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Manche Christen fragen sich, ob es besser ist, reich oder arm zu sein. Auf diese Frage gibt es eine Antwort, die uns einen klaren Orientierungspunkt gibt: Wir sollen weder arm noch reich sein; wir sollen genug haben. Dazu sagen die Sprüche:

Mein Gott, ich bitte dich nur um zwei Dinge; gib sie mir, solange ich lebe: Bewahre mich davor, zu lügen, und lass mich weder arm noch reich sein! Gib mir nur, was ich zum Leben brauche! Habe ich zu viel, so sage ich vielleicht: »Wozu brauche ich den Herrn?« Habe ich zu wenig, so fange ich vielleicht an zu stehlen und bringe deinen Namen in Verruf. (30,7-9)

Genug zum Teilen

Wieviel ist genug? Genug ist für alle Menschen ungefähr gleichviel, und zwar soviel, dass sie ein anständiges Leben führen können. Die Idee des Genug als Trennlinie zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig, führt uns schnell zu einer weiteren Idee: dem Teilen. Als Leitvers für diese simple Tatsache kann 2. Korinther 8,14 dienen: „Euer Überfluss soll ihrem Mangel abhelfen.“ Teilen ist wunderbar: Wenn diejenigen, die zuviel haben, mit denen teilen, die zuwenig haben, dann gewinnen beide.

Es dient denjenigen, die mehr als genug haben, weil das Teilen sie vom Überfluss befreit und ihnen Kapazität gibt, Jesus nachzufolgen1 . Sogar die Wirtschaftler entdecken: Wirtschaftswachstum, die Anhäufung von Geld, macht Menschen in reichen Ländern gar nicht glücklicher.2 Das Teilen dient natürlich auch denjenigen, die weniger als genug haben und somit zur empfangenden Seite gehören. Nicht zuletzt verbindet das Teilen diese zwei Gruppen.

Die Motivation

Teilen können wir einerseits aus Gerechtigkeit, weil wir das Geteilte richtiggehend schulden. Zum Beispiel da wo die Schweiz wegen unfairen internationalen Handelsregeln von den südlichen Ländern profitiert. Wir können aber auch aus Barmherzigkeit teilen, ohne uns darum zu kümmern, wer an der Armut schuld ist. Zachäus beispielsweise nennt beide Motive für sein Teilen3 .

Die Umsetzung des Genug-Gedankens kann persönlich erfolgen (s. Cukup-Projekt im Kasten) oder politisch, indem die Armutsbekämpfung zur absoluten Priorität gemacht wird. Wir müssen dabei die Armut des Südens an der Wurzel anpacken und den südlichen Ländern bei der Bestimmung der Weltwirtschaftsordnung mehr Macht geben.

Dominic Roser, Ökonom und Cukup-Mitinitiant

Aus: ChristNetInput, Nr.10/März 2007.

 


1. vgl. Matthäus 6,24; 1. Timotheus 6,6-10; Markus 10,21; Hebräer 13,5

2. siehe Easterlin, R. (Hrsg.): Happiness in Economics, Cheltenham 2002

3. s. Lukas 19,8.

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Bisweilen hört man in christlichen Kreisen, dass Nächstenliebe eine Sache jedes Einzelnen sei und nicht in Form einer „gesetzlich verordneten Solidarität“ durchgesetzt werden sollte. Damit wird jegliche Staatshilfe für arme und bedürftige Menschen in Frage gestellt.

Zwei Schienen

Unserer Meinung nach stellen private Grosszügigkeit und staatlicher Ausgleich zwei Schienen dar, die man immergleichzeitig fahren sollte. Es ist nicht gut, nur den Staat für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verantwortlich sein zu lassen, wie das z.B. die „Cüplisozialisten“ wollen: Sie teilen privat ihren Reichtum nicht, weil sie schon politisch dafür kämpfen, dass der Staat umverteilt. Es ist aber auch nicht gut, nur auf der persönlichen Ebene zu teilen; es braucht auch ?staatlich verordnete Solidarität?. Warum?

