbung, über Besitz von Medien und über Lobbying in Parlament und Kommissionen viel mehr Einfluss in der Politik und in der Gesetzgebung haben als die « Geringen und Elenden »?

 

Vorurteile hinterfragen:

  • ?Die Ausländer werden bevorzugt, und die Schweizer sind die ?Neger??: Ausländer haben im Durchschnitt ein viel tieferes Bildungsniveau, wodurch sie durch Arbeitslosigkeit und nachfolgende Fürsorgeabhängigkeit auch überdurchschnittlich getroffen werden. Das Vorurteil, die Ausländer nützen uns aus, ist schlicht nicht haltbar.
  • ?Die Ausländer sind krimineller als die Schweizer?: Insgesamt sind Ausländer zwar überdurchschnittlich an der Gesamtzahl der Straftaten beteiligt. Bei detaillierter Berechnung wird aber klar, dass dies nur deshalb der Fall ist, weil unter den Ausländern der Anteil von jungen Männern viel höher ist als unter den Schweizern. Kriminalität geht in allen Kulturen vor allem auf das Konto junger Männer, weshalb es so aussieht, als seien die Ausländer besonders kriminell. Wenn man aber die Alterskategorien und die Geschlechter einzeln vergleicht, sind die Ausländer nicht krimineller als die Schweizer!
  • ?Die Leistungsempfänger werden durch den Sozialstaat entmündigt?: Auch hier müssen wir genauer hinschauen, denn es ist nicht damit getan, die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Die Meisten der Arbeitslosen und Fürsorgeabhängigen finden tatsächlich keine Arbeit, und es ist gar nicht anders möglich, als sie zu unterstützen und ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Statt hier abzubauen, bräuchte es gar zusätzliche Bildungsunterstützung, um diese Menschen wieder zu integrieren.

Wir müssen also bereit werden, genauer hinzusehen und uns für die Menschen wirklich zu interessieren, bevor wir Urteile fällen. Es ist allzu leicht und angenehm, zu sagen, die Nächsten seien an ihrem Schicksal selber schuld, denn dies entlastet uns von unserer Verantwortung und vom Teilen?

 

Echte Unterstützung statt moralische Imperative:

Es genügt nicht, uns zum Beispiel gegen Abtreibung und Kriminalität, für Ehe und Familie, für Eigenverantwortung usw. auszusprechen. Wir müssen auch unseren Teil der Verantwortung übernehmen und diese Postulate überhaupt ermöglichen bzw. die betroffenen Leute dahingehend unterstützen:

  • Abtreibung: Wie setzen wir uns ein, dass Leute in finanziellen oder personellen Notlagen nicht abtreiben müssen? Gibt es flächendeckend finanzielle Beihilfen, psychologische Unterstützung und Kinderkrippen? Oder werden solche nötigen Schritte wieder von der Angst abgewürgt, dass gewisse Frauen dies missbrauchen könnten, um vaterlos Kinder aufzuziehen?
  • Kriminalität: Wie setzen wir uns ein, damit die Ursachen von Kriminalität (grosse soziale Differenzen, Dauerberieselung mit Werbung und gleichzeitiger Chancen- und Aussichtslosigkeit für gewisse Schichten) angegangen werden und nicht nur einfach die « Bösen » ins Gefängnis kommen (und dann wieder alles gut sein soll)?
  • Ehe und Familie: Neben aller Freude sind Kinder kostspielig und stürzen Familien in finanzielle Notlagen, vor allem dann, wenn nicht beide Partner arbeiten können. Wie setzen wir uns ein, damit die Löhne genügen, damit Familie überhaupt möglich wird? Es genügt nicht, die Steuern für Familien zu senken, vor allem dann, wenn es so gemacht wird, dass die einkommensschwachen Familien praktisch nichts davon haben, wie es das Parlament nun vorsieht (siehe Artikel dazu auf ChristNetOnline). Wie setzen wir uns ein, wenn die Arbeits- und Ladenöffnungszeiten völlig dereguliert werden und Familien dadurch auseinander gerissen werden?
  • Eigenverantwortung: Was tun wir dazu, um echte Chancengleichheit herzustellen und die Arbeitslosen und Fürsorgeabhängigen zu stärken?

 

Für die Schweiz, aber nicht auf Kosten der anderen Länder und Menschen:

Es ist ja schön, dass wir uns vornehmen, für unser Land zu beten und zu sorgen. Verfallen wir aber nicht der Annahme, dass alles, was für unser Land gut ist, auch vor Gott gut ist. Allzu oft haben wir die Tendenz, Gründe zu finden, dass allgemein gut ist, was für unser Land gut ist. Dies gilt es zu hinterfragen. So müssen wir uns ehrlich Gedanken machen z.B. über das Bankengeheimnis, Waffenexporte und die Tendenz, über Ungerechtigkeiten zu schweigen, damit Wirtschaftsbeziehungen nicht gefährdet werden.

 

Eigeninteressen:

Wir haben die natürliche Tendenz, Theorien, die für uns angenehm sind, eher zu glauben als unangenehme. Wir müssen uns deshalb bewusst werden, welche Eigeninteressen hinter unseren Ansichten stecken könnten. Sind wir bereit, auch gegen unsere eigenen Interessen zu stimmen? Und gegen die Vorteile und Interessen unserer Gemeinde, unseres Kantons oder unseres Landes gegenüber dem Nachbarn (z.B. im « Kampf um reiche Steuerzahler »)?

Achten wir beim Wählen und Abstimmen auch darauf, welche Interessen (meist finanzieller Art) hinter welchen Positionen stehen.

 

Alles dem Mammon?

Scott Mac Leods Prophetie « Missionare der Barmherzigkeit » (siehe Artikel auf ChristNetOnline) trifft unseres Erachtens ins Schwarze. Wir opfern persönlich und politisch den Interessen des Mammon zu viel, ohne es zu merken: unsere Werte, unsere Familien, unsere Sonntage, unsere Liebe und Solidarität. Geben wir der Macht des Mammons noch mehr Raum? Wir sind aufgefordert, uns entscheiden, wem wir dienen wollen, dem Mammon oder Gott. Wir haben die Chance, als Volk und Kirche von Söldnern des Mammons zu Söldnern der Barmherzigkeit zu werden.

 

Wir stehen vor grossen Herausforderungen. Aber Gott hilft uns dabei.


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Die Abhandlung „Der entzauberte Markt“ des St. Galler Wirtschaftsethikers Peter Ulrich trifft den Nerv der Zeit. Es handelt sich nicht nur um „ein Bisschen mehr Ethik in der Wirtschaft“, sondern um die Frage, wer eigentlich heute unsere Werte und damit unsere Gesellschaft bestimmt. Insofern hat das Buch auf überraschende Weise mit unserem Glauben zu tun.

 

Anhand der eigentlich humanistischen Begriffe „Vernunft, Freiheit, Fortschritt“ zeichnet Peter Ulrich nach, wie das Primat der Wirtschaft das Primat der Gesellschaft verdrängt hat. Der Ökonomismus ist die stärkste Ideologie unserer Zeit geworden. Er gibt sich wertfrei, obwohl er gewisse Werte voraussetzt. Er glaubt, für das Wohl aller zu sorgen, obwohl immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. Wichtige Gründe dafür sind einerseits durch globale Konkurrenz geschaffene Sachzwänge, auf der anderen Seite der Glaube an die Metaphysik des Marktes. Dahinter steht nämlich der Glaube an Adam Smith’s „Unsichtbare Hand (Gottes)“ und die Wohltätigkeit des per Definition egoistischen „Homo oeconomicus“. Diese Grundlagen führen uns zu unserem eigenen Glauben zurück: An wen und was glauben wir? Welches Menschenbild haben wir?

 

Der Ökonomismus bestimmt heute unsere Werte. Das Weissbuch der Schweizer Wirtschaft forderte uns gar zu einer individuellen, fundamentalen Mentalitätsveränderung hin zu mehr Konkurrenz auf. Im Überlebenskampf des härter werdenden Wettbewerbs wird es für die Unternehmen und die Einzelnen aber immer schwerer, noch bestehende ethische und moralische Standards einzuhalten.

 

Hier stellt Ulrich die Frage, welche Werte und welche Gesellschaft wir eigentlich wollen. Er fordert, dass die Wirtschaft wieder an ihre ursprünglichen Platz innerhalb der Gesellschaft zurückkehren soll und dass die Gesellschaft, also die Gesamtheit der Bürger, auf demokratische Weise selber entscheiden muss, wie sie die Gesellschaft und das Zusammenleben gestalten will.

 

In diesem Sinne stellt Ulrich das Modell des „republikanischen Wirtschaftsethos“ vor, wo sich das Handeln nicht am Modell des Homo Oeconomicus, sondern an seiner Gesellschaftsverträglichkeit legitimiert. Dieser Ethos umfasst das individuelle, das unternehmerische und das politische Handeln. Als Hilfsmittel fordert er „Sachzwangbegrenzungen“, das heisst Regelwerke auf nationaler und internationaler Ebene, die es dem Einzelnen, den Unternehmen und den Staaten zumutbar machen, ethisch zu Handeln. Sicher ein wichtiger Ansatz, aber als Christen würden wir sagen, er ist notwendig, aber nicht hinreichend. Hier hätte ein christlicher Autor noch weitere Elemente zur Hand.

 

„Der entzauberte Markt“ ist eine wichtige, sorgfältige , wenn auch manchmal etwas akademiche Analyse der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und auch Glaube, und zeigt gleichzeitig gangbare Handlungswege auf.

 

Ulrich, Peter: „Der entzauberte Markt“; Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag, 2002. Gebunden, 222 Seiten. ISBN 3-451-27935-5

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Für viele genügt die Tatsache, dass ein Mensch jüdischer Abstammung ist, um etwas Besonderes aus ihm zu machen. Wenn einer dazu noch aus Jerusalem kommt, dann lassen sich damit Kirchen und Hallen füllen. Ais Jude kann man ein Objekt religiöser Bewunderung werden. So wie einige den Staat Israel und das Land schon fast religiös verehren.

Jeff Spivak, Pastor einer messianischen Gemeinde in Israel, sagte einmal: ?In der gegenwärtigen Landsituation müssen bibelgläubige Christen einen prophetischen Standpunkt einnehmen und endlich die Anbetung Israels aufgeben.?

Mir sind drei Problemfelder aufgefallen, bei denen ich den Eindruck habe, dass hinter der Israelliebe die biblische Nüchternheit fehlt. Nach den fatalen Folgen des Antisemitismus und dem Schrecken des Holocaust sollten wir bedenken, dass es in der Geschichte oft nur ein kleiner Pendelschlag vom Philosemitismus (Judenfreundschaft) zum Antisemitismus (Judenhass) war, wie das auch bei dem Reformator Martin Luther zu erkennen ist.

