Die Angst vor dem Untergang und die Suche nach dem Retter
Drei Viertel der Evangelikalen Christinnen und Christen wählten bei den letzten zwei Präsidentschaftswahlen Donald Trump. Eine Auseinandersetzung damit, warum viele amerikanische Evangelikale den derzeitigen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner unterstützen, obwohl er sich gegen ihre moralischen Werte verhält.
Ich mag mich nicht erinnern, wann letztmals ein (Ex-)Präsident resp. Präsidentschaftskandidat der USA derart selten die Wahrheit gesagt, derart viel Hass statt Liebe verbreitet und sich damit so eindeutig gegen die Grundwerte des Christentums gewendet hat. Was ist in die evangelikale (weisse) US-Christenheit gefahren?
Die Angst vor dem Untergang?
Donald Trump präsentiert sich als eine starke Persönlichkeit, als ein Führer, der dafür kämpft, dass die Vereinigten Staaten eine christliche Nation bleiben. Weisse evangelikale Amerikaner verlassen sich darauf, dass der republikanische Führer die USA als christliche Nation verteidigt. Laut einer Studie 1 sind vier von fünf Befragten der Meinung, dass die USA eine christliche Nation sein sollten, was laut Forschern wie Anthea Butler auch ein Weg ist, sich auf eine patriotische weisse protestantische Identität zu stützen 2 . In diesem Sinne fühlen sie sich durch die illegale Masseneinwanderung von Migranten aus Lateinamerika bedroht, die die protestantische Dominanz verändern könnte. 3 Sie befürchten, die christliche Kultur sei durch die Liberalisierung der Sitten und die Freiheit, seine sexuelle Orientierung zu zeigen (siehe LGBTQ-Kultur), in Gefahr. Und vor allem durch eine Bevölkerung, die immer seltener in die Kirchen geht und den Säkularismus zur Schau stellt.
Viele Evangelikale merken, dass sie zunehmend in der Minderheit sind, und fühlen sich von einer sich verändernden Kultur in ihrem Umfeld bedroht. Dieses Gefühl wird durch „Blasen“ in den sozialen Netzwerken verstärkt, die dazu neigen, bis zur Paranoia zu radikalisieren: Die absurdesten Verschwörungstheorien werden von einem ängstlichen Teil der Bevölkerung geschluckt, ohne sich um den Wahrheitsgehalt zu kümmern. Denn diese Theorien bestätigen ihre Ängste, benennen sie und geben auch den Verantwortlichen einen Namen. Dies gibt ihnen Hoffnung, weil die Aussicht besteht, dass mit der Elimination der «Bösen» auch das Problem verschwindet. Q-Anon ist der anschaulichste Ausdruck dieser Pananoia, die in der Regierung, die all diese Bedrohungen anwachsen lässt, das grosse Böse sieht. Diese Ängste verstärken die Tendenz, sich einem „Retter“ an den Hals zu werfen. Und Donald Trump präsentiert sich als derjenige, der gegen dieses System kämpft. Das ist auch der Grund, warum er ohne jeden Beweis behaupten konnte, dass die Wahl gestohlen worden sei, und die Republikanische Partei dazu bewegen konnte, sich von Gegnern zu säubern.
Dieses Phänomen der radikalisierenden Angst in einer sich schnell verändernden Kultur (nicht nur bei Christen) verbunden mit dem Traum vom starken Mann an der Spitze der Regierung, „der die Ordnung wiederherstellt“, wurde bereits 1990 von dem Soziologen Anthony Giddens in seinem Werk „The consequences of modernity“ vorhergesagt. Auch Europa, selbst die Schweiz, bleibt von diesem Phänomen nicht verschont.
Welche Werte, welche Prioritäten?
Viele evangelikale Christen merken nicht, dass sie sich von einem notorischen Lügner 4 verführen lassen. Vor seiner Präsidentschafts-Kampagne im Jahr 2016 war er für Abtreibung, 5 hat mit dem Missbrauch von Frauen geprahlt, 6 etc. Seit er gemerkt hat, dass er die Evangelikalen für seine Wahl braucht, tut er alles, was diese hören wollen und behauptet gar, die Bibel sei sein Lieblingsbuch. 7
Das Problem ist dabei, dass ein Teil der evangelischen Christen eher ein Konservativismus als die hauptsächlichen biblischen Werte hochhält. Abtreibung, Homosexualität und andere sexuelle Themen sind Vielen wichtiger als das höchste Gesetz, das uns Jesus gelehrt hat (Matthäus 22), nämlich die Liebe zu Gott und zum Nächsten, von der alles abzuleiten sei. Die Nächstenliebe wird von Trump aber mit Füssen getreten: Er predigt Hass und Verachtung der Minderheiten («Mexikaner sind Vergewaltiger»; «Die Migranten in Springfield essen die Haustiere der Einheimischen»), der Schwächeren und der Gegner 8 statt Nächstenliebe und pflegt Lüge statt Wahrheit.
