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Ein Anti-Asyl-Gesetz

Angesichts der Bestimmngen dieses neuen Gesetzes kann man sich fragen, was von der humaniätren Tradition der Schweiz noch übrig bleibt. Schaut man die Bedingungen an, die an die Genehmigung eines Asylgesuchs gebunden sind, gleicht dieses Gesetz eher einem Anti-Asyl-Gesetz.

Unsere Politiker freuen sich über den Rückgang der neuen Gesuche1 und verschweigen geflissentlich, dass tagtäglich Menschen in ihrem Heimatland in Gefahr sind und keine andere Wahl haben, als zu fliehen. Damit entzieht sich die Schweiz der Verantwortung, die sie sich gegeben hat, als sie die Genfer Konventionen unterzeichnet und sich damit verpflichtet hat, Menschen in Not aufzunehmen.

Anne-Sylvie Giolo, Januar 2006

Asylkrise: Mach? mal Pause!

?Die Stärke des Volkes [?] misst [sich] am Wohl der Schwachen.? (Bundesverfassung) Heute scheint das Schweizer Volk nicht sehr stark zu sein. Die Schweiz befindet sich mitten in einer Asylkrise: Die Asylbewerber ? in unserer Gesellschaft gibt es kaum Schwächere als sie ? werden im schlechter behandelt; immer weniger Menschen wagen es noch, bei uns Schutz zu suchen; gleichzeitig fühlt sich die Bevölkerung verunsichert, sie befürchtet Missbräuche; die Politiker haben nur ?einfache? und harte Rezepte zu bieten.

Es ist an der Zeit, dass die Schweiz mal eine Pause einlegt und sich vertieft mit den Fragen unserer Identität, unserer Gastfreundschaft und der Aufnahme und Integration beschäftigt, die wir fremden Menschen bieten können und wollen. Diese Änderung des Asylgesetzes beantwortet keine dieser dringenden Fragen und überstürzt Entscheidungen, die hart sind und für viele Menschen schwer weigende Folgen haben wird.

Das heute vorgelegte Gesetz ist zwar etwas ?softer? als die ursprüngliche Vorlage im Frühling 2005, doch die Richtung ist immer noch die Selbe und die Falsche: Die repressiven Bestimmungen, die uns eigenartig an die im Herbst 2002 knapp abgelehnte SVP-Initiative erinnern, sind in der Mehrzahl.

Einmal mehr wird eine Asylreform durch Angst und Missbrauchsgefühl geprägt. Eigenartigerweise sind diese Gefühle trotz jahrelanger Asylverschärfung noch nicht kleiner gwerden. Es besteht kein Zweifel: Auch die weitere Kriminalisierung der Asylbewerber wird die Unsicherheit der Bevölkerung nicht kleiner machen. Im Gegenteil: Wenn die ?Asylanten? so hart angegangen werden müssen, heisst das doch gerade, dass sie gefährlich sind und profitieren wollen, oder?

Doch was meinen wir eigentlich mit ?Missbrauch?? Ist das, wenn jemand aus den ?falschen?, z.B. aus wirtschaftlichen Gründen Asyl beantragt? Oder weil er findet, dass die Situation in seinem Land noch unerträglicher ist als das Misstrauen, die Demütigungen und die Kälte (des Klimas und der Menschen), denen er in der Schweiz ausgesetzt ist?

Seien wir ehrlich: Was uns Mühe macht ist, dass die Asylbewerber das Elend der Welt bis vor unsere Tür tragen. Diese Realität ist für uns oft unvorstellbar und unerträglich, sie überfordert uns. Als Christen sind wir herausgefordert, den Fremden aufzunehmen, denn so dienen wir Christus2 . Es ist ja Christus selber, der als ?verachtet ? und verlassen von Menschen? beschrieben wird, als ?einer, vor dem man das Antlitz verhüllt?3 . Wenn wir den anderen aufnehmen imitieren wir unser Vorbild Jesus, der immer auf die Begegnung und das Zuhören aus war. Er hat uns nicht versprochen, dass dies einfach wird, aber er hat uns versprochen, dass er uns unterstützen und seinen Beistand geben wird, den Heiligen Geist.