Zwei Gründe

Ich will nur ganz kurz zwei Gründe nennen: Erstens sieht man solche „verordnete Umverteilung“ in den Ordnungen, die Mose für das Volk Israel erhalten hat. Die staatliche Solidarität ? nicht nur eine freiwillige Grosszügigkeit auf persönlicher Ebene ? nimmt im alten Testament breiten Raum ein.1  Vielleicht ist das ja so, weil die Menschen nicht einfach von sich aus gut und zum Teilen bereit sind und wir in einer gefallenen Welt leben?

Zweitens leben wir heute in einer extrem komplexen Welt, in der staatliche Regelungen alles durchdringen: Durch die Gesetzgebung ermöglicht der Staat der Wirtschaft, zu gedeihen, indem er Infrastrukturen bereitstellt, internationale Handelsverträge aushandelt, den Wettbewerb garantiert, in die Bildung zukünftiger Arbeitskräfte investiert, einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen bereitstellt, der überhaupt das Wirtschaften ermöglicht (z.B. ZGB) usw. Diese staatliche Unterstützung der Wirtschaft ermöglicht es den einen, reich zu werden und macht es anderen2  viel schwieriger, über die Runden zu kommen.

Angesichts dieser wichtigen Rahmenfunktion des Staates ist es doch nichts als fair, dass der Staat auch für einen gewissen Ausgleich sorgt. Weshalb sollte der Staat nicht auch für Solidarität sorgen, wenn er diese Solidarität aufgrund seiner Wirtschaftspolitik oft überhaupt erst nötig macht?

Dominic Roser mit Samuel Ninck, Januar 2007



1.  Ausführlicher bei Markus Meury (Biblische Steuerpolitikwww.ChristNet.ch, 2007): ?Der Zehnte diente nicht nur zur Bezahlung der Leviten, sondern auch zur Armutslinderung: Alle 3 Jahre ging 10 % der Ernte an Arme. Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19.10). Alle 7 Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23.11). Alle 7 Jahre wurden die Schulden erlassen (?damit kein Armer unter Euch sei?, wie es in 5. Mose 14.4 heisst). Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden. Alle 50 Jahre (im sogenannten Jubeljahr, 3. Mose 25, 8-31) ging in der Not verkauftes Land an die ursprünglichen Besitzer zurück, um der strukturellen Ungerechtigkeit vorzubeugen und allen ein Auskommen zu ermöglichen, denn Landlosigkeit bedeutete den ersten Schritt in die Verarmung.?

2. z.B. den Menschen, die durch den rasanten technologischen Fortschritt überfordert sind, den Bauern oder den afrikanischen Staaten, die durch die Liberalisierung des Weltmarktes geschwächt werden usw.

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Unser BIP1 […] beinhaltet auch Luftverschmutzung, Zigarettenwerbung und die Krankenwagen, die die Verletzten auf den Straßen abholen. Dazu gehört die Zerstörung unserer Wälder und die Zerstörung unserer Natur. Dazu gehören Napalm und die Kosten für die Lagerung von radioaktivem Abfall.

Auf der anderen Seite berücksichtigt das BIP nicht die Gesundheit unserer Kinder, die Qualität ihrer Ausbildung, die Freude an ihren Spielen, die Schönheit unserer Poesie oder die Stärke unserer Ehen. Sie misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht.

Bob Kennedy

Aus: ChristNetInput, Nr. 10/März 2007.

1. Bruttoinlandsprodukt: Summe des von den inländischen Unternehmen eines Landes produzierten Wohlstands (Wertschöpfung). Das BIP wird im Allgemeinen zur Berechnung des Wirtschaftswachstums verwendet.

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Unser Bruttosozialprodukt1 umfasst auch die Luftverschmutzung, die Zigarettenwerbung und die Ambulanzeinsätze zur Rettung der Opfer von Verkehrsunfällen. Es umfasst die Zerstörung unserer Wälder und die Zerstörung unserer Umwelt. Es umfasst die Napalmbomben und die Lagerungskosten unserer radioaktiven Abfälle.

Hingegen umfasst das BSP weder die Gesundheit unserer Kinder, noch die Qualität ihrer Ausbildung, die Freude ihrer Spiele, die Schönheit unserer Literatur, noch die Festigkeit unserer Ehen. Das BSP misst alles, ausser dem, was das Leben lebenswert macht.

Bob Kennedy

Aus: ChristNetInput, Nr.10/März 2007.


