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Die Fussball-WM in Katar hat gestern begonnen und dauert bis am 18. Dezember 2022. Keine Fussball-WM der Vergangenheit stand so in der Kritik wie die in Katar. Hauke Burgarth von Livenet hat sich damit auseinandergesetzt, warum viele Christinnen und Christen dabei sind oder eben nicht.

Das Für und Wider in der Diskussion darüber, ob man die Spiele dieser Fussball-WM anschauen sollte, haben allerdings andere Schwerpunkte – und werden bei Christinnen und Christen noch um eine geistliche Komponente erweitert. Was also spricht für bzw. gegen das Anschauen der Spiele?

Pro – Warum viele die WM schauen werden

  • Der Sport steht im Vordergrund. Natürlich nehmen an einer Fussballweltmeisterschaft nicht nur demokratische, westlich orientierte oder christlich geprägte Staaten teil. Politik oder Religion steht dabei nicht im Vordergrund. Es geht um Sport – in diesem Falle um Fussball, die «schönste Nebensache der Welt».
  • Zwischen all den Krisen- und Kriegsnachrichten wird es richtig wohltuend sein, spannende Fussballspiele zu schauen und am 28. November mitzufiebern, ob Brasilien eine Chance gegen die Schweizer Nationalelf hat.
  • Eine Fussball-WM ist immer auch eine Chance fürs Evangelium. Das beginnt in unseren Breiten, wo die bekannte «Fussballbibel» von David Kadel rechtzeitig zur Meisterschaft neu herausgegeben wurde und zum Glauben an Jesus Christus einlädt. Und es endet noch lange nicht mit den Möglichkeiten zum Gespräch, die Christen aus aller Welt in Katar haben werden.
  • Trotzdem ist klar, dass Katar nicht gerade zu den freien Ländern der Erde zählt, aber gerade der Fokus aufs Land kann dort Veränderungen bewirken. Ohne die WM wären Menschenrechte und Arbeitsbedingungen in Katar sicher nie weltweit diskutiert worden.

Contra – Warum viele die WM nicht schauen werden

  • «Fussball gehört weder in den Winter noch in die Wüste», sagen etliche und verweisen damit auf die fehlende Fussballtradition des Emirats, das dieses Manko offensichtlich durch gekaufte Fans ausgleichen möchte (die Sportschau berichtete).
  • Viele Beobachter und auch die amerikanische Justiz sind sich einig, dass die WM durch Korruption nach Katar gekommen ist. 2010 erhielt der Wüstenstaat von der FIFA in Zürich, die damals von Sepp Blatter präsidiert wurde, den Zuschlag. Seither rissen die Gerüchte, dass Katar die WM kaufte, nicht ab, Ermittlungen wurden aufgenommen und 2015 fanden in der Schweiz in diesem Zusammenhang zahlreiche Verhaftungen statt.
  • Bereits im Vorfeld der WM gingen die Menschenrechtssituation und völlig unzulängliche Sicherheitsstandards für Arbeitsmigranten in Katar durch die Presse. 6’500 bis über 15’000 Menschen starben bei den Bauarbeiten für die WM. Das ist mehr als nur eine Schieflage bei einem Event, das sonst jede Kleinigkeit nach internationalen Standards regelt. Eine fünfstellige Zahl an Toten ist für eine WM nicht hinnehmbar.
  • Freiheit ist in Katar nach westlichen Massstäben ein Fremdwort: Das beginnt bei fast nicht existenten Frauenrechten und hört bei einer stark beschränkten Pressefreiheit noch lange nicht auf. Laut «Reporter ohne Grenzen» liegt Katar auf Rang 119 von 180 weltweit.
  • Eine freie Glaubensausübung im Land ist nur möglich, wenn man ein muslimischer Mann ist und das bleiben möchte. Ausländische Christen im Land werden laut Idea immer wieder Repressalien ausgesetzt. Einheimische Christen darf es laut Katar kaum geben. So verwundert es nicht, dass das Land auf dem Weltverfolgungsindex nach den «führenden» Nationen Afghanistan und Nordkorea Rang 18 bekleidet.

Und nun?