 

Zurück zum Judentum

Kürzlich war in einer christlichen Zeitung zu lesen, dass Israel als Bundesvolk Gottes unabhängig von seiner Beziehung zu seinem Messias Jesus von Nazareth gerettet werde. Als Beweis dafür diente Offb. 21 ,12, wo es heißt, dass die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels im himmlischen Jerusalem neben den Namen der zwölf Apostel des Lammes eingeschrieben sind. Es herrscht die Vorstellung, dass Gott zwei Wege des Heils anbiete: Einmal den Weg für die Juden über das orthodoxe Judentum und zum anderen den Weg für die Völker über den Glauben an Jesus ais Heiland. Dabei wird alles, was jüdisch ist, besonders verehrt. Doch das unmittelbare Heil für Juden in Jesus Christus wird verschwiegen. Petrus sagte damals zu den jüdischen Rabbinern (Apg. 4, 12): ?Es ist in keinem anderen das Heil, ? durch den wir gerettet werden?. Manch ein Christ ist inzwischen zum Judentum übergetreten, weil er denkt, dadurch Gott näher zu sein.

 

Mittel zum Zweck

Die zweite Form einer Überbetonung Israels liegt in einer egoistischen Heilserwartung, in der die Juden nur ein Mittel zum Zweck sind. Aufgrund der Rückkehr der zerstreuten Juden in das Land der Väter und der beginnenden Erfüllung von Hesekiel 37 wächst die Erwartung, dass die Wiederkunft des Herrn unmittelbar bevorsteht. Lasst uns die Ärmel hochkrempeln und Israel segnen, damit der Herr wiederkommt und WIR gesegnet werden. Der Einsatz für die Juden ist bewundernswert, doch es besteht die Gefahr, dass die Juden ein Mittel zum Zweck werden. Paulus und Mose traten mit einer selbstlosen Haltung für Israel ein.

 

Persönliche Schuldgefühle

Die dritte Form einer problematischen Israelliebe entsteht aufgrund persönlicher Schuld an Juden. Oftmals habe ich Momente erlebt, in denen deutlich wurde, dass sich vor allem ältere Menschen aufgrund enormer Schuldgefühle für Juden und für Israel einsetzen, ohne die eigene Vergangenheit aufgearbeitet zu ha ben. Nur durch die Vergebung in Jesus werden innere Wunden geheilt, nicht durch Aktivitäten und Verdrängung.

 

Wir brauchen eine biblische Nüchternheit

Es ist schwierig, wenn Juden übernatürlich im Mittelpunkt stehen. Wenn sie dann nicht wie gewünscht reagieren, ist die Gefahr gross, dass sie abgelehnt werden. Daher sind Juden oft skeptisch gegenüber all der Israelliebe. In der Geschichte des Judentums gab es immer wieder Epochen der Begeisterung, dann der Bedrängung und später der Bedrückung, und am Ende stand die Vernichtung. Eine übertriebene Israelliebe ist oft von einem nationalistischen Israel-Denken geprägt. Man ist pauschal für Israel und kontra Araber. Man sieht nur das Kollektiv und nicht das Individuum. Oft werden pauschale Aussagen gemacht.

 

Wir brauchen eine biblische Nüchternheit, die Folgendes festhält:

1.     Rettung geschieht allein aus Glauben (Apg. 4,12). Allein im Namen Jesu liegt die Rettung für Juden (Rom. 10,12-13).

2.     Es gibt in der Orthodoxie keine persönlich erfahrbare Vergebung von Schuld, egal wie streng religiös jemand lebt. Vergebung geschieht allein aus Glauben (1.Joh.1,7-9).

3.     Der Auferstandene hat uns beauftragt, allen Menschen Zeugnis von ihm abzulegen (Rom.10,14).

4.     Wir leben aus der Gnade des Neuen Bundes. Gott schenkt uns durch sein Opfer Gerechtigkeit (Hes. 36,2627; Jes. 61,10; Jer. 31,31).

5.     Die Bedeutung Israels liegt in seiner Beziehung zum Messias. Daher ist alles Engagement an Unterstützung und Begleitung von Israel und den Juden nur dann sinnvoll, wenn es zum Ziel hat, dass Israel wieder zu seinem Gott der Väter und seinem Messias zurückkehrt.

 

Jurek Schulz

Aus: Messianisches Zeugnis. AMZI ? Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel. Reinach: Juli/August 2003. www.amzi.org

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Hinter den Schlagzeilen aus dem Nahen Osten stehen Menschen. Doch neben denen, die mit ihrem Hass Schlagzeilen machen, gibt es auch die Suchenden. Christliche Palästinenser und messianische, an Christus gläubige Juden finden sich im Bestreben, ihren Landsleuten durch das Evangelium neue Perspektiven zu eröffnen. Das Missionswerk amzi (Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel, mit Sitz in Reinach bei Basel) unterstützt Kurse für suchende Menschen, eingeschlossen Moslems. Hier ein Bericht aus der neusten amzi-Zeitschrift über einen Kurs von Lech Lecha (=Brot für dich), bei dem es um die Einübung des Lebens mit Christus ging.

Der vierte dreimonatige Jüngerschaftskurs von Lech Lecha ist vor kurzem zu Ende gegangen. Wir sind dem Herrn sehr dankbar für seine Segnungen, die wir auf allen Ebenen erfahren durften. So hatten wir diesmal sieben Teilnehmer im Alter von 20 bis 24 Jahren. Die meisten von ihnen kamen direkt nach ihrem obligatorischen Armeedienst zu uns.

Drei Teilnehmer hatten erst kürzlich eine Beziehung mit Jeschua (Jesus) begonnen und es war ein besonderer Segen, an den Veränderungen teilzuhaben, die diese jungen Leute am Anfang ihres Glaubenslebens durchmachten. Das Wort Gottes hat Kraft, Herzen zu verändern!

Diese Veränderung und Liebe Jesu unter uns wurde auch sichtbar für unsere Umgebung. So sagte uns zum Beispiel Eiman, ein arabischer Moslem, dass es gerade die Liebe der Teilnehmer des Kurses war, die ihn dazu bewegte, sein Leben zu ändern.

Wir trafen ihn in Latrun während der Anfangsphase unseres Kurses, als er dort gerade mit Hilfe von Christen eine Drogen-Entzugskur durchmachte. Eiman ist 25 Jahre alt. Er war drogensüchtig und in kriminellen Bahnen. Heute, gut drei Monate später, ist er frei von Drogen und sein Herz sprudelt nur so, wenn er anderen von Jesus erzählt!

Da die Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Familien stammten, suchten wir während der Zeit des Kurses den Kontakt zu ihren Verwandten. An einem Grill-Abend baten wir Nagib, einen befreundeten arabischen Christen, den geladenen Eltern und Freunden der Teilnehmer zu erzählen, wie er zum Glauben an Christus kam und was sich dadurch veränderte.

Eine Mutter hatte anschliessend Tränen in den Augen und sagte, sie wolle mit Nagib und seiner Frau in Kontakt bleiben. Die Liebe Gottes überbrückt alle kulturellen und politischen Unterschiede!

 

Quelle: amzi

Webseite der Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel: www.amzi.org

 

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Im 19. Kapitel des Propheten Jesaja hat Gott verheissen, den Nahen Osten zu einem Zentrum des Segens zu machen. Welcher Strategie er sich dazu bedient, ist das Thema dieses Lehrteils, der dritten Folge von „Der Islam und seine Beziehung zu Israel und der Gemeinde“.

 

Die Situation im Nahen Osten und die Beziehung zwischen Juden und Arabern ist heute durch den israelisch-palästinensischen Konflikt zum Inbegriff von Unversöhnlichkeit, Hass und Gewalt geworden. Weltweit fliesst in Hunderten von Konflikten und gewalttätigen Auseinandersetzungen oft viel mehr Blut. Aber der Nahost-Konflikt ist für die Welt zu dem Konflikt geworden, der alle Gemüter bewegt; und jeder, gefragt oder ungefragt, fühlt sich zu einer Stellungnahme gemüssigt. Dieser Konflikt hat schon viele israelische, arabische und internationale Friedensbewegte, Regierungschefs, Politiker und sonstige Vermittler an den Rand ihrer Kräfte, Fähigkeiten und Möglichkeiten gebracht; leider ohne bleibende Erfolge. Der einzige, der durch einen unglaublich mutigen Schritt eine Art von Erfolg verbuchen konnte, hat dies mit seinem Leben bezahlt: Der frühere ägyptische Präsident Sadat schloss 1979 mit Israel Frieden und wurde durch seine eigenen Leute umgebracht. Sein Erfolg ist durch die Jahre schleichend wieder rückgängig gemacht worden.

 

Laut einer Umfrage in Frankreich gilt zur Zeit der Irak als die grösste und Israel als die zweitgrösste Bedrohung für den Weltfrieden. Es wird gesagt, der Nahost-Konflikt habe das Potential, die ganze Welt zum Explodieren zu bringen. Das liegt kaum daran, dass Israel und der Irak Atom- bzw. chemische Waffen besitzen, denn das tun Länder wie Indien und Pakistan auch. Und deren Hass aufeinander ist nicht kiemer als der zwischen Juden und Arabern. Der Umgang mit dem Nahost-Konflikt in Bezug auf das persönliche und emotionelle Engagement des Einzelnen wie der Weltgemeinschaft ist einzigartig. West- und Osteuropäer, Amerikaner, Asiaten und Afrikaner tanzen auf den verschiedensten politischen Bühnen um diesen Konflikt herum und versuchen, sich mit Lösungsvorschlägen zu überbieten, ohne dass bisher ein Lösungsvorschlag gegriffen hätte.

 

Stolperstein Jerusalem

Jede Versöhnung, jede Friedensinitiative zerschellt an der Tatsache, dass sowohl das jüdische Volk als auch der Islam ihre Identität, ihr Zuhause und ihr Erbe mit Jerusalem verbinden, konkret mit dem Tempelberg als Ort der Gottesoffenbarung. Für Juden und Moslems ist es unmöglich, diesen Platz an den ändern abzutreten, ohne sich selbst aufzugeben. Jerusalem ist für die Moslems nicht etwa nur, wie viele im Westen denken, die drittheiligste Stadt. Dazu seien im Folgenden nur einige wenige Gründe genannt.

 

Etwa 18 Jahre nach der Etablierung des Islams in Medina wurde Jerusalem unter dem Kalifen Omar, dem Nachfolger Mohammeds, eingenommen. Der damalige Bischof von Jerusalem, Patriarch Sophoronius, übergab Omar den Tempelberg als Ort für den Bau einer moslemischen Gebetsstätte (Moschee). Zu jener Zeit war der Tempelberg von den Christen zu einem Abfallberg gemacht worden, um die weitverbreitete Lehre der Verwerfung des jüdischen Volkes durch eine bewusste Entweihung seiner heiligen Stätten darzustellen. Omar liess den Tempelberg reinigen und baute die AI Aksa Moschee in Anlehnung an Sure 17, die besagt, dass Mohammed in einer Nacht auf seinem geflügelten Pferd (AI Burak) zu der „entfernten Gebetsstätte“ (AI Aksa) ritt und von da in den Himmel entrückt wurde, um von allen Propheten zu ihrem Haupt eingesetzt zu werden. Das konnte nicht in Medina oder Mekka geschehen; denn nur Jerusalem war die Stadt der Propheten. Daher neigten sich die ersten Moslems beim Gebet nach Jerusalem, nicht nach Mekka. Die spätere Ausrichtung nach Mekka musste im Koran durch eine spezielle Offenbarung bewilligt und gerechtfertigt werden; es handelte sich dabei eigentlich um ein politisches Manöver, um Mekka, das schon vorislamisch die Zentrale der Macht in Arabien war, unter die Herrschaft des Islams zu bringen.