1. BSP: Summe der in Geld ausgedrückten Gewinne (Mehrwert) der Unternehmen eines gegebenen Landes. Das BSP dient in der Regel der Berechnung des Wirtschaftswachstums.

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Petition „Genug zum Teilen“ 2007

Hintergrundtexte zur Petition „Genug zum Teilen“ 2007: die Bibel und Armut, Genügsamkeit, Wirtschaftswachstum und Umverteilung.


Staatlich verordnete Nächstenliebe?

Genug zum Leben – Genug zum Teilen

Was sagt die Bibel zum Teilen und zur Armut?

Teilen ? eine Alternative zum Wirtschaftswachstum?

Armut in der Bibel

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Nationalismus – eine ernste Gefahr für die Schweizer (Christen)

  • Terminologische Verwirrung: Einige Bibelübersetzungen verwenden den Begriff „Nationen“ (Völker). Allerdings spricht die Bibel nicht von Territorialstaaten, da diese erst im 19. und 20. Jahrhundert auftauchten.
  • Wenn sich eine Nation „Gottes auserwähltes Volk“ nennt, kann dies zu Fehlentwicklungen führen, die alles andere als christlich sind (Legitimation von Rückzug, restriktive Asylpolitik etc.). Diese „Wahl“ wird mit einer mythologisierten Darstellung der Vergangenheit kombiniert.
  • Calvinismus und das Wohlstandsevangelium: Unser nationaler Reichtum wurde als ein Segen Gottes verstanden. Diese Argumentation verwendet jedoch fälschlicherweise den Namen Gottes und die Bibel. Außerdem führt sie zu einer narzisstischen und asozialen Theologie und auch zu einer Politik, die sich „christlich“ nennt.
  • Nationalismus und Reue gehen nicht Hand in Hand; der Bergier-Bericht wird von Nationalisten als Angriff abgelehnt. Doch die Bibel sagt uns:
    „Wenn wir sagen, dass wir ohne Sünde sind, betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns.“ I Johannes 1:8
  • Bei dem Versuch, unser „christliches“ Land zu schützen, verfallen Christen manchmal in Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit (zum Beispiel gegenüber Muslimen).

Konsequenzen: unsere Identität in Jesus Christus

  • Es ist unbestreitbar, dass wir alle wissen müssen, wer wir sind. Denn eine Identität zu haben, gibt uns Wert, gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und Würde. Es ist meine Identität, die mich zu einer eigenständigen Person macht.
  • Als Christen sollten wir unsere Identität jedoch nicht auf Dinge wie Beruf, Rasse oder Nationalität gründen.
    „Es gibt also nicht Nicht-Juden und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Unzivilisierte, Primitive, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und er ist in allen.“
  • Meine primäre Identität liegt in Jesus Christus, was bedeutet, dass ich ein von Gott geliebtes und angenommenes Kind bin (Galater 2,20). Meine wahre „Heimat“ ist also nicht hier in der Schweiz, sondern bei meinem himmlischen Vater (Vater unser im Himmel!). Das Gleiche gilt für unser Bürgerrecht (vgl. Philipper 3,20).
  • Es ist in Jesus, dass wir wahres Leben finden. Er ist der Mensch gewordene Sohn Gottes. Er lebte aus seiner Beziehung zum himmlischen Vater, trotz der Ablehnung und Anfechtung, die er von Menschen ertragen musste.

In Jesus Christus gibt uns Gott unsere wahre Identität.
„Geschaffen nach dem Bilde Gottes“ – „Ich bin ein geliebtes Kind Gottes“

  • Wahre Identität und Selbstvertrauen durch Jesus Christus: „ICH BIN“.
  • Ein Mensch hat seine Identität gefunden, wenn er die Verantwortung für seine Fehler übernehmen kann (seine Schuld anerkennen).
  • Eine aufrichtige Nächstenliebe überwindet alle Ängste.
  • Wer das Leben als ein Geschenk Gottes betrachtet, lebt in Dankbarkeit, Demut und damit in Großzügigkeit.
  • Wir dürfen den sogenannten „christlichen“ Nationalismus nicht verharmlosen. Die Schweiz darf sich nicht um sich selbst drehen, sie muss zum Segen für andere werden.