Asylrecht oder Asylverhinderung? Die Schweizer Gemeinden sind gefragt!

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Die Verantwortung der Christinnen und Christen im Zusammenhang mit den jüngsten Asylgesetzrevisionen.

Als das Asylgesetz 1979 geschaffen wurde, spielte die Schweiz eine juristische und humanitäre Vorreiterrolle. Kein anderes Land Europas hatte ein so klar strukturiertes und offenes Asylrecht. Seither haben unzählige Revisionen dieses Vorbild bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die jüngsten Änderungen, die vom Ständerat in der Frühlingssession beschlossen wurden, machen aus unserem Asylrecht in den Worten des ehemaligen UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge das restriktivste Asylrecht Europas. Hier ein paar Müsterlein[1]:

–         Systematische Rückschaffung, wenn ein Asylbewerber aus einem sogenannt ?sicheren? Land stammt. Die Liste der sicheren Länder sieht in der EU ziemlich anders aus als in der Schweiz. Welche Länder sind nun wirklich sicher?

–         Starke Reduktion der humanitären Aufnahme für Asylbewerber, die nicht politisch sondern persönlich verfolgt werden. Dieses ?kleine Asylrecht? sollte Menschen Zuflucht schaffen, die in ihrem Land aus sozialen, familiären und nichtstaatlichen politischen Gründen in grosser Gefahr sind. Jetzt wird es auf eine ?unmittelbare Todesgefahr? beschränkt. Was ist da mit Folter und Vergewaltigung?

–         Auf ein Gesuch wird nicht eingetreten, wenn der Asylbewerber keinen Personalausweis vorzeigen kann. Diese Massnahme trifft etwa 80% der Fälle! Natürlich gibt es Fälle, wo Asylbewerber erst nach Eintritt in die Schweiz ihre Papiere vernichten, aber die Schweiz hat offenbar immer noch nicht verstanden, dass viele andere Flüchtlinge sie bereits in ihrer Heimat oder unterwegs aus Sicherheitsgründen vernichten mussten oder (insbesondere in Afrika) zum Teil nie im Leben Papiere besessen haben.

Die Quote der Menschen, die Asyl erhalten, wird somit künstlich tief gehalten, und viele verfolgte Menschen fallen durch die Maschen. Diese sollen nun noch weiteren brutalen Massnahmen ausgesetzt werden:

–         Möglichkeit, einen Asylbewerber bis 2 Jahre ins Gefängnis zu setzen, wenn sein Gesuch abgelehnt wurde. Diese Ausweitung der Zwangsmassnahmen ist darum umso absurder, weil der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission gezeigt hat, dass die Ausschaffung unmöglicher ist je länger jemand in Haft bleibt.

–         Asylbewerber, deren Gesuch abgelehnt wurden, sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie werden damit eigentlich auf die Strasse gesetzt in der Hoffnung, dass sie von selber verschwinden. Die Erfahrung mit den Nichteintretensentscheiden (NEE), die bereits von dieser Massnahme betroffen sind, hat gezeigt, dass die Menschen zwar aus den Statistiken und dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden, nicht aber aus der Schweiz!

–         Möglichkeit, die Nothilfe zu kürzen, wenn ein abgewiesener Asylbewerber die Schweiz nicht rechtzeitig verlässt. Damit widersetzt sich der Ständerat der Bundesverfassung, die das Recht auf eine würdige Existenz garantiert (Art. 12); ein Recht, das vom Bundesgericht kürzlich bestätigt wurde.

Es wird immer gesagt, dass die Missbräuche im Asylwesen vermieden werden sollen. An den hier vorgeschlagenen Massnahmen wird aber nur zu deutlich, dass nicht einfach die Missbräuche verhindert werden sollen, sondern das Recht auf Asyl überhaupt. Offenbar ist es das oberste Ziel, die Missbrauchsquote auf Null zu bringen, auch wenn es vielen Menschen die Würde und das Leben kostet. Damit werden Recht und Gerechtigkeit mit Füssen getreten.

Das können wir als Christen und Christinnen nicht zulassen! ?Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan?, sagt Jesus (Matthäus 25,40). Der Umgang mit den Ausländern ? und die Flüchtlinge sind nun wirklich die Geringsten, d.h. die Schwächsten unter den Ausländern ? ist einer der deutlichsten Massstäbe für den Platz, den Jesus in unserer Gesellschaft hat.

Es ist an der Zeit, dass die Gemeinde in der Schweiz aufwacht und ihre prophetische Rolle für die Schweiz wahrnimmt. Hier geht es nicht nur um die Zukunft der Flüchtlinge oder unseres Landes. Hier steht die Zukunft der christlichen Gemeinde auf dem Spiel. Wenn ein Gemeinwesen die Schwächsten nicht mehr als Mitmenschen wahrnimmt, wie kann dann die Gemeinde noch von ihm erwarten, dass es den Schwächsten der Schwachen, Jesus, annimmt? Und wie kann die Gemeinde Jesus noch in die Augen blicken, wenn sie sich heute nicht für Seine Geringsten einsetzt?

„Sorgt dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt! Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen wie ein Strom, der nie austrocknet.“ (Amos 5,24)


Photo by Philipp Potocnik on Unsplash

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