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40 Tage für Ausländerpolitik beten

Wie vor vier Jahren lädt ChristNet im Hinblick auf die Nationalratswahlen vom 18. Oktober 40 Tagen «Beten+Wählen» ein. Dieses Mal aus aktuellem Anlass unter dem Thema «Migration». So soll den Christen Gelegenheit geboten werden, als persönliche Vorbereitung auf die Wahlen während 40 Tagen für die politische Schweiz zu beten, dass sie für Migrationsfragen mehr Offenheit zeigt.

Möchtest Du eine Schweiz der Nächstenliebe auch im Migrationsbereich? Dann mach mit bei der Gebetsbewegung vom 9. September bis 18. Oktober!

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Ende 2014 waren weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie noch nie. Auffällig hohe Aufnahmequoten in der Schweiz und in Europa deuten darauf hin, dass sehr viele dieser Menschen wirklich um ihr Leben fliehen, wegen inneren Konflikten und Bürgerkrieg in Syrien und Eritrea. Sicher stimmt es aber auch, dass im Zeitalter von Handy und Internet die Informationen über die Verhältnisse im Westen bzw. Norden allgegenwärtig sind. Auch die Organisation der Reise, sowie die Kontakte zu denen, «die es geschafft haben» sind heute einfacher.

Grosse Herausforderungen, vielfältige Ursachen

Derweil spielen sich auf dem Mittelmeer schreckliche Dramen ab: Jedes Jahr verlieren Tausende bei der Überfahrt ihr Leben. Wer ist schuld daran? Die Schlepper, weil sie skrupellos und profitgierig zu viel riskieren? Die «Wirtschaftsflüchtlinge», weil sie sich zu naiv vom Versprechen auf Reichtum verlocken lassen? Die EU, weil sie ihre Grenzen abriegelt und die Flüchtlingsboote auf riskantere Routen zwingt? Wir alle, weil wir von unserer Regierung den Schutz der Grenzen und unseres bequemen Wohlstands erwarten?

In den Medien klingt es oft so, als wäre vor allem Europa mit einem enormen Flüchtlingsstrom konfrontiert. Dies sieht im weltweiten Vergleich ziemlich anders aus:

Top 3 Aufnahmeländer1
(absolute Zahlen)
Top 3 Aufnahmeländer
(pro 1000 Einwohner)
  1. Türkei           1,59 Mio.
  2. Pakistan      1,51 Mio.
  3. Libanon       1,15 Mio.
  1. Libanon       232
  2. Jordanien   87
  3. Nauru           39
  • Schweiz 0,015 Mio.2
  • Schweiz       2

Ist die Schweiz also dermassen zurückhaltend, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht? Nicht unbedingt: So ist etwa die Schutzquote (Asylgewährungen und vorläufige Aufnahmen) im letzten Jahr deutlich auf 58 Prozent gestiegen. Und unsere Regierung hat dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat ein verhältnismässig grosses Kontingent von 3000 schutzbedürftigen Personen für die Aufnahme zugesichert. Angesichts von etwa 4 Millionen Flüchtlingen im Nahen Osten3 fordern einige NGOs allerdings die Aufnahme von bis zu 100 000 Flüchtlingen aus Syrien…

Die hohen Gesuchszahlen und der dadurch ausgelöste Bedarf an Unterkünften stellen Bund und Kantone vor grosse Herausforderungen. Während nun von rechts aussen die grosse Krise heraufbeschworen wird («Asylchaos!»; «Armee an die Grenze!»), reagieren viele Kantone erfreulich pragmatisch und innovativ: Das Tessin arbeitet mit Hoteliers zusammen, im Aargau und in Bern wurden vorübergehend Militärzelte aufgestellt.

Biblische Antworten

Was sagt denn die Bibel zu dieser komplexen Thematik? Zunächst einmal ist der Themenkreis «Verfolgung – Flucht – Exil – Heimat» in der Bibel erstaunlich gegenwärtig: Von 1. Mose 4 bis in die Offenbarung waren die Menschen immer wieder unterwegs. Abraham, Isaak, Jakob, Joseph, Mose, Jesus: Sie und andere waren für Kurz oder Lang Fremde in fremdem Land. Kein Wunder ist der Umgang mit Fremden auch in der biblischen Ethik ein Thema: Texte dazu finden sich etwa im Gesetz des Mose.4

Im Neuen Testament werden Werte wie Gastfreundschaft («einige haben Engel beherbergt…»5 ), Barmherzigkeit, Grosszügigkeit und Verzicht hochgehalten. Interessant auch, dass in der Bibel der Nächste nicht unbedingt, oder eben gerade nicht, der «Naheliegendste» und Volksgenosse ist. Im Gleichnis, welches das grosse Liebesgebot illustriert, ist es einer aus dem verachteten Volk der Samariter, der hilft. Und in der Grundlegung der Nächstenliebe im Alten Testament heisst es : «Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.»6 

Viele Flüchtlinge suchen Schutz vor Verfolgung an Leib und Leben. Andere suchen ein besseres Leben, Zukunftsperspektiven statt Hoffnungslosigkeit. Haben wir, die wir zufällig in einem der reichsten Länder geboren sind, das Recht, diese sogenannten «Wirtschaftsflüchtlinge» zu verurteilen? Gott liebt sie genauso wie uns selber. «Wir die Guten, sie die Bösen», dieses Bild trifft nicht zu – übrigens auch nicht in der Umkehrung. Gott bringt die Flüchtlinge an unsere Pforten und fordert uns mit ihnen heraus, ähnlich wie im Gleichnis der arme Lazarus den reichen Mann herausfordert7 .

Wir merken uns: Woher sie auch kommen und wie auch immer ihre Geschichte lautet, es sind Menschen. Unsere Nächsten. Ihnen soll unsere ganze Anteilnahme gelten.


1. UNHCR, Global Trends 2014

2. Berechnung aufgrund von: Staatssekretariat für Migration, Asylstatistik 2014
https://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/publiservice/statistik/asylstatistik/jahresstatistiken.html (eingesehen am 11.08.2015)

3. Staatssekretariat für Migration SEM, «Humanitäre Krise in Syrien», eingesehen am 30.7.2015. bfm.admin.ch/bfm/de/home/asyl/syrien.html.

4. 3. Mose 17–19 und 5. Mose 23–24.

5. Hebräer 13,2.

6. 3. Mose 19,33f.

7. Lukas 16,19-25.