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Am 16. August 2011 wurde von einem überparteilichen Komitee die «AHV-Erbschaftssteuer-Initiative» lanciert. ChristNet unterstützt sie aktiv, weil sie einen konkreten Beitrag zum biblischen Auftrag leistet, soziale Gerechtigkeit herzustellen und das Arm-Reich-Gefälle zu überwinden.

Umverteilung: ein biblisches Prinzip

Eines der Grundanliegen der Bibel ist die Überwindung des Arm-Reich-Gefälles, wobei sie besonders die Reichen in die Pflicht nimmt. So lesen wir, dass wir «dem Armen die Hand grosszügig öffnen» sollen (5. Mose 15,7-11). Die Sprüche warnen gar: «Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.» (21,13)

Im Neuen Testament identifiziert sich Jesus im Gleichnis des Weltgerichts ganz mit den Armen: «Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.» (Matthäus 25,31-46) Und Paulus doppelt noch nach: «Den Reichen in dieser Welt gebiete,… dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben…» (1. Timotheus 6,17-18).

Zur Überwindung des Arm-Reich-Gefälles wird in der Bibel grundsätzlich individuelle Solidarität und Almosengeben gefördert, gerade das Alte Testament sieht aber auch gesetzlich geregelte Umverteilung vor.

Das Halljahr

Ein Beispiel dafür ist das Halljahr: Gemäss jüdischem Gesetz wurde Land, das aus Not verkauft worden war, alle 50 Jahre an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben (3. Mose 25,8-31). Bei der Eroberung Kanaans hatte ursprünglich jede Familie ein Stück Land erhalten. Diese gleichmässige Landverteilung sollte dank der periodischen «Landreform» des Halljahres aufrecht er-halten bleiben.

Somit war das Halljahr eine Grundlage, um der strukturellen Ungerechtigkeit vorzubeugen und allen ein Auskommen zu ermöglichen. Landverlust bedeutete nämlich in der landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft Israels den Verlust der wirtschaftlichen Lebensgrundlage.

Soziale Ungerechtigkeit

Die biblische Forderung, Vermögen nicht anzuhäufen und Reichtum umzuverteilen, wird in unserer Gesellschaft heute nur sehr beschränkt befolgt: Grosse Vermögen, die von Generation zu Generation gehen, sind auch in der Schweiz einer der Hauptfaktoren für die Konzentration des Wohlstands in immer weniger Händen.

Daraus ergeben sich bleibende Armut 1 und soziale Probleme, sowie ein immer grösseres Gefälle zwischen Arm und Reich. So ist denn die Vermögensverteilung in der Schweiz so ungleich wie in kaum einem anderen Land. 2

AHV und Erbschaftssteuer

Es hat sich gezeigt, dass die AHV mit ihrem «Umlageverfahren», bei dem kein Kapital angehäuft, sondern die Einnahmen sofort für Renten ausgegeben werden, stark zur Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeit beiträgt. Sie setzt auch den Solidaritätsgedanken um, indem die jüngeren Erwerbstätigen direkt mit den Rentnern solidarisch sind. 3 Es scheint also dem biblischen Gedanken zu entsprechen, wenn die AHV gestärkt wird.

Zugleich kann die Besteuerung sehr grosser Erbschaften (ab 2 Millionen Franken) einen Beitrag zur Umsetzung des Halljahr-Gedankens darstellen. Sie ermöglicht es, dass familiengebundene Vermögen wieder der Allgemeinheit zufliessen, und trägt so zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums bei.

Somit bietet die AHV-Erbschafts-Initiative eine Gelegenheit, dem biblischen Ruf zu folgen, den Armen die Hand zu öffnen und den Reichen zu gebieten, dass sie grosszügig sind. Packen wir sie!


1. Gemäss Caritas sind fast 1 Million Menschen in der Schweiz arm.

2. Nur in Singapur und Namibia sind die Vermögen ungleicher verteilt als in der Schweiz (Global Wealth Databook. Credit Suisse, Zürich, 2010).

3. Im Gegensatz zur 2. und 3. Säule, bei der jeder für sich ein Alterskapital anhäuft.

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Auch in der Schweiz geht die Schere zwischen Arm und Reich auf, weil u. a. das Halljahr nicht eingehalten wird. Eine Folge davon ist, dass die gesellschaftliche und politische Macht des reichsten Prozents der Bevölkerung grösser wird. Am unteren Ende kommen die Ärmsten nicht vom Fleck: Wegen Steuersenkungen – z. B. die Abschaffung der Erbschaftssteuer in den meisten Kantonen – wird bei der Bildung gespart, dem einzigen Kapital, das die Armen noch haben könnten.

