Buchrezension: Wer bestimmt unsere Werte?

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Die Abhandlung „Der entzauberte Markt“ des St. Galler Wirtschaftsethikers Peter Ulrich trifft den Nerv der Zeit. Es handelt sich nicht nur um „ein Bisschen mehr Ethik in der Wirtschaft“, sondern um die Frage, wer eigentlich heute unsere Werte und damit unsere Gesellschaft bestimmt. Insofern hat das Buch auf überraschende Weise mit unserem Glauben zu tun.

 

Anhand der eigentlich humanistischen Begriffe „Vernunft, Freiheit, Fortschritt“ zeichnet Peter Ulrich nach, wie das Primat der Wirtschaft das Primat der Gesellschaft verdrängt hat. Der Ökonomismus ist die stärkste Ideologie unserer Zeit geworden. Er gibt sich wertfrei, obwohl er gewisse Werte voraussetzt. Er glaubt, für das Wohl aller zu sorgen, obwohl immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. Wichtige Gründe dafür sind einerseits durch globale Konkurrenz geschaffene Sachzwänge, auf der anderen Seite der Glaube an die Metaphysik des Marktes. Dahinter steht nämlich der Glaube an Adam Smith’s „Unsichtbare Hand (Gottes)“ und die Wohltätigkeit des per Definition egoistischen „Homo oeconomicus“. Diese Grundlagen führen uns zu unserem eigenen Glauben zurück: An wen und was glauben wir? Welches Menschenbild haben wir?

 

Der Ökonomismus bestimmt heute unsere Werte. Das Weissbuch der Schweizer Wirtschaft forderte uns gar zu einer individuellen, fundamentalen Mentalitätsveränderung hin zu mehr Konkurrenz auf. Im Überlebenskampf des härter werdenden Wettbewerbs wird es für die Unternehmen und die Einzelnen aber immer schwerer, noch bestehende ethische und moralische Standards einzuhalten.

 

Hier stellt Ulrich die Frage, welche Werte und welche Gesellschaft wir eigentlich wollen. Er fordert, dass die Wirtschaft wieder an ihre ursprünglichen Platz innerhalb der Gesellschaft zurückkehren soll und dass die Gesellschaft, also die Gesamtheit der Bürger, auf demokratische Weise selber entscheiden muss, wie sie die Gesellschaft und das Zusammenleben gestalten will.

 

In diesem Sinne stellt Ulrich das Modell des „republikanischen Wirtschaftsethos“ vor, wo sich das Handeln nicht am Modell des Homo Oeconomicus, sondern an seiner Gesellschaftsverträglichkeit legitimiert. Dieser Ethos umfasst das individuelle, das unternehmerische und das politische Handeln. Als Hilfsmittel fordert er „Sachzwangbegrenzungen“, das heisst Regelwerke auf nationaler und internationaler Ebene, die es dem Einzelnen, den Unternehmen und den Staaten zumutbar machen, ethisch zu Handeln. Sicher ein wichtiger Ansatz, aber als Christen würden wir sagen, er ist notwendig, aber nicht hinreichend. Hier hätte ein christlicher Autor noch weitere Elemente zur Hand.

 

„Der entzauberte Markt“ ist eine wichtige, sorgfältige , wenn auch manchmal etwas akademiche Analyse der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und auch Glaube, und zeigt gleichzeitig gangbare Handlungswege auf.

 

Ulrich, Peter: „Der entzauberte Markt“; Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag, 2002. Gebunden, 222 Seiten. ISBN 3-451-27935-5

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