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«Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN;
denn wenn‘s ihr wohl geht, so geht‘s auch euch wohl… ich weiss wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.»
(Jeremia 29,7+11)

Eine Visionssuche von ChristNet 2015-2019

Der Souverän hat gesprochen: Die Schweizerinnen und Schweizer haben bei den Parlamentswahlen vom 18. Oktober 2015 den Parteien aus dem rechten politischen Spektrum einen Stimmenzuwachs beschert (Pressecommuniqué vom 16.10.2015). Das Stimmvolk hat damit einer Politik ihre Unterstützung zugesagt, die sich in ihrem Reden und Handeln stark von Ängsten vor Fremden und vor materiellen Verlusten leiten lässt. Die Vision der Schweiz, die sich hinter dieser Politik verbirgt, sieht ein Land vor, das sich tendenziell abschottet und unverändert so bleibt wie es heute ist. Auf ökonomischer Ebene besteht das Ziel, noch mehr Reichtum zu generieren und Steuern zu senken.

Sind Gier, Geiz und der Unwille zur Veränderung wirklich lohnende Ziele? Ist es das, was auch wir Christen und Christinnen hoffen und wollen? Oder hegen wir Hoffnungen darüber hinaus? Wir von ChristNet sind überzeugt, dass es an der Zeit ist, neue Visionen für unser Land zu suchen. Christen und Christinnen und alle Menschen guten Willens sind deshalb eingeladen, sich an einem kollektiven Brainstorming zu beteiligen. Diskutiert mit, wie das Leben in der Schweiz für die kommende Generation, wie es im Jahr 2045, aussehen soll!

Der Zeitgeist: «Immer mehr»

Wir von ChristNet analysieren die politische Situation der Schweiz seit 2004. Wir stellen fest, dass sich die Schweizer Politik immer mehr und immer einseitiger um das Geld dreht: Wie können wir mehr Holdings, Konzernsitze und Milliardäre anziehen? Wie können wir das Bankgeheimnis doch noch verteidigen? Wie können wir mehr Wachstum erreichen? Zu vieles wird mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze gerechtfertigt.

Moralische Grenzen gelten als schädlich für das Geschäft und werden darum verworfen. So zum Beispiel die Menschenrechte oder ein Verbot der Spekulation mit Lebensmitteln, obschon diese bereits Millionen von Menschen in den Hunger getrieben hat. Den Markt ungestört wirken lassen, ist die vorherrschende Ideologie, auch wenn einzelne Individuen dabei das Nachsehen haben, zum Beispiel aufgrund höherer Mietzinsen infolge der Immobilienspekulation. Der Staat, den wir demokratisch mitgestalten, gilt als Störenfried unfehlbarer Marktkräfte und soll sich möglichst aus der Wirtschaft heraushalten.

In der Schweiz wird die Bereitschaft grösser, dem Markt gesellschaftliche Errungenschaften zu opfern: Der arbeitsfreie Sonntag wird beschnitten, die Arbeitszeiten werden flexibler und gleiten immer mehr in den Feierabend. Der Freiraum, um Beziehungen zu pflegen und um sich körperlich geistig zu erholen, wird knapper. Der Schutz der Umwelt, Gerechtigkeit und Solidarität, Werte, die sich kurzfristig nicht rechnen, sind bedroht: Spitäler werden geschlossen, bei Schulen wird gespart, weil Steuerwettbewerb und Steuerabbau die Kassen künstlich verknappen. Die Solidargemeinschaft Schweiz befindet sich zugunsten der Wirtschaft auf dem Rückzug.

Neue Visionen sind gefragt

Sollen Wirtschaftswachstum und die Anhäufung von Reichtum wirklich unser letztes Ziel sein? In der Bibel heisst es dazu: «Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden…» (Mt 6,19). Das Evangelium stellt uns vor die Wahl zwischen Gott und Mammon (Mt 6,24). Wir Christen wissen dank unserer heiligen Schrift und oft infolge eigener Erfahrungen, dass das Verlangen nach mehr Besitz und nach der Absicherung unserer materiellen Bedürfnisse (Mt 6,25) nicht alles ist, was das Leben ausmacht. Und nicht das, was es letztlich lebenswert macht.