Dürfen Christinnen und Christen die Spiele der WM anschauen? Natürlich. Wer sollte es ihnen verbieten – sie werden ja sogar öffentlich ausgestrahlt. Ist es sinnvoll und richtig? Das muss wohl jede und jeder selbst entscheiden.

Organisationen wie Amnesty International tun sich schwer mit einer eindeutigen Haltung. Tendenziell lehnt Amnesty einen Boykott der WM ab, um weiterhin Menschenrechtsverletzungen sichtbar machen zu können.

Bewusstes Feiern statt Boykott

Eine wegweisende Linie fährt das WM Public Viewing «Dr Bitz» in Köniz bei Bern. Dessen Veranstalter haben sich gegen einen Boykott entschieden und zeigen in einer leerstehenden Halle in Köniz mit rund 400 Plätzen sämtliche Fussballspiele während der WM. Diese werden ohne Werbepausen und Studiogespräche übertragen, da die Veranstalter den WM-Sponsoren keine Plattform bieten wollen. «Stattdessen wollen wir uns gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International aktiv mit der prekären Menschenrechtslage in Katar auseinandersetzen», erklärt der Veranstalter Beat Wenger gegenüber SRF. So sind neben den Matches Podiumsdiskussionen und eine Fotoausstellung zu Katar geplant. Zudem können Interessierte eine Petition von Amnesty International unterschreiben, die auf Entschädigungen für Arbeitsmigranten in Katar abzielt.

Auch er habe zuerst über einen WM-Boykott nachgedacht, räumt Wenger ein. «Dann ist mir bewusst geworden, dass Fussball Menschen weltweit verbinden kann und wir haben nach einem Weg gesucht, wie man den Sport an der Fussball-WM in Katar trotz vieler Schattenseiten zelebrieren kann.»

Der Artikel erschien erstmals auf Livenet.ch. Für ChristNet wurde der Anfang und Schluss leicht gekürzt und durch den letzten Abschnitt ergänzt.

Photo by Sven Kucinic on Unsplash

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Während der Hitzewellen in diesem Sommer stieg der Schmelzpunkt des Eises über den symbolträchtigen Mont Blanc (4’800 m). «Christen sollten sich an die Spitze der Bemühungen stellen, die CO2-Emissionen zu reduzieren, um diese gefährliche Erwärmung zu stoppen», sagt Umweltschützer Steve Tanner im Interview für das Webportal Evangelical Focus. Er ist als Vertreter von A Rocha Schweiz auch Teil der Arbeitsgemeinschaft Klima, Energie und Umwelt (AKU).

Eine der Schlagzeilen in Europa in diesem Sommer war die Schmelzgeschwindigkeit der grossen Gletscher in den Alpen.

Als die Hitzewellen im Juli und August Mitteleuropa erreichten, kletterte die Höhe, in der das Wasser gefriert, auf bis zu fünftausend Meter, d.h. höher als der Mont Blanc (4’808 m), der höchste Gipfel des Gebirgssystems im Herzen des Kontinents.

Eine soeben veröffentlichte Studie besagt, dass die Hälfte des Volumens der Schweizer Gletscher zwischen 1931 und 2016 verloren gegangen ist. Der Rhythmus hat sich erst in den letzten Jahren beschleunigt.

Evangelical Focus befragte einen Experten in der Schweiz zu den Folgen dieser Entwicklung für das alpine Ökosystem und seine Wasserreserven. Steve Tanner ist Vorsitzender von A Rocha Schweiz, einer christlich geprägten Naturschutzorganisation.

In diesem Sommer wurde die Höhe, in der das Wasser gefriert, auf über 5.000 Meter gemessen – im Vergleich zu den normalen Sommerwerten von 3’000-3’500 Metern. Warum ist das ein Problem?

Diese grosse Höhe, wo die Lufttemperatur bei null Grad liegt, bedeutet, dass Schnee oder Eis unterhalb dieser Höhe zum Schmelzen neigen. In den Alpen, wo der höchste Gipfel 4’800 m hoch ist und die meisten Gletscher zwischen 2’600 und 4’000 m liegen, bedeutet eine Null-Grad-Höhe von mehr als 5’000 m, dass das gesamte Schnee- und Eisvolumen während dieser intensiven Hitzeperioden dem Schmelzen ausgesetzt ist.

