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Loslösung vom Reichtum (1. und 2. Jahrhundert)

Die Idee des „einfachen Lebens“ ist für die ersten Christen eine Selbstverständlichkeit. Es wird als normal erachtet, seine Güter zu verkaufen und sie mit den Anderen zu teilen. Durch die Bekehrung wird man gleichsam als Kind des einen Vaters zu Geschwistern. Doch Armut wird hier nicht als Selbstzweck gesucht: Vielmehr steht die Aufgabe des Reichtums im Vordergrund zugunsten derjenigen, die weniger besitzen.

Die Geschichte des reichen Jünglings (Mat. 19,16-222) hat die Christen während der gesamten Kirchengeschichte ganz unterschiedlich beschäftigt. Im 1. und 2. Jahrhundert wurde sie wie folgt interpretiert: Der Reichtum ist nicht an und für sich schlecht, aber die Liebe des Reichtums ist ein Hindernis zum Heil. Für die ersten Christen geht es dabei in erster Linie um die Frage der Solidarität und der Geschwisterhilfe. Doch kommt der reiche Jüngling in den Diskussionen oft vor und die Frage stellt sich, ob die Reichen überhaupt gerettet werden können. Die Kirche stellt dazu fest, dass der Reichtum nützlich ist, dass es aber notwendig ist, sich von aller fleischlichen Gier, sprich: der unbezähmten Liebe zum Geld, zu lösen.

Luxus als Anmassung (3. bis 5. Jahrhundert)

In der Folge entwickelten sich radikalere Strömungen, die bis zur Suche nach dem Märtyrium durch den Verzicht auf Güter und auf die Ehe gehen. Sie sehen den Güterbesitz als etwas Dämonisches an. Diese Strömungen, die zwar von der Kirche verurteilt werden, tauchen dennoch im Laufe der Kirchengeschichte in verschiedenen Formen wieder auf.

Im 4. und 5. Jahrhundert kommt Basilius von Cäsarea zur Auslegung, dass der reiche Jüngling nicht alle Gebote gehalten habe, wie er vorgibt, da er trotz seines Reichtums seine armen Brüder verhungern liess. Es sei praktisch unmöglich, so viel Reichtum anzuhäufen, ohne einzelne Gebote zu verletzen. Basilius kommt zum Schluss, dass Luxus eine Anmassung ist. Seine Kritik trifft demnach nicht den Reichtum an und für sich, sondern die Grösse des Vermögens. Andere folgern, dass die Anhäufung grosser Vermögen gezwungenermassen zu Ungerechtigkeiten führt.

Ein weiterer Leitgedanke wird zu dieser Zeit entwickelt: Wir sind nicht die Besitzer der irdischen Ressourcen, sondern Verwalter dessen, was Gott uns anvertraut; die irdischen Güter dienen zum Nutzen Aller.

Die Armut als materielle Tatsache

Mit dem Aufstieg des Christentums zur offiziellen Religion des römischen Reiches verliert der Märtyrergedanke an Boden und wird durch die Weltflucht ersetzt. Die ersten Klöster werden gegründet. Hier kann „der Welt“ und ihrem Reichtum, die in der Meinung dieser monastischen Strömungen die evangelische Vollkommenheit verunmöglichen, entflohen werden. Gleichzeitig nimmt die Armut in der Gesellschaft wegen wiederholten Hungersnöten und Epidemien zu. Die Bewegung zur Hilfe der Schwächsten und Armen Gewinnt an Boden. Den Reichen wird ihr Reichtum vorgeworfen, der auf Kosten der Armen erworben wird.

Zu dieser Zeit kommt die Kirche zum ersten Mal in den Genuss von Erbschaften, die sie dazu verwendet, die Leiden der Armen zu lindern. In der Folge wird die karitative Hilfe der Kirchen institutionalisiert, und die ersten Kranken- und Armenhäuser werden eröffnet. Die Armut wird zu dieser Zeit in erster Linie unter ihrem materiellen Gesichtspunkt betrachtet, und nicht als geistliche Frage behandelt.

Das einfache Leben (11. und 12. Jahrhundert)

Im 11. und 12. Jahrhundert entstehen neue Orden, die eine Rückkehr zur Armut predigen. Das Ziel ist, im gemeinschaftlichen Rahmen einen einfachen Lebensstil zu leben. Dabei bestehen auffälligerweise zwei Theorien nebeneinander: Die Kirchenhierarchie predigt einerseits die Armut als Gottes Wille, andererseits macht die Zunahme der Armen der Kirche Angst. Die Einsiedler, die von der Welt abgeschieden leben, kritisieren den Klerus vermehrt, weil dieser Armut predigt, ohne sie vorzuleben. Oppositionelle und konfliktträchtige Bewegungen entstehen. In dieser Kontroverse sind zwei Männer besonders wichtig: Franz von Assisi und der Heilige Dominik. Beide vertreten eine Zwischenmeinung: Sie bleiben der institutionellen Kirche zwar treu, schaffen es aber, den Armen wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Beide Männer haben die Gründung zahlreicher Krankendienste inspiriert.

Die Angst vor dem Armen (14. Jahrhundert)

Im 14. Jahrhundert stellt sich erneut die Frage nach der Armut Christi. Hat er wirklich bis zuletzt in Armut gelebt? Waren seine Jünger tatsächlich besitzlos? Papst Johannes XII erklärt die Lehre als Häresie, wonach Jesus in absoluter Armut gelebt habe. In der Folge wird der Arme suspekt. Die Ablasspraxis, bei der die Reichen vor ihrem Tod einen Teil ihres Vermögens den Armen vermachen, um sich so den Weg ins Paradies frei zu machen, macht die Armut als einziger Faktor akzeptabel. Doch wird der Arme und die Armut immer mehr als Gefahr wahrgenommen, und der Entscheid zu einem armen Lebensstil wird je länger je weniger toleriert. Der Arme wird nicht mehr als Ebenbild Christi gesehen. Auch wenn sich einzelne Stimmen für die Armen einsetzen, wie etwa Erasmus von Rotterdam, nimmt die Angst schliesslich dermassen zu, dass die Armen vermehrt eingesperrt werden.

Zwischen Armut als Seligkeit und sozialer Kritik (17. bis 20. Jahrhundert)

Im 17. Jahrhundert wird die Armenhilfe weiter ausgebaut. Der Staat übernimmt dabei eine immer aktivere Rolle und fördert die Hauspflege, die zu einer grossen Bewegung wird. Nach der Suche des einfachen Lebensstils steht jetzt der Armendienst auf dem Programm. Mit einbrechender Aufklärung erscheint der Entscheid zu einem einfachen Lebensstil als Provokation. Klöster werden geschlossen, die Armut der Mönche und ihr Märtyrergedanken wird offen kritisiert. Die Kirche zieht sich mehr und mehr aus dem öffentlichen Armendienst zurück.

Im 18. Jahrhundert verliert die Armut definitiv ihren Vorbildcharakter und wird durch einen Mittelweg abgelöst. Dabei wird weder nach Armut noch nach Reichtum gestrebt, sondern nach einem bescheidenen Lebensstil. Zur gleichen Zeit entwickelt sich der Markt, dessen Existenz auf dem Grundsatz der Vielfalt beruht. Die ungleiche Verteilung des Reichtums festigt die Gesellschaft, da sie nur existiert, weil es Arme gibt, die zum Leben auf ihre Arbeit angewiesen sind. Die Armut wird vermehrt als etwas Natürliches wahrgenommen. Die Kirche betont denn auch nicht mehr die Armut Christi, sondern diejenige des Menschen allgemein, die den Bedürfnissen der Gesellschaft dient.

Mit dem Aufstieg des Sozialismus’ im 20. Jahrhundert beginnt die Kirche, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter zu kritisieren. Die Kirchenhierarchie kritisiert die Ausbeutung des Menschen. Doch wird diese soziale Kritik oft durch den traditionellen Flügel der Kirche unterdrückt. Dies kann bis heute beobachtet werden, „unterdrückt“ doch die Kirche mit mehr oder weniger Heftigkeit die Befreiungstheologie.

Zum Schluss

Zum Schluss kann festgehalten werden, dass sich der Blick der Kirche auf die Armen, sowie ihre Reaktion auf Armut und Ungerechtigkeit im Laufe der Zeit ständig verändert hat. Wie sehen wir die Armen und die Armut heute? Wie können wir uns für sie einsetzen? Vielleicht sind wir berufen, einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Mittellosigkeit und Reichtum zu finden. Könnte es hier um die Genügsamkeit gehen? Vielleicht sind wir gleichermassen berufen, uns das Prinzip der Verwalterschaft von Basilius von Cäsarea wieder zu eigen zu machen; jeder ist demnach berufen, einen Teil des weltweiten Vermögens Gottes zum Nutzen der gesamten Menschheit zu verwalten.

Empfohlene Lektüre

CHRISTOPHE Paul, Les pauvres et la pauvreté. Des origines au XVe siècle. 1ère partie, Desclée, Paris, 1985.

CHRISTOPHE Paul, Les pauvres et la pauvreté. Du XVIe siècle à nos jours. 2ère partie, Desclée, Paris, 1987.

DOMMEN Edouard, Laisser des grappilles. Contre la convoitise, la fête !, Repères, Pain Pour le Prochain, 2000.

RAHNEMA Majid, Quand la misère chasse la pauvreté, Paris, Fayard; Acte Sud, 2003.

 

Béatrice Steiner, April 2006

Transkription: Silvia Hyka/sn, übersetzt von Samuel Ninck.

Dieses Referat wurde weitgehend durch folgende Bücher inspiriert: CHRISTOPHE Paul, Les pauvres et la pauvreté. Des origines au XVe siècle. 1ère partie, Desclée, Paris, 1985. CHRISTOPHE Paul, Les pauvres et la pauvreté. Du XVIe siècle à nos jours. 2e partie, Desclée, Paris, 1987.

„Und siehe, einer trat herbei und sprach zu ihm: ‚Lehrer, was soll ich Gutes tun, damit ich ewiges Leben habe?’ Er aber sprach zu ihm: ‚Was fragst du mich über das Gute? Einer ist der Gute. Wenn du aber ins Leben eingehen willst, so halte die Gebote.’ Er spricht zu ihm: ‚Welche?’ Jesus aber sprach: ‚Diese: Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsches Zeugnis geben; ehre den Vater und die Mutter; und: du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.’ Der Jüngling spricht zu ihm: ‚Alles dies habe ich befolgt. Was fehlt mir noch?’ Jesus sprach zu ihm: ‚Wenn du vollkommen sein willst, so geh hin, verkaufe deine Habe und gib den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Und komm, folge mir nach!’ Als aber der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt weg, denn er hatte viele Güter.“ (Matthäus 19,16-22)