Viele Christen ahnen, dass es eine Alternative zur vorherrschenden Mammon-Ideologie des Konsums und des Marktes braucht. Und viele Christen suchen und leben in ihrem Umfeld Alternativen bereits so gut vor, wie sie können. Sie leben aus der Frohen Botschaft Jesu, die Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und die Gemeinschaft ins Zentrum stellt. Sie leben eine Nächstenliebe vor, die der Liebe Gottes zu uns Menschen entspricht (Mt. 22,39).

Was aber bedeutet dies für das Feld der Politik? Was ist das Beste für die Schweiz, damit sie wieder Menschen statt Geld fördert? Wie soll dazu unser gesellschaftliches, politisches Umfeld gestaltet werden? Auch wir haben nur erste Ahnungen: Wir sind überzeugt, dass der Staat Freiräume schaffen muss, damit wir vertrauensvolle und echte Beziehungen leben können. Dass es eine fördernde und fordernde Fürsorge braucht, eine Schöpfung, die für künftige Generationen bewahrt wird, eine massvolle und stressfreie Mobilität, sichere und lebensfreundliche Städte, sowie eine Wirtschaft, die den Menschen dient.

Aber was heisst das konkret? Sag es uns! Wie beeinflusst Dein Christsein Deine politische Haltung? Was soll es für das politische Engagement von ChristNet in den nächsten Jahren bedeuten? Heisst es etwa, dass wir alle Flüchtlinge aufnehmen sollen, die zu uns kommen wollen? Oder dass wir die Entwicklungshilfe ausbauen sollen? Heisst es, dass wir uns für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark machen sollen? Für eine Einheits-Krankenkasse? Sollen wir Christen uns wieder für autofreie Sonntage einsetzen? Oder für einen sanften Tourismus, der statt nur Geld auch echte Gäste anzieht? Welche politischen Inhalte und Visionen liegen Dir als Christ oder Christin besonders am Herzen?

Auf diese Fragen sucht ChristNet in den nächsten Jahren Antworten. Wir wollen nicht nur theoretisieren und kritisieren, sondern Visionen und Ziele entwerfen. Machst Du mit?

Unsere Fragen an Dich in Kürze

  1. Was ist für Dich das wichtigste im Leben?
  2. Was stellst Du Dir für Dich oder für Deine Kinder das Leben in 30 Jahren vor?
  3. Was scheint Dir künftig besonders wichtig für die Schweiz?
  4. Wie übersetzt Du Jesu Lehre und Haltung der Nächstenliebe in die Politik?
  5. Inwiefern können Christen einen konkreten Beitrag leisten, damit dies gefördert wird?
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Ein Video mit dem 2010er Team.

Der Chouf-nüt-Tag: extrem und wirtschaftsfeindlich? Wie einkaufen? Ganz praktisch…

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Christen und die Marktkräfte

Wie wenig darf es kosten? Textilfirmen verlegen die Produktion unserer Kleider von Bangladesch nach Äthiopien, um im internationalen Wettkampf von Angebot und Nachfrage bestehen zu können. Wie reagieren wir Christen auf diese und ähnliche Entwicklungen?

Als Christen sind wir aufgerufen, uns für Gerechtigkeit und Mass einzusetzen, also gegen die Marktkräfte. Dafür gibt uns Paulus in Römer 12,2 einen wichtigen Hinweis: «Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr zu prüfen vermögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.»

Mit den Marktkräften sind Angebot und Nachfrage gemeint, die den Preis einer Ware oder Dienstleistung bestimmen. Dabei geht die Wirtschaftswissenschaft von einer unpersönlichen Strömungsbewegung aus. Diese anonymen Kräfte können ungerechte Normen setzen, etwa die Ausbeutung in den armen Ländern.