 

Die Bedeutung Jerusalems für den Islam und das Judentum

Jerusalem nimmt aber für das islamische Endzeitgeschehen eine zentrale Rolle ein. Jerusalem ist für den Islam die Stadt der Propheten und der Offenbarung Gottes. Sie ist nicht zufällig als einzige Stadt in der islamischen Welt „Al Quds“, die Heilige, genannt. Wer sie besitzt, gehört zu den Nachfolgern des Propheten, zu den Erwählten Gottes, zu den Rechtgläubigen, zu den Menschen, welchen Gott seine Herrschaft über diese Welt anvertraut hat. Für das jüdische Volk bedeutet Jerusalem schlicht die Mitte, den Ursprung und die Erfüllung seiner Identität und seiner Bestimmung als Volk und Nation. Darum wird seit zweitausend Jahren immer wieder am Ende von Pessach von allen Juden ihre Sehnsucht zum Ausdruck gebracht im Wunsch und Gebet: „Nächstes Jahr in Jerusalem.“ Wenn von Jerusalem die Rede ist, spreche ich vom Tempelberg; dem Ort, auf welchem der Tempel Salomos stand, bei dessen Einweihung der Gott Israels in seiner Heiligkeit herniederkam und den Ort für alle Zeiten heiligte, indem er erklärte: „Mein Herz soll für alle Zeiten an diesem Ort wohnen“ (1. Kön. 8, 10-11, und 9, 3). Israel ist berufen, in der Gegenwart seines Gottes zu leben und ihm ein Volk von Priestern und ein Licht für die Nationen zu sein. Es kann nicht anders zur Ruhe, zum Frieden und zur Erfüllung seiner Bestimmung kommen ausser durch die Rückkehr in die Gegenwart Gottes, durch „Aliya“ (=Hinaufziehen; im modernen Hebräisch das Wort für Einwanderung der Juden nach Israel), d.h. das Hinaufziehen zum Tempel, auf den Tempelberg, in die Gegenwart Gottes. Gott hat die Berufung und das Erbe Israels an dieses Land und speziell an diesen Ort gebunden.

 

Die Berufung Israels

Die Berufung Israels ist es, in und durch die Offenbarung Gottes zu leben, um diese der Welt zu bezeugen; aus der Gegenwart dessen, der das Licht der Welt ist, den Völkern das Licht zu bringen: „Mache dich auf, werde licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn strahlt auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker; doch über dir strahlt auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir, und Völker strömen zu deinem Lichte, und Könige zu dem Glanz, der über dir aufstrahlt“ (Jes. 60,1-3). Auch wenn ein Grossteil des jüdischen Volkes und des Staates Israel heute noch nicht zu diesem Licht durchgedrungen ist, noch nicht in die ihnen verheissene Gegenwart Gottes eingetreten ist, so ist doch Gott am Werk, Israel als Volk und Nation wiederherzustellen, um es in sein Erbe einzuführen, damit an ihm und durch es seine Herrlichkeit offenbart und sein Name unter den Völkern geheiligt werde.

 

Es geht aber nicht um Israel an sich, sondern um Israel in Bezug auf die Ehre Gottes und das Heil für die Völker (Ez. 36,31-38). Doch Israel kann nur in seine Berufung hineinkommen an dem Ort und in dem Land, das Gott dafür bestimmt hat. Land und Volk gehören nach dem Wort Gottes so sehr zusammen, dass der Zustand der Zerstreuung, des Lebens ausserhalb des Landes Israel für das Volk Israel einen Zustand des Gerichts und der Gottesferne darstellt. Wenn das jüdische Volk seine Identität und Bestimmung als Volk nicht verlieren und aufgeben will, – und Volk ist es nur als Volk Gottes muss es zurückkehren nach Israel, nach Zion, nach Jerusalem. Denn nur da wird Gott seinem Volk als Volk begegnen: „… .und sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“ (Sach.12,10).

 

Die Wurzeln des Nahost-Konflikts

Hier liegen die unlösbaren Wurzeln des Nahost-Konflikts. Die Nationen und oft ein Teil der israelischen Führung selbst betrachten den Konflikt als ein politisches, ethnisches, menschliches und kulturelles Problem, das mit vernünftigen Lösungen und Kompromissen zu lösen wäre. Dabei erfahren sie aber den Sisiphus-Charakter ihrer Bemühungen, ohne zu erkennen, dass es um mehr geht als um das Ringen zweier Völker um den gleichen Lebensraum, um historische Rechte und Unabhängigkeit. Es ist der Kampf um Identität und Bestimmung, der Kampf um die Erwählung und das Erbe. So zentral Jerusalem für das jüdische Volk und die Erfüllung der biblischen Verheissung ist, so zentral ist es für den Islam, der unmissverständlich bekennt und festhält, dass Gott die islamische Gemeinschaft mit der letzten und endgültigen Offenbarung der Wahrheit gewürdigt und berufen hat, die Welt unter die Herrschaft des Islams zu bringen. Jerusalem, die Stadt der Propheten, ist ein unaufgebbares Symbol der islamischen Herrschaft. Für den Islam gibt es keine grössere Infragestellung seiner Identität und seiner Herrschaft, als diese Stadt in den Händen von Juden zu wissen, die doch nach dem Koran und islamischer Überlieferung als ein verworfenes Volk | gelten, welches unter dem Fluch Gottes steht. Die Herrschaft über den Tempelberg ist Symbol und Legitimation, sich als Gottes Volk erwählt zu wissen und seine von ihm berufenen Zeugen zu sein. Nach dem Koran gibt es keine Zweifel, dass diese Erwählung durch Abraham und Ismael den Moslems, allen voran dem arabischen Volk allein gilt. Versöhnung mit Nicht- , Moslems gibt es nicht.

 

Die Sicht der Bibel

Die Sicht der Bibel ist anders. Nach Jes. ‚ 19, 24-25 verheisst Gott durch seine Propheten, dass der Tag kommen wird, an dem er Ägypten, Assur (Assur umfasste damals die heutige arabische Welt des Nahen Ostens) und Israel durch sein Gericht reinigt, ihren Stolz bricht, sie miteinander versöhnt und zusammen verbindet, um sie gemeinsam zu einem Segen auf Erden zu machen. Gott hat das Unvorstellbare in Aussicht gestellt, nämlich dass Länder wie Syrien, Irak, Saudi-Arabien und Ägypten dereinst mit Israel einen Bund schliessen werden, der nicht nur für sie selbst, sondern für die ganze Welt zum gen wird. Und Gott macht keine leeren Worte! In 4. Mose 23,19 heisst es: „Gott ist nicht ein Mensch, dass erlüge, nicht Menschenkind, dass es ihn reue. Sollte er wohl reden und es nicht tun, sollte er etwas künden und nicht erfüllen?“ Die Verheissung Gottes, den Nahen Osten zum Segenszentrum zu machen, hat mit der Treue Gottes gegenüber Abraham zu tun. Den arabischen Völkern als Nachkommen Ismaels, des Sohnes Abrahams nach dem Fleisch, ist um Abrahams willen Segen verheisseb (1.Mose 21,13-20). Segen heisst immer Lebensfülle, Fruchtbarkeit in allen Lebensbereichen, Friede, Freiheit, Heil. Ägypten war nicht nur das Sklavenhaus Israels, wofür sie Gericht erfahren haben, sondern auch ein Ort der Zuflucht für Abraham, Joseph, Jakob und nicht zuletzt für den Messias selbst. Nicht zu vergessen, dass sich der Pharao zur Zeit Josephs von Jakob segnen liess; eine Demutshaltung, um derentwillen Gott trotz aller Gerichte Ägypten mit hineinnimmt in die besondere Berufung der Nachkommen Abrahams. Nicht zuletzt ist das ein Grund, warum neben Israel Ägypten als Volk und Nation eines der ganz wenigen Völker ist, das aus alter Zeit existiert: eben weil Gott in seiner Heilsgeschichte noch Verwendung für Ägypten hat. Ist es nicht erstaunlich und im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdig, dass genau diese Völker, die bestimmt sind, zusammen ein Zentrum des Segens zu sein, heute nicht nur allen bekannt, sondern – wenn auch im Moment in negativer Weise “ in aller Leute Mund sind“!

 

Auflehnung gegen Gott

Gott trifft Vorbereitungen, um seine Verheissungen und Pläne umzusetzen. Eine Folge der Auflehnung gegen den Gott der Bibel ist der Hass, die Gewalt und Finsternis, die die Beziehung dieser Völker heute prägen und die aus Jerusalem, der Stadt des Friedens und des Heils (der Stadt des grossen Königs, d.h. des Messias, wie sie Jesus nennt), eine Stadt des Grauens, des Terrors, der unversöhnlichen Gegensätze und des Hasses machen. Die Auflehnung gründet in einem tiefen Misstrauen Gott gegenüber, weil man ihn nicht versteht und ihm nicht glaubt, dass er sich die Erlösung und das Heil aller Völker zum Ziel gesetzt hat. Jes. 2, 2-5: „Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berge des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs! Er lehre uns seine Wege, und wir wollen in seinen Pfaden wandeln, denn von Zion wird ausgehen das Gesetz und das Wort des Herrn von Jerusalem, und er wird richten zwischen den Völkern und vielen Nationen Schiedsrichter sein. Sie werden umschmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen … nimmermehr wird Volk gegen Volk zum Schwerte greifen…“

 