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Jésus a toujours été provocateur, c’est pourquoi j’ai le droit d’être provocateur sans mauvaise conscience : Le Dieu de la Bible est un Dieu des pauvres matériellement (et non „spirituellement“). Je mets cette déclaration frappante au début et je commence maintenant mes remarques.
Il y a peu de discussions sur la pauvreté dans une perspective biblique dans les églises, les groupes de foyers, les groupes de jeunes, etc. En tant que Suisses, nous ne sommes guère confrontés à la pauvreté existentielle et nous nous consacrons donc à d’autres sujets de foi. Malgré une lecture intensive de la Bible, nous oublions à quel point le thème de la pauvreté et de la lutte contre la pauvreté y est traité de manière centrale. On peut se demander si nous ne sommes pas simplement aveuglés par notre richesse à cet égard.
Dieu n’a pas choisi une ancienne superpuissance dans l’Ancien Testament, mais un pauvre peuple d’esclaves. Ce n’est que le premier grand acte de solidarité de Dieu avec les pauvres, qui se reflète immédiatement dans le 2ème livre de Moïse, puisque le soin des pauvres occupe une grande place dans les lois agricoles. Ici, par exemple, Dieu établit l’année dite sabbatique : „Pendant six ans, tu sèmeras ta terre et tu en récolteras les fruits. Mais la septième année, tu le laisseras reposer et se coucher, et les pauvres de ton peuple en mangeront ; … ? (Ex. 23:10-11)
Plus tard, les prophètes se sont également fait les avocats des pauvres : „Écoute ceci, toi qui opprime les pauvres et ruine les misérables de la terre… ? (Amos 8:4) Ils ont notamment promis l’aide de Dieu aux pauvres : „Le malheureux et le pauvre cherchent de l’eau, et il n’y en a pas ; leur langue est desséchée par la soif. Mais moi, l’Éternel, je les écouterai, moi, le Dieu d’Israël, je ne les abandonnerai pas“. (Esaïe 41:17)
En tant que riches chrétiens suisses, nous négligeons généralement ces passages et préférons aller à la recherche de citations bibliques qui légitimeraient notre richesse. Dans les proverbes, nous trouvons ensuite le mal de la pauvreté auto-infligée, décrit, en 6,10+11 par exemple, comme suit : „Oui, dormez un peu plus longtemps, dormez un peu, serrez un peu les mains l’une contre l’autre pour dormir, et la pauvreté vous rattrapera comme un voleur, et vous voudrez comme un homme d’armes“. Bien sûr, il est clair ici que la pauvreté n’est pas glorifiée dans la Bible, mais sur la base de ce passage et d’autres similaires, on ne peut trouver de réponse à la question si souvent posée de savoir si nous ne pourrions pas profiter un peu de notre richesse.
Les références à l’immense temple de splendeur de Salomon ne s’appliquent pas non plus, bien qu’elles soient parfois utilisées aujourd’hui pour jeter au moins une lumière biblique éclatante sur nos nouveaux bâtiments d’église pompeux. Non, l’aspect de la prise en charge des pauvres est si important dans la Bible que nous ne pouvons pas parler d’une „jouissance de la richesse“ légitimée par la Bible.
Comme nous l’avons déjà mentionné plus haut, le soin des pauvres est inscrit dans la Bible depuis le début. Par exemple, Joseph conçoit un système similaire dans Genèse 41:47-57 en recueillant suffisamment de récoltes pendant les sept années d’abondance pour subvenir aux besoins des pauvres pendant les sept années de famine. Ensuite, dans le Deutéronome 14:22-29, il y a une disposition sur la dîme, une méthode de soins aux pauvres qui est centrale pour nous jusqu’à ce jour. À l’origine, la dîme était un paiement en nature provenant du rendement annuel et du bétail et versé aux sanctuaires locaux. Cette situation était courante dans le monde entier à l’époque de l’Ancien et du Nouveau Testament. À tort, nous supposons toujours que la dîme aujourd’hui est exactement de 10 %.
Mais dans la pratique juive, la dîme comprenait environ 2-3% pour les prêtres, environ 10% pour les lévites, et environ 10% encore comme „seconde dîme“, qui était distribuée aux pauvres, entre autres. Ceci dans un contexte où la majorité de la population juive vivait de l’agriculture et où la majeure partie des revenus devait être consacrée à l’alimentation ! Et de ne pas oublier : Une taxe supplémentaire de 12,5 % devait être payée à l’État.
La dîme est un commandement extrêmement important pour nous, mais il est étonnant qu’elle ne soit mentionnée qu’une seule fois par Jésus-Christ dans Matthieu 23:23 (et non pas comme un commandement, mais seulement en réaction à la mauvaise pratique de la dîme).
Cela nous amène au Nouveau Testament : Jésus „personnifie“. Dieu pleinement comme défenseur des pauvres. Dans les chapitres 4 à 19 de l’Evangile de Luc, qui décrivent le ministère de Jésus depuis le baptême jusqu’à avant la Passion, 20% des versets traitent de l’argent et des biens, très souvent dans le sens de la bonne manière de les traiter, qui se manifeste pratiquement exclusivement dans le soin des pauvres. Dès le début, Jésus se montre solidaire des pauvres : Il vient au monde en tant que pauvre enfant d’un couple d’adolescents pauvres dans une (très certainement) inconfortable écurie. Dans son „sermon inaugural“ en Luc 4:16-30, il s’adresse avant tout aux pauvres : „L’Esprit du Seigneur est sur moi, parce qu’il m’a oint pour annoncer la bonne nouvelle aux pauvres…“ (Luc 4:18a). (Luc 4:18a). Il commence les Béatitudes en Luc 6:20 par les mots suivants : „Heureux les pauvres, car le royaume de Dieu est à vous“. Dans le passage parallèle de Matthieu 5:3, le mot „spirituel“ est ajouté au mot „pauvre“, mais Luc fait référence aux pauvres matériels. Dieu donne-t-il le salut éternel à ces personnes uniquement à cause de leur pauvreté ? Sur la base de ce passage, il n’est pas possible de répondre simplement par la négative à cette question. Il faut noter qu’il n’y a aucune mention de „heureux êtes-vous qui croyez en moi“ ou quoi que ce soit de similaire. Mais bien sûr, nous ne devons pas en conclure que la pauvreté ne peut pas du tout être combattue. Nous pouvons peut-être tirer la conclusion suivante de ce passage : Il devient évident que Dieu est solidaire des pauvres.
La bonne façon de gérer l’argent et les biens, respectivement la lutte contre la pauvreté, est l’un des grands thèmes du programme principal de Jésus. Dans le Sermon sur la montagne (Matthieu 5-7), les lignes directrices concernant la vie de prière sont encadrées par ce thème, ce qui souligne son importance. On peut le lire dans Matthew 6.
Les déclarations de Jésus à ce sujet sont absolument sans compromis. Néanmoins, ses partisans tentent de faire des compromis jusqu’à aujourd’hui. Aussi le plus „radical“ ? Christian fait généralement des compromis au plus tard à ce stade. En Marc 10:17-27, Jésus demande au jeune homme riche, en termes très clairs, de vendre tous ses biens et de les donner aux pauvres. Après tout, la récompense est un trésor dans le ciel, que demander de plus ?
Dans de nombreux sermons sur le jeune homme riche, on peut déceler un mécanisme „mais-qu’est-ce-qu’il-y-a-pas-de-moyen“. L’histoire est racontée et immédiatement après, il est clairement postulé que cette invitation de Jésus était spécifiquement destinée au jeune homme riche dans sa situation et ne doit pas être transférée individuellement à nous aujourd’hui. Compte tenu de Luc 12:33, où Jésus exige exactement la même chose du cercle des disciples ( !), nous devons néanmoins faire face à cette exigence. Elle reste une épine dans la chair et ne doit pas être franchie à la légère. Zachée a donné la moitié de ses biens aux pauvres et a remboursé ses dettes au quadruple (combien de ses biens croyez-vous qu’il en restait ?…) et grâce à ce don constant, le salut s’est produit dans sa maison, comme le dit Luc 19:9.
En Matthieu 25, 31-46, Jésus énumère sa stratégie de lutte contre la pauvreté : nourrir les affamés, abreuver les assoiffés, héberger les étrangers, vêtir les nus, visiter les malades et les prisonniers. Sur la base de ces critères, il séparera les personnes lors du Jugement dernier. Il ne s’agit donc pas d’œuvres d’amour chrétiennes occasionnelles, mais de facteurs qui détermineront le salut et le désastre selon ce discours de fin-des-temps ! Bien sûr, Jésus se dispute ici près de la justice des œuvres et nous nous demandons où cela laisse la grâce par la foi seule. À ce stade, les paroles de Jésus sont tout simplement très claires et nous ne devons pas être trop rapides à les recouvrir de „grâce inconditionnelle“, sinon nous ne leur rendrons pas justice.
La liste des déclarations de Jésus pourrait être considérablement allongée. En conclusion, la Bible ne glorifie pas la pauvreté, mais la présuppose. L’accent est donc mis sur la lutte contre la pauvreté. C’est la raison pour laquelle les riches sont confrontés à des défis aussi importants. Dieu a fait preuve de solidarité avec les pauvres, peut-être même peut-on dire, comme dans l’introduction : le Dieu de la Bible est un Dieu des pauvres matériels (et non „spirituels“ !). Une thèse audacieuse. Il n’en reste pas moins que la pauvreté d’un point de vue biblique est bien trop peu discutée dans le riche contexte de la Suisse.
Auteur : Stefan HochstrasserSources
Brandscheidt, Renate. ?tithe ? Encyclopédie pour la théologie et l’église. Ed. Walter Kasper. 3ème édition entièrement révisée. Vol. 10, Fribourg : Herder, 2001, 1394-1398.
Goldberger, Michael. Zeit-Spiegel : les fêtes juives. Université de Berne, Berne. 15 juin 2005.
Hochstrasser, Stefan. ?l’argent n’est pas un sujet de conversation… ? Une analyse des sermons sur le thème de l’argent et des biens ? Thèse de diplôme Séminaire théologique-diaconal d’Aarau, 2005.

Kutsch, E. Pauvreté. La religion dans l’histoire et le présent. Dictionnaire de la main pour la théologie et les études religieuses. Ed. Kurt Galling. 3ème édition entièrement nouvelle. Vol. 1, Tübingen : J.C.B. Mohr, 1958, 622-624.
Lohse, Eduard. Environnement du Nouveau Testament. Le Nouveau Testament allemand. 10e, éd. rév. Aufl. Ergänzungsreihe vol. 1, Göttingen : Vandenhoeck&Ruprecht, 2000.
La Bible de Luther 1984
Schröder, Heinz. Jésus et l’argent. Commentaire économique sur le Nouveau Testament. 3.erw.Aufl. Karlsruhe : Société pour la documentation historique culturelle, 1981.
Stückelberger, Christoph. La stratégie de Dieu pour lutter contre la pauvreté ? et notre réponse. Conférence de prière de l’EVP, Olten. 17 septembre 2005.
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Gottes Herz für die Armen

Die Ägypter unterdrückten uns und zwangen uns zu harter Arbeit. Da schrieen wir zum Herrn, dem Gott unserer Väter, um Hilfe. Er hörte uns und half uns aus Not, Elend und Sklaverei. Er versetzte die Ägypter durch seine Staunen erregende Wundertaten in Angst und Schrecken. Er führte uns mit starker Hand und ausgestrecktem Arm aus Ägypten heraus. Er brachte uns an diese heilige Stätte und gab uns dieses Land, das von Milch und Honig überfließt. (5. Mose 26,6-9)

Ging’s mir wie dir, ich wüsste, was ich täte: Ich brächte meine ganze Not vor Gott. Er ist’s, der Wunder tut, unzählbar viel, so groß, dass wir sie nicht verstehen können. Er lässt den Regen auf die Erde fallen, damit das Wasser alle Felder tränkt. Wer niedrig ist, den hebt er hoch hinauf; wer weint und klagt, den lässt er Freude finden. Er fängt die Listigen mit ihrer List; was ihre klugen Köpfe stolz ersinnen, das stellt er auf den Kopf und macht’s zunichte. Am hellen Mittag schlägt er sie mit Blindheit und lässt sie tappen wie in dunkler Nacht. Er hilft den Schwachen, schützt sie vor Verleumdung und reißt sie aus der Hand der Unterdrücker. Den Armen gibt er Zuversicht und Hoffnung, jedoch den Bösen wird das Maul gestopft. (Hiob 5,8-16)

Verklagst du Gott, den Großen und Gerechten? Meinst du, dass er ein Feind des Rechtes ist? Wie könnte er dann diese Welt regieren? Nur Gott kann einen König Nichtsnutz nennen und zu den Großen sagen: Ihr Verbrecher! Nur er nimmt keine Rücksicht auf die Fürsten, zieht keinen Reichen einem Armen vor; denn alle sind Geschöpfe seiner Hände. (Hiob 34,17-19)

Aber du bist nicht blind! Du siehst all das Leiden und Unheil und du kannst helfen. Darum kommen die Schwachen und Waisen zu dir und vertrauen dir ihre Sache an. (Psalm 10,14)

»Ja«, sagt der Herr, »jetzt greife ich ein! Denn die Armen werden unterdrückt und die Hilflosen stöhnen. Ich bringe den Misshandelten Befreiung.« (Psalm 12,6)

Ich weiß es, Herr: Du trittst für die Unterdrückten ein, du wirst den Wehrlosen Recht verschaffen. (Psalm 140,13)

Für alle, die arm und hilflos sind, bist du eine Zuflucht in Zeiten der Not, ein Schutzdach bei kalten Regengüssen, ein Schatten bei heißer Sonnenglut. (Jesaja 25,4)

