Ein biblisch-theologischer Überblick
«ChristNet-Forum – Wie Geld die Politik und uns selber bestimmt
Samstag, 28. Januar 2023, Nägeligasse 9, Bern»
Es gilt das gesprochene Wort
Gott und Geld – es ist kompliziert
Gott und Geld – das passt nicht zusammen. Dieser Beziehungsstatus ist gelinde gesagt «kompliziert». Zu diesem Schluss muss kommen, wer an das bekannte Jesus-Wort denkt:
«Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon» (Mt 6,24).
Dieses Entweder-Oder irritiert, kennt das Alte Testament doch eine wesentlich differenzierte Sicht auf Geld, Wohlstand und Reichtum. Es lassen sich drei Positionen unterscheiden:1
- Reichtum (Geld) als Segen
Reichtum wird immer wied er ausdrücklich als Gabe Gottes genannt . Etwa wenn Abrahams Verwalter sagt: «Gott hat meinen Gebieter reichlich gesegnet, so dass
er reich geworden ist; er hat ihm Schafe und Rinder, Silber und Gold, Sklavinnen und Sklaven, Kamele und Esel gegeben» Gen 24,35 - Warnung vor den Gefahren des Reichtums
Das AT verweist durchaus auf Gefahren des Reichtums, wenn etwa der weisheitliche Prediger festhält: «Wer das Geld lieb hat, wird des Geldes nicht satt» Koh 5,9 - Kritik am Reichtum
Diese Warnung geht in teils harsche Kritik an Reichtum über, der unrechtmässig erworben wurde. Die daraus folgenden sozialen Missstände werden von Propheten wie Jeremia schonungslos angeprangert: «[…] so sind ihre Häuser voll Betrug; dadurch sind sie mächtig und reich geworden, fett, feist. Auch sündigen sie durch ruchloses Tun. Das Recht pflegen sie nicht, dem Recht der Waisen verhalfen sie nicht zum Erfolg und die Sache der Armen entscheiden sie nicht» (Jer 5,27b-28).
Der hier kritisierten sozialen Ungerechtigkeit steht im Alten Testament eine umfassende Sozialordnung gegenüber, die diese Missstände beheben oder zumindest ausgleichen will.2 Die Kritik an den Reichen spitzt sich im Neuen Testament mit dem eingangs zitierten Jesus-Wort deutlich zu. Mit Burkhard Hose lässt sich sagen:
«Die Reichen haben es schwer im Neuen Testament. Gemessen an anderen Themen nehmen die reichtumskritischen Töne in den Jesusüberlieferungen einen verhältnismässig breiten Raum ein […]. Die Botschaft ist unmissverständlich: Geld versperrt den Weg zu Gott – zumindest, solange man es für sich behält.»3
Wie ist mit dieser biblischen Ambivalenz zum Thema «Geld» umzugehen?
Geld muss dienen
Als neu gewählter Papst veröffentlichte Franziskus im November 2013 sein erstes Apostolisches Schreiben.4 Darin warnt er vor der Vergötterung des Geldes und schreibt: «Das Geld muss dienen und nicht regieren!»5
In diesem Sinn rief der Papst dann 2014 die Teilnehmenden am WEF in Davos auf, «sicherzustellen, dass Wohlstand der Menschheit dient, anstatt sie zu beherrschen.»6
Diese Aussage des Papstes kann sich auf viele Stellen in der Bibel berufen. Sie hier umfassend und nuanciert darzustellen, ist nicht möglich. Ich muss mich hier auf ein Beispiel beschränken. Ein Beispiel, das zeigt: Geld darf nicht knechten. Es muss das Leben ermöglichen.
Mit Geld Gutes tun?
Ein erster kritischer Blick (Mk 12,41-44)
41 Und er [Jesus] setzte sich der Schatzkammer gegenüber und sah zu, wie die Leute Geld in den Opferstock warfen. Und viele Reiche warfen viel ein.
42 Da kam eine arme Witwe und warf zwei Lepta ein, das ist ein Quadrant.
43 Und er rief seine Jünger herbei und sagte zu ihnen: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingeworfen als alle, die etwas in den Opferstock eingeworfen haben.
44 Denn alle haben aus ihrem Überfluss etwas eingeworfen, sie aber hat aus ihrem Mangel alles hergegeben, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt.
Dies Szene spielt im Tempelbereich.
Im Bereich der Tempelschatzkammer sind die Opferstöcke aufgestellt. Die Gaben werden von den Priestern überprüft und dann in den Opferstock gelegt. Jesus beobachtet mit seinen Jüngern die Szenerie. Die Jünger sind vermutlich von den hohen Spendensummen beeindruckt. Doch Jesus lenkt ihren Blick auf eine Witwe, die zwei Lepta gibt (ein Zehntel eines normalen Tageslohnes). Diese Witwe hat ihren ganzen Lebensunterhalt (ihr ganzes Leben: bi,oj) investiert. Jesus schaut kritisch auf das, was ihm da vor Augen liegt.