Gottes Strategie

Gott hat eine Strategie gewählt, welche allein Heil und Erlösung zu schaffen vermag; eine Strategie, an der jeder Stolz zerbrechen muss, weil sie für Gott selber eine unglaubliche Erniedrigung und Demütigung bedeutet. Er hat sich ein halsstarriges, stolzes, undankbares Volk erwählt und seinen Namen für alle Zeiten mit ihm verbunden als der „Gott Israels“. Er hat sich und seinen Namen in ihre Hände gegeben, sich ihnen offenbart, seine Herrlichkeit gezeigt und sein Wohnzelt unter ihnen aufgeschlagen. Er hat ertragen, dass sie in unzähliger Weise seinen Namen missbraucht und in den Dreck gezogen haben. Wohl hat er sie mit harten Gerichten gezüchtigt und unter alle Völker zerstreut; doch hat er sich nie von ihnen gelöst, sie nie verworfen, seine Pläne, sie zum Licht der Nationen, zu seinen Zeugen zu machen, nie zurückgenommen (Jes. 43,10; 44,8). Er wurde in der Fleischwerdung des Messias, des einzigen Sohnes des Vaters, sogar ein Teil dieses Volkes. Jes. 9,6: „Denn ein Sohn ist uns gegeben, ein Kind ist uns geschenkt, und er wird heissen Wunderrat, Friedefürst, starker Gott, ewig Vater, und die Herrschaft liegt auf seinen Schultern…“ Joh. 3, 18: „Gott hat niemand jemals gesehen. Der eingeborene Sohn, der an der Brust des Vaters ruht, der hat Kunde gebracht.“ Er wurde zum Fluch, um alle Finsternis der Schöpfung aufsich zu nehmen, um sie am Kreuz zu vernichten, damit durch die Auferstehung, durch die Überwindung des Todes Licht, Gnade und Wahrheit durchbrechen und von diesem berufenen Volk hinausgetragen werden konnten zu den Völkern. So erfüllt sich die Verheissung durch den Propheten Jeremia: „Zu dir werden die Heiden kommen und sprechen: Das Erbe unserer Väter war lauter Lüge…“ (16, 19). Auch das Wort des Propheten Jesaja wird so in Erfüllung gehen: „Gott, der Herr, Jahwe Zebaoth, wird allen Völkern ein fettes Mahl bereiten auf diesem Berg… Auf diesem Berg nimmt er die Hülle weg, die auf allen Völkern liegt, und die Decke, die über allen Heiden ausgebreitet ist. Er vernichtet den Tod auf immer. Und der Herr wischt ab die Tränen von jedem Angesicht und nimmt seines Volkes (Israel) Schmach hinweg vor der ganzen Welt“ (25,6-9). Es wird sich erfüllen, was der Prophet Sacharia sagt: „In jenen Tagen wird es geschehen, dass zehn Männer aus allen Sprachen und Völkern einen Judäer bei seinem Rockzipfel ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, weil wir gehört haben, dass Gott mit euch ist“ (8,23).

 

Zerbruch des Islams

Gottes Strategie wird den Stolz des Islams und der arabischen Völker brechen, welche auf Macht und die Gewalt des Schwertes bauen, um sich Herrschaft, Ansehen und den ersten Platz anzueignen. Das Wort Gottes des Alten und Neuen Testaments bezeichnen sie als Fälschung und Lüge und setzen an seine Stelle ihr eigenes, ihrem Stolz und ihrer Ehre dienendes religiöses Bekenntnis. Der Stolz und die Macht des Islams und der arabischen Nationen müssen gebrochen werden, damit die arabischen Völker die Verheissung von Jeremia 16 erfahren können: „Das Erbe unserer Väter ist lauter Lüge.“ Befreit von der Lüge des Islams werden sie freigesetzt, an der Seite Israels in den versprochenen Segen hineinzukommen und dadurch zum Segen für die Welt zu werden. Das Hineinkommen in den verheissenen Segen ist für die arabischen Völker und Ägypten nur möglich an der Seite Israels. Sie müssen sich unter die gewaltige Hand des Gottes Israels beugen und demütig anerkennen, dass Gott das jüdische Volk nie verworfen hat. Im Gegenteil: Er hat ihnen Hunderte von Malen durch seine Propheten verheissen, sie nach einer Zeit des Gerichts und der Zerstreuung aus allen Völkern wieder zu sammeln in dem Land, das ihnen seit Abraham als Eigentum versprochen wurde. Um in ihre Berufung hineinzukommen, müssen das arabische und das ägyptische Volk akzeptieren, dass Gott die Juden als Nation nach zweitausend Jahren im Land Israel wiederherstellt, um sie in seiner Endzeit-Heilsgeschichte als ein Gefäss und als Botschafter zu brauchen.

 

Die Nachkommen Ismaels werden in Jes. 60,1-7 als erste unter den Völkern aufgezählt, die nach Jerusalem hinaufziehen, um dem Messias zu huldigen: Kedar, Nebaioth, Midian… Der Messias, dem sie huldigen werden, ist ein jüdischer Messias und König. Er wurde geboren als jüdischer Messias und König, starb als jüdischer Messias und König und wird wieder kommen als jüdischer Messias und König, um über ein Jerusalem zu herrschen, das die Hauptstadt des jüdischen Volkes ist; denn er ist das Licht, das das jüdische Volk erleuchten wird und das sie hinaustragen werden „zu den Enden der Erde“.

 

Israel muss sich demütigen

Gott widersteht dem Stolzen, dem Demütigen aber gibt er Gnade. Jede Form von Stolz wird an der Demut des Gottes Israels zerschellen müssen. Aber auch der Stolz des jüdischen Volkes muss an der Strategie Gottes zerschellen. Es wird erkennen müssen, dass es sich das verheissene Land, das Land der Väter, nicht kraft seiner eigenen Fähigkeiten, seiner Stärke oder seiner religiösen Errungenschaften aneignen kann. Israel hat weder das Recht, das Land an sich zu reissen, noch das Recht, das Land wegzugeben, denn es ist Gottes Land, ein Land, auf dem das Auge Gottes ruht (5. Mose 11,10-14). Es wird Israel von Gott gegeben als Geschenk, als Brautgabe, als Ort der Begegnung mit ihm. Nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch den Geist Gottes werden Land und Volk wiederhergestellt (Sach. 5, 6). Der jüdische Humanismus, die jüdische Religiosität, die Jüdische Vernunft, die israelische Armee müssen sich beugen und bekennen: „Wenn der Herr nicht die Stadt baut, so arbeiten die Arbeiter umsonst“ (ps. 127). Israel wird erkennen, dass weder sie noch ihre mächtigen Verbündeten in diesem Land Friede und Sicherheit schaffen und garantieren können, sondern nur die Hinwendung und der Hilferuf zu dem Einzigen, der imstande ist, diesem Land Frieden zu bringen, weil es SEIN Land ist. Wenn er eingreift, wird er weder Partei ergreifen noch sich um historische Rechte und um Nationalstolz kümmern. Er wird für alle Lebensraum, Frieden und Freiheit schaffen, aber eben zu seinen Bedingungen.

 

Der Stolz der Nationen

An der Strategie Gottes wird aber auch der Stolz der Nationen gebrochen werden. In Psalm 2 heisst es, dass die Mächtigen der Welt sich gegen den Gott Israels und seinen Gesalbten auflehnen. Diesen Mächtigen streckt Gott seine Hand entgegen, gerade durch das Volk, das sie durch die Jahrtausende hindurch gehasst, verachtet, verstossen, verfolgt und umgebracht haben. Das Volk Israel, das zum Inbegriff der Verfluchten geworden war und als Aussatz und Kehricht der Welt bezeichnet wurde, wird zum Bringer der frohen Botschaft, des Lebens, als Diener des Allmächtigen. Dieses Volk zu empfangen und zu ehren als jene, die den Weg zu dem hin zeigen, der das Licht der Welt ist, wird den Stolz der Nationen brechen. Die Nationen werden bekennen müssen: „Lasst uns mit euch gehen, denn Gott ist mit euch“ ‚(Sach. 8, 23). So wie Israel Jesus, den es gehasst, verachtet und verfolgt hat, lieben und ehren lernt, wenn es ihn als den Durchbohrten erkennt, so werden die Nationen Israel lieben und ehren ernen.

 

Die Kirche

Aber auch der Stolz der Kirche wird an der Strategie Gottes zerschellen müssen. Wie oft hat die Kirche das Wesen Gottes verkannt und das jüdische Volk als von Gott fallengelassen, enterbt und zur Bedeutungslosigkeit, wenn nicht gar zum Gericht bestimmt geglaubt! Wie wenn Gott wankelmütig und unberechenbar wäre in seinen Verheissungen   und   Berufungen! „Denn die Berufungen Gottes können ihn nicht gereuen!“ (Rom 11,29) Ohne die Berufung Israels gäbe es die Kirche nicht, und ohne die Wiederherstellung Israels und seine Freisetzung in seine Berufung wird die grosse Ernte für das Reich Gottes nicht eingebracht (Sach. 8, 23; Jes. 25). Die Kirche ist berufen, an der Berufung des jüdischen Volkes teilzuhaben; aber sie kann das Volk Israel nicht ersetzen. Sie ist nach Eph. 2,19 Mitgenossin und Teilhaberin und nicht alleinige Besitzerin des Heils und der Berufung. Die Fruchtbarkeit der Kirche hängt von ihrer Einheit und ihrer Verbundenheit und Gemeinsamkeit mit dem älteren, zuerst berufenen und erstgeborenen Bruder ab. Vor der Welt muss die Kirche neu bekennen: „Mein Herr und Messias Jesus ist der König der Juden, und die Juden sind mein Volk. Wir gehören als Kirche zu ihnen, und ihr Leben und ihre Geschichte betrifft uns ganz direkt.“ Wie die Ruth der Bibel wird die Kirche bekennen müssen: „Dein Gott ist mein Gott, und dein Volk ist mein Volk. Wo du hingehst, will ich auch hingehen; wo du bleibst, will ich auch bleiben“ (Ruth 1,16). Wenn die Kirche nicht bereit ist, die Schmähungen, die Verfolgungen und den Hass, die immer noch das jüdische Volk treffen, zu teilen und sich zu ihm zu stellen, wird sie auch Fruchtbarkeit, Vollmacht und Autorität, die Gott Israel verheissen hat, nicht teilen können. Mit Paulus könnte man sagen: „Was die Kirche bisher erlebt hat an Vollmacht und Autorität, ist kaum der Rede wert, verglichen mit dem, was sein wird, wenn Gott Israel in seiner Berufung freisetzen wird“ (Röm. 11, 15). Die Kirche muss sich unter die gewaltige Hand Gottes beugen, damit er sie zu seiner Zeit und zu seinen Bedingungen erhöhen kann. Die Kirche wird zur Aussenseiterin werden, selber verachtetet, verfolgt und gehasst, wenn sie bekennt, dass ihr Messias Jesus der Judenkönig und das jüdische Volk sein Volk ist. Aber das ist der Weg, in die Fülle ihres Erbes hineinzukommen.

 

Die ganze Welt ist betroffen

Der Nahost-Konflikt betrifft nicht nur Araber und Juden, sondern die ganze Welt, weil die Wiederherstellung Israels nicht das Resultat menschlichen, sondern göttlichen Handelns ist – dies auch, wenn Gott sich Menschen und Institutionen bedient, wie zum Beispiel im Jahr 1948 der UNO. Die Tatsache, dass seinem Handeln, welches das Heil der Welt im Blick hat, sowohl vom jüdischen Volkes wie von der nichtjüdischen Welt und der Kirche so viel Widerstand entgegengebracht wird, ist der Grund für viel Leid und Not. An seinem Handeln mit und an Israel macht Gott die Herzenshaltung sowohl des jüdischen Volkes wie der nicht-jüdischen Welt ihm und seinem Wort gegenüber offenbar. Jeder wird früher oder später gezwungen, Stellung zu beziehen, was für ihn normativ und damit Autorität ist: das biblische Wort oder die eigene, menschliche oder religiöse Sichtweise. Der Gott des alten und des neuen Bundes bietet dem jüdischen Volk und der ganzen Welt Leben, Frieden und Heil in Jesus an. Dieses Angebot auszuschlagen oder gar zu bekämpfen hat seine Konsequenzen. Wenn der Gott der Bibel allein das Leben und die Liebe ist – und das ist er! – kann ein Leben ohne ihn nur in der Not, im Elend und im Tod enden.