Die Elenden und Armen suchen Wasser, doch es ist keines da; ihre Zunge vertrocknet vor Durst. Ich, der Herr, will sie erhören, ich, der Gott Israels, verlasse sie nicht. (Jesaja 41,17)

Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5,22-24)

Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. (Lukas 1,52-53)

So kam Jesus auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er wie immer in die Synagoge. Er stand auf, um aus den Heiligen Schriften vorzulesen, und der Synagogendiener reichte ihm die Buchrolle mit den Worten des Propheten Jesaja. Jesus rollte sie auf und wählte die Stelle aus, an der es heißt: »Der Geist des Herrn hat von mir Besitz ergriffen, weil der Herr mich gesalbt und bevollmächtigt hat. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Misshandelten soll ich die Freiheit bringen, und das Jahr ausrufen, in dem der Herr sich seinem Volk gnädig zuwendet.« Jesus rollte das Buch wieder zusammen, gab es dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge blickten gespannt auf ihn. Er begann und sagte: »Heute, da ihr dieses Prophetenwort aus meinem Mund hört, ist es unter euch in Erfüllung gegangen.« (Lukas 4,16-21)

Jesus blickte auf die große Schar seiner Jünger, die Männer und Frauen, und sagte: »Freut euch, ihr Armen! Ihr werdet mit Gott leben in seiner neuen Welt. Freut euch, die ihr jetzt Hunger habt! Gott wird euch satt machen. Freut euch, die ihr jetzt weint! Bald werdet ihr lachen. (Lukas 6,20-21)

Hört gut zu, meine lieben Brüder und Schwestern! Hat Gott nicht gerade die erwählt, die in den Augen dieser Welt arm sind, um sie aufgrund ihres Glaubens reich zu machen? (Jakobus 2,5)

Aufforderungen

Wenn einer deiner Brüder arm ist in irgendeiner Stadt in deinem Lande, das der HERR, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zuhalten gegenüber deinem armen Bruder, sondern sollst sie ihm auftun und ihm leihen, soviel er Mangel hat. (5. Mose 15,7-8)

Wenn du den Zehnten deines ganzen Ertrages zusammengebracht hast im dritten Jahr, das ist das Zehnten-Jahr, so sollst du ihn dem Leviten, dem Fremdling, der Waise und der Witwe geben, dass sie in deiner Stadt essen und satt werden. (5. Mose 26,12)

Wenn du dein Land aberntest, sollst du nicht alles bis an die Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott. (3. Mose 19,9-10)

Nehemia 5

Deine Sache aber ist es, für Recht zu sorgen. Sprich für alle, die sich selbst nicht helfen können. Sprich für die Armen und Schwachen, nimm sie in Schutz und verhilf ihnen zu ihrem Recht!« (Sprüche 31,8-9)

Wascht euch, reinigt euch! Macht Schluss mit eurem üblen Treiben; hört auf, vor meinen Augen Unrecht zu tun! 17 Lernt Gutes zu tun, sorgt für Gerechtigkeit, haltet die Gewalttätigen in Schranken, helft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht!« (Jesaja 1,16-17)

Ihr fastet zwar, aber ihr seid zugleich streitsüchtig und schlagt sofort mit der Faust drein. Darum kann euer Gebet nicht zu mir gelangen. Ist das vielleicht ein Fasttag, wie ich ihn liebe, wenn ihr auf Essen und Trinken verzichtet, euren Kopf hängen lasst und euch im Sack in die Asche setzt? Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefällt? Nein, ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus! Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen! (Jesaja 58,4-7)

Weh dir! Du baust deinen Palast auf Unrecht und stockst ihn auf, ohne dich um Gerechtigkeit zu kümmern. Du lässt die Leute für dich arbeiten und gibst ihnen keinen Lohn. Du sagst: »Ich baue mir einen großen Palast mit geräumigen Zimmern im Obergeschoss!« Du setzt Fenster ein, täfelst das Haus mit Zedernholz, malst es rot an. Meinst du, du musst dich dadurch als König erweisen, dass du Prachtbauten aus Zedernholz errichtest wie andere Könige? Hat dein Vater nicht auch gut gegessen und getrunken und es sich wohl sein lassen? Aber er regierte gerecht, weil er sich an die Weisungen Gottes hielt, und deshalb ging es ihm gut. Den Schwachen und Armen verhalf er zum Recht, deshalb stand alles gut. »Wer so handelt, zeigt, dass er mich kennt«, sagt der Herr. Aber du siehst nur deinen eigenen Vorteil und denkst an nichts anderes. Du vergießt das Blut unschuldiger Menschen und unterdrückst dein Volk mit harter Gewalt. (Jeremia 22,13-17)

Wenn jemand dich um etwas bittet, gib es ihm; wenn jemand etwas von dir borgen möchte, sag nicht nein. (Matthäus 5,42)

Die Menschen fragten Johannes: »Was sollen wir denn tun?« Seine Antwort war: »Wer zwei Hemden hat, soll dem eins geben, der keines hat. Und wer etwas zu essen hat, soll es mit jemand teilen, der hungert. (Lukas 3,10-11)

Denkt daran: Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte. Jeder soll so viel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Es soll ihm nicht Leid tun und er soll es auch nicht nur geben, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Gott liebt fröhliche Geber! Er hat die Macht, euch so reich zu beschenken, dass ihr nicht nur jederzeit genug habt für euch selbst, sondern auch noch anderen reichlich Gutes tun könnt. Dann gilt von euch, was in den Heiligen Schriften steht: »Großzügig gibt er den Bedürftigen; seine Wohltätigkeit wird in Ewigkeit nicht vergessen werden.« (2. Korinther 9,6-9)

Sie sollen Gutes tun, freigebig sein und ihren Reichtum gerne mit anderen teilen. (1. Timotheus 6,18)

Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten. (Jakobus 1,27)

Verheissungen

Sondern du sollst ihm geben und dein Herz soll sich’s nicht verdrießen lassen, dass du ihm gibst; denn dafür wird dich der HERR, dein Gott, segnen in allen deinen Werken und in allem, was du unternimmst. (5. Mose 15,10)

Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt! Den wird der HERR erretten zur bösen Zeit. (Psalm 41,2)

Wer ein gütiges Auge hat, wird gesegnet; denn er gibt von seinem Brot den Armen. (Sprüche 22,9)

Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne. « (Jesaja 58,7-12)

Sondern bessert euer Leben und euer Tun, dass ihr recht handelt einer gegen den andern und keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort und nicht andern Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden, so will ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe. (Jeremia 7,5-7)

Jesus antwortete ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach! (Matthäus 19,21)

Er sprach aber auch zu dem, der ihn eingeladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird. Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten. (Lukas 14,12-14)

Verkauft, was ihr habt, und gebt Almosen. Macht euch Geldbeutel, die nicht veralten, einen Schatz, der niemals abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb hinkommt, und den keine Motten fressen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein. (Lukas 12,33-34)

Weshalb den Armen dienen?

Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen. Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken. Wirst du sie bedrücken und werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören. Dann wird mein Zorn entbrennen, dass ich euch mit dem Schwert töte und eure Frauen zu Witwen und eure Kinder zu Waisen werden. Wenn du Geld verleihst an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen. Wenn du den Mantel deines Nächsten zum Pfande nimmst, sollst du ihn wiedergeben, ehe die Sonne untergeht, denn sein Mantel ist seine einzige Decke für seinen Leib; worin soll er sonst schlafen? Wird er aber zu mir schreien, so werde ich ihn erhören; denn ich bin gnädig. (2. Mose 22,20-26)

Weh denen, die ihre Macht missbrauchen, um Verordnungen zu erlassen, die Menschen ins Unglück stürzen! Sie bringen die Armen und Schwachen in meinem Volk um ihr Recht und plündern die Witwen und Waisen aus. Der Tag des Gerichts kommt gewiss und das Unwetter aus der Ferne wird euch mit Sicherheit erreichen. Was wollt ihr dann tun? Zu wem wollt ihr fliehen? Wo wollt ihr dann eure Reichtümer lassen? (Jesaja 10,1-3)

Der Herr sagt: »In meinem Volk gibt es skrupellose Leute. Wie Vogelfänger sich ducken und darauf lauern, dass ihnen Vögel in die Netze gehen, so haben sie Fallen gestellt, um Menschen zu fangen. Wie der Käfig des Vogelfängers voll ist von gefangenen Vögeln, so sind ihre Häuser voll von unrecht erworbenem Gut. Auf diese Weise sind sie groß und reich geworden, dick und fett sind sie. Ihre Rücksichtslosigkeit kennt keine Grenzen. Das Recht ist bei ihnen in schlechten Händen: Sie setzen sich nicht für die Waisen ein und verhelfen den Armen nicht zu dem, was ihnen zusteht. Und all das sollte ich hingehen lassen? Muss ich an einem solchen Volk nicht Vergeltung üben?« (Jeremia 5,26-29)

Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom: Hoffart und alles in Fülle und sichere Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern; aber dem Armen und Elenden halfen sie nicht, sondern waren stolz und taten Gräuel vor mir. Darum habe ich sie auch hinweggetan, wie du gesehen hast. (Hesekiel 16,49-50)

Das Volk des Landes übt Gewalt; sie rauben drauflos und bedrücken die Armen und Elenden und tun den Fremdlingen Gewalt an gegen alles Recht. Ich suchte unter ihnen, ob jemand eine Mauer ziehen und in die Bresche vor mir treten würde für das Land, damit ich’s nicht vernichten müsste; aber ich fand keinen. Darum schüttete ich meinen Zorn über sie aus, und mit dem Feuer meines Grimmes machte ich ihnen ein Ende und ließ so ihr Treiben auf ihren Kopf kommen, spricht Gott der HERR. (Hesekiel 22,29-31)

Denn ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind, und eure Sünden, die so groß sind, wie ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen im Tor unterdrückt. (Amos 5,12)

Aber dagegen: Weh euch Reichen! Denn ihr habt euren Trost schon gehabt. Weh euch, die ihr jetzt satt seid! Denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen. (Lukas 6,24-25)

Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt. (Lukas 16,19-25)

Angenommen, jemand hat alles, was er in der Welt braucht. Nun sieht er seinen Bruder oder seine Schwester Not leiden, verschließt aber sein Herz vor ihnen. Wie kann da die Liebe Gottes in ihm bleiben und er in ihr? (1. Johannes 3,17)

Und nun zu euch, ihr Reichen! Weint und jammert über das Elend, das euch erwartet am Tag, an dem Gott Gericht hält! Eure Reichtümer werden dann verfault sein, eure Kleider von den Motten zerfressen, und eure Schätze verrostet. Und dieser Rost wird euch anklagen und euer Fleisch wie Feuer verzehren. Ihr habt in den letzten Tagen der Welt Reichtümer angehäuft. Ihr habt den Leuten, die auf euren Feldern gearbeitet und eure Ernte eingebracht haben, den verdienten Lohn vorenthalten. Das schreit zum Himmel! Ihre Klage ist bis zu den Ohren des Herrn, des Herrschers der Welt, gedrungen. Euer Leben auf der Erde war mit Luxus und Vergnügen ausgefüllt. Während der Schlachttag schon vor der Tür stand, habt ihr euch noch gemästet. Ihr habt den Schuldlosen verurteilt und umgebracht, der sich nicht gegen euch gewehrt hat! (Jakobus 5,1-6)

Einstellungen gegenüber den Armen

Wenn ihr einen Rechtsfall zu entscheiden habt, dann haltet euch streng an das Recht. Bevorzugt weder den Armen und Schutzlosen noch den Reichen und Mächtigen. (3. Mose 19,15)

Wer das Recht liebt, ist darauf bedacht, dass die Schwachen ihr Recht bekommen; wer im Unrecht lebt, hat kein Verständnis dafür. (Sprüche 29,7)

Wenn du also einem Bedürftigen etwas spendest, dann häng es nicht an die große Glocke! Benimm dich nicht wie die Scheinheiligen in den Synagogen und auf den Straßen. Sie wollen nur von den Menschen geehrt werden. Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert. Wenn du also etwas spendest, dann tu es so unauffällig, dass deine linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. (Matthäus 6,2-4)