Das neue Asylgesetz grenzt aus, festigt Misstrauen und vergrössert so die Not. Als Christen sind wir gefordert, hier unsere Stimme zu erheben. Darum wollen wir kämpfen und beten: Gott möge uns helfen!

Samuel Ninck, Januar 2006



1.  Diesen ?Erfolg? feierte Christoph Blocher in seinem Zweijahresrapport letzten Dezember. Interessant dabei: Er freut sich nicht mehr eine Abnahme der Asylbmissbräuche, sondern schlicht und einfach der Asylgesuche.

2. Matthäus 25,35.

3. Jesaja 53,3

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„Du sollst den Fremden nicht misshandeln und ihn nicht unterdrücken. “ (Exodus 22:21)

Mehr als 100 Mal befiehlt das Alte Testament, Fremde zu schützen. Die wiederkehrende Formel „der Fremde, die Witwe und die Waise“ zeigt, dass für Gott die Fremden zu den Schutzbedürftigen gehören. Der Grund für diesen Schutz wird nach der oben erwähnten Stelle deutlich erklärt: „Denn ihr wart Fremdlinge im Land Ägypten. „Jakob war mit seinen Söhnen als Wirtschaftsmigrant in Ägypten, da im Land Kanaan eine Hungersnot herrschte (vgl. Genesis 42ff.).

Der alttestamentliche Grund für die Aufnahme des Fremden ist also die Identifikation mit dem Leiden der Israeliten.

Was sagt Jesus und das NT?

Wir sehen, dass sich Gottes Haltung gegenüber dem Fremden im Neuen Testament noch deutlicher widerspiegelt: Nachdem der Mensch sich von Gott entfernt hat, ist es Gott, der als Fremder in Jesus inkarniert zu seiner Schöpfung kommt: „[Er] kam zu den Seinen, und die Seinen nahmen ihn nicht auf“. “ (Johannes 1:11)

Das ganze Leben Jesu zeigt, dass er ein Fremder ist; nicht nur, dass er das Haus seines himmlischen Vaters verlässt und in einem stinkenden Schafstall geboren wird, sondern er muss gleich nach seiner Geburt nach Ägypten fliehen; er wird als uneheliches Kind betrachtet; in seinem Dienst wird er ständig als Ketzer behandelt; seine engsten Freunde verstehen ihn nicht und verlassen ihn; und schließlich wird er getötet. All dies drückt aus, wie fremd er in diesem Land war.

Der Ruf der Christen

Jesus ruft seine Jünger auf, Fremde zu sein wie er: Wie er sind sie in der Welt, aber nicht von der Welt (vgl. Joh 17,11.14).  (Johannes 17:11.14) Der Hebräerbrief veranschaulicht diese Realität sehr deutlich: „[Die Helden des Glaubens erkannten], dass sie Fremde und Reisende auf der Erde waren. “ (Hebräer 11,13) Deshalb sind wir Schweizer Christen Fremde in der Schweiz. Sollte uns das nicht für die Not der Ausländer sensibilisieren, eine Art Komplizenschaft?

Das bedeutet nicht, dass Ausländer Heilige sind. Sie sind Menschen wie wir, weder besser noch schlechter. Leider neigen wir dazu, sie als Feinde zu sehen und nicht als Menschen, die wie wir sind. Doch wir vergessen, dass wir nur dann Erben des Reiches des Vaters sein werden, wenn wir Jesus „aufnehmen“, wenn er ein Fremder ist. (Matthäus 25:35)

Im Angesicht unserer Angst

Unsere Reaktion auf Ausländer basiert oft auf Angst: die Angst vor „Überfremdung“, die Angst, dass die Ausländer uns die Arbeitsplätze wegnehmen, dass die Qualität der Bildung unserer Kinder sinkt, dass christliche Werte aufgegeben werden.

Jesus ist sehr klar: Wenn wir Gott gehorchen wollen, müssen wir ihn und unseren Nächsten lieben (vgl. Matthäus 22,37-39). Es ist die Liebe, die es uns ermöglicht, die Angst vor dem Fremden zu überwinden, denn „die Angst ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Angst“. (1Joh 4:18)


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