Gerade derjenige, der sich als Hüter der Christen ausgibt, erodiert und zerstört damit einen der zentralen Werte der christlichen Kultur. Die Wahrheit wird der Ideologie untergeordnet, wie wenn «zur Rettung» alle Mittel recht wären. Als Rechtfertigung dient die Idee, dass sowieso alles nur konstruiert sei. Damit sind wir voll in der Postmoderne nach Jean-François Lyotard 9 : Wenn es keine Wahrheit und damit ethische Objektivität und Autorität mehr gibt, dann hat die Entfaltung der Mächtigen freie Bahn. Mächtigen ist Wahrheit ein lästiges Hindernis, aber die Benachteiligten sind darauf angewiesen, um nicht unter die Räder zu kommen.
Aber Christen sollten die Hüter der Wahrheit sein, denn die sogenannten „alternativen Wahrheiten“ sind Lügen. Vor allem, wenn man sich auf die Zehn Gebote bezieht, die in den Schulen von Louisiana wieder eingeführt werden 10 . Die Wahrheit ist nicht das, was man gerne glauben würde oder was immer in das eigene Weltbild passt. Die Wahrheit muss gesucht und überprüft werden. Und sie muss eingefordert werden! Wenn Christen das nicht mehr tun, sind sie nicht mehr das Salz der Erde. Ohne Wahrheit gewinnen die Lüge und das Misstrauen gegenüber unseren Mitmenschen die Oberhand. Damit ist ein Zusammenleben nicht mehr möglich.
Sind wir Christen vor Angst um unser eigenes Überleben blind geworden? Sind wir gefangen im Kampf um unsere Community («wir gegen die anderen») statt uns um die christlichen Werte für die ganze Gesellschaft zu sorgen? Es scheint, dass wir nicht mehr das Salz der Erde sind. Viel zu wenige Christen wagen es, die Stimme zu erheben und die zentralen christlichen Werte einzufordern. Der Chefredaktor von «Christianity Today» beschrieb Trump im 2019 aufgrund seiner Moral und seiner Werte als ungeeignet und geriet dadurch in die Kritik. 11
Rechtfertigung für alles – bis wohin?
Ein amerikanischer Pastor, der von einem ehemaligen französischen Diplomaten auf Donald Trumps Moral angesprochen wurde, antwortete, dass der ehemalige Präsident wie König David sei, der ebenfalls gesündigt habe 12 . König David ist aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu Gott, die in den Psalmen beschrieben wird, und der Reue, die auf die Sünden folgt, die er beging, ein Vorbild für den Glauben. Donald Trump hat noch nie etwas bereut 13 .
Die Vielzahl der langwierigen Gerichtsverfahren führt dazu, dass der Kandidat Trump in eine Opferrolle gedrängt wird und vermittelt seinen Anhängern das Bild einer Hetzjagd, aus der er gestärkt hervorgeht. Trumps Anhänger sehen darin die Tentakel eines ungesunden Systems, das alles daransetzte, den Weg des Retters zu behindern. Selbst die Erstürmung des Kapitols scheint ihn nicht in Frage gestellt zu haben. Bis wo hin darf er gehen? Gibt es eine Grenze? Im Moment sieht es nicht danach aus.
Wird die Christenheit aus dieser Sackgasse herausfinden? Es scheint, dass Christinnen und Christen die ersten sind, die Gebet brauchen.
1. Pew Research Center 2022 cité dans RTS Religion
2. https://www.rts.ch/play/tv/rtsreligion/video/rtsreligion-video-les-usa-une-nation-vraiment-chretienne?urn=urn:rts:video:14750003
3. https://www.france24.com/fr/am%C3%A9riques/20231227-la-crise-migratoire-se-poursuit-%C3%A0-la-fronti%C3%A8re-entre-le-mexique-et-les-%C3%A9tats-unis
4. https://www.tagesschau.de/faktenfinder/trump-bilanz-uswahl-fakenews-101.html; auch heute verbreitet er regelmässig Unwahrheiten, ohne mit der Wimper zu zucken, z.B. über mangelnde Unterstützung der Südstaaten zur Bewältigung von Hurricane Helene, was sogar Republikanische Repräsentanten der betroffenen Gebiete zu öffentlichen Richtigstellungen veranlasst.