Warum erwartet ihr von Gott eine Belohnung, wenn ihr nur die gut behandelt, die euch auch gut behandeln? Das tun auch die hartgesottensten Sünder. Warum erwartet ihr von Gott eine Belohnung, wenn ihr nur denen etwas leiht, von denen ihr wisst, dass sie es euch zurückgeben werden? Ausleihen, um es auf Heller und Pfennig zurückzubekommen, das tun auch die Sünder gegenüber ihresgleichen! Nein, eure Feinde sollt ihr lieben! Tut Gutes und leiht, ohne etwas zurückzuerwarten! Dann bekommt ihr reichen Lohn: Ihr werdet zu Kindern des Höchsten. Denn auch er ist gut zu den undankbaren und schlechten Menschen. (Lukas 6,33-35)

All die vielen Menschen, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele. Niemand von ihnen betrachtete etwas von seinem Besitz als persönliches Eigentum; alles, was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam. Mit großer Kraft und bestätigt durch Wundertaten bezeugten die Apostel Jesus als den auferstandenen Herrn, und für alle sichtbar lag großer Segen auf der ganzen Gemeinde. Es gab unter ihnen niemand, der Not leiden musste. Denn die in der Gemeinde, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften sie, wenn es an etwas fehlte, brachten den Erlös herbei und legten ihn vor den Füßen der Apostel nieder. Das wurde dann unter die Bedürftigen verteilt. (Apostelgeschichte 4,32-35)

Die maßgebenden Leute, die als »die Säulen« gelten, Jakobus, Petrus und Johannes, erkannten, dass Gott mir diesen Auftrag anvertraut hat. So gaben sie mir und Barnabas die Hand zum Zeichen der Gemeinschaft. Wir einigten uns, dass Barnabas und ich unter den anderen Völkern die Gute Nachricht verkünden sollten und sie unter den Juden. Sie machten nur zur Bedingung, dass wir die verarmte Gemeinde in Jerusalem unterstützten. Darum habe ich mich auch wirklich bemüht. (Galater 2,9-10)

Wer vom Diebstahl gelebt hat, muss jetzt damit aufhören. Er soll seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen und zusehen, dass er auch noch etwas für die Armen übrig hat. (Epheser 4,28)

Gottes Identifikation mit den Armen

Wer die Schwachen unterdrückt, beleidigt ihren Schöpfer. Wer Hilflosen beisteht, ehrt Gott. (Sprüche 14,31)

Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN, und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat. (Sprüche 19,17)

Ihr wisst ja, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe für euch getan hat. Er war reich und wurde für euch arm; denn er wollte euch durch seine Armut reich machen. (2. Korinther 8,9)

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Wirtschaftswachstum – ein relativer Begriff

Mit Wirtschaftswachstum wird die der Fortschritt der Produktion und des Konsums von Gütern bezeichnet. Das Wirtschaftswachstum ist die Zu- oder eben Abnahme dieses „Sozialprodukts“.

Man hat es also nur mit Zahlen zu tun, die aber nicht so präzise sind, wie sie scheinen. Sie messen etwas zwar super-exakt, aber nur stückhaft; nur was auch tatsächlich bezahlt wird, kommt in die Statistik. So wird z.B. Freiwilligenarbeit in Familie, Haus und Vereinen nicht erfasst. Ebenso werden Umweltschäden oder auch die Schattenwirtschaft nicht gemessen. Das Wirtschaftswachstum sagt auch nichts darüber aus, wie sicher man lebt, noch über Freiheit, Zufriedenheit, Stabilität usw.

Dieses „Sozialprodukt“ wird dann zum internationalen Vergleich durch die Einwohnerzahl geteilt, was aber noch lange nichts über dessen Verteilung unter der Bevölkerung aussagt. Dies zeigen heute die Zahlen über das Wirtschaftswachstum in China eindrücklich, wo ein kleiner Teil der Leute sehr viel Geld macht, aber die grosse Masse leer ausgeht.

Das Wirtschaftswachstum hat oft etwas Suspektes: Was ist das und woher kommt es? Ich bin nicht Ökonomin, aber es scheint mir klar, dass das Wirtschaftswachstum nicht einfach so passiert. Es beruht auf der Arbeit von Menschen. Ganz grundsätzlich liegt es in der Natur des Menschen, immer noch weiterzugehen und Neues auszutüfteln. Dies steigert denn auch die Produktivität der Wirtschaft. Hinter dem Wirtschaftswachstum steckt also das Vorwärtsstreben der Menschen; es liegt in der Natur des Menschen.

Wirtschaftswachstum dient der Umverteilung

Zum Wirtschaftswachstum steht in der Bibel nichts ausdrücklich. Aber man sieht z.B., dass es Israel unter Salomo sehr gut geht, d.h. es herrschte Wirtschaftswachstum. Das geschah unter Gottes Schutz und Segen. In den modernen Volkswirtschaften wissen wir, dass wir verschiedene Elemente fördern können; Bildung, Steuern, Geldpolitik, Forschung. Dabei ist uns die Frage nach der Teilhabe am Wohlstand wichtig.

In einer Welt mit einer steigenden Bevölkerungszahl braucht es ganz grundsätzlich Wirtschaftswachstum. Und ganz realistisch: bei wachsender Wirtschaft, das heisst wenn der Kuchen grösser wird, bekommen alle immer ein bisschen mehr und sind zufrieden, ohne dass sich die Frage nach der Verteilung und der Gerechtigkeit stellt. Wird das Wirtschaftswachstum aber kleiner, dann klappt dieser Trick nicht mehr; die Löhne bleiben tief, die Arbeitslosigkeit steigt, und es kommt zu Verteilungskämpfen.

Als Gewerkschaftssekretärin sehe ich tagtäglich, dass die AHV auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist. Die letzte Prämienerhöhung liegt 30 Jahre zurück. Dies ist nur dank Wirtschaftswachstum möglich.

Grenzen des Wachstums

Gibt es Grenzen des Wirtschaftswachstums? Ja, natürlich. Wir brauchen und verbrauchen Ressourcen, die nicht erneuerbar sind. Wir verbrauchen ungeheuer viele Ressourcen und schädigen damit unsere Umwelt. Es gibt nachhaltiges Wachstum, aber das ist auch heute noch leider nur ein kleiner Teil des Wirtschaftswachstums. Die Feststellung, dass die Weltwirtschaft wird nicht unbegrenzt wachsen kann, ist zum Gemeinplatz geworden. Haben wir den ‚Peak Oil’ schon erreicht? Diese Frage beschäftigt heut alle Zeitungen.

Wir sehen, dass geringes Wirtschaftswachstum zu sozialen Problemen führt und es ist verlockend, auf hohes Wirtschaftswachstum zu setzen. Doch sind dem Grenzen gesetzt, denn vielleicht geht uns die Luft ja noch vor den Ressourcen aus. Der Verteilungskampf führt zu Kriegen und je knapper die Ressourcen, desto schlimmer die Konflikte, die uns bevorstehen.

Doch die Frage der Verteilung stellt sich nicht nur zwischen armen und reichen Ländern heute und jetzt, sondern auch zwischen den Generationen. Was wir heute ausbeuten, steht unseren Kindern nicht mehr zur Verfügung.

Wichtige Ergänzung: Das Teilen

Das Wirtschaftswachstum kann nicht die einzige Antwort auf eine Reihe von Problemen sein. Auch in der Schweiz, einer ziemlich egalitären Gesellschaft, gibt es viele, und immer mehr, ‚laissés pour compte’. Diese Zahlen nehmen natürlich zu, je weniger Wirtschaftswachstum wir haben. Wir sehen aber auch, dass unser Wirtschaftswachstum in den armen und ärmsten Ländern keine Probleme löst. Teilen ist also unbedingt nötig. Wir kommen nicht ums Teilen herum. Dies betrifft die Schweiz und Europa, ist aber auch ein weltweites Problem.

Wir sind hier mit Problemen konfrontiert, bei denen es um viel, sehr viel Geld geht. Die dimension caritative im Beitrag von Jacques Blandenier stellt die Hilfe im Kleinen dar. Es braucht aber auch die dimension social-politique, das organisierte Teilen, das sich in UmverTeilung und Solidarität äussert. Im Allgemeinen stellen wir relativ einfach fest, wo Not herrscht. Wenn es dann aber um organisiertes Teilen geht, braucht es Gesetze, weil sich nicht alle gerne von sich aus daran beteiligen.

Umverteilung, und ‚Teilen’, hat furchtbar schlechte Presse. Geiz ist geil, und Solidarität wird in manchen Kreisen als Schimpfwort verwendet. Der UBS-Präsident Ospel meinte denn auch, die Kritik an hohen Managerlöhnen sei unverantwortlich.

Es wird gern von Eigenverantwortung gesprochen. Den Armen wird die Schuld für ihre Armut in die Schuhe geschoben. Wenn die Armen dann aber eigenverantwortlich stehlen gehen, um zu überleben, werden sie bestraft. Ich werde oft belächelt, wenn ich von Teilen und Umverteilung spreche.

Wenn wir an den Bundesrat schreiben, dann müssen wir konkrete Vorschläge machen, wie geteilt werden soll, denn von selber werden sie sich nicht damit befassen.

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Armut – für die Bibel zentral

Wenn wir in der Bibel lesen, stellen wir fest, dass die Armut einen äusserst wichtigen Platz einnimmt. Sie stellt ein zentrales Thema, eine eigentliche biblische Realität dar. Die Gesetze Israels betonen ganz besonders die Unterstützung der Armen und Schwachen; die Kranken und die Menschen, die unter schwierigen Lebensumständen und politischen Verhältnissen zu leiden haben. Auch die Propheten beschäftigen sich mit diesen Fragen. Sie verurteilen die Missachtung der Armen und die sozialen Ungerechtigkeiten. Dabei steht die Armenhilfe in direktem Zusammenhang mit dem Glauben:

Bist du dadurch König, dass du in Zedernholzbauten wetteiferst? Hat dein Vater nicht auch gegessen und getrunken und trotzdem Recht und Gerechtigkeit geübt? Ging es ihm damals nicht gut? Er hat dem Elenden und dem Armen zum Recht verholfen. Darum ging es ihm gut. Heisst das nicht mich erkennen? spricht der HERR. Doch deine Augen und dein Herz sind auf nichts gerichtet als auf deinen ungerechten Gewinn und auf das Blut des Unschuldigen, es zu vergiessen, und auf Unterdrückung und Erpressung, sie zu verüben. (Jeremia 22,15-17)

Auch die poetischen Bücher thematisieren die Armut, z.B. bei Hiob, aber auch in den Sprüchen und in den Psalmen, deren Autoren Gott ständig in den Ohren liegen. Während seiner ganzen Geschichte war Israel mit Notlagen konfrontiert: von Abraham bis zum babylonischen Exil und darüber hinaus: Hungersnöte, Sklaverei, Mangel in der Wüste, Plünderungen, Kriege usw. Das Volk wurde unentwegt unterdrückt und erlebte doch gleichzeitig den Segen des Herrn.

Armut – ein umfassendes Konzept

Im Alten Testament gibt es 10 verschiedene Worte für Armut. Sie umschreiben alle Aspekte der Armut. Wirtschaftliche Armut: Hungersnot, Krieg, soziale Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, Schutzlosigkeit desjenigen, der sich nicht gegen die Stärkeren wehren kann. Psychische Armut: Angst, Einsamkeit. Und besonders wichtig: Geistliche Armut: die Angst, von Gott verlassen zu sein, Todesangst, Orientierungslosigkeit.

In gewissen Lagen kann die Armut eine Folge von unangemessenem Verhalten sein. Die Bibel erwähnt Armut als Folge der Faulheit oder als Strafe Gottes. Doch daraus darf nicht geschlossen werden, Armut sei immer ein Fluch. Die Bibel erwähnt Menschen, die von Gott geliebt sind und den Glauben haben, und die doch in Armut leben. Denken wir an Hiob und den Psalmisten, die ja genau wegen ihrem Glauben leiden (z.B. Psalm 73).

Doch Reichtum kann auch ein Segen sein. Die Bibel verachtet materiellen Besitz nicht, im Gegenteil: oft stellt er ein Zeichen der Liebe Gottes dar. Doch muss uns dabei bewusst bleiben, dass das Urteil gegenüber ungerechtem Reichtum extrem hart ist und dass die Gefahr, wegen dem Wohlstand korrupt zu werden, durchaus real ist (s. z.B. Salomo).

