Die FIFA und die Menschenrechte: Infantinos gefährliches Spiel um noch mehr Geld und Macht

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Es ist unerträglich, die Reden des FIFA-Chefs Gianni Infantino anhören zu müssen. Noch immer gilt das offizielle FIFA-Narrativ1 , dass auf den Baustellen der Stadien in Katar nur 3 und nicht 65002 Menschen ums Leben gekommen seien. Mit an den Haaren herbeigezogenen Vergleichen mit seiner eigenen Herkunft verniedlicht der FIFA-Präsident die Leiden der Arbeiter, die unter Sklaverei-ähnlichen Bedingungen schuften mussten und – die meisten unter ihnen – es immer noch müssen: Auch seine Eltern hätten ihre Pässe abgeben müssen und auch er sei wegen seiner Haarfarbe gehänselt worden. Und schliesslich gebe man den Menschen ja Würde und Stolz, wenn man ihnen Arbeit gebe. Statt die Verantwortung für die Auswirkungen der WM zu übernehmen, was auch in den FIFA-Statuten vorgeschrieben ist, bekommen die Arbeiter von Infantino noch einen Schlag ins Gesicht.

Spaltung statt Problemlösung

Bereits die Vergabe der WM an Katar war nachweislich durch Korruption3 erfolgt. Kritik wurde danach durch die FIFA meist abgeblockt. Als ab 2021 verschiedene Fussballverbände planten, während der WM auf Missstände aufmerksam zu machen, wurde die FIFA nervös, denn Kritik schadet dem Geschäft: Infantino meinte, man solle «nicht jedes Problem in den Fussball hineintragen». Quasi-Sklaverei und 6500 Tote waren allerdings bisher noch nie der Preis für eine WM und sind nicht ein x-beliebiges Problem.

Doch die Kritik an der WM und der FIFA liess sich nicht ersticken, auch nicht durch Drohungen gegen einzelne Verbände wie Dänemark und Deutschland. Sieben Verbände solidarisierten sich mit ihnen in einem Brief und kündigten Protestaktionen an. Als weitere Eskalationsstufe versuchte Infantino dann in einer einstündigen Rede4 die Kritiker mit dem Aufbau von Feindbildern in die Ecke zu drängen und zu minorisieren. «Diese einseitige Moralpredigt ist reine Heuchelei. Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen.» Damit wird versucht, von den Inhalten und Problemen abzulenken und stattessen das Ganze auf die Ebene einer Konfrontation zu bringen. Eine solche Strategie ist aus politischen Diskussionen altbekannt: Man unterstellt dem Kritiker, nur darauf aus zu sein, sich als der Gute und den Anderen als den Bösen hinzustellen. Dies heisst also, dass ich zu den Zuständen in der Welt schweigen soll, weil meine Vorfahren ähnlich gehandelt haben – und die Unterdrückung unserer Nächsten zuerst 3000 Jahre lang hinnehmen muss.

Infantino wusste, dass er für seine Spalterei auch viel Zuspruch5 aus ehemals durch europäische Mächte kolonialisierten Staaten erhalten würde. Also aus der Mehrheit der Staaten der Welt. Denn dort ist Europa noch immer ein Feindbild. Die Forderung nach Menschenrechten gilt dort bei den heutigen Eliten und Diktatoren oft als erneute Einmischung und als Imperialismus. Indem Infantino diese aber um sich schart, um die Verteidiger der Menschenrechte zu entwerten, macht er sich zum Sprachrohr und Verteidiger dieser Herrscher und derjenigen, die Menschenwürde ablehnen. Er sieht auch kein Problem darin, eine WM in Nordkorea oder Iran durchzuführen und behauptet, dass gerade durch solche Grossveranstaltungen Veränderungen in Gang kommen könnten. Damit verschliesst er die Augen davor, dass diese Sportfestspiele in der Regel die Macht von autoritären Herrschern stärken, so wie z.B. die Olympischen Spiele in Deutschland 1936 oder die Fussball-WM in Russland vor vier Jahren.

Mit der Fussballweltmeisterschaft hat die FIFA also einen Einfluss auf das Weltgeschehen. Und mit der Verteidigung der Interessen Katars und der Minorisierung der Verbände, die Menschenrechte einfordern, schlägt die FIFA sich auf die Seite der Diktatoren und Schlächter. In einem Kontext, wo die Demokratie weltweit am Erodieren ist (siehe Demokratieindex6 ) und sowohl Menschenrechte wie auch die freie Presse unter Druck sind, ist solches Verhalten gefährlich. Mit der Drohung gegen kritische Verbände, der Unterdrückung von Meinungsäusserungen und der Verteufelung von Kritikern spielt die FIFA das Spiel der Diktaturen und bringt die Schweigenden dazu, auch weiterhin zu schweigen.

Geld und Macht sind wichtiger als Menschenrechte

Es gibt Stimmen, die sagen, der ehemalige FIFA-Generalsekretär Blatter hätte ein Monster geschaffen. Man dachte, mit Infantino werde es besser. Das war ein Trugschluss. Der neue FIFA-Chef sägte schon bald die interne Ethik-Kommission wieder ab, hofierte Putin und verteidigt nun mit allen Mitteln Katar, das so viel Geld in den Fussball pumpt.

Tatsächlich hat Blatter die FIFA in eine Geldmaschine verwandelt. Der Gewinn, der Reichtum und damit die Macht scheinen im Zentrum zu stehen. Die FIFA behauptet, sie tue alles «für den Fussball», aber in der Realität geht es mehr um die Gewinnmaximierung: Fernseh-Übertragungsrechte werden blindlings an die meistbietenden Pay-TVs verkauft. Fussball gibt es also gar nicht mehr für alle am TV, sondern in vielen Ländern nur noch für Zahlende. Den FIFA-Mitgliedsverbänden winken so immer fettere Ausschüttungen, womit sie an die FIFA gebunden und so Teil des Systems werden. Auch sie (und ihre Funktionäre) haben also Interesse, dass nichts das Geschäft stört.