 

Marcel Rebiai

© 2002 COR-GDV, Gossau ZH.

 


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Gebet in Liebe und Erkenntnis

Für jemand beten heisst nicht, mit seinem Handeln einverstanden zu sein. Gott ist der Erste, wenn es darum geht, Fehler schonungslos aufzudecken und doch ganz zu seinen Geliebten zu stehen. So können wir vorbehaltlos für Israel und für die Palästinenser beten.

 

·      Wir beten für die Juden; durch eine tausendjährige Geschichte des Leidens und der Verfolgung fühlen sich die Juden oft verunsichert und verletzbar. Terroranschläge und das Gefühl, als Minderheit einer Übermacht von 150 Millionen Arabern gegenüber zu stehen, fördern diesen Eindruck. Betet für Sicherheit, Vertrauen und Gelassenheit. Wir beten, dass nicht die Angst sie dazu treibt, ihre Geschwister, die Palästinenser, ungerecht zu behandeln.

·      Wir beten für die PalästinenserInnen; sie fühlen sich oft von der Welt verlassen und ihrem Elend überlassen. Gott möchte ihnen Frieden geben. Wir beten, dass ihre Führer wirklich das Wohl des Volkes suchen und nicht ideologische Eigeninteressen vertreten.

·      Wir beten, dass der Geist oder die Logik von Gewalt und Tod einem Geist/einer Logik der Vergebung und des Lebens weichen kann.

·      Wir beten für den Frieden von Jerusalem (Ps. 122,6) und aller seiner Einwohner, für die Juden, Moslems und Christen, dass sie zur Versöhnung mit Gott finden können.

·      Wir beten für Frieden im Nahen Osten (vgl Jes. 19,24-25; Ps. 122,6); Gott sehnt sich nach Frieden für seine Menschenkinder, warum nicht auch im politischen Bereich?

·      Wir beten für den Erfolg politischer Initiativen; Gott hat sich immer wieder auf Menschen (auch Ungläubige) gestützt, um seine Heilspläne umzusetzen.

·      Wir beten für christliche und nicht-christliche Versöhnungs- und Friedensarbeiten vor Ort (z.B. MusalahaWahat as-SalamMar Elias Educational Institutions von Elias Chacour und andere). Und überhaupt für die Menschen, die es immer wieder wagen, die ethnischen Schranken zu überwinden und sich für den Frieden einzusetzen.

·      Wir beten für die arabischen Christen, die Konvertiten aus dem Islam und die messianischen Juden, die sich immer wieder zwischen den Fronten finden und oft an Leib und Leben bedroht sind.

·      Wir beten besonders dafür, dass die Gläubigen ihren Volksgenossen Vorbilder der Versöhnung und der Friedensförderung sein können und dass sich immer mehr Gemeinden für die Versöhnung engagieren und so zu Licht und Salz für die Welt werden.

·      Wir beten, dass die Gläubigen auf beiden Seiten nicht der Versuchung des Nationalismus? und Zynismus? erliegen, sondern ihre Hoffnung auf Jesus setzen.

·      Wir beten dafür, dass immer mehr Menschen bereit werden, sich dem Leiden des anderen Volkes zu stellen und es mitzutragen.

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Wer bezahlt gerne Steuern? Eben! Deshalb haben wir die Tendenz, Steuersenkungen zu fordern und anzunehmen, wo nur möglich…

 

Rahmen dergedan aktuellen Steuerdebatte

In den neunziger Jahren sind in der Schweiz die Reichen massiv reicher und die Armen ärmer geworden. Das reichste 1% der Bevölkerung konnte ihr Vermögen verdoppeln. Inzwischen besitzten die reichsten 3 % die Hälfte des Vermögens in der Schweiz. Die Vermögensverteilung ist etwa dieselbe wie in Pakistan, nur auf einem höheren Niveau.

 

In den neunziger Jahren konnen die obersten 10% der Einkommensleiter ihr verfügbares Einkommen um 12 % steigern, die untersten 10% verloren 19%. Verfügbares Einkommen, das ist das Einkommen nach dem Abzug eines definierten Grundlebensbedarfs sowie den Steuern, der Krankenkasse, etc.

 

Teilen und Ausgleich wäre also dringender denn je, aber es geschieht nun genau das Gegenteil: Teilen wird immer unpopulärer: gerade die Ausgleich schaffenden Steuern werden abgebaut. Trotz der oben gezeigten zunehmenden Profitabilität der Arbeit der oberen Schichten werden erstaunlicherweise auch Stimmen laut, die sagen, Leistung müsse sich wieder lohnen, indem die Steuern für die Reichen gesenkt werden.

 

Es stimmt, dass in den letzten 10 Jahren die Steuern insgesamt stark zugenommen haben. Es waren dies vor allem die Mehrwertsteuer (mehrheitlich für die AHV), die Lohnabzüge für IV und die Arbeitslosenversicherung. Hinzu kamen viele Gebührenerhöhungen, Erhöhung des Benzinzolls, der Tabaksteuer sowie Steuererhöhungen der direkten Steuern vor allem in Gemeinden. Hinzugezählt werden können auch der obligatorische Teil der Krankenkassen. Es waren also grösstenteils nichtprogressive Steuern, die alle Zahler prozentual gleich betrafen, zum Teil sogar mit einer Höchstgrenze wie bei der Arbeitslosenversicherung. Insgesamt machen diese zusätzlichen Steuern etwa 14 Milliarden aus, was im Durchschnitt sieben Prozent der Haushaltseinkommen ausmacht.

 

Steuerabbau trotzdem praktisch nur für die Reichen

Seit einigen Jahren wird in der Politik vor allem mit dem Ruf nach tieferen Steuern Stimmen gemacht. Bundesrat Villiger selbst sagte anlässlich seiner 1. August-Rede vor eineinhalb Jahren, dass diejenigen am lautesten schreien, die die Steuern am Besten bezahlen können…

 

Der Steuerabbau wird deshalb seit einigen Jahren gezielt an die Hand genommen. Es sind hauptsächlich die progressiven Steuern, die abgebaut werden, vor allem die Einkommenssteuern der Kantone (z.B. Zürich, Schaffhausen, Basel-Stadt, Genf, etc.). Hier profitieren die hohen Einkommen. Gleichzeitig fällt in einem Kanton nach dem Anderen die Erbschaftssteuer, die wiederum vor allem den Erben in reichen Familien zu gute kommt. Nun sollen beim Bund mit der Familienentlastung und Hauseigentümer-Entlastung wieder hauptsächlich die hohen Einkommen entlastet werden. Hier scheint es mir, dass es offensichtlich nicht darum geht, diejenigen zu entlasten, die es wirklich nötig hätten.

 

In der Diskussion stehen zudem die Flat Tax , das heisst die totale Abschaffung der Progression, weil man sonst die Reichen ans Ausland verliere. Dabei ziehen heute massenhaft Reiche in die Schweiz wegen den tiefen Steuern und den hohen Löhnen… Zudem wünscht sich die Wirtschaft eine Senkung der Unternehmenssteuern, weil die Schweiz sonst nicht mehr konkurrenzfähig sei. Dabei hat die Schweiz heute schon eine der tiefsten Unternehmensteuern, was dazu führt, dass immer mehr Konzerne ihre europäischen Hauptsitze in die Schweiz legen.

 

Gleichzeitig wird mit der Begründung, wir hätten kein Geld, ein Sparpaket nach dem Anderen geschnürt und die Solidarität abgebaut.

 

·         Im ersten Paket, das im vergangenen Dezember vom Bund verabschiedet worden ist, wurde überdurchschnittlich der Umweltschutz, der öffentliche Verkehr und die Entwicklungshilfe tangiert. Insgesamt wurden etwa zwei Milliarden eingespart.

·         Im zweiten Paket, das in der Diskussion ist, sollen nochmals 2-3 Milliarden eingespart werden. Bundesrat Hans-Rudolf Merz hat bereits im Dezember seine Vorstellungen dazu im Parlament geoffenbart.

·         Wenn die Steuersenkung im Mai angenommen wird, wird ein drittes Paket fällig werden… Zwei Drittel der Steuersenkungen werden bei den Kantonen anfallen. Diese sind wie der Bund bereits heute an den ihrigen Sparpaketen, die dannzumal noch um durchschnittlich 100 Millionen erhöht werden müssen. Betroffen sind hier vor allem die Schulen, die Studiengebühren, die Spitäler, der öffentliche Verkehr, die kantonalen Ergänzungsleistungen zur AHV, etc.)

·         Obwohl die AHV noch immer nicht überlebenssichernd ist, wie sie es nach der Verfassung sein sollte, wird auch bei der neusten AHV-Revision weiter gespart, weil man zu wenig Geld habe…

 

Gerade diejenigen, die immer mehr haben (individuell und als Nation), sagen also immer mehr, sie hätten kein Geld für Solidarität, für die Erhaltung unseres Planeten etc… Es ist meines Erachtens einzig eine Frage des teilen Wollens!

 

Ein grosser Teil der Bevölkerung verliert also bei diesem Spiel. Warum stimmt sie trotzdem zu?

 

–         Steuerabbau wollen alle, aber man ist sich nicht bewusst, dass damit auch ein Sozialabbau einher geht.

–         Mit dem Argument weniger Steuern zahlen lässt sich heute jede Abstimmung gewinnen. Erinnern wir uns an die Abstimmung über die steueraufkommensneutrale CO2-Abgabe, die von der Wirtschaftslobby als neue Steuer verleumdet wurde. Bei Erbschaftssteuer-Abschaffungsinitiativen und bei Projekten zur Senkung der progressiv ausgestalteten direkten Einkommenssteuern wird ebenfalls regelmässig behauptet, dies komme den Armen zu Gute, obwohl dies kaum zutrifft. Und bei der Einführung der Kapitalgewinnsteuer behaupteten die Gegner ebenfalls, die kleinen Bürger müssten sie bezahlen, obwohl in der Schweiz hauptsächlich vermögende Personen Aktien besitzen und Kleinaktionäre mit der Gewinn-Freigrenze von 5000 Franken im Jahr kaum je etwas bezahlen müssten.

–         Wie ich weiter oben bereits gesagt habe, ist ?Staat? als Einschränkung immer unpopulärer, und deshalb wird jede Gelegenheit wahrgenommen, um ihm Geld wegzunehmen bzw. weniger abgeben zu müssen. Der Staat wird ja auch schon als Ratte dargestellt, die alles wegfrisst. Es wird Panik geschürt vor dem ?Untergang der Schweiz?.

–         Tiefe Steuern oder eine tiefe Staatsquote werden als Argument verkauft, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wir sehen im Artikel von Dr. Andrew Lee, dass diese Theorie nicht unbedingt funktioniert. Und ein Aufschwung kommt nicht unbedingt den Bedürftigsten zu Gute, wie die USA zeigen. Es soll auch mehr Geld in die Staatskasse kommen, um wieder die Aufgaben zu erfüllen. Doch Abgebautes wird kaum je wieder aufgebaut.