- Mit Geld Gutes tun, ist für ihn mehr als grosszügige Wohltätigkeit.
- Mit Geld Gutes tun, darf nicht zur (frommen) Selbstinszenierung verkommen.
- Mit Geld Gutes tun, ist nicht eine Frage von möglichst ho hen Geldsummen.
- Mit Geld Gutes tun, bedeu tet nicht lediglich vom Übermass geben, sondern beinhaltet auch den Verzicht zugunsten Anderer.
- Mit Geld Gutes tun, stellt die Frage nach Motivation und Haltung.
Jesus lenkt den Blick auf die arme Witwe.
- Gerne wird sie in ihrem Umgang mit Geld als Vorbild dargestellt.
- Ihr Vorbild animiert dazu, nicht kleinlich zu sein. Mehr zu spenden und damit auch mehr Gutes zu tun.
Kritischer Einwand: Ist diese arme Witwe aber wirklich ein Vorbild?
- Sicher: Ihre Haltung ist beeindruckend und die Sympathien in diese m Text sind klar bei ihr.
- Aber: Jesus lobt ihr interessanterweise Verhalten nicht ausdrücklich. Er sagt seinen Jüngern nicht: «Macht es wie diese Witwe.» Sie wird von ihm nicht als explizites Vorbild dargestellt das tun meist die, die über das Spenden predigen.
Ich wage daher noch einen zweiten kritischen Blick auf diese Szene. Und dieser ergibt sich aus dem textlichen Zusammenhang. Just vor dieser Passage mit der armen Witwe lesen wir folgendes:
Ein zweiter kritischer Blick (Mk 12,37b-40)
37bUnd viele Leute hörten ihm [Jesus] gerne zu.
38 Und er lehrte sie und sprach: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, denen es gefällt, in langen Gewändern einherzugehen und auf den Marktplätzen gegrüsst zu werden
39 und in den Synagogen den Ehrensitz und bei den Gastmählern die Ehrenplätze einzunehmen,
40 die die Häuser der Witwen leer fressen und zum Schein lange Gebete verrichten – sie werden ein umso härteres Urteil empfangen.
Auch diese Szene spielt bereits im Tempel. Sie enthält eine Warnung vor den Schriftgelehrten. Denn die kommen ihrer Aufgabe als «Hirten» nicht nach. Schlimmer noch: Sie «fressen die Häuser der Witwen leer»!
Damit erscheint das Scherflein der Witwe in einem neuen Licht. Sie ist gewissermassen Opfer eines ungerechten Systems. Anstatt die Witwen zu schützen (vgl. Dtn 24,17.20-21) bereichern sich die Schriftgelehren – und damit das Tempelsystem – am Geld dieser armen Bevölkerungsschicht. → ausbeuterisches System
Mit Geld Gutes tun, bedeutet daher
- nicht, dass eine arme Witwe noch ihren letzten Rappen geben muss
- sondern, dass diese Witwe Geld erhält
Mit Geld Gutes tun, kann da geschehen, wo Finanzsysteme die Reichen nicht immer reicher und die Armen nicht immer ärmer macht.
Alternatives System
Geld muss dienen und nicht regieren! Diese Grundüberzeugung ist tief in den biblischen Schriften verankert. So gehört das Ringen um eine alternative Wirtschaftsform zu den bemerkenswerten Kennzeichen der Jerusalemer Gemeinde.
Die zuweilen als „Liebeskommunismus“ belächelte Gütergemeinschaft in Apostelgeschichte 4,32 war kein kommunistisches Ideal, wurde das Privateigentum doch nicht abgeschafft. Worauf es ankam, war aber die radikale Bereitschaft zum Teilen. Wenn der Bericht festhält, dass dies dazu führte, dass keiner unter ihnen Mangel litt (Apg 4,34), muss dies als Erfüllung der Sozialgesetzgebung aus Dtn 15,4f. gelesen werden, wo es heisst, dass es in Israel keine Armen geben soll.
Es ist dies eine Entscheidung für Gott und gegen den Mammon.
Geld – eine geistliche Frage
Denn die von Jesus formulierte Alternative – Gott oder Mammon – ist letztlich nicht eine moralische Frage, sondern eine spirituelle.
«Jesus spricht zunächst gar nicht über die Weise, wie man sein Geld benützt. Wenn er vom Reichtum spricht, geht es um die Frage, worauf man sein Dasein baut – und damit formuliert er auf dem Fundament der alttestamentlichen Tradition eine neue und radikalere Frage: Worauf baust du dein Leben? Welchem Gott gibst du dich hin?»7
Es ist daher durchaus bemerkenswert, dass der sogenannte «Sündenfall» in Genesis 3 aus ökonomischer Perspektive als «Konsumsünde» gelesen werden kann.8 Eine Frage der Schlange reicht, um die Aufmerksamkeit der Menschen mit klugem Marketing auf den einen Baum inmitten vieler Bäume zu lenken. Die anfängliche Neugier weicht rasch der Begierde.