Auch wird es plötzlich normal, dass alle immer nach mehr streben, dass Gier und Geiz plötzlich «geil» sind. Hier warnt uns Jesus: «Seht euch vor und hütet euch vor jeder Art Habgier! Denn auch dem, der im Überfluss lebt, wächst sein Leben nicht aus dem Besitz zu.» (Lukas 12,15)

Dem Mainstream widerstehen

Als Einzelne empfinden wir den Druck der Marktkräfte stark. Können wir dem Mainstream alleine widerstehen? Wenn wir etwa auf unfair produzierte Kleider verzichten, haben wir den Eindruck, uns beschneiden zu müssen und uns von den Anderen zu unterscheiden. Aber ist das so schlimm? Wir alle suchen zwar die Anerkennung von Mitmenschen und ahmen sie mehr oder weniger nach. Aber eigentlich streben wir damit nach Gemeinschaft, nicht nach Konformität.

Auch die Selbstverwirklichung ist ein treibender Faktor, den auch wir Christen immer wieder mit Konsum und Arbeit zu befriedigen suchen. Dabei kommen Gott und der Nächste zu kurz. Doch eigentlich würde weniger Konsum (weniger Ausgaben) und weniger Arbeit (weniger Einnahmen) Raum für den Dienst an Gott und am Nächsten schaffen.

Wie wirkt sich unser Marktverhalten konkret auf andere Menschen aus? Ein anschauliches Beispiel dazu gibt die eingangs erwähnte Textilindustrie: Wie gesagt, hat die Marktlogik Textilfirmen jüngst dazu getrieben, von Bangladesch nach Äthiopien zu delokalisieren, weil sie dort noch billiger produzieren können. Das alles für die «Kostenoptimierung», damit ihr Angebot wettbewerbsfähig (möglichst billig) bleibt. Dabei können die Näherinnen von ihrem Lohn nicht anständig leben, obschon 1 Franken mehr pro Kleidungsstück oft reichen würde, um einen existenzsicherenden Lohn zu garantieren. Die Firmen rechtfertigen ihr Verhalten damit, die Kunden seien nicht zu höheren Preisen bereit.

Nicht der Preis allein

Aber für die Konsumenten ist es auf einem weltweiten Markt sehr schwierig, die Arbeitsbedingungen für alle Produktionsschritte ihres T-Shirts zu kennen. Der Erfolg der Fairtrade-Labels, die genau diese Transparenz gewähren, zeigt, dass immer mehr Konsumenten bereit sind, für einen fairen Preis auch tiefer in die Tasche zu greifen. Ähnliches gilt bei den Mobiltelefonen mit dem Experiment «Fairphone». Sind wir Christen bereit, uns als Konsumenten von den «Marktkräften» zu lösen und andere, gerechtere Kriterien als nur den Preis in den Kaufentscheid einfliessen zu lassen?

Insbesondere im Nahrungsmittelbereich gibt es immer mehr Fairtrade-Produkte. Neben den Weltläden finden wir auch in Grossverteilern wie Coop, Migros oder Aldi zusehends Kaffee, diverse Fruchtsäfte, Tee, Schokolade, Marmelade, Honig, Reis, div. Getreidearten und vieles mehr. Was für uns ein paar Rappen mehr kostet bedeutet für eine Bauernfamilie im Süden ein existenzsicherndes Einkommen. Mit einem konsequenten Konsumverhalten unsererseits ermutigen wir die Dienstleistungsbetriebe, ihr Sortiment umzustellen, und zwingen damit die Grosskonzerne wie Nestlé, Coca Cola etc., für die Grundnahrungsmittel (endlich) faire Preise zu bezahlen.

Den Willen Gottes finden

Wir wissen, dass die Probleme unserer Welt mit unserer Ablösung von Gott zusammen hängen. Niemand in dieser Welt stimmt ganz mit Gottes Plan überein (Röm. 3,10ff.). Eine Auswirkung davon ist, dass die Menschen unbedacht der Marktlogik folgen, womit sich der Markt in eine menschenfeindliche Richtung entwickelt. Jesus will uns helfen, uns hiervon zu befreien und den «Willen Gottes» zu finden.