–         Mythos ?Ausländer kriegen alles?: Arme Schweizer glauben, die Ausländer erhalten mehr als sie, und die Sozialwerke, die sie mit ihrem kargen Lohn mitfinanzieren, würden durch die Ausländer missbraucht. Deshalb stimmen die armen Schweizer der Forderung der rechten Parteien, die Sozialwerke, ihr ureigentliches Sicherheitsnetz, abzubauen, auf Empfehlung der SVP noch zu…

 

Ausgleich zwischen den Kantonen

Zwischen den Kantonen und den Gemeinden herrscht heute ein panischer, ruinöser Steuerwettbewerb. Selbst der Regierungsrat des Kantons Zug, der damals die zweittiefsten Steuern der Schweiz besass, behauptete im Jahr 2001, wenn nicht die Steuern gesenkt würden, könne sich der Kanton als Wirtschaftsstandort vergessen…

 

Gewisse Politiker behaupten immer, die Kantone mit tiefen Steuern hätten halt eine seriösere Finanzpolitik. Doch Kantone mit Zentrumslasten (Infrastruktur, Ausländer, Sozialfälle, etc.) oder abgelegene Bergkantone können schlicht nicht so tiefe Steuern haben wie Kantone, die nahe von Zentren liegen, aber statt der Lasten nur die Einfamilienhauszonen beherbergen (wie Zug, Schwyz, Baselland, etc.). Inzwischen sind die Kantone dazu übergegangen, sich vor allem die Reichen abzujagen (mit der Aufhebung der Erbschaftssteuer und Steuerrabatten)… Dafür wird auch hier die Solidarität aus Geldmangel abgebaut.

 

Könnten wir nicht ein Zeichen der Solidarität setzen, in dem wir nicht wegen den Steuern die Gemeinde oder den Kanton wechseln?

 

Steuerflucht und Bankgeheimnis

Die Schweiz fördert die Steuerflucht.

 

–         Reiche Ausländer, die vor den Steuern ihres Herkunftslandes ?fliehen?, erhalten im Gegensatz zu Armen sofort Asyl bei uns. Die Gemeinden und Kantone haben gar das Recht, für solche Personen einen Sonderstatus einzuführen, damit sie noch weniger Steuern zahlen müssen als nach dem lokalen Steuergesetz vorgesehen. Beispiel: Michael Schumacher.

–         Dank der weltweit wohl einmaligen Unterscheidung zwischen Steuerbetrug (Falsche Angaben) und Steuerhinterziehung (Nichtangabe von Einkommen) wird die Schweiz zum Hafen von Steuerfluchtgeld. Denn wegen dieser willkürlichen Unterscheidung und dem Bankgeheimnis gibt die Schweiz keine Rechtshilfe ans Ausland bei Steuerhinterziehung. Nach Angaben von schweizer Hilfswerken befinden sich etwa die Hälfte der weltweiten Steuerfluchtgelder in der Schweiz, was ca. eine halbe Billion Franken (500’000’000’000 Franken) ausmacht… Nachdem Italien in den Jahren 2001 und 2003 Steueramnestien erlassen hat, sind aus Schweizer Banken etwa 70 Milliarden Franken nach Italien zurückgeflossen…

–         Dank dem Bankgeheimnis sind wir auch der Hort der von Milliarden weiteren schmutzigen Geldern. Aber das wäre ein weiteres Forum wert…

–         Könnte es sein, dass die Schweiz durch diese Schuld, die sie bisher nicht anerkennt und weshalb noch keine Umkehr stattgefunden hat, nicht umkehrt, am Segen Gottes gehindert wird?

 

Mythen und Fakten

–         Arbeiten lohnt sich nicht, die Steuern fressen alles weg: nach den Steuerstatistiken lässt es sich gut belegen, dass der grösste Teil jedes zusätzlich verdienten Frankens in der Tasche des Verdienenden bleibt.

–         Wir haben immer mehr Steuern (?Steuerspirale?): wir haben oben gesehen, was es damit auf sich hat.

–         Die Unternehmenssteuern sind zu hoch: Die Unternehmenssteuern sind im europäischen Vergleich beinahe die tiefsten.

–         Der Staat verschwendet immer mehr Geld: auch diese Behauptung ist falsch, ausser man subsumiert Umweltschutz etc. unter Verschwendung, was aber von vielen getan wird…

–         Ich habe alles selber verdient. Umverteilung ist Raub: die grössten Lohndifferenzen sind wohl keineswegs mit der Leistung zu rechtfertigen.

 

Vergleich zu einer biblischen Steuerpolitik

Im Kapitel Biblische Steuerpolitik habe ich Beispiele aufgezählt, was die Steuerpolitik meines Erachtens leisten sollte. Wagen wir nun einen Vergleich mit der aktuellen Steuerpolitik:

 

Chancengleichheit: Wegen der Verknappung des Geldes der Kantone werden die Studengebühren erhöht und Stipendien abgeschafft. Die SVP will im Kanton Zürich 40% des Bildungsetats einsparen, was auch zu einer massiven Qualitätsreduktion der staatlichen Schulen führt. Nur noch Reiche können sich gute Bildung an Privatschulen leisten. Statt Chancengleichheit gehen wir in die andere Richtung.

 

Differenz arm-reich: Trotz immer höherem Gefälle zwischen arm und reich (sowohl punkto Einkommen wie auch Vermögen) wird die Erbschaftssteuer abgeschafft und die Umverteilungsträchtige Einkommenssteuer geschwächt.

 

Nächstenliebe/Solidarität: Couchepin und die SVP wollen die Solidarität in der Krankenversicherung aushöhlen, die SVP hat vor drei Jahren gar einen Vorstoss lanciert, die AHV zu privatisieren und nur noch einen minimalen Ausgleich zu garantieren. Solidarität ist aber in anderen Bereichen noch immer nur im Giesskannenprinzip möglich, weil sonst gewisse gesellschaftliche Gruppen kein Interesse mehr daran haben.

 

Wie viel Steuern: Wie gesagt geht die Tendenz gerade weg von der auf Grund der hohen Einkommensdifferenzen gerechten progressiven Steuer.

 

Wie viel dem Staat: Die Staatsquote hat sich stark erhöht, was tatsächlich auch das Wirtschaftswachstum tangiert.

 

Besser freiwillige Solidarität statt Steuern?

In christlichen Kreisen wird oft gesagt, es sei besser, die Leute würden freiwillig Gutes tun als erzwungene Steuern zahlen. Das Problem ist nur, dass die freiwilligen Spenden auch in Ländern mit tiefen Steuern nur einen kleinen Teil der Differenz zu Ländern mit höheren Steuern ausmachen. Die Rechnung geht nicht auf.

 

Es wird manchmal auch gesagt, der Staat sollte die Hände von den Wohlfahrts-Aufgaben wie Fürsorge und AHV lassen, die Kirchen sollten das übernehmen. Solche Ideen sind völlig undurchdacht, denn wo sollen die Kirchen die Milliarden hernehmen? Wir riskieren, dass viele Menschen in Not geraten und ihnen niemand hilft, und vor allem, dass den Kirchen, die schon heute am finanziellen Limit sind, das Geld für die Evangelisation fehlt. Damit hätten sie dem Reich Gottes einen Bärendienst erwiesen…

 

Die gerechte Steuerprogression, die heute noch besteht, wird durch die Freiwilligkeit aufgehoben. Teilen ist aber für alle eine biblische Pflicht, und nicht nur vom Überfluss. Wer als Milliardär eine Million spendet, hat nur von seinem Überfluss abgegeben (siehe auch Lukas 21 und Markus 12 zum Scherflein der armen Witwe). Wer Geld hat, der verweist auch in christlichen Kreisen schnell auf den eigenen Verdienst, obwohl es Gott ist, der uns versorgt, und der uns auch die Kraft und Dynamik zu Top-Leistungen in der Wirtschaft gibt. Oder sind Lohndifferenzen zwischen 2500 Franken und 250’000 Franken im Monat durch Eigenanstrengung gerechtfertigt?

 

Geld macht nicht glücklich, aber wer keines hat, der ist in der heutigen Gesellschaft ausgeschlossen.

 

Forderungen

–         Nationale Erbschaftssteuer

–         Progression aufrecht erhalten

–         Kinderabzüge direkt von der Steuerrechnung und nicht vom Steuerbaren Einkommen

–         Keine Dumpingabkommen mir reichen Ausländern

–         Steuerschlupflöcher schliessen

–         Lastenausgleich zwischen Kantonen bzw. Gemeinden

–         Limite der Steuerunterschiede zwischen den Kantonen und zwischen den Gemeinden

–         Kein Kantonswechsel wegen Steuerunterschieden

–         Steuerhinterziehung muss strafbar werden

–         Lockerung des Bankgeheimnisses


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Eigentlich zahlt niemand gerne Steuern. Aus diesem Grund sind Steuersenkungen natürlich oft auf den ersten Blick wünschenswert. Welche Theorien verwenden (gewisse) Ökonomen, um sinkende Steuern auch ökonomisch zu rechtfertigen? Welche ökonomische Folgen hatten Steuersenkungen in der Vergangenheit? Welche Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden? Ich beziehe mich dabei auf den Artikel „The Tax-Cut Con“ von Paul Krugman, einer der weltweit führenden Ökonomen (http://www.pkarchive.org/economy/TaxCutCon.html).

 

Steuersenkungen in der USA

Wir können unsere Lehren aus der Situation in der USA ziehen. Dort herrscht seit ca. 25 Jahren geradezu ein „Kreuzzug gegen Steuern“. Krugman redet von „Fanatikern“, welche sich gegen Steuern einsetzen und immer mehr an Einfluss gewinnen. Er liefert dazu ein Beispiel: ein Krieg zu führen ist teuer und deswegen praktisch ausnahmslos mit Steuererhöhungen verbunden. Im Krieg gegen der Irak 2003 passiert aber das Gegenteil: fast gleichzeitig wurde das Steuersenkungspaket von Präsident Bush verabschiedet. Dazu haben die Republikaner das Postulat „tiefere Steuern“ als eine ihre Hauptprioritäten festgelegt, obwohl das Budgetdefizit innerhalb ein paar Jahren massiv angestiegen ist und obwohl die Amerikaner international gesehen schon jetzt relativ wenig Steuern bezahlen. Wie ist es dazu gekommen? Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Hauptgruppierungen, welche sich in den letzten 25 Jahren in der US-Politikszene behauptet haben:

 

(1) Supply Siders

Diese Gruppe geht davon aus, dass Steuern gesenkt werden können ohne die Staatsausgaben drastisch kürzen zu müssen. Was sich wie ein Märchen anhört, lässt sich theoretisch ziemlich einfach darstellen. Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die von praktisch allen Ökonomen unterstützten Aussage, dass höhere Steuern Arbeits- und Sparanreize reduzieren. Der Anreiz, einen Franken mehr zu verdienen ist tiefer wenn 80% davon an den Staat abgetragen werden muss als wenn 20% bezahlt werden muss. Somit können Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln.