Auch das Neue Testament spricht von Armut. Wir denken an die erste Seligpreisung Jesu: „Glückselig ihr Armen“ (Lukas 6,20) und Matthäus fügt an: „Glückselig die Armen im Geist“ (Mat. 5,3). Diese zwei Versionen zeigen uns deutlich, dass es keine künstliche Trennung zwischen wirtschaftlicher und geistlicher Armut gibt. Aber „Glücklich ihr Armen“, das steht so diametral im Widerspruch zu unserer Denkweise! Dabei sollen hier nicht die Armen idealisiert werden. Der Arme ist glückselig, weil er unfähig ist, sich selber zu retten. Die Lage, in der er sich befindet, ist förderlich dafür, zu entdecken, auf welche Weise und wie sehr Gott auf seine Bedürfnisse eingehen wird.

Gott kämpft für die Schwachen

Die Armut ist ein Leiden, und der Gott der Bibel will nicht, dass Seine Schöpfung leidet. Er bleibt nicht unbeteiligt und distanziert in seinem fernen Himmel. Nein, Gott ist ein Gott, der sich hingibt und die Bedürftigkeit nicht will. Er beteiligt sich am Kampf und bezieht für uns Stellung. Den Gründertext für diese Realität finden wir in der Geschichte vom brennenden Busch (2. Mose 3). Der Herr sagt: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes in Ägypten… ja, ich kenne seine Schmerzen. Darum bin ich herabgekommen…“ (V.7+8).

Ein anderes Beispiel ist Abraham, der reich, ruhig und zufrieden in seinem Land lebte und der in die Wüste aufbrechen und seine falsche Sicherheit verlassen musste, um den wahren Reichtum zu kennen, der sich in Gott findet.

Oder auch das Passahfest, das Jesus mit seinen Jüngern feiert. Er, Gott, der auf die Erde gekommen ist, der sich hingegeben hat, der gedemütigt wurde, er ist in Knechtsgestalt gekommen und wurde gehorsam bis zum Tod (Phil. 2,8). Während Gott sich auf die Seite der Schwächsten stellt, kämpft er doch nicht alleine. Er führt den Kampf mit seinem Volk, sei es Israel oder die Gemeinde. Er lehnt die Schicksalsgläubigkeit ab. Jesus sagt dazu, dass wir ja allezeit Arme bei uns haben und dass wir, wenn wir wollen, ihnen Gutes tun können! (Markus 14,7)

Die Armut bekämpfen

Der Kampf gegen die Armut muss gleichzeitig auf zwei Ebenen geführt werden:

Karitative Ebene: Nächstenliebe und Barmherzigkeit widerspiegeln die Person Gottes. Sie geben sich selbst hin und erwarten nichts zurück. Diese Haltung kann in zahlreichen biblischen Geboten gefunden werden. Damit wird die Gewinnmaximierung abgelehnt.

Die soziale und politische Ebene: Hier geht es darum, der Verarmung des Volkes vorzubeugen. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen: die Korruption bekämpfen, gerechte Gesetze erlassen, die Besitzanhäufung verhindern und dazu z.B. das Sabbatjahr einführen (s. 2. Mose 21,2).

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, besonders auf eine biblische Begebenheit hinzuweisen, die oft unbeachtet bleibt. (1. Könige 21) Der König Ahab begehrt den Weinberg des Bürgers Nabot. Dieser will ihn aber nicht abtreten. Auf Anraten seiner Frau Isebel lässt Ahab Nabot aufgrund falscher Zeugenaussagen zum Tode verurteilen und eignet sich den Weinberg an. Diese Ausübung des Rechts des Stärkeren wird von Gott extrem hart verdammt. Das ist wegweisend und wird denn auch von Jesus aufgenommen, wenn er zu seinen Jüngern sagt: „Unter euch wird es nicht so sein; sondern wenn jemand unter euch gross werden will, wird er euer Diener sein.“ (Matt. 20,26)

Unsere Motivation

Gott gibt uns zwei Motive, um unser Verhalten zu ändern:

Die Erinnerung: Während seiner gesamten Geschichte mit den Menschen hat Gott Feste eingeführt, damit sich die Menschen erinnern können, wie z.B. das Passahfest, das an die Leiden in Ägypten erinnert, oder die Sabbatruhe, die an die Sklaverei erinnert. Die Botschaft lautet: „Erinnere dich, dass auch wenn du heute nicht in Armut lebst, du doch zu tiefst arm bist.“ Wir sind berufen, Gott ähnlich zu werden: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (1. Petrus 1,16) Gott ist barmherzig, darum wollen auch wir barmherzig sein. Jesus hat sich selbst bis zur Armut entäussert, darum wollen auch wir arm sein.

Die Hoffnung: Nach Jahrhunderten der Gesetze und Propheten, muss Israel sein Versagen eingestehen. Dieses Versagen lässt die Erwartung von etwas anderem aufkeimen und schafft Raum für die Hoffnung. In diese Situation hinein erscheint Jesus, der lange erhoffte Messias. Seine ersten Worte in der Synagoge von Nazareth bestätigen diese Hoffnung: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen.“ (Lukas 4,18) Von da an wird die Gemeinde zum sichtbaren Zeichen für diese künftige Welt. In der Apostelgeschichte lesen wir, wie sehr sich die Gemeinde um die Armen kümmerte, sodass es schliesslich keine Armen unter ihnen gab. (Apg. 4,34)

Christus, der sich für uns arm gemacht hat, ist die Quelle. Von ihm fliesst der Strom aus der Gemeinde heraus hin zu einer bedürftigen Welt. In den Briefen, und besonders bei Paulus, fällt dem Zehnten und den Gaben zur Unterstützung der Armen besonderes Gewicht zu. Paulus erinnert uns daran, dass es sich dabei um eine Partnerschaft handelt, die sich auf beide Seiten auswirkt.

Die Bibel hat zwei Begriffe, um die Gerechtigkeit zu bezeichnen: einerseits die Gerechtigkeit, die wir vor Gott haben und die uns letztlich von Gott verleiht wird; andererseits das Recht, bei dem zwischen den Menschen eine „rechte“ Beziehung besteht. Die christliche Ethik entspringt letztlich unserem Glauben, und auf dieser Grundlage führt uns unser Gewissen zu Recht und Gerechtigkeit.

 

Literatur

Jacques Blandenier, Les pauvres avec nous – La lutte contre la pauvreté selon la Bible et dans l’histoire de l’Eglise. Dossier Vivre n°26. Je sème. Genève 2006.

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Der Grundsatz

Viele Christen fragen sich, ob es besser ist, reich zu sein oder arm zu sein. Auf diese Frage gibt es eine Antwort, die uns einen klaren Orientierungspunkt in die Hand gibt: Wir sollen weder arm noch reich sein; wir sollen genug haben. Dazu sagt Sprüche 30,7-9:

Mein Gott, ich bitte dich nur um zwei Dinge; gib sie mir, solange ich lebe: Bewahre mich davor, zu lügen, und lass mich weder arm noch reich sein! Gib mir nur, was ich zum Leben brauche! Habe ich zu viel, so sage ich vielleicht: »Wozu brauche ich den Herrn?« Habe ich zu wenig, so fange ich vielleicht an zu stehlen und bringe deinen Namen in Verruf.

Das Motto des „Genug“ kommt auch in der Geschichte über das Manna in der Wüste zum Ausdruck: Wenn die Israeliten mehr Manna als genug für einen Tag sammeln wollten, so verdarb das Überflüssige. Auch heisst es:

Die Leute gingen und sammelten, die einen mehr, die andern weniger. Als sie es aber abmassen, hatten die, die viel gesammelt hatten, nicht zu viel, und die, die wenig gesammelt hatten, nicht zu wenig. Jeder hatte gerade so viel gesammelt, wie er brauchte.(2. Mose 16,17+18).

Dieser Manna-Lebensstil spiegelt sich auch in der materiellen Bitte des Unservaters wider: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“

Genug zum Teilen

Wieviel ist genug? Genug ist für alle Menschen ungefähr gleichviel, und zwar soviel, dass sie ein anständiges, rechtes Leben führen können. Wenn wir von der Idee des Genug überzeugt sind, bringt uns das sehr schnell zu einer zweiten wichtigen Idee: zur Idee des Teilens. Als Leitvers für diese simple Tatsache kann z.B. 2. Korinther 8,14 dienen: „Euer Überfluss soll ihrem Mangel abhelfen.“ Darin taucht zwar das Wort „genug“ nicht auf, aber indem nicht von Armut/Reichtum, sondern von Mangel/Überfluss gesprochen wird, wird klar, dass hier eine Messlatte im Spiel ist. Diese Messlatte ist „Genug“.

Teilen ist aus zwei völlig unabhängigen Gründen wunderbar. Erstens dient Teilen denjenigen, die mehr als genug haben. Wenn wir nämlich mehr als genug haben, so warnt uns die Bibel, dass wir unser Herz an den Wohlstand hängen werden. Geldliebe aber bringt Unfreiheit. Das Fazit ist: Wenn wir frei von Überfluss sind, so haben wir mehr Kapazität, um Jesus nachzufolgen, uns auf das Glücklichsein zu konzentrieren und uns von Gott abhängig zu machen1 . Seit einigen Jahren haben die Ökonomen endlich begonnen, empirisch und vorurteilslos zu untersuchen, ob Geld wirklich glücklich macht. Das klare Fazit ist: Wirtschaftswachstum, die Anhäufung von Geld, macht nicht glücklicher.2

Teilen ist aber auch aus einem zweiten Grund gut; nicht nur, weil es dem Wohl derjenigen dient, die Besitz abgeben. Es dient natürlich auch denjenigen, die weniger als genug haben und somit zur empfangenden Seite gehören. (Nicht zuletzt verbindet das Teilen und der Ausgleich die zwei Gruppen.) Ein englischer Satz drückt die Aufforderung an diejenigen, die mehr als genug haben, schön aus: „Living simply so that others may simply live“. („Einfach leben, damit andere zumindest leben können.“)

Man kann fast nicht überbetonen, welches Gewicht die Bibel den Armen gibt. Es gleicht einem immer wiederkehrenden Refrain vom mosaischen Gesetz, über Hiob, Psalmen, Sprüche und die Propheten bis hin zu Jesus, der ersten Gemeinde, Paulus und den anderen Briefeschreibern: Gott hat ein Herz für die Armen, und auch wir sollen das haben. Jim Wallis hat einmal sämtliche Stellen über Armut aus einer Bibel herausgeschnitten; die Bibel war danach durch und durch verlöchert.

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

Teilen wollen wir also aus zwei Gründen: sowohl weil es den Gebenden als auch weil es den Empfangenden gut tut. Der zweite Grund kann wiederum auf zwei verschiedenen Fundamenten stehen: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Wenn wir aus Gerechtigkeit teilen, dann tun wir es, weil wir das Geteilte richtiggehend schulden. Zum Beispiel ist die Macht in den internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie WTO oder IWF auf unfaire Weise zu Gunsten der reichen Länder verteilt. Dadurch können diese Länder die Spielregeln so ausgestalten, dass sie ihnen am meisten Vorteile bringen. Wir können nun mit den südlichen Ländern teilen, um damit dieses Unrecht wieder gut zu machen.

Beim Teilen aus Barmherzigkeit hingegen wird davon abgesehen, wer an der Armut schuld ist; es mag der Reiche sein, der Arme selbst oder keiner von beiden. Beim Teilen aus Barmherzigkeit wird einfach festgestellt: Mein Nächster leidet Mangel, also teile ich. Beide Arten von Motiven sind wichtig, und beide sind in der Bibel vielfältig vorhanden. In konzentrierter Form zum Beispiel bei Zachäus, der sagte:

Herr, ich verspreche dir, ich werde die Hälfte meines Besitzes den Armen geben. Und wenn ich jemand zu viel abgenommen habe, will ich es ihm vierfach zurückgeben.(Lukas 19,8)

Er gibt von seinem Vermögen weg, weil er einerseits ungerecht handelte, aber auch weil er die Mittel hat, um mit den Armen zu teilen.