Armut unter alten Menschen

Deshalb ist es dringend nötig, dass die Kantone und auch die AHV mehr Geld erhalten. Denn auch unter den alten Menschen ist der Anteil an Armen hoch. Dies wird oft übersehen, weil die Reichsten meist auch in dieser Alterskategorie sind und damit den Einkommens- und Vermögensdurchschnitt stark nach oben ziehen. Die AHV müsste laut Verfassung den Lebensunterhalt decken. Dies ist aber bei Weitem nicht gewährleistet.

Eine eidgenössische Erbschaftssteuer ist deshalb die beste Lösung. Sie erfüllt ein Stück weit das Halljahr, dessen Nichtbeachtung, wie oben aufgezeigt, schwer wiegende Konsequenzen hat. Sie belastet weder die einfachen Angestellten, noch die Mittelklasse, sondern die sehr grossen Vermögen. Mit der Erbschaftssteuer wird auch nicht die Leistungsbereitschaft geschmälert, denn die Vermögen, die besteuert werden, fallen den Empfängern ja ohne Eigenleistung zu.

Abwanderung zu befürchten?

Es wird vorgebracht, dass Menschen mit grossem Vermögen wegen der Erbschaftssteuer ins Ausland ziehen könnten. Dies mag vereinzelt eintreffen, aber der finanzielle und soziale Gewinn der Steuer wird auf jeden Fall viel grösser sein als Verluste durch Abwanderung. Auch mögliche Schlupflöcher und juristische Tricks mit dem Wohnsitz sollten uns nicht entmutigen: Mit Ausführungsgesetzen haben wir es in der Hand, hier einen Riegel zu schieben

Überdies lindern wir mit der Einführung dieser Steuer den Druck auf die anderen Länder, ihre Erbschaftssteuern im internationalen «Steuerwettbewerb» zu senken oder gar abzuschaffen. Wenn wir nicht nur an uns selbst denken, dann zählt auch das.

Und wir Christen haben dank dieser Initiative die Gelegenheit, als Zeugen aufzutreten und uns konkret für Gerechtigkeit einzusetzen, diesem eminent biblischen Auftrag.

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Werner Ninck, Seelsorger und Theologe, ist aktiv bei ChristNet. Seit der Lancierung der Erbschaftsinitiative am 16. August 2011 hat er bereits 200 Unterschriften gesammelt. Interview.

Werner, was ist deine Motivation, dich so engagiert für die Erbschaftsinitiative einzusetzen?

Ich bin Delegierter von ChristNet in der Koordinationskonferenz für die Vorbereitung der Initiative. So konnte ich mich in den Inhalt vertiefen, und ich habe miterlebt, wie umsichtig die Verantwortlichen der EVP vorgegangen sind.

Zudem bin ich überzeugt, dass durch diese Initiative die Botschaft Jesu für die Armen einen sehr guten politischen und gesellschaftlichen Ausdruck bekommt. Es ist ja ein biblisches Prinzip, dass die Reichen mit den Armen teilen sollen, wie Jesus dies z. B. im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus veranschaulicht (Lukas 16,19-31). Darum finde ich es sehr gut, dass die AHV Hauptempfängerin der Steuererträge sein soll.

Welche Rolle spielt dein Glaube bei diesem Engagement?

Ich glaube, dass Jesus den Sieg über die Mächte der Welt errungen hat, vor allem auch über Mammon. Darum will ich als Zeuge dafür einstehen – hier im Engagement für die Initiative.

Die Erbschaftssteuer ist unter Beschuss geraten, auch unter Christen: Ist es denn nicht normal, wenn das Geld in der Familie bleibt? Die Patriarchen der Bibel waren ja auch schwerreich und vererbten ihren Reichtum weiter…

Ja, da nehme ich klar eine andere Position ein. Ich selber verstehe Jesus so, dass er nicht die Sippe zur Grundlage seines Engagements macht. Vielmehr distanziert er sich öfters von den Ansprüchen seiner Familie. Mit Jesus ist eine neue Interpretation von Reichtum entstanden: «Reich sein in Gott.»

Jetzt ganz praktisch: An welchen Orten sammelst du am liebsten Unterschriften?

In meiner Gemeinde; dort bin ich geschützt und kann vielen Gemeindegliedern begegnen. Auf dem Bahnhofplatz Bern; dort kommen viele Leute vorbei. Aber auch vor dem Einkaufszentrum um die Ecke; dort kann ich verschiedene Bekannte einladen.

Welche Tipps gibst du Menschen, die Unterschriften sammeln möchten?