 

So weit, so gut. Aber heisst das auch, dass die Staatsausgaben kaum tangiert werden von den Steuersenkungen? Laut dieser Gruppierung eben schon. Sie nehmen die Ausführungen von Arthur Laffer als Leitbild: er geht davon aus, dass eine Steuersenkung die Wirtschaft so stark ankurbeln kann, dass die Steuerbasis stärker steigt als der Steuersatz sinkt, was schliesslich die Steuerneinnahmen paradoxerweise ansteigen lassen!

 

Dies lässt sich grafisch folgendermassen zeigen (die sogenannte „Laffer Curve“): Liegt der existierende Steuersatz rechts von x%, so führen tiefere Steuersätzen zu höheren Steuereinnahmen (und somit auch höheren Staatsausgaben, wenn das Budget ausgeglichen ist). Liegt der Steuersatz jedoch links von x%, so führen tiefere Steuern zu tieferen Steuereinnahmen, weil die Steuerbasis nicht genug stark ansteigt, um den tieferen Steuersatz zu kompensieren. Somit ist klar: hohe Steuersätze müssen runter wenn sie rechts von x% liegen. Es liegt auf der Hand, dass in einem System der Steuerprogression die Reichen die hohen Steuersätze bezahlen und somit am meisten von dieser Theorie profitieren würden?.

 

(2) „Die Bestie verhungern lassen!“

Die zweite Gruppierung, welche sich für Steuersenkungen erfolgreich eingesetzt haben, heisst jedoch die tieferen Steuereinnahmen geradezu willkommen. Dies ist die Gruppierung, welche aus den Staat eine möglichst kleine und machtlose Gebilde machen möchte. Diese Gruppierung unterscheidet sich sehr stark von der ersten Gruppierung. Währenddem die Supply Siders von einer Win-Win Situation ausgehen (tiefere Steuern = höhere Ausgaben) verwirft diese zweite Gruppe die Theorie von Arthur Laffer: tiefere Steuern heissen tiefere Steuereinnahmen und somit auch Staatsausgaben, aber dies ist geradezu notwendig und willkommen, um die „Bestie“ Staat verhungern und ausrotten zu lassen. „Less is better than more“ lautet ihr Motto gegenüber den Staat.

 

Unabhängig vom politischen Couleur kann schliesslich aber immer argumentiert werden, dass der Zweck den Mittel rechtfertigt – sprich, dass mit der Zeit alle von einer Steuersenkung profitieren, weil es zu einem Wirtschaftswachstum kommt, den allen zugute kommt. Mit den Erfahrungen der letzten 25 Jahren in der USA können wir dies überprüfen.

 

Erfahrungen aus den letzten 25 Jahren

 

1981: Präsident Reagan senkt die Steuern

Reagan war sehr angetan von den Ideen von Arthur Laffer, der übrigens während beiden Reagan Amtszeiten ein Mitglied der Economic Policy Advisory Board war. (Margaret Thatcher hat übrigens die UK Steuern ebenfalls unter Einfluss der Laffer Curve gesenkt). Zwischen 1979 und 1983 fiel der durchschnittliche Bundessteuersatz auf die reichsten 1% der US-Familien beispielsweise von 37% auf 27.7%. Wie sah dann das Wirtschaftswachstum aus? Zwischen 1979 und 1982 gab es eine Rezession, währenddem die Wirtschaft zwischen 1982 und 1989 durchschnittlich um jährlich 4.2% wuchs. Dies sieht auf den ersten Blick tatsächlich gut aus, aber Skeptiker weisen darauf hin, dies sei einfach ein typischer Konjunkturzyklus gewesen – eine Periode vom hohen Wachstum folgt ja oft auf eine Rezession. Die Steuersenkung habe somit nichts dazu beigetragen, die Wirtschaft stärker anwachsen zu lassen, als sie ohnehin durch einen Konjunkturzyklus angewachsen wäre (wohl aber schneller aus der Rezession heraus).

 

Wie sieht es mit der Theorie von Arthur Laffer aus? Stiegen die Steuereinnahmen auch an? Tatsächlich sanken die Steuereinnahmen, was aber nicht heisst, dass die Theorie nicht stimmen muss. Da die US Steuern im internationalen Vergleich eher tief sind, befand sich die Steuerbelastung der US-Volkswirtschaft als Ganzes sehr wahrscheinlich links (und nicht rechts) von x% auf der Laffer Curve, sodass eine Steuersenkung auch tiefere Steuereinnahmen bedeutet.

 

Wie oben beschrieben, gibt es aber auch die Gruppierung, welche sich auf sinkenden Steuereinnahmen geradezu freuen, weil damit die Staatsausgaben schrumpfen. Tatsächlich war aber trotz tieferen Steuern der Anteil der Staatsausgaben als Prozent des Bruttoinlandprodukts Ende der 80er leicht höher noch als Ende der 70er Jahre: Von einem Ausrotten und Verhungern des Staates kann also keine Rede sein!

 

ab 1989: Steuererhöhungen von Präsident Bush Senior und Präsident Clinton

Als Folge der tieferen Steuereinnahmen und leicht höheren Ausgaben resultierte Ende der 80er Jahren verheerende Budgetdefizite, welche auch George Bush Sr trotz seinen „Read My Lips“ Beteuerungen nicht ignorieren konnte; die Steuern mussten wieder rauf. Zwischen 1989 und 1995 stieg der durchschnittlicher Bundessteuersatz auf die reichsten 1% der Familien beispielsweise von 28.9% auf 36.1%. Das Wirtschaftswachstum stieg an, die Arbeitslosigkeit fiel auf dem tiefsten Niveau seit Jahrzehnten ohne inflationär zu wirken, das Produktivitätswachstum beschleunigte sich und aus einem Budgetdefizit wurde ein Budgetüberschuss. Obwohl die wenigsten Ökonomen davon ausgehen, dass die Wirtschaftspolitik von Clinton hauptsächlich für diese beeindruckende Bilanz verantwortlich war (schon eher der Internetboom), so lässt sich doch sagen, dass höhere Steuern nicht das gebracht haben, was vielen Steuergegnern befürchtet haben, nämlich einen ökonomischen Desaster.

 

ab 2001: Präsident Bush Jr. senkt die Steuern

Seit 2001 wurden die US-Steuern wieder konsequent gesenkt. Es ist zu früh, etwas über die mittelfristige Wachstumseffekte der USA zu sagen, obwohl die kurzfristigen Effekte doch sehr positiv sind (was bei dieser Mischung aus expansiven Fiskal- und Geldpolitik nicht weiter verwunderlich ist). Sicher ist aber, dass diese Steuersenkungen den Reichen zugute kommen. Natürlich wurden die Senkungen so nicht „verkauft“, aber Schätzungen ergeben, dass 42% der Nutzen, sprich der Steuerersparnisse, aus der Steuersenkungsrunde 2001 (Schwerpunkt Reduktion der obersten Steuersätze und Abschaffung der Grundbesitzsteuer) den reichsten 1% der US Bevölkerung zugute kommen. Die Steuersenkungen 2003 (Schwergewicht auf die Reduktion des Steuersatzes auf Dividendeneinkommen) sehen auf den ersten Blick leicht moderater aus: Die reichsten 1% der US Bevölkerung erhalten „lediglich“ 29.1% der Steuerersparnisse. Wenn das nicht schon schlimm genug wäre, zeigt sich bei noch näherem Hinschauen, dass die reichsten 0.13% der Bevölkerung ganze 17.3% der Vorteile bekommen, was mehr ist als die unteren 70% der US-Familien!

 

Bei diesen Zahlen fragt man sich, wie diese Steuersenkungen überhaupt akzeptiert worden sind. Natürlich liegt es am Verkauf und Vermarkten: Diese Steuersenkungsrunde 2003 wurde unter dem Motto „92 Millionen Amerikaner werden eine durchschnittlichen Steuersenkung von $1’083 erhalten“ verkauft, was sich wunderbar anhört, bis man sich die Zahlen ein bisschen genauer anschaut. Obwohl die Durchschnittssenkung für 92 Millionen Amerikaner sehr wohl um die $1’100 liegt, wurden die 50 Millionen Steuerzahlern, die keine Steuersenkungen erhalten, nicht in die Berechnung miteinbezogen. Und man muss keine Genie sein, um zu erahnen, dass die Mehrheit der 92 Millionen deutlich weniger als $1’083 erhalten werden, da das Durchschnitt durch die sehr grossen Steuersenkungen für die sehr wenig Superreichen verzerrt wird. Wie so oft liegt deutlich mehr dahinter, als zuerst vermutet wird?.

 

Schlussfolgerungen

Wir haben gesehen, dass Steuersenkungen in den USA in den letzten 25 Jahre keine ökonomische Wunder (zumindest mittelfristig) vollbrachten und dass der Nutzen nicht gleichverteilt war. Zudem waren die Steuersenkungen in den USA nicht mit steigenden Steuereinnahmen verbunden, sprich es gab kein „free lunch“ (eigentlich schade, denn wer hätte schon was gegen tiefere Steuern und höhere Staatsausgaben?)

 

Es muss darauf hingewiesen werden, dass Steuersenkungen per se als wirtschaftspolitische Massnahme nicht schlecht sind. In gewissen Ländern und in gewissen Ausprägungen können Steuersenkungen sehr viel Gutes und Wertvolles leisten. Und dass ein Land dank tieferen Steuern sich schneller aus einer Rezession hieven kann, ist offensichtlich.

 

Das Problem ist eher dort zu finden, wo die Steuerersparnisse v.a. den Reichen zugute kommt und wo die Steuern ohnehin tief sind. In der Realität führen Steuersenkungen in Ländern mit relativ tiefen Steuern, wie auch die Schweiz, zwar kurzfristig zu einem Wirtschaftswachstum aber langfristig entweder zu tieferen Staatsausgaben oder wiederum höheren Steuern, damit das Budgetdefizit wieder in Lot gebracht werden kann. Je nach politischen Machtverhältnissen in einem Land werden entweder die Staatsausgaben daraufhin drastisch gekürzt oder die Steuern wieder erhöht.

 

Hinter Steuersenkungsinitiativen in der Schweiz können also ganz unterschiedliche Motive stehen, z.B. diejenigen, die mit aller Ehrlichkeit daran glauben, dass wir unseren Steuereinnahmen erhöhen können wenn wir unsere Steuern senken (was zweifelhaft erscheint, da wir im internationalen Vergleich schon relativ tiefe Steuern haben, sprich sehr wahrscheinlich links von x% auf der Laffer Curve liegen) oder auch diejenigen, die eher Ambitionen haben, die Mutter Staat zumindest teilweise verhungern zu lassen.

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GENF, 27.2.2004 : ChristNet ist ein Forum von evangelischen ChristInnen, das sich mit sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, kulturellen und Entwicklungsfragen kritisch auseinandersetzt. Wir wollen eine Politik der Nächstenliebe entwickeln, die von den Bedürfnissen der Schwächsten ausgeht, und durch Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit die Debatte zu gesellschaftlichen Themen in den Schweizer Freikirchen anregen.