Es ist klar, dass in der Kostenminimierung der Textilindustrie lebenszerstörende (Markt-) Mächte am Werk sind. Hier brauchen unsere Mitmenschen unser Zeugnis dringend. In Wort und Tat. Sind wir so sehr von Jesus angezündet, dass wir uns vom «Schema dieser Welt» verabschieden? – Auch wenn es etwas (mehr) kostet?


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Erstmals erschienen in Wort+Wärch, Mai 2015. egw.ch/wortwaerch

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Hitze und Dürre des Sommers liegen hinter uns – ein Vorgeschmack auf den Klimawandel, den wir rund um den Globus verursachen. Für Dominic Roser wirft das schwerwiegende und ungewohnte Gerechtigkeitsfragen auf.

Wir Christen und der Klimawandel

Wurde Ihnen schon einmal Unrecht angetan, ohne dass der Täter sein Fehlverhalten bemerkte? Mancher hat einen blinden Fleck, so dass ihm ein begangenes Unrecht gar nicht auffällt. Einen solchen blinden Fleck deckte der Prophet Nathan bei König David auf. Er erzählte ihm von einem armen Mann, der ein einziges Lamm besass. Der Mann liebte das Lamm so sehr, dass es nachts sogar in seinen Armen schlafen durfte. Als ein reicher Mann für einen Besuch kochen musste, reute es ihn, ein Tier seiner eigenen grossen Herde zu schlachten. Deshalb stahl er das Lamm des Armen.

David fuhr bei der Geschichte empört auf. Nathan sagte ihm trocken, dass er selbst jener Mann sei. Damit erinnerte er David an das Unrecht, das dieser selbst begangen hatte, als er mit Bathseba fremd ging und ihren Mann auf dem Schlachtfeld umkommen liess (2. Samuel 11,2-12,15). Der Vergleich öffnete dem König die Augen.

Warum das Gespür für Unrecht im Umweltbereich fehlt

So wie David haben auch wir einen blinden Fleck gegenüber einer grossen Ungerechtigkeit: die Umweltschäden, die wir mitverantworten. Selbst wohlhabend, stehlen wir durch umweltschädigendes Verhalten armen Bauern ihr Lamm – doch die Ungerechtigkeit bleibt verborgen. Es fühlt sich im täglichen Leben nicht so an, als würden beispielsweise Abgase einer Autofahrt jemanden bestehlen!

Der blinde Fleck muss uns nicht wundern. Denn dieses Unrecht ist anders als jede herkömmliche Ungerechtigkeit. Wo liegen die Unterschiede? Vergleichen wir Nathans reichen Mann mit uns selbst. Es gibt nämlich «gute» Gründe, weshalb uns der reiche Mann mehr empört als unsere Autofahrt:

  • Wenn wir Auto fahren, dann stossen wir Treibhausgase aus und heizen damit den Klimawandel an. Deswegen kommt später eine Dürre über Indien und die Ziege des Bauern stirbt. Unsere Autofahrten rauben dem Bauern, was er zum Leben braucht. Doch dies geschieht sehr indirekt, via komplexe chemische Prozesse in der Erdatmosphäre, die sich unserem Vorstellungsvermögen entziehen.
  • Wenn wir Auto fahren, kommen die schädlichen Klimawirkungen erst Jahrzehnte später voll zum Vorschein – und meist im fernen Ausland. Wir sehen es nicht mit eigenen Augen vor uns und das berührt unser Herz viel weniger.
  • Nathans reicher Mann hat böswillig gehandelt. Wir hingegen fahren nicht mit schlechter Absicht Auto. Das tote Tier ist ein unerwünschter Nebeneffekt davon.
  • In Nathans Geschichte gab es einen Täter. Man kann klar mit dem Finger auf jemand zeigen. Beim Klimawandel hingegen sind es Millionen Täter, die gemeinsam die Lebensgrundlagen von Millionen Opfern zerstören.