Wenn diese Schmelze nicht durch Niederschläge im Winter ausgeglichen werden kann, verschwinden die Gletscher langsam. Das ist eine grosse Bedrohung für sie und für das gesamte alpine Ökosystem.

Warum sind Gletscher wichtig für die Biosphäre der Alpen? Wie könnte sich ihr Verschwinden auf andere natürliche Elemente auswirken?

Gletscher sind sehr wichtig, weil sie als Temperaturregulatoren und Wasserlieferanten für die alpine Umwelt und alle Ökosysteme, die von alpinen Flüssen bewässert werden, fungieren. Ihre natürliche Sommerschmelze versorgt die Flüsse und Seen mit Frischwasser. Ohne sie würden viele an niedrige Temperaturen angepasste alpine Arten nicht überleben.

Fische, wie zum Beispiel Forellen, überleben dank des frischen Gletscherwassers. Diese natürliche Schmelze ist auch die Hauptwasserquelle für die Flüsse im Sommer.

Wenn die Gletscher verschwinden, werden die Flüsse in den Sommermonaten stark zurückgehen und einen Grossteil ihrer Lebewesen verlieren. Auch die Seen werden darunter leiden. Wir sollten nicht vergessen, dass in Europa die grössten Flüsse wie die Rhône, der Rhein, die Donau und der Po den Alpen entspringen.

Anomalie der Oberflächentemperatur in Europa, 2022 im Vergleich zu 1991-2020. Grafik: Copernicus, Europäische Union.

Beschleunigt der Klimawandel das Abschmelzen der Gletscher?

Die Alpen sind aufgrund lokaler Effekte anfälliger für die globale Klimaerwärmung als die durchschnittlichen Regionen. Während der vom Menschen verursachte globale Temperaturanstieg im Durchschnitt bei 1 Grad liegt, beträgt er in den Alpen 2 Grad.

Da die Schnee- und Eisgrenze mit jedem Grad Temperaturerhöhung um 100 m ansteigt, erhöht sich auch die Grenze für Gletscher. Seit dem Jahr 2000 haben die Alpengletscher 17% an Volumen verloren. Diese Schmelzrate ist vollständig auf die globale Erwärmung zurückzuführen.

Wie beeinflussen Ihr christlicher Glaube und Ihre Weltanschauung Ihre naturschützerische Einstellung zur Natur?

Bei der Erschaffung unserer Welt hat Gott physikalische und biologische Gesetze und Prinzipien aufgestellt, die wir durch Beobachtung und Vernunft entdecken können. Die Erweiterung unseres Verständnisses darüber, wie die Erde und insbesondere das Klima funktionieren, macht uns nicht unabhängig von Gott. Im Gegenteil, es hilft uns, seinen Auftrag an uns, für seine Schöpfung zu sorgen, besser zu verstehen.

Bevor wir die grundlegende Wirkung von CO2 auf das Erdklima kannten, ein Phänomen, das Gott von Anfang an in Gang gesetzt hat, konnten die Menschen ihre Auswirkungen auf das Klima nicht verstehen. Da Gott uns wissen liess, wie CO2 die Erdtemperatur reguliert, können wir nun verstehen, dass unsere übertriebenen CO2-Emissionen die Erde erwärmen. Dies stellt uns vor unsere Verantwortung und verlangt von uns, besonders wenn wir Christen sind, unsere CO2-Emissionen stark zu reduzieren, um diese gefährliche Erwärmung zu stoppen. Unser Glaube an Gott steht also im Mittelpunkt unseres Handelns für das Klima.

Der Artikel ist ursprünglich als Interview erschienen unter https://sea-aku.ch/news/das-alpine-oekosystem-ist-bedroht-seit-2000-haben-die-gletscher-17-ihres-volumens-verloren/

Der englische Originalartikel erschien hier: https://evangelicalfocus.com/europe/18306/alpine-ecosystem-at-risk-since-2000-the-alpine-glaciers-have-lost-17-in-volume

Titelbild: Der Aletschgletscher, der grösste Gletscher der Schweizer Alpen. Foto-falk, Wikimedia Commons, CC.