Umsetzung: persönlich und politisch

Wie können wir die Idee des Genug im Persönlichen und Politischen umsetzen? Im Persönlichen können wir beginnen, mit einem geschlossenen Genug-Kreis zu leben:3

Bei einem geschlossenen Genug-Kreis haben wir mit uns selbst und mit Gott abgemacht, wieviel für uns genug ist. Dadurch kann das Einkommen in zwei Töpfe aufgeteilt werden: in den Genug-Topf und in den Überfluss-Topf. Wenn man mit einem offenen Genug-Kreis lebt, in dem nicht definiert ist, wie viel genug ist, passen sich die Wünsche und Bedürfnisse elastisch dem wachsenden Einkommen an.

CUKUP – Genug zum Leben, genug zum Teilen

Für die persönliche Umsetzung ist auch wichtig, dass wir uns zum Teilen mit allen Sinnen auf die Armen einlassen, durch Begegnung, Bibelstudium, Filme etc. Ein paar dieser Aspekte haben wir in einer Gruppe namens „cukup“ aufgegriffen, die wir in Bern gegründet haben (cukup ist Indonesisch und bedeutet „genug“). Während des Zeitraums von einem Jahr versuchen wir als 8-köpfige Gruppe bewusst nach dem Grundsatz des „Genug“ zu leben und das Überflüssige wegzugeben. Miteinander ist das einfacher. Dazu treffen wir uns einmal pro Monat, um gemeinsam Znacht zu essen und auszutauschen. Besonders wichtig ist uns, dass wir uns in Stille, Singen und Input auf das Thema Armut und Wohlstand einlassen. Als Leitmotto haben wir Verse aus Jesaja 58 genommen:

Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte.

An unseren monatlichen Treffen haben wir auch schon das Jubeljahr und die Seligpreisungen angeschaut oder uns mit biblischen Finanzprinzipien beschäftigt. Höhepunkt war ein „Cukup-Benefiz-Fest“, wo bei Essen, Boule, Flohmarkt und Tanzkurs eingenommenes Geld einem Slum-Projekt in den Philippinen zu Gute kam.

Genug – die politische Umsetzung

Genauso wichtig ist aber auch die politische Umsetzung. Leider hat der Bundesrat Wohlstandsmehrung in seiner Legislaturplanung als erstes Ziel genannt. Demgegenüber setzt die Idee des „Genug“ die Bekämpfung von Armut, und insbesondere der absoluten Armut, an allererste Stelle und sieht eine weitere Wohlstandsmehrung für Menschen, die sowieso schon mit mehr als genug leben, eher als gefährlich und nicht als hilfreich an.

Eine wichtige Art, wie wir Armut bekämpfen können, besteht darin, dass wir das Problem an der Wurzel packen und den südlichen Ländern bei der Bestimmung der Weltwirtschaftsordnung mehr Macht geben. Eine weitere politische Utopie, die mit der Idee des Genug in Verbindung gebracht werden kann, ist die Idee des Grundeinkommens4. Diese Idee, nämlich dass jeder unabhängig von der Lebensführung eine Grundausstattung an Ressourcen haben sollte, kann auch mit dem grossartigen Gebot des Jubeljahres aus 3. Mose 25 in Verbindung gebracht werden.

 

 

1.  Zum Gedankengang dieses Abschnitts: Matthäus 6,24; 1. Timotheus 6,6-10; Markus 10,21; Hebräer 13,5

2. siehe Easterlin, R. (Hrsg.): Happiness in Economics, Cheltenham 2002

3.  Dieses Konzept geht zurück auf Earl Pitts und Craig Hill. Ihr Buch „Mäuse, Motten und Mercedes“ ist bei Campus für Christus (www.cfc.ch) erhältlich.

 

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Genf, 29.09.06 ? Am Wochenende hat das Schweizer Stimmvolk die neuen Ausländer- und Asylgesetze mit einer Zweidrittelsmehrheit angenommen. Auf die Frage, was wichtiger sei: dass ja niemand von uns profitiert oder dass ja niemand Verfolgtes abgewiesen wird, hat die Schweizer Bevölkerung eine allzu klare Antwort gegeben. Das lässt auf einen bedenklichen Zustand der Schweizer Gesellschaft schliessen.

Unter dem Argument, Missbräuche müssten wirkungsvoll bekämpft werden, wird in Kauf genommen, dass künftig verfolgte Menschen, die über keine Identitätspapiere verfügen (mehr als 40% der Weltbevölkerung), in der Schweiz keine Aufnahme mehr finden. Ausserdem erhalten nun mehrere Tausend abgewiesene Asylbewerber keine Sozialhilfe mehr und werden möglicherweise auf der Strasse enden.

Auch viele Christen haben in Unkenntnis der Realität und unter dem Eindruck oft diffuser Ängste für diese diskriminierenden und unmenschlichen Gesetze gestimmt. Hier besteht weiterhin grosser Aufklärungsbedarf.

Eine christliche Antwort auf diese Verhärtung könnte darin bestehen, den Ausländern und Flüchtlingen ganz praktisch Gottes Liebe zu erweisen: Die Flüchtlingspfarrämter in jeder grösseren Stadt, christliche Ausländerorganisationen wie die Heilsarmee und MEOS, sowie säkulare Organisationen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Solidarité sans frontières) sind immer auf freiwillige Mitarbeiter angewiesen. Ausserdem können Gemeinden Ausländergottesdienste durchführen, den Kontakt zum örtlichen Asylbewerberheim suchen und gemeinsame Anlässe organisieren.

Sind wir Schweizer Christinnen und Christen bereit, heute in den vom Stimmvolk geöffneten Riss zu treten, um uns in Gebet, Wort und Tat für die Migrantinnen und Migranten in unserem Land einzusetzen? So kann deren Aufenthalt in der Schweiz zu einem echten Segen für sie und für unser Land werden.

 

ChristNet hat sich im Abstimmungskampf mit einem Internetdossier, dem Verteilblatt ChristNetInput und RegioForen in verschiedenen Schweizer Städten gegen die beiden Gesetze eingesetzt.

ChristNet ist ein Forum von ChristInnen, das sich mit sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, kulturellen und entwicklungspolitischen Fragen auseinandersetzt und sich für ihre praktische Umsetzung einsetzt.

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Die Krise

Seit einiger Zeit befindet sich Deutschland in der Wirtschaftskrise. Gleichzeitig drohen immer mehr Grossunternehmen, ihre Arbeitsplätze ins Ausland zu verlegen, wenn nicht die Arbeitskosten gesenkt werden. Wie immer gibt es verschiedene Erklärungsmodelle für die Krise:

– Die einen sagen, die Arbeiter arbeiten zu wenig und bekämen zu viel. Und es sei viel zu leicht, gar nicht zu arbeiten, was die Ursache für die immer höheren Kosten der Sozialversicherungen sei.

– Die anderen weisen darauf hin, dass die Wirtschaft gar nicht mehr zum Ziel hat, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern dass die Aktionäre ihre Unternehmen nur noch zu möglichst tiefen Kosten und hohen Gewinnen pushen. So fallen immer mehr Menschen aus dem Arbeitsleben raus.

Je nach Informationsmacht der Vertreter steht die eine oder die andere Theorie stärker in der Öffentlichkeit.

Die Werte

Die bei den bevorstehenden Wahlen favorisierte CDU spricht seit längerer Zeit davon, wieder nach „Werten“ politisieren zu wollen. Hier kommen die Bruchlinien in den Weltbildern zum Vorschein. Die Rechte (und auch viele konservative Christen) suggeriert, die Linke habe (ausgehend von den „68ern“) keine Werte mehr. Sie ignoriert, dass es einfach andere Werte sind, und zum Teil gar nicht schlechtere und wohl auch weniger materialistischere. Die Werte, die von der CDU in den Vordergrund gestellt werden, sind „Arbeit“ und „Verlässlichkeit“. Damit meint sie, sie sei näher bei den „christlichen Werten“.

An Letzterem habe ich meine Zweifel. Natürlich hält die Rechte gewisse moralische Werte wie Ehe höher, aber leider tut sie wenig zur Ermöglichung. Natürlich steht sie der Abtreibung kritischer gegenüber. Aber die generelle Berufung auf „christliche Werte“ scheint mir eher ein Abwehr- und Rückzugs-Reflex gegen die „Islamische Bedrohung“ zu sein als wirklicher Inhalt. Zum Inhalt der christlichen Lehre gehört nämlich auch die Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Diese wird im Wahlprogramm der CDU mit Füssen getreten. Natürlich hat ihre berechtigte Sorge um Schaffung von Arbeitsplätzen mit Solidarität zu tun. Aber es werden zu viele desolidarisierende „Massnahmen“ zu einfach mit dem Label „Wirtschaftswachstum“ und hierfür „Entlastung der verschuldeten Sozialversicherungen“ etikettiert.

– Bei der Krankenversicherung soll statt der Einkommensabhängigen Prämie eine Kopfprämie eingeführt werden. Ob arm oder reich, alle zahlen gleich viel. Die Armen werden happige Aufschläge zu bezahlen haben.

– Die Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen soll aufgeweicht werden. Damit werden Arbeitskräfte „billiger“, es sollen damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Die entstehenden Arbeitsplätze werden aber kaum zum Leben reichen und oft von Polen besetzt sein, die noch weniger verlangen…

– Der designierte Finanzminister Paul Kirchhof hat auch schon die Einführung einer Flat Tax vorgeschlagen, also gleich viel Prozent Steuern ob arm oder reich.

Es wird suggeriert, dass diese Massnahmen nun halt nötig seien, um mehr Arbeitsplätze und Wachstum zu generieren, aber dass es dann später allen besser gehe. In den USA und England, die diese Politik seit 25 Jahren praktizieren, haben wir gesehen, dass das nicht funktioniert: die Armen sind ärmer geworden, der mittlere Arbeiterlohn ist in den USA seit 30 Jahren gleich geblieben, und die staatlichen Leistungen wurden gleichzeitig abgebaut. Die Arbeitslosenquoten sind zwar offziell gesunken, aber die Löhne der Armen reichen kaum zum Leben.

Diese Politik hat sich also als sinnlos erwiesen, denn Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik muss vor allem denjenigen dienen, die es am Meisten nötig haben. Offenbar geht aber die Politik der CDU nicht von dieser Maxime aus. Sie hat die Armen, die Solidarität und Gerechtigkeit kaum im Blickfeld. Ihre Maxime scheint einzig das Wachstum, also die Akkumulation von Reichtümern zu sein. Da dies biblisch falsch ist, ist es logisch, dass diese Werte ins Nichts führen. Sie wollen Arbeitsplätze nur über Wachstum generieren, statt über ein bewusstes Schaffen von Arbeitsplätzen durch Verzicht und Teilen. Was wir brauchen ist eine echte Veränderung der Herzen. Das betrifft auch die Aktionäre, die bereit werden müssen, Arbeitsplätze zu schaffen, auch wenn sie nicht einen maximalen Gewinn erzielen können. Die Politik der CDU zielt aber im Gegenteil darauf ab, die Gewinnmöglichkeiten zu entfesseln, indem die Kosten gesenkt werden. Egoismus wird legitimiert, Menschen sind nur noch Kostenfaktoren, ob sie dann genug zum Leben haben ist nicht wichtig.

Wir sind natürlich nicht der Meinung, dass die SPD-Regierung nun im Gegensatz zur CDU „die christlichen Werte“ vertritt. Wenn aber von christlichen Werten gesprochen wird, dann müssen auch die fundamentalsten Werte wie Nächstenliebe und Solidarität angesprochen werden. Wir müssen definieren, was eigentlich das Ziel der Politik ist. Reden von Werten wird sonst zum Etikettenschwindel. ChristNet hat bereits einige Texte dazu publiziert (siehe Website) und wird sich ab kommenden Winter vermehrt dem Thema der Werte und Ziele der Politik zuwenden.

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Nächstenliebe heisst essentiell Solidarität. Dies gilt ganz besonders im Bereich der Gesundheit. Wie wichtig ist es uns, dass unsere Nächsten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben? Und wie wichtig ist es uns, dass die Armen ganauso Zugang haben wie die Reichen? Wie wichtig ist uns in diesem Sinne die Gerechtigkeit? Wo setzen wir die Grenze, welche Behandlung gesundheitlich notwendig oder sinnvoll ist? Hier geht es um Lebenschancen und Zugang zur Gesellschaft: gewisse Behandlungen sind zwar nicht überlebensnotwendig, aber können massiv behindern.