Drei Ebenen der Umweltgerechtigkeit

Das Fazit: Auf so etwas wie Umweltschäden ist unser Gerechtigkeitsempfinden nicht ausgerichtet. Unser Gespür ist derart weitreichende Folgen alltäglichen Handelns nicht gewohnt. Aber: Bedeuten denn die Umweltschäden aufgrund unseres Lebensstils wirklich so viel Ungerechtigkeit? Die Antwort ist leider ja.

Umweltgerechtigkeit hat drei Ebenen: gegenüber künftigen Generationen, gegenüber unseren Mitmenschen im Süden und gegenüber den Tieren.

  • Gegenwart-Zukunft: Gott hat diesen wunderbaren Planeten nicht geschaffen, damit wir eine Party feiern und das Aufräumen unseren Nachkommen überlassen. Wie Wanderer in einer Berghütte übernachten und sie am Morgen für die nächsten Besucher sauber herrichten, wollen wir die Erde als Lebensgrundlage an kommende Generationen weiterreichen.
  • Nord-Süd: Die Industrialisierung hat uns in den letzten zwei Jahrhunderten den Weg aus der Armut ermöglicht. Nun sollte der Süden einen Weg aus der Armut finden, der nicht noch mehr Umweltschäden hervorbringt. Wenn die Länder des Südens sich auf dieselbe Weise entwickeln wie wir in Europa, droht ein globaler Umweltkollaps. Wenn sie aber im Gegensatz zu uns einen saubereren Entwicklungspfad wählen sollen, dann sind wir für die Finanzierung dieses Pfads gefordert. Konkret: Wir müssen ihnen ermöglichen, mit erneuerbarer Energie der Armut zu entkommen. In meinen Augen ist das der wichtigste und am meisten unterschätzte Aspekt der Umweltgerechtigkeit.
    Weshalb ist es ausgerechnet unsere Aufgabe, dem Süden einen sauberen Weg aus der Armut zu ermöglichen? Ein erster Grund ist, dass wir die finanziellen Ressourcen dazu haben. Gemäss Paulus soll der Überfluss der einen dem Mangel der anderen abhelfen (2. Korinther 8). Ein zweiter Grund ist, dass die Armut im Weltsüden teilweise auf unser Konto geht. Natürlich hat die Armut auch hausgemachte Wurzeln wie Korruption oder Clan-Denken. Aber andere wichtige Wurzeln liegen bei uns: So hat zum Beispiel unsere Industrialisierung schlimme Umweltschäden im Süden zur Folge – sogar mehr als bei uns selbst.
  • Mensch-Tier: Manchen Christen fällt ein Zacken aus der Krone, wenn man sie darauf hinweist, dass wir Gottes Liebe nicht für uns alleine haben, sondern sie mit den Tieren teilen. Dabei ist das doch wunderschön! Gott kümmert sich um den kleinsten Spatz. Wenn unser Schöpfer die Tiere liebt, dürfen wir sie mit unserem Lebensstil nicht einfach überfahren.

Was kann ich tun?

Machen wir uns bewusst: Wollten alle Menschen so leben wie wir Schweizer, dann bräuchte es die Ressourcen mehrerer Erden. Dies ist nicht recht. Und das muss nicht sein! Es gibt einen anderen Weg – wenn wir Ja dazu sagen.

Dieser Weg sieht grob umrissen so aus: Wir können beginnen, an einem bescheideneren Lebensstil Freude zu haben. Das nützt nicht nur der Umwelt, sondern hilft auch unserem eigenen Wohlbefinden. Wir dürfen und sollen für Menschen und Tiere beten, die unter den Folgen unseres Lebensstils leiden, und den Schöpfer um die volle Genesung dieses Planeten bitten. Schliesslich liegt es an uns, in diesen Wochen Politikerinnen und Politiker zu wählen, die die Umweltpolitik deutlich stärken.