Der Mammon ist damit wichtiger als die Menschen. Es wird alles für noch mehr Gewinn getan, auch wenn damit unheilvolle Systeme gefördert werden. Die Fussball-WM in Katar soll einen Rekordgewinn von einer Milliarde Franken für die FIFA abwerfen. Dieses Geld werde sofort wieder «in die Entwicklung des Fussballs» in den Mitgliedsländern investiert. Allerdings kontrolliert die FIFA kaum, ob das Geld wirklich für den Fussball verwendet wird. So mussten die Spielerinnen der Frauenfussball-Nationalteams von Kongo Kinshasa längere Zeit auf der Strasse übernachten, obwohl sie von der FIFA offiziell grosszügig unterstützt worden sind …

Und die Schweiz da drin?

Mit den Mammon-Dossiers7 hat ChristNet schon vor einiger Zeit gezeigt, dass die Schweiz auf Grund einer Geldgier mit Bankgeheimnis, Steuerdumping und als Hafen für zahlreiche Konzerne mit ausbeuterischen Praktiken auch für Leid in der Welt und für Untergrabung von demokratischen Strukturen mitverantwortlich ist. Fast schon symptomatisch hat auch die FIFA ihren Sitz in der Schweiz, und auch ihre Chefs Blatter und Infantino sind Schweizer. Es stellt sich also die Frage, wie lange wir diese Praktiken in der Schweiz noch dulden sollen.

Als Argument für den Verbleib der FIFA in der Schweiz wird manchmal vorgebracht, unser Rechtsstaat sei ein Garant, damit Unrecht auch bei der FIFA geahndet werden könne. Doch offenbar ist das Gegenteil der Fall: In keinem einzigen der Fälle, die in der Schweiz vor Gericht gebracht wurden, kam es zu einer Verurteilung der Korruption. Einige Fälle sind gar wegen der Unfähigkeit (oder des Unwillens) der Strafverfolgungsbehörden so lange verschleppt worden, bis die Fälle verjährten. Andere Fälle wurden wegen Befangenheit der Richter verzögert. Müsste man also nicht eher sagen, dass die Schweizer Liebe zu Herrschenden und zu Geldflüssen Garant für die Nichtverfolgung ist?

Menschenrechte sind das Mindeste an Nächstenliebe!

Wenn wir für Menschenrechte eintreten, dann deshalb, weil sie ein Mindestmass an Menschenwürde darstellen. Damit sind die Menschenrechte auch das Mindestmass an Nächstenliebe und Gerechtigkeit, die wir unseren Nächsten zugestehen wollen. Damit sind Menschenrechte nicht einfach ein kulturelles Produkt des Westens, das anderen Ländern und Kulturen aufgedrängt werden soll. Die Gegner von Menschenrechten sind in der Regel nicht die unterdrückten Menschen in ärmeren Ländern, sondern die dortigen herrschenden Eliten, die sich um ihre Macht und ihre Pfründe sorgen. Auch hierzulande bezeichnen Regierende die Vertreter der Menschenrechte als «Moralisierer», wenn sie die Menschenwürde in ärmeren Ländern den Gewinnen von Schweizer Rohstoffkonzernen vorziehen. So auch Bundesrat Maurer, der anlässlich der Abstimmung zur Konzernverantwortung den Ruf nach Verantwortung von Schweizer Konzernen im Süden als «Einmischung in dessen Kultur» verwedelte. Wie wenn die Opfer von Glencore und Holcim lieber keine Menschenrechte hätten …

Menschenrechte sind für Mächtige (und ihre Bewunderer) oft ein Ärgernis, da sie die Ausübung der Macht und Stärke sowie grössere Gewinne behindern. Dies gilt für die Schweizer Regierung, Schweizer Konzerne, die FIFA und auch für Bewunderer von Macht und Stärke wie die Weltwoche, die die Rede Infantinos in voller Länge abdruckte und als eindrücklich, hochinteressant und intelligent bezeichnete. Dies zeigt erneut, welche Werte dieser Zeitung wichtig sind.

Wir werden also von neuem vor die Wahl zwischen Gott und dem Mammon gestellt. Mat. 6.24: «Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.» Gott wählen heisst auch die Liebe zum Nächsten zu wählen. Denn in Matthäus 22.34-40 wird das höchste Gebot wie folgt zusammengefasst: «Jesus aber sprach zu ihm: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt». Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst». In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.»

Unsere Nächsten sind Ebenbild Gottes. Setzen wir uns auf allen Ebenen für sie ein!

1. https://www.bernerzeitung.ch/man-gibt-ihnen-wuerde-und-stolz-infantino-fuer-aussagen-zu-arbeitern-in-katar-heftig-kritisiert-645639816801

2. https://www.theguardian.com/global-development/2021/feb/23/revealed-migrant-worker-deaths-qatar-fifa-world-cup-2022

3. https://de.wikipedia.org/wiki/Vergabe_der_Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaften_2018_und_2022

4. https://www.n-tv.de/sport/fussball-wm/Die-wirren-Aussagen-des-Gianni-Infantino-im-Wortlaut-article23729519.html

5. https://www.watson.ch/sport/analyse/869294204-wm-2022-in-katar-hinter-infantinos-rede-steckt-kalkuel

6. https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex

7. https://christnet.ch/de/ressourcen/

 


Photo by Micha Brändli on Unsplash

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