 

Viele Christen fühlen sich dem Nahost-Konflikt gegenüber ohnmächtig. Sie glauben an die biblischen Prophetien, wonach Israel in diesem Land wiedererstehen muss, stossen damit aber bei nichtchristlichen Freunden auf Unverständnis und Ablehnung. Zudem geraten sie in einen inneren Zwiespalt, wenn sie an das Leiden der beiden Völker denken, das sich aus der aktuellen Situation ergibt. ChristNet ist überzeugt davon, dass die göttliche Antwort auf diesen Konflikt Versöhnung heisst, die sich dadurch äussert, dass beide Völker sich dem Leiden der ?Anderen? stellen.

 

Wenn Gottes Propheten von Gericht und Krieg sprechen, so ist das meist ein Aufruf zu Busse und Umkehr (z.B. bei Jona1 ). Jesaja spricht aber auch vom kommenden Frieden zwischen Irak, Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten, den palästinensischen Gebieten und Israel.2  ChristNet ruft darum zum Gebet auf, nicht nur für Israel und die Juden, sondern auch für die Araber (Moslems und Christen), denn das Schicksal dieser zwei Völker ist durch die Geschichte unwiederbringlich miteinander verkettet.

 

In freikirchlichen Kreisen konnte in den letzten Jahren eine Sensibilisierung zum Thema Israel festgestellt werden. In vielen Gemeinden werden die jüdischen Wurzeln des Christentums und die Liebe zum Volk Israel neu betont. Damit wird die evangelikale Theologie gewiss bereichert und vertieft.

 

Leider geht diese Entwicklung oft mit einer bedingungslosen Unterstützung des ?jüdischen Staates? Israel und seiner Politik einher. Geistliche Erkenntnisse (Prophetien) werden schematisch in politische Schlussfolgerungen umgemünzt, ohne dabei die Lage der Menschen vor Ort zu berücksichtigen. Gleichzeitig lassen sich andere Christen, die für die katastrophale Lage in den Palästinensergebieten sensibel sind, zu anti-israelischen Aussagen hinreissen, die schnell einen anti-jüdischen Ton erhalten können.

 

Durch solche Parteinahmen wird der Nahost-Konflikt in unsere Gemeinden hineingetragen. ChristNet ist davon überzeugt, dass es nicht darum gehen kann, für oder gegen ein Volk Partei zu ergreifen.3  Es geht vielmehr darum, Gottes Willen zu suchen, der sich in Jesus offenbart hat: aus Liebe zu allen Menschen Frieden zu stiften und damit zu Busse und Gerechtigkeit beizutragen.4

 

Um solche Parteinahmen zu vermeiden, ist es wichtig, sich der Situation und dem Leiden der beiden Völker zu stellen. Die Juden leben mit der traumatischen Erfahrung einer Jahrtausende alten Geschichte der Verfolgung und Ausgrenzung, des Holocaust und heute der Verunsicherung durch den Terror. Die Araber wiederum erleben die Gründung des Staates Israel als Nakba (arab.: Katastrophe) da er für sie Entwurzelung, Militärterror und Verlust der Existenzgrundlage bedeutet.

 

Besonders exponiert sind dabei die arabischen Christen, die als Minderheit oft zwischen Hammer und Amboss geraten, indem sie von den eigenen Leuten als Kollaborateure, von den Juden als Feinde angesehen und von den westlichen Geschwistern nur wenig beachtet werden. Ähnliches gilt für die messianischen Juden, die von ihren Volksgenossen misstrauisch als ?verkappte Christen? betrachtet werden.

 

Die Haltung der Parteilosigkeit findet ihren konkreten Ausdruck in zahlreichen Versöhnungsarbeiten, von denen eine an der ChristNetKonferenz vorgestellt werden soll. So wollen wir Verständnis für die Lage beider Völker schaffen.

 

In einer ganzheitlichen Sicht ist Versöhnung nicht nur eine Frage des persönlichen Engagements, sondern äussert sich auch in politischen Bestrebungen. Eine friedensfördernde und versöhnliche Politik kann unter Umständen den Rahmen schaffen, in dem ein Näherkommen der zwei Völker möglich wird. Gott will im Nahen Osten Frieden schaffen. Es gibt keinen Grund, dass wir uns nicht auf allen Ebenen um diesen Frieden bemühen. Darum kommt an der ChristNetKonferenz auch ein Spezialist für Friedensbestrebungen in Nahost zu Wort.

 

ChristNet ist sich bewusst, dass dies kein einfacher Ansatz ist, heisst es doch, von vertrauten Denkschemen wegzukommen, um sich dem Leiden der Menschen zu stellen, ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Glaubens. Es bedeutet, ein Stück des Leidens mitzutragen, das Gott im Angesicht dieses Konflikts empfinden muss, und Hoffnung zu schöpfen, dass durch Ihn Frieden im Nahen Osten tatsächlich möglich ist. Das kann unser bescheidener Beitrag zum Frieden im Nahen Osten sein.



1. Jonas Predigt ist eine reine Gerichtsankündigung ohne offensichtliche Möglichkeit der Busse: ?Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!? (3,4). Aber Gott lässt sich dennoch durch die Busse der Bevölkerung bewegen: ?Und Gott sah ihre Taten, daß sie von ihrem bösen Weg umkehrten. Und Gott ließ sich das Unheil gereuen, das er ihnen zu tun angesagt hatte, und er tat es nicht.? (3,10)

2.  Jesaja 19,23-25: ?An jenem Tag wird es eine Straße von Ägypten nach Assur geben. Assur wird nach Ägypten und die Ägypter nach Assur kommen, und die Ägypter werden mit Assur [dem HERRN] dienen. An jenem Tag wird Israel der Dritte sein mit Ägypten und mit Assur, ein Segen inmitten der Erde. Denn der HERR der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei Ägypten, mein Volk, und Assur, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!?

3. vgl. Josua 5,13-14: ?Und es geschah, als Josua bei Jericho war, da erhob er seine Augen und sah: und siehe, ein Mann stand ihm gegenüber, und sein Schwert war gezückt in seiner Hand. Josua ging auf ihn zu und sagte zu ihm: Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden? Da erwiderte er: Nein, sondern ich bin der Oberste des Heeres des HERRN; [gerade] jetzt bin ich gekommen.?

4. vgl. Jakobus 3,17-18: ?Die Weisheit von oben aber ist aufs erste rein, sodann friedsam, gütig, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.?

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Am 16. März hat der Nationalrat eine weitere Scheibe des Sonntags abgeschnitten.

Wenn der Ständerat im Juni auch zustimmt, so sind Sonntags-Einkaufszentren an den Bahnhöfen bald Realität. Beten wir für die Ständeräte, dass sie sich dieser Gesetzesänderung widersetzen!

 

Der Sonntag, ein Geschenk Gottes

Der Sonntag ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen, zunächst in Form des Sabbat, im christlichen Gebrauch als Sonntag. Bereits in den zehn Geboten wird uns nahegelegt, den Sabbat zu heiligen: ?Denke an den Sabbattag, um ihn heilig zu halten. Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun, aber der siebte Tag ist Sabbat für den Herrn, deinen Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und der Fremde bei dir, der innerhalb deiner Tore wohnt.?(2. Mose 20, 8-10).

 

Wie die anderen Gebote ist das Gebot des Sabbats nicht einfach eine mühsame Regel, sondern es ist für uns lebenserhaltend. Dies zeigt sich gerade heute: Arbeitsstress, Aktivismus und Konsumdruck nehmen vor allem in den Industriestaaten immer mehr zu. Wenn wir uns nicht aktiv Zeit nehmen, unsere Beziehung zu Gott und zu unseren Bekannten und Verwandten zu pflegen, so zerbrechen diese Beziehungen und damit auch die Gesellschaft. Die Vereinsamung und ihre Folgen hat vor allem in den Grosstädten in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen.

 

Der Sonntag nimmt deshalb eine zentrale Stellung ein: dies ist der einzige Tag, wo die Mehrheit der Bevölkerung gleichzeitig freie Zeit zur Verfügung hat und wo Kirchgang, Besuche und Familienleben möglich sind. Ohne diesen gemeinsam planbaren Tag sind Familien und Vereine, und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt in Gefahr. Dies umso mehr, als sich die Berufsarbeit (vor allem in der Industrie und den Dienstleistungen) unter der Woche immer öfter auch bis in den Abend hinein erstreckt. Die StimmbürgerInnen haben deshalb 1996 eine Revision des Arbeitsgesetzes mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt, da die Vorlage sechs Sonntage im Jahr bewilligungsfrei für Sonntagsarbeit freigeben wollte. Die SchweizerInnen halten also am grundsätzlichen Arbeitsverbot am Sonntag fest.

 

Der Sonntag, politisch ausgehöhlt

Das Ringen um den Sonntag hat sich in den letzten zwei Jahren intensiviert. Das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) und viele Kantone weigern sich seit zwei Jahren, Bundesgerichtsentscheide zur Schliessung von Geschäften am Sonntag umzusetzen.

 

Gleichzeitig schauen die Behörden zu, dass Tankstellenshops den Sonntag zum Einkaufstag machen. Und nun hat die Wirtschafts- und Abgabenkommission im Eilverfahren einen Antrag auf Änderung des Arbeitsgesetzes ans Parlament gerichtet, damit Läden an Bahnhöfen nicht nur für den Reisebedarf, sondern auch generell am Sonntag geöffnet werden können. Die Bahnhöfe sollen zu Sonntags-Einkaufszentren werden! Am 16. März wird der Nationalrat darüber beraten. Und die Konkurrenz wird darauf hin ?gleich lange Spiesse? beanspruchen.

 

Doch offene Läden sind der sichtbarste Ausdruck, dass der Sonntag ein Tag wie jeder Andere geworden ist. Es wird normal, am Sonntag auch zu arbeiten. Viele andere Arbeitsbereiche (Frisch-Produktion Lager-Arbeiten, Transport und schliesslich Call Centers) werden zudem in direkter Folge der Sonntags-Öffnung nachziehen.

 

Der Sonntag, unsere Verantwortung

Es ist sicher richtig, dass wir notwendige Dienste wie Polizei, Krankenpflege und öffentliche Verkehrsmittel auch am Sonntag aufrechterhalten. Und Dienstleistungen, die der Beziehungspflege und der Erholung dienen, sind bis zu einem gewissen Grad auch zu rechtfertigen. Doch wo ist die Grenze? Müssen wir immer alles sofort einkaufen können? Können wir nicht bis am Montag warten, wenn mal ein Computer streikt? Als Kunden bestimmen wir, wie viel Andere am Sonntag arbeiten müssen.

 

Viele argumentieren, dass mit der Öffnung an Bahnhöfen Arbeitsplätze geschaffen werden können. Aber wenn wir genauer hinsehen, handelt es sich nur um die Verschiebung von Einkäufen aus der Woche, also einzig um eine Verlagerung. Und sind wir wirklich gezwungen, den Sonntag zu opfern, damit wir ein Auskommen für alle schaffen können?


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