Die Politik wird im komplexen Feld der Umweltgerechtigkeit die Hauptrolle spielen müssen. Es sind dabei nicht einmal die Umweltschutzmassnahmen im eigenen Land, die am vordringlichsten sind. Noch wichtiger ist, dass wir saubere Technologien fördern und sie mit dem Weltsüden teilen. Nur so kann das ebenso ambitionierte wie unumgängliche Ziel erreicht werden: dass unsere Geschwister rund um den Globus der Armut entfliehen können, ohne dass dabei die Umwelt zerstört wird.


Dominic Roser forscht zum Thema Umweltgerechtigkeit an der Universität Oxford. In der Schweiz engagiert er sich bei ChristNet für eine Politik der Nächstenliebe.

Zuerst erschienen in: Wort+Wärch, Oktober 2015. egw.ch/wortwaerch

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Nur Flüchtlingsangst und Wirtschaftswachstum?​

Mit den nationalen Wahlen vom 18. Oktober 2015 stellt sich erneut die die Frage: «Wie soll die Schweiz von morgen aussehen?». Nun dominieren zwei Themen die Diskussion um die Wahlen: Die Flüchtlinge und das Wirtschaftswachstum.

Die Medien berichten täglich über die Flüchtlingsströme, und vielen von uns begegnen heute Eritreern und Syrern im täglichen Leben. Die Hauptsorge scheint aber nicht das Wohlergehen dieser Menschen zu sein, sondern wie wir uns gegen sie wehren können…

Nach dem «Frankenschock» hat die Schweiz eine Rezession erwartet, die nun aber kaum eintritt. Trotzdem sorgt die Angst vor Verlusten dafür, dass Kandidaten hauptsächlich auf ihre Wirtschaftsfreundlichkeit durchleuchtet werden. Allerdings wurde bereits in den letzten vier Jahren alles der Wirtschaftsförderung, also auf Reichtumsvermehrung untergeordnet. Sollen wir dem nun noch mehr opfern?

Ist das alles, wofür wir heute noch einstehen?

Sind Abwehr der Fremden und Vermehrung des materiellen Reichtums das einzige, was uns noch wichtig ist? Wenn man die sinkenden Stimmbeteiligungen in den kantonalen Wahlen in Zürich, Baselland und Luzern ansieht, dann möchte man es meinen. Dass die Parteien, die nicht obige Themen in den Vordergrund schoben, weniger Wählende mobilisieren konnten, ist ein Zeichen dafür.

Als Christen andere Themen

Wir Christen hätten doch andere Themen, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel:

  • Eine Umwelt, die auch unsere Kinder noch über die Grösse Gottes staunen lässt
  • Eine massvolle Mobilität, in der die Städte nicht ersticken, und in der wir sicher leben können
  • Eine Wirtschaft und Gesellschaft, die nicht auf Kampf aller gegen alle und nicht auf Akkumulation durch Stress setzt, sondern Sicherheit und Zeit für Beziehungen lässt
  • Den Schutz des Sonntags als Gabe von Gott, damit wir durchschnaufen und Beziehungen pflegen können
  • Schulen und Spitäler, die mit genügend Mitteln ausgestattet allen gleich zugänglich sind
  • Gerechtigkeit mit unseren Mitmenschen im Süden, die sie vor Ausbeutung und Nahrungsmittelspekulation schützt, auch wenn unsere Wirtschaft damit weniger Gewinn macht.

Gehen wir wählen, wenn uns diese Themen auch wichtig sind!

Auf dem Spiel stehen zum Beispiel:

  • Der Sonntagsschutz
  • Die Energiewende
  • Die Umweltgesetzgebung
  • Das Mieterschutzgesetz
  • Die flankierenden Massnahmen zu den Bilateralen, die uns vor Hungerlöhnen schützen
  • und so weiter.

Oder wollen wir erst dann aufwachen, wenn wir all das nicht mehr haben? Mobilisieren wir unsere Freunde, wählen zu gehen!


Zuerst erschienen auf: Livenet.ch, 28.9.2015