Diesen einen Baum, seine Früchte – so schön. Das Produkt wird absolut begehrenswert. Das müssen wir haben. Nicht weil wir hungrig sind, sondern weil die Gier geweckt nach etwas geweckt ist, dass wir eigentlich nicht brauchen. Dafür riskiert der Mensch den paradiesischen Garten. Seine Gier entfernt ihn von Gott, seinen Mitmenschen und der übrigen Schöpfung.
Dieses Muster zieht sich durch die Menschheitsgeschichte, so dass der 1Timotheusbrief pauschalisierend festhält: «Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen» (1Tim 6,10).
Solidarität und Gerechtigkeit
Wenn Geld dienen und nicht herrschen soll, darf Geld nicht zum Gott werden. Die Bibel appelliert daher im Umgang mit Reichtum und Besitz immer wieder an «Solidarität» und «Gerechtigkeit», um der lebensverhindernden Gier auf Kosten anderer zu begegnen.9
In der Erzählung von der armen Witwe zeigt sich, dass diese eine Verabschiedung von einer «Wohltäter-Mentalität»10 bedeutet. Reiche konnten sich ihren Status und Einfluss nicht mehr länger mit teils grosszügigen Spenden sichern. Gefordert ist eine Umverteilung, die neue Machtverhältnisse mit sich bringt:
«Das Verhältnis von Reich und Arm gestaltet sich nicht mehr vertikal – nach dem Motto: die Reichen geben von oben herab etwas von ihrem Geld, damit die Bedürftigen leben können, sondern horizontal: Wer reich ist, begibt sich auf eine Ebene mit den armen Gemeindegliedern und wir selber arm. Die Armen aber gewinnen an Ansehen und werden selber reich. […] Eine gerechte Umverteilung der Güter beinhaltet demnach immer auch die Notwendigkeit einer Beteiligung der Schwachen an der Macht.»11
Quer durch die Jahrhunderte gab es immer wieder Bewegungen, die auf diese Weise beitragen wollten, dass Geld nicht regiert, sondern dient. Wie unser Beitrag dazu aussieht, müssen wir für uns klären.
1. Vgl.RAINER KESSLER: Reichtum (AT), in: wibilex (2006) Online: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33027/ [Zugriff am 23. Januar 2023]
2. Vgl. LUKAS AMSTUTZ: Werte, Menschenbild und soziale Verantwortung. Alttestamentliche Aspekte, in: Mennonitisches Jahrbuch (Soziale Verantwortung) (2007), S. 14–18 Ferner auch: LUKAS AMSTUTZ: Das Jubeljahr in Bibel und Theologie, in: Die Schweiz, Gott und das Geld, hrsg. von ChristNet, St. Prex 2013, S. 159–177.
3. BURKHARD HOSE: Kirche der Reichen? Ein neutestamentlicher Denkanstoss, in: BiKi 62 (2007), 1, S. 42–45, hier S. 43.
4. Deutscher Text von Evangelii gaudium online zugänglich: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html#Nein_zu_einem_Geld,_das_regiert,_statt_zu_dienen [Zugriff am 24. Januar 2023]
5. Absatz 58 im obigen Dokument.
6. Deutscher Text online zugänglich: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/pont-messages/2014/documents/papa-francesco_20140117_messaggio-wef-davos.html [Zugriff am 23. Januar 2023]
7. DANIEL MARGUERAT: Gott und Geld – ein Widerspruch? Wie die Bibel Reichtum und Besitz einschätzt, in: Welt und Umwelt der Bibel [WuB] (2008), 1, S. 10–15, hier S. 12–14.
8. TOMÁŠ SEDLÁČEK: Die Ökonomie von Gut und Böse, München 2013 (Goldmann, 15754), S. 270–272.
9. Zu den Begriffen «Solidarität» und «Gerechtigkeit» als regulative Ideen der Bibel, siehe MICHAEL SCHRAMM: Das gelobte Land der Bibel und der moderne Kapitalismus. Vom „garstig breiten Graben“ zur „regulativen Idee“, in: BiKi 62 (2007), 1, S. 37–41.
10. Vgl. hierzu Gerd Theissen, Die Religion der ersten Christen: Eine Theorie des Urchristentums. 3. Aufl. Gütersloh 2003, 133-146.
11. Burkhard Hose, «Kirche der Reichen? Ein neutestamentlicher Denkanstoss», in: BiKi 1/2007, 42-45, hier 44.