5. https://www.fr.de/politik/donald-trump-abtreibung-verbot-roe-v-wade-oberster-gerichtshof-us-wahlen-us-politik-zr-92994479.html
6. https://en.wikipedia.org/wiki/Donald_Trump_sexual_misconduct_allegations
7. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/trump-bibel-verkauf-100.html
8. Hillary Clinton wurde von ihm regelmässig als korrupt bezeichnet, Kamala Harris als «marxist, communist, fascist, socialist», also irgendwie alles und das Gegenteil davon, solange als Böse konnotiert
9. Jean-François Lyotard – Wikipedia
10. https://www.srf.ch/news/international/us-buergerrechtler-empoert-zehn-gebote-im-klassenzimmer-gesetz-in-louisiana-erntet-kritik
11. https://en.wikipedia.org/wiki/Mark_Galli
12. Témoignage de G. Araud, ancien ambassadeur de France aux USA, sur la chaîne LCI
13. Trump: ‚Why Do I Have to Repent or Ask for Forgiveness If I Am Not Making Mistakes?‘ (Video) | Politics
Das Phänomen des Trump-Populismus verfolge ich seit 2015. Ich kann diese Meinung nachvollziehen. Nur glaube ich nicht, dass dies die ganze Geschichte abbildet. Es stimmt, dass Trump mit König David verglichen wird. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass Trump nicht die Blutschuld zu Lasten gelegt werden kann, wie David, der 10000 statt 1000 schlug. Er gibt sich vielmehr als Friedensapostel aus. Tatsächlich starben kaum US-Soldaten während der Trump-Präsidentschaft. Die Welt war stabiler sls heute. Unter Trump wurde Israel gestärkt und Frieden im Nahen Osten durch die Abraham-Vertäge vorangetrieben. Isis wurde zerschlagen und Iran in die Schranken getrieben. Die Wirtschaft boomte und das Haushaltsdefizit während der Nicht-Pandemiejahren war kleiner als unter Biden. Die Einwanderung war unter Kontrolle. Die kleinen Löhne stiegen, ohne die Inflation anzuheizen Die Käfige stammten aus der Obama-Zeit. Trump hatte viel mehr Stimmen aus der afro-amerikanischen Gesellschaft als Mit Romney, der bei BLM mitmarschierte. Trumps Anhänger wissen wie er es meint, wenn er übertreibt oder Leute beschimpft. Ich habe bisher nicht nachvollziehen können, dass Trump mehr lügt als andere Politiker. Tatsache ist aber, dass kein Mensch auf dieser Welt dermassen von zum Teil selbst ernannten Deutungshoheiten oder Fact Checker unter die Lupe genommen wird. Der Müller-Bericht entlastete Trump in Bezug auf Russland-Propaganda oder fremden Einfluss auf seinen 2016 Wahlausgang. Betreffend Pandemie hat Trump ähnlich falsch gewirkt wie viele andere Länder auch und gewinnt jetzt vermutlich einen Kennedy als mRna-Gegner ins Kabinett, der MAHA verkündet (Make America healthy again), was den vollen Zuspruch des Britischen Arztes und Vloggers Dr John Campbell geniesst. Er verliess Nafta und die Pariser Abkommen. Er motivierte andere Nato-Mitglieder, deren Militärbudget auf 2% des BIP zu erhöhen, damit die Bürde für den US-Beitrag sinkt. Unter Biden sind die Zinsen bereits höher als der gesamte Verteidigungshaushalt. Die Zinsen steigen wieder, obwohl das Fed den Leitzins gesenkt hat. Trotz hoher Einwanderung steigt die Anzahl Beschäftigter kaum noch. Die Wirtschaft wächst langsamer als US-Schulden. Unter Trump wurde der durch während rund 50 Jahren geltende, durch teils von ihm ernannte Bundesrichter verordnete Präzedenzfall des Rechtes auf straffreie Abtreibung bis zur Geburt nun aufgehoben. Somit können die Bundesstaaten eigene Abtreibungsgesetze erlassen. Dabei ist es unerheblich, dass Donald Trump Abtreibungen mehr und Melanie und Lara Trump kaum einschränken wollen. Trump ist an keiner bundesweiten Lösung interessiert. Wieviele „Notabtreibungen“ verlangen die Amerikanerinnen noch? Nur wenn sie uneingeschränkte Abtreibungen wollen, müssen sie Kamala Harris wählen. Bei den anderen Themen hat Harris noch nicht beantwortet was die genau snders machen will. Sie sagt einfach das was die ssgen muss, um gewählt zu werden. Weil die krine gute Schauspielerin ist, wirken ihre sich stets nach dem Wind drehenden Flaggen und Parolen nicht authentisch. Importzölle statt hohe Einkommensteuern wie unter Trump zu erwarten haben beispielsweise den Wohlstand der VAEmiraten begünstigt. Deshalb und wegen vielem mehr und weil Trump gerne für sich beten lässt, wählen ihn die Evangelikalen, wie ich zu beobachten glaube.