Solidarität im Gesundheitswesen heisst vor allem Solidarität der Gesunden mit den Kranken und Solidarität der Reichen mit den Armen. Beides ist heute gefährdet: Diejenigen, denen die nicht teilen wollen, behaupten immer mehr, Kranke gehen zu oft zum Arzt und die Armen sind selber schuld, dass sie arm sind. In der Gesundheitspolitik zeigt sich, dass die Angriffe von Rechts auf den Sozialstaat sich nicht einfach gegen einzelne Profiteure des Sozialstaates richtet, sondern essentiell mehr am eigenen Portemonnaie als am Wohlergehen des Nächsten interessiert sind. Wer wird denn schon freiwillig krank?

Gründe für die Kostensteigerungen

Das Krankenversicherungsgesetz von Ruth Dreifuss wollte zweierlei erreichen: einerseits die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken stärken, andererseits die Kostenexplosion im Gesundheitswesen stoppen. Das erste Postulat ist heute erfüllt, das Zweite hingegen nicht. Was sind die Gründe dafür?

– Der medizinische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Immer bessere (aber damit meist auch teurere) Behandlungen werden entwickelt, immer mehr Krankheiten lassen sich heute (besser) heilen.

– In den letzten Jahren sind die Medikamentenpreise massiv gestiegen. Die schweizerischen Pharmakonzerne haben im Nationalrat erfolgreich durchgesetzt, dass Wiederimporte aus dem Ausland (wo die schweizerischen Medikamente viel billiger sind) verboten bleiben…

– Zu viel Konkurrenz: Durch die Konkurrenz zwischen den Spitälern will jedes Spital (private und öffentliche) immer die neuesten millionenteuren Apparate anschaffen. Dadurch sind sie auch gezwungen, diese zu amortisieren, indem unnötige Untersuchungen damit durchgeführt werden.

– Die Alterung der Bevölkerung führt dazu, dass immer mehr Menschen pflegebedürftig sind. Dafür können sie wohl nichts dafür…

Desolidarisierung als Lösung?

Der neue Innen- und damit Gesundheitsminister Couchepin hat bereits angekündigt, wie er das Gesundheitswesen günstiger machen will.

– „Risikogerechte“ Prämien für Menschen über 50 Jahren. Die Alten sollen mehr Krankenkassenprämien bezahlen, weil sie auch mehr Kosten „verursachen“. Der Gedanke der Solidarität der Gesunden mit den Kranken als Grundsatz des Gesundheitswesens scheint ihm überhaupt nicht bekannt zu sein. Die Alten können schlicht nichts dafür, dass sie mehr Gesundheitskosten verursachen, also dürfen sie auch nicht dafür bestraft werden. Couchepin geht offenbar von Statistiken aus, die „zeigen“, dass die Alten im Durchschnitt eher vermögend sind. Aber dass das Vermögen sehr einseitig verteilt ist und auch heute noch der durchschnittliche Alte (also der Median) ärmer als der Durchschnittsbürger ist, das will er nicht sehen…

– Couchepin plant auch einen Abbau der Grundversicherung. Was er genau plant, das ist noch nicht bekannt, aber es ist zu befürchten, dass viele Behandlungen, die heute von der (solidarischen) Grundversicherung abgedeckt werden, in Zukunft nur noch über eine teure Zusatzversicherung zu haben sind. Solidarität ade…

– Dagegen will er „den Wettbewerb stärken“. Dass dies kostentreibend und nicht kostensenkend ist, sehen wir am Beispiel der Spitäler. Und gerade die USA, wo der Wettbewerb diesbezüglich „spielt“, sollte uns genügend Warnung sein: Ärzte machen auf Weltformat-Plakaten Werbung, um Kunden anzulocken (Ich sah in den USA tatsächlich Plakate mit Slogans wie „Haben Sie heute Kopfweh, fühlen Sie sich nicht gut? Dann kommen sie doch zu Dr. XY“). Das Resultat: nach OECD-Berechnung verschlingt in den USA das Gesundheitswesen 14% des Bruttosozialproduktes, in der Schweiz ca. 10 %, im Schnitt der EU ca. 9,5 %. Und dennoch hat in den USA die Hälfte der Bevölkerung keine Krankenkasse, weil sie es sich nicht leisten können, und die Kindersterblichkeit (laut der UNO das Hauptindiz für die Verbreitung der Gesundheitsversorgung) ist um über 50% höher als in der Schweiz, in Deutschland oder in Frankreich (0,8% gegenüber 0,5%) Wollen wir dieses System wirklich?

Couchepin scheint seiner neoliberalen Ideologie zu erliegen: „Wettbewerb macht alles gut“, und „Jeder kann selber, wenn er will“. Stellen wir uns klar diesen Desolidarisierungstendezen entgegen. Das Thema wird in den nächsten Monaten (aber vor allem nach den Wahlen im Herbst) brennend werden!


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Solidarität ist ein zentraler Christlicher Wert. Was geht mich das an? Markus Meury berichtet von seinen Erfahrungen als Gewerkschaftssekretär, zeigt biblische Hintergründe und kommentiert die aktuellen Tendenzen als Soziologe.

Zunächst zu meinen persönliche Erfahrungen in der Gewerkschaft

Ich bin ja unter anderem deshalb für dieses Männerzmorge angefragt worden, weil ich als Christ bei einer Gewerkschaft gearbeitet habe, und damit eine sonst vielleicht weniger bekannte Perspektive einbringen kann. (Seit Juli nicht mehr dort, um für einige Monate bei der Menschenrechtskommission von El Salvador mitzuarbeiten. Heute bei Tear Fund, Hilfswerk der Evangelischen Allianz. Leite Kampagne „Stop Armut 2015“, die Christen ermutigen soll, sich vermehrt auf dem Gebiet der weltweiten Armut einzusetzen.)

Die Neunziger Jahre waren eine Zeit, wo vor allem die Einkommensschwachen und die Randgruppen in Bedrängnis gerieten. Vor allem in der Arbeitswelt hatten die Lohnsenkungen für die Einkommensschwachen verheerende Wirkungen, und die Liberalisierungen der Arbeitszeiten hatten ihre Wirkungen auf das Zusammenleben der Familien. Ich hatte auch das Gefühl, dass durch die immer wieder beschriebene internationale Konkurrenz diese Abwärtsspirale seine Fortsetzung finden würde, wenn nicht die Angestellten selber sich wehren können. Deshalb wollte ich für eine Gewerkschaft arbeiten, und bewarb mich vor bald fünf Jahren bei verschiedenen Gewerkschaften. Ich landete schliesslich bei der Gewerkschaft VHTL in Basel, wo ich bis im Juli als Regionalsekretär arbeitete.

VHTL, das heisst Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel. Ich freute mich besonders, hier eine Stelle zu erhalten, denn diese Gewerkschaft vertritt genau die Gruppen, die mir ein Anliegen sind. Es sind dies die Angestellten in den Dienstleistungsberufen mit den niedrigsten Einkommen, so zum Beispiel die Migros-Kassiererinnen, die Putzfrauen, die Nachtwächter und die Arbeiter in der Bell-Wurstfabrik.

Die vergangenen Jahre gaben mir einen tiefen Einblick in die Welt derer, mit denen Sie und ich sonst wenig zu tun haben. Hier ein paar Stichworte dazu:

l Der Lohn: Tatsächlich gab es im Verlauf der 90er-Jahre immer mehr „Working Poor“, vor allem in den Bereichen, die ich vertrete. Zu Beginn meiner Tätigkeit hatten viele VerkäuferInnen oder Putzfrauen einen Lohn von unter 2500 Franken netto. Das reicht knapp zum Leben, wenn man alleine ist, aber sobald man noch zusätzlich Kinder mit aufziehen muss, dann ist dies zu wenig. Zudem muss man sich im Klaren sein, dass dies nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Familienväter. Und so wird es nur zu verständlich, dass beide Elternteile arbeiten müssen, um überhaupt die Familie durchzubringen. Deshalb wird auch als Zweitverdiener die Lohnhöhe wichtig. Durch die Mindestlohnkampagnen der Gewerkschaften konnten die Löhne im untersten Bereich in den letzten Jahren kräftig angehoben werden.

l Stichwort Arbeitszeiten: Seit Ende der achtziger Jahre griff immer mehr Arbeit auf Abruf um sich. Ich musste z.B. selber zusehen, wie meine Mutter Schwierigkeiten hatte, ihr Privatleben zu organisieren, wenn sie immer warten musste, ob der Arbeitgeber sie zur Arbeit rief oder nicht. Das neue Arbeitsgesetz, das Ende der neunziger Jahre kam, brachte dann einen neuen Schub an Deregulierung der Arbeitszeiten. Es wurden immer mehr Abendarbeit eingeführt, abgesehen davon, dass die Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit erleichtert wurde. Hinzu kam verstärkte Deregulierung der Ladenöffnungszeiten. All dies betraf gerade die schwächsten Arbeitnehmer besonders. In diesen Bereichen haben nicht viele Angestellte eine Lehre oder sonstige berufliche Fähigkeiten, die ihnen erlauben würden, den Job zu wechseln, wenn die Arbeitszeiten ein Familienleben nicht mehr zulassen. Ich habe selber in meiner Arbeit etliche Fälle miterleben müssen, wo die Familien auseinandergekracht sind, unter Anderem weil sich die Partner wegen den hyperflexiblen Arbeitszeiten kaum mehr gesehen haben.

l Stichwort Konkurrenz: Die Deregulierungen und Lohnsenkungen werden immer wieder mit der internationalen Konkurrenz und der damit einhergehenden Gefahr für unsere Arbeitsplätze gerechtfertigt. Nach dem, was ich gesehen habe, muss ich feststellen, dass es gerade die Schwächsten sind, die bei dieser Art der Wirtschaft unter die Räder kommen.

l Hinzu kommt der zunehmende Stress: früher waren Leer-Zeiten, wo es nicht viel Arbeit gab, gang und gäbe. Heute wird im Gegenteil so viel in die Arbeitszeit hineingepresst, dass die stressbedingten Schäden massiv zunehmen. Ich habe einige dramatische Zusammenbrüche von Angestellten erleben müssen. Es heisst heute zwar, Leistung müsse belohnt werden, aber genau diese massiven Leistungssteigerungen in den untersten Einkommensschichten wurden überhaupt nicht honoriert…

l Und dann die Arbeitslosen: Die Gewerkschaften haben bekanntlich eigene Arbeitslosenkassen, so auch wir. So habe ich ein Bisschen Einblick, wie es funktioniert. Viele der Angestellten, die bei uns ihr Arbeitslosengeld bezogen, hatten enorm Mühe, wieder eine Arbeit zu finden. Die Arbeitswelt verlangt immer mehr Fertigkeiten und eine 100%ige Leistungsfähigkeit. Es gibt aber eine Schicht von Menschen die entweder die intellektuellen Fähigkeiten dazu kaum haben oder aus irgendwelchen Gründen nicht im Vollbesitz der Kräfte sind. Diese will kein Arbeitgeber, auch nicht im Aufschwung, denn in der heutigen Arbeitswelt sind nur noch die Leistungsfähigen gefragt. Dies ergibt die wachsende sogenannte Sockel-Arbeitslosigkeit. Am Schluss landen viele von ihnen in der IV.

Ich habe deshalb besonders Mühe mit pauschalen Postulaten der „Selbstverantwortung“ und der Etikettierung als „Scheininvalide“. Herr Blocher sagte bekanntlich, zwei Drittel der IV-Rentner bräuchten gar keine Rente. Wirklich nicht? Die Frage ist erlaubt, ob ER solche Leute sie aber in seinem Betrieb einstellen würde… Es ist zu einfach, den Rentnern die Verantwortung zuzuschieben. Wir müssen bereit werden, genauer hinzuschauen! Natürlich gibt es einige Leute in den genannten Gruppen, die tatsächlich nicht arbeiten wollen. Und es gibt auch solche, die der Sozialstaat träge macht. Da sollte man Massnahmen ergreifen. Aber es ist schlicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn man nun für alle die Arbeitslosengelder, die IV oder die Fürsorgegelder zusammenstreicht. Schliesslich stellt sich die Frage, was ist uns wichtiger: dass niemand leidet oder dass niemand profitiert?