Mache dich über die Inhalte anhand des Argumentariums kundig (s. www.christnet.ch). Lass dir zeigen, welche Menschen du in deiner Verwandtschaft, Nachbarschaft und deinem Bekanntenkreis kontaktieren könntest. Tu dich allenfalls mit Anderen zusammen. Mache dir klar, dass es ein Kampf ist, in dem du einiges an Widerständen und Angriffen wirst ertragen müssen.

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Zur Eidgenössischen Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV»

Die Erbschaftssteuer ist liberal und gerecht

Unsere Gesellschaftsordnung beruht in hohem Masse darauf, dass die Menschen gleiche Startmöglichkeiten haben sollen, um sich gemäss ihren Leistungen und Vorlieben frei zu entfalten. Ungleiche Chancen wie beispielsweise eine Behinderung werden dabei durch die Gesellschaft ausgeglichen. Die höchst ungleiche Verteilung der Vermögen in der Schweiz, wo 1 % der Bevölkerung gleich viel besitzt wie die übrigen 99 %, widerspricht dem liberalen Gedanken der Chancengleichheit. Zudem muss selbst erarbeitetes Geld versteuert werden, während Erbschaften, die den Erben ohne eigene Leistung zufallen, selbst in Milliardenhöhe häufig steuerfrei sind. Das ist unfair und begünstigt die unerwünschte Konzentration der Vermögen in der Hand einiger weniger. Die Erbschaftssteuer ist eine gerechte Steuer, die dem entgegenwirkt.

Dank hohen Freibeträgen bleibt der Mittelstand steuerfrei

Die eidgenössische Erbschaftssteuer wird moderat ausgestaltet. So werden das Einfamilienhaus (allgemeine Freigrenze 2 Mio. Franken), die Familienbetriebe und KMU (zusätzliche Freigrenze und reduzierter Satz) sowie die Bauernhöfe (steuerfrei) geschont. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bleibt erhalten, da die Steuer mit einem Steuersatz von 20 % geringer ist als in Deutschland (30 %), Frankreich (40 %), Grossbritannien (40 %) und den USA (49 %, vorübergehend reduziert auf 28 %).

Die Kantone werden am Ertrag beteiligt

Die Erbschaftssteuer-Einnahmen gehörten bisher den Kantonen. Diese haben sie jedoch weitgehend dem interkantonalen Steuerwettbewerb geopfert. Zudem ist eine von Kanton zu Kanton unterschiedliche steuerliche Behandlung des Nachlasses schwer einzusehen. Die Kantone werden für den Verlust ihrer Kompetenz entschädigt, indem sie am Ertrag der Erbschaftssteuer mit einem Drittel beteiligt werden.

Höhere Lebenserwartung belastet die AHV

Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr für die zahlreicher werdenden AHV-Rentner bezahlen. Um die AHV zu finanzieren, müssen die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mittelfristig erhöht oder die Leistungen an die Rentner reduziert werden. Höhere Beiträge belasten die Arbeitseinkommen und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Eine solche Entwicklung strapaziert zunehmend die Solidarität zwischen Jung und Alt.

Moderate Erbschaftssteuer trägt zur Stärkung der AHV bei

Erbschaften fallen als Folge der gestiegenen Lebenserwartung meist erst im Rentenalter an. Um die AHV langfristig zu sichern und gleichzeitig die Prämien zahlende Generation zu entlasten, soll auch die Renten beziehende Generation mit einer moderat ausgestalteten Erbschafts- und Schenkungssteuer zur Finanzierung der AHV beitragen. So können die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, der Binnenkonsum und der wichtige Zusammenhalt zwischen den Generationen gestärkt werden.

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  • Die AHV wird neu auch aus den Erträgen einer Erbschafts- und Schenkungssteuer finanziert (Ergänzung von Art. 112 BV).
  • Die Kompetenz, Erbschafts- und Schenkungssteuern zu erheben, geht von den Kantonen auf den Bund über. Die Kantone werden dafür entschädigt, indem sie ein Drittel des Ertrages erhalten. Zwei Drittel der Steuereinnahmen gehen zweckgebunden an die AHV.
  • Ein hoher Freibetrag von 2 Millionen Franken sorgt dafür, dass der Mittelstand nicht belastet wird. Zuwendungen an Ehepartner sowie an steuerbefreite juristische Personen sind steuerfrei.
  • Die Steuer wird mit einem Einheitssatz von 20 % ausgestaltet.
  • Gehört zum Nachlass oder zur Schenkung ein Unternehmen oder ein Landwirtschaftsbetrieb, werden bei der Bewertung und beim Steuersatz erhebliche Erleichterungen gewährt, um deren Bestand und die Arbeitsplätze nicht zu gefährden.