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Was habe ich mich geärgert! Die Frühlingsferien standen bevor, der Rasen auf dem Fussballplatz war bereits kräftig, nur die Fussballtore fehlten. Ich schrieb der zuständigen Person unserer Stadtverwaltung, ob sie die Tore vor den Ferien noch aufstellen könnten. Nein, die Witterungsverhältnisse seien noch zu unsicher, der Rasen könnte Schaden nehmen. Diese Leute wissen nicht, was es heisst, mit drei halbwüchsigen Jungs auf Frühlingsferien zuzusteuern, ohne Fussball im Angebot.

In der Nachbargemeinde standen die Tore schon seit Wochen. Und auch meine Buben fuhren schliesslich mit den Velos hin und gingen dort Fussball spielen. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass Kinder und Jugendliche selten Gehör finden. In unserer Stadtverwaltung gibt es zwar einen Jugendbeauftragten, er wurde aber noch nie an den Schulen gesehen und kein Kind weiss, wer er ist – geschweige denn, dass man ihn kontaktieren könnte. Wie in so vielen Gemeinden werden die Ideen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ausser Acht gelassen.

Wer darf mitbestimmen?

Wenn in der Schweiz politische Entscheide an der Urne gefällt werden, bestimmt ca. ein Viertel der Bevölkerung das Ergebnis 1 . Folglich sind drei Viertel aller Menschen in der Schweiz im Entscheid nicht repräsentiert. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer hat uns am ChristNet-Forum Anfang Jahr herausgefordert, unsere Stimme für die Stimmlosen zu erheben. Als Beispiel für Stimmlose Bevölkerungsgruppen nannte er damals die Sans-Papiers – Menschen ohne Staatszugehörigkeit. In der Schweiz sind dies ca. 90’000 Personen.

Wessen Stimme bleibt in der Schweiz sonst noch ungehört? Die grösste Gruppe sind die Ausländer – 2.2 Mio. leben ohne Schweizer Pass hier. Sie sind unsere Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Schulfreunde unserer Kinder. Mitbestimmen dürfen sie – bis auf einige Kantone in der Westschweiz und einzelne Gemeinden in Graubünden und Appenzell Ausserrhoden – nicht einmal auf Gemeindeebene. Eine praktisch gleich grosse Gruppe sind die 2.1 Mio. Menschen, die berechtigt wären, der Urne aus verschiedenen Gründen aber fernbleiben. Auch die 1.7 Mio. Kinder und Jugendlichen in unserem Land haben kein Mitbestimmungsrecht, ebenso wie ca. 16’000 Entmündigte.

Bei Minderjährigen kommt hinzu, dass sie von den Entscheidungen von heute besonders betroffen sind. Dies ist ganz grundsätzlich so, weil sie noch viele Jahre zu leben haben. Zudem sind sie überproportional von Armut betroffen und leiden meist mehrfach unter den prekären finanziellen Verhältnissen ihrer Eltern (materiell, sozial, kulturell, gesundheitlich, etc.). Trotzdem werden sie in der Regel nicht angehört, wenn es um die Festlegung der Sozialhilfebeiträge geht.

Engagement auf kommunaler Ebene

Mein Sohn und ich haben die fehlenden Sportmöglichkeiten während der Frühlingsferien zum Anlass genommen, um auf die Anliegen von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Wir verfassten eine Liste mit Forderungen, die es den Jungen erleichtern würden, in ihrer Freizeit Sport zu treiben. Dann sammelten wir über 100 Unterschriften von Erwachsenen, Lehrpersonen und Kindern, die unser Anliegen unterstützten, und sendeten alles an die Stadtverwaltung. Da wir zuvor schon sechsmal mit Anliegen an die Verwaltung gelangt waren, ohne ihr irgendwelche Eingeständnisse abringen zu können, wollten wir ein Ausrufezeichen setzen: Wir schrieben dem Chefredaktor des Rheintalers. Dieser hatte Verständnis für unser Anliegen und unterstützte dieses mit einem ganzseitigen Artikel und einem persönlichen Kommentar (https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/rheintal/rheineck-kinder-wollen-auch-in-den-ferien-fussball-spielen-ld.2446076).

Es folgte eine Einladung des Stadtpräsidenten – mein Sohn wurde nicht eingeladen -, um die Thematik zu besprechen. Er präsentierte einige Ideen, konnte aber nichts konkret zusagen. Später wurde ich erneut eingeladen und es wurden Fussballtore auf dem Allwetterplatz in Aussicht gestellt, damit Kinder auch in der nassen Jahreszeit Fussballspielen können. Diese stehen nun tatsächlich und werden auch während den Schulpausen rege genutzt.

Was hat es gebracht?

Aus meiner Sicht sind die Tore aber nicht der Hauptgewinn. Noch wichtiger erscheint mir, dass Dutzende von Kindern von dieser Aktion erfuhren und viele mit ihrer Unterschrift Teil davon wurden. Politische Bildung in der Praxis also. Auch auf Behördenseite hoffe ich auf positive Nachwirkungen. Nämlich, dass die Anliegen der Jungen in Zukunft nicht mehr ganz so unbedacht beiseite gewischt werden.

Wer sich für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen einsetzen will, findet hier hilfreiche Ressourcen und ein Netzwerk von Gleichgesinnten:


1. 2022 lebten 8,82 Mio. Menschen in der Schweiz, davon waren 5,54 Mio. stimmberechtigt. An den Wahlen und Abstimmungen teilgenommen haben gemäss BfS 45,4 %, also 2.5 Mio.