Biblische Gedanken

Das Thema Solidarität nimmt in der Bibel einen erstaunlich breiten Raum ein. Zentral ist dabei der Begriff der Armen. Dieser Begriff wird einerseits für die materielle Armut und für Unterdrückung (auch „Elende, Geringe“, etc.), aber auch für geistlich Arme, das heisst Demütige gebraucht. Ich befasse mich hier nur mit den zwei ersten Gebrauchsweisen.

Wie werden die Armen in der Bibel betrachtet? Welche Schuld haben sie an ihrer Situation? Die Stellen, wo Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird, sind rar. Sie finden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im NT, wer nicht arbeiten WILL, soll auch nicht essen. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel, oft in Verbindung mit sozialer Benachteiligung oder Unterdrückung, beschrieben. Natürlich kann man deshalb nicht sagen, dass die Armen heute generell unschuldig sind an ihrer Situation, aber ich sehe gewisse Parallelen.

Deshalb ist das Alte wie das Neue Testament voll von Aufrufen, die Armen zu schützen (physisch und rechtlich) und mit ihnen zu teilen.

  • Wir sollen dem Armen die Hand grosszügig offnen (5. Mose 15. 7-11)
  • Spr. 21.13 „Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.“
  • Und in Matthäus 25 lesen wir, wonach gerichtet wird: Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben, etc.

Almosen werden in der Bibel allgemein als gut angesehen. Es gab im alten Testament aber auch gesetzlich geregelte Umverteilung:

  • Der Zehnte diente auch zur Armutslinderung
  • Alle 3 Jahre ging 10 % der Ernte an Arme
  • Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19.10)
  • Alle 7 Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23.11)
  • Alle 7 Jahre wurden die Schulden erlassen („damit kein Armer unter Euch sei“, wie es in 5. Mose 14.4 heisst)
  • Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden
  • Alle 50 Jahre ging in der Not verkauftes Land zurück an die ursprüngliche Besitzer, damit es keine Anhäufung von Reichtum bzw. keine Landlosigkeit geben sollte

Gesetzliche Umverteilung ist also nicht gleich Raub, wie Anhänger des Wohlstandsevangeliums es behaupten.

Die verschiedenen Verfasser des Alten Testaments forderten auch auf, die Armen und Geringen zu schützen und ihnen Recht zu verschaffen. Denn nur zu oft versuchten die Starken, die Rechte der Armen zu ignorieren oder beugten ungerechte Richter die Sache der Armen. Damals (wie heute) war Armut auch oft mit Machtlosigkeit verknüpft. Vor allem die Propheten gingen hart mit den Israeliten ins Gericht, wenn diese trotz Reichtum die Armen im Elend liessen oder deren Rechte beugten.

Die Bibel fordert uns denn auch auf, die Armen und Geringen als gleichwertige Menschen zu behandeln und uns für deren Rechte und soziale Gerechtigkeit einzusetzen. So zum Beispiel in Ps. 82.3-4: Schafft Recht dem Geringen und der Waise, dem Elenden und dem Bedürftigen lasst Gerechtigkeit widerfahren! Rettet den Geringen und den Armen, entreisst ihn der Hand der Gottlosen.

Abgesehen davon ist laut Jesus das höchste Gesetz die Liebe zu Gott und zu den Nächsten: da ist die Solidarität auf Grund des im ersten Teil gesagten selbstverständlich.

Wir haben gesehen, dass dem Teilen besondere Bedeutung zukommt, da der Armut offenbar auch strukturelle Ursachen zu Grunde liegen.

Aber wie denn Teilen?

  • Die Urchristen teilten praktisch alles. Dies könnte als Modell dienen, ist deswegen aber noch kein „Muss“.
  • Teilen wir, so viel wir teilen können und nicht nur von unserem Überfluss. Dies zeigt uns die Geschichte von der armen Witwe im Tempel in Markus 12. Tendenziell führt uns dies zu einem einfacheren Lebensstil
  • Es heisst auch, wir sollen „arbeiten, damit wir den Armen geben können“. Behalten wir also unser gutes Einkommen nicht für uns alleine. Aber wir müssen auch nicht unbedingt arm werden. Unsere Haltung sollte geprägt sein von Grosszügigkeit und von Zufriedenheit mit dem, was wir haben.

– Ich glaube, dass echte Solidarität und Nächstenliebe nur gelebt werden wann, wenn wir selber frei sind von unseren eigenen Ängsten um unser täglich Brot, wenn wir in allen unseren Bedürfnissen vollständig von unserem himmlischen Vater getragen werden. Dann wird Solidarität zur Freude und geschieht nicht einfach aus Schuldgefühlen.

  • Wie wir in der Bibel gesehen haben, ist manchmal auch gesetzlich verordnete, organisierte Umverteilung angesagt, denn offensichtlich sind die Armen Gott zu wichtig, als dass Er deren Wohlergehen der reinen Freiwilligkeit der Spender überlassen würde.

Aktuelle Tendenzen

Die Gesellschaften in allen Ländern der westlichen Welt scheinen heute aber trotz zunehmender Armut ein wachsendes Problem mit dem Teilen zu haben. Es besteht eine allgemeine Tendenz der Desolidarisierung. Nachdem ein Teil der Solidarität an Institutionen delegiert worden ist, werden diese Institutionen selber nun auch in Frage gestellt (ohne dass allerdings die frühere Solidarität deshalb zurückkehren würde). Sichtbar ist diese Desolidarisierung auch im Wertewandel: Untersuchungen zeigen die zunehmende Beliebtheit des Begriffes „Freiheit“ gegenüber des Begriffes der „sozialen Gerechtigkeit“.

Meines Erachtens beruht dieser Wertewandel unter Anderem auf den folgenden drei Punkten, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen:

  • 1. Zunehmender Individualis­mus: die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wird mit dem zunehmenden Wohlstand und den daraus resultierenden Lebens-Gestaltungsmöglichkeiten immer kleiner. Die Interdependenz (und damit die Notwendigkeit der gemeinsamen Organisation) wird nicht mehr wahrgenommen.
  • 2. Der wachsende Wohlstand hat auch die Angst vor Verlust immer stärker werden lassen.
  • 3. Diese Angst erzeugt eine immer grössere Priorisierung des wirtschaftlichen Wachstums, was einen Übergriff des wirtschaftlichen Denkens auf alle gesellschaftlichen Bereiche nach sich zieht.

Diese Desolidarisierung wird von Rechtfertigungsideologien und beliebten Mythen begleitet, die wir nur allzu gerne glauben:

  • 1. „Jeder kann alles selber“. Die Unterschiedlichkeiten in Fähigkeiten, Herkunft, etc. zeigen genug, dass diese Behauptung der Realität nicht standhält.
  • 2. „Der Sozialstaat wird immer mehr missbraucht“. Eine um sich greifende Behauptung, die kaum belegt ist und eher unsere zunehmenden Ängste widerspiegelt. Die Angst vor Profitismus ist in der Bibel ebenfalls nie so stark gewesen.
  • 3. „Der Sozialstaat hält die Armen und Arbeitslosen nur in Abhängigkeit, deshalb ist es für die Bedürftigen besser, man gibt ihnen nichts mehr“. Wie wir vorher gesehen haben, ist den Betroffenen genauso wenig geholfen, wenn wir nichts mehr geben, denn sie können zum grossen Teil nichts an ihrer Situation.
  • 4. „Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es allen gut“. Meist ist es aber so, dass die Schwächeren unter Liberalisierungen doppelt leiden: sie sind dann weniger geschützt, und sie haben in Wirtschaften mit weniger Umverteilung kaum etwas vom Wirtschaftswachstum (was auch eine Weltbankstudie nachweist)
  • 5. „Armut kann nur durch mehr Wachstum bekämpft werden“. Die westlichen Länder sind so reich, dass theoretisch alle genügend haben könnten. Doch dies ist schlicht eine Frage des Teilens.

Solidarität – was geht uns das also an?

1) Es wird oft gesagt, der Staat sei heute überfordert, das Ganze System ist nicht mehr bezahlbar. Wir haben die Wahl

a) die Leistungen abzubauen oder

b) mehr zu teilen.

Obwohl das Volksvermögen stetig steigt, wählen wir heute a). Aktuell werden auch die Subventionen für christliche Eingliederungsstätten wie die Steppenblüte massiv gekürzt und deren Existenzen gefährdet. Die Kosten tragen dann einfach Andere (bzw.Folie: weiter runter…)

Es ist aber offensichtlich nicht so, dass wir nicht mehr teilen könnten. Der Mythos der ständig steigenden Steuern lässt sich leicht entkräften. Sondern wir wollen einfach nicht mehr. Siehe USA: wo das Geld Ende der neunziger Jahre wieder da war, da wurde trotzdem nicht wieder mehr geteilt

Es ist auch interessant zu sehen, dass trotz stetigem staatlichem Abbau die private Spendentätigkeit nicht zunimmt, obwohl Solidarität uns mehr und mehr auch persönlich angeht.

2) Beispiel BS: 8% IV, also Missbrauch? Typische Vorverurteilung dieser Menschen, denn eigentlich haben wir zwei Erklärungsvarianten:

a) Schuld der IV-Bezüger

b) am Wirtschaftssystem wo sie rausgefallen sind, etwas faul

Wiederum wählen wir eher a), denn wenn wir b) wählen würden, hätten wir ein Problem: wir müssten das ganze System, von dem die Mehrheit unter uns profitiert und mehr oder weniger gut lebt, in Frage stellen.

Doch eigentlich ist es zu offensichtlich: Arbeitsplätze sind heute nur noch ein zufälliges Nebenprodukt der Wirtschaftstätigkeit. Lieber ist der Börse ein Arbeitsplatzabbau, da jubeln die Broker. Heute kommt zuerst der Profit, dann das Produkt und dann der Mensch. Wir müssen das Ganze umkehren. Aber dazu ist auch die Veränderung der Herzen nötig. Denn schon die Bibel sagt „Habsucht ist die Wurzel allen Übels“…

Wie aber soll ein Unternehmen überleben, das zuerst auf den Menschen schaut? Der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich fordert „moralische Rückenstützen“, also ein Bremsen der für die Gesellschaft offensichtlich tödlichen Konkurrenz durch gesetzliche Schranken und durch Vorteile für Unternehmen, die sich moralisch verhalten. Dazu bräuchte es allerdings globale Koordination…

3) Wachstum als Lösung? Wenn wir in die USA schauen, dann müssen wir enttäuscht sein: trotz für ein Industrieland hohen Wachstumsziffern in den neunziger Jahren hat sich die soziale Situation nicht wesentlich verbessert. Es sind zwar mehr Jobs da als vorher, aber die Armut hat nicht abgenommen.

Zudem stellt sich die Frage, was wir für das Wachstum alles opfern. Generell wird im Namen des Wachstums nämlich gerade die organisierte Solidarität, die Chancengleichheit und der Schutz der Schwächeren abgebaut… Wachstum also als Absurdität. Alle Massnahmen sind also auf ihre Auswirkungen auf die Armen und die Schwachen zu überprüfen.

4) Wir müssen auch von unserer Mammon-Orientierung wegkommen. Wirtschaft gut, alles gut gilt nicht mehr, und reines Profitdenken bringt eine Gesellschaft ins Grab.

5) Was wir brauchen, das sind auch verstärkte Bildungs- und Integrationsunterstützung statt Strafen für die Betroffenen. Aber das kostet eben mehr, und deshalb schrecken wir zurück.

6) Und wir Christen? Wir sagen oft, der Staat sei überfordert, also müssten wir ran. Also, dann Ärmel hochkrempeln. Leider meinen gewisse Christen auch, der Staat solle am Besten die Finger von allem lassen, denn die Christen lieben besser. Nur sind wir noch lange nicht soweit, die gesamte AHV, die IV, die Arbeitslsenkasse und alle anderen Aufgaben zu übernehmen…

Es stimmt allerdings auch, dass jeder von uns private Betreuung von angehörigen Alten und Kranken so weit wie möglich übernehmen sollte. Auch zu sonstiger privater Solidarität sind wir aufgerufen. Das ist unser Teil!

Wie wir gesehen haben, geht der Wertewandel weg von der Solidarität, bis in die Kirchen hinein. Gerade wir Christen könnten aber im Namen der Nächstenliebe die Solidarität wieder neu entdecken und für die Wertverbreitung in der Gesellschaft eine Pionierrolle übernehmen.


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