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~ 3 minDas Schweizer Volk stimmt am Sonntag, 24. November 2024 über den Ausbau der Nationalstrassen zur Verkehrsentlastung und Stauvermeidung ab. Doch sind mehr Strassen die beste Option gegen die Verkehrsüberlastung in den Ballungsräumen? Braucht es nicht viel eher eine Wende hin zu kombinierter Mobilität, um das Problem längerfristig in den Griff zu bekommen?

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Mit den beiden Mietrechtsvorlagen, über die wir am 24. November 2024 abstimmen, besteht die Gefahr, dass die Wohnungsmieten weiter in Höhe getrieben werden.

In den letzten Jahren hat insbesondere in den Städten, wo der der Wohnraum knapp ist, eine eigentliche Mietzinsexplosion stattgefunden. Einer der Hauptgründe dafür ist die illegale Erhöhung der Miete nach einem Wechsel der Mieter bzw. Mieterinnen. Wenn keine Wertsteigerung der Wohnung (grössere Renovation) stattfindet, haben die Folgemieter eigentlich das Anrecht auf denselben Mietzins wie die Vorgänger. Doch viele Betroffene wissen dies nicht oder wagen es nicht, den bisherigen Mietzins einzufordern. Denn dies bedeutet ein langwieriges Verfahren – und dies in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Vermieter. Wer will es sich mit der Vermieterin schon verderben? Die Vermieter wissen um diese Abhängigkeit und wagen es manchmal gar ohne Mieterwechsel einfach allen Mieterinnen und Mietern den Zins zu erhöhen. In einem Teil der Fälle haben sie damit Erfolg. In Gebieten mit Wohnungsknappheit wird auch das Modell der «Wohnungsjäger» angewendet: Einzelunternehmer bieten an, Leuten, die wenig Zeit haben, dank Connections zu Vermietern rasch eine Wohnung zu besorgen, unter der Bedingung, dass der Anfangsmietzins nicht angefochten wird. Eine weitere Methode: nach dem Auszug eines Mieters wird die Wohnung nur noch mit Ketten-Einjahresverträgen vermietet. Familien, die eine solche Wohnung gemietet haben, können es sich nicht erlauben, den Mietzins anzufechten, da in diesem Fall das Risiko besteht, dass der Mietvertrag nicht mehr weitergeführt wird.

Die beiden Vorlagen, die am 24. November 2024 zur Debatte stehen, schwächen die Rechte der Mieterinnen und Mieter, was die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft.

Fristlose Kündigung für Wohngemeinschaften?

Die erste Vorlage verlangt strengere Regeln bei Untermiete «wegen Onlineplattformen wie Airbnb». Es ist aber bereits heute gesetzlich verboten, eine Wohnung gewinnbringend unterzuvermieten. Eigentümer können also bereits heute verhindern, dass ihre Wohnung auf Airbnb landet. Die nun geplante Verschärfung trifft hingegen Menschen, die in einer Wohngemeinschaft (WG) leben. Jeder Mieterwechsel müsste künftig schriftlich (Briefpost) fristgerecht gemeldet werden. Geht das vergessen oder wird die Meldung per E-Mail oder Anruf erledigt, kann der Mieterschaft gekündigt werden – und zwar innert 30 Tagen. Das ist doch crazy! Bei dieser Gesetzesänderung geht es wohl eher darum, weitere Gründe für eine Kündigung zu schaffen, damit bei einer Neuvermietung die Miete ohne Wertsteigerung erhöht werden kann.

Die beiden Vorlagen, die am 24. November 2024 zur Debatte stehen, schwächen die Rechte der Mieterinnen und Mieter, was die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft.

Nein zur erleichterten Kündigung bei «Eigenbedarf»

Die zweite Vorlage sieht vor, dass als Kündigungsgrund der Eigenbedarf nicht mehr «dringend» sein muss, sondern lediglich «bedeutend und aktuell». Auch diese Änderung des Mietrechts zielt darauf ab, Mieterinnen und Mieter schneller loszuwerden, um bei einer neuen Mieterschaft mehr Miete verlangen zu können. Bereits heute wird die Kündigung wegen Eigenbedarfs missbraucht: Wohnungen werden nach einer Kündigung Strohleuten vermietet, die mit dem Vermieter in einer verwandtschaftlichen Beziehung stehen sollen, um die Wohnungen kurze Zeit später zu einem höheren Zins weiterzuvermieten. Solche Maschen können mit der Annahme der Abstimmungsvorlage weiter ausgebaut werden.

Eine sehr gründliche Recherche zu den Mietrechtsvorlagen liefert dieser Artikel in der «Republik».

Foto von Scott Graham auf Unsplash

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In diesem Jahr feiern wir das 75-jährige Jubiläum der Genfer Konventionen, die das Fundament des humanitären Völkerrechts bilden. Die Schweiz, stolz auf ihre Rolle als Hüterin dieser Konventionen, trägt eine besondere Verantwortung für den Schutz und die Förderung des humanitären Völkerrechts.

Doch wie vereinbart sich diese Verantwortung mit der Weigerung der Schweiz, dem Atomwaffenverbotsvertrag (Wikipedia) beizutreten? Ein Vertrag, der die unmenschlichen Folgen von Atomwaffen klar benennt und deren Einsatz sowie Androhung verbietet.

Atomwaffen widersprechen den Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts: Sie töten wahllos, verletzen das Gebot der Verhältnismässigkeit, verursachen unsägliches Leid und nehmen Menschen das grundlegendste Recht auf Leben und Sicherheit. Kein Land der Welt wäre vor den katastrophalen humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes gefeit.

Auch aus christlicher Sicht ist der Einsatz von Atomwaffen schwer zu rechtfertigen. Diese Form der massiven Zerstörung steht im Widerspruch zu grundlegenden christlichen Prinzipien wie Nächstenliebe, Menschenwürde, Gerechtigkeit, Friedensförderung und Gewaltlosigkeit. Deshalb unterstützen viele Kirchen und internationale christliche Verbände den Atomwaffenverbotsvertrag, darunter der Ökumenische Rat der Kirchen und die katholische Kirche. Papst Franziskus hat dazu klar Stellung bezogen und spricht von einer „falschen Logik der Angst“, die dem Besitz solcher Waffen zugrunde liege. Für ihn ist nicht nur der Einsatz von Atomwaffen ein „Verbrechen“, sondern bereits ihr Besitz „unmoralisch“ 1 . Auch die Weltweite Evangelische Allianz befürwortet die Nichtverbreitung von Atomwaffen, doch herrscht keine Einigkeit über ein vollständiges Verbot.

Die Argumente der Befürworter von Atomwaffen basieren vor allem auf der Abschreckungstheorie: Der Besitz von Atomwaffen soll potenzielle Angreifer davon abhalten, einen Angriff zu starten. Ein genanntes Beispiel ist die Ukraine, die nach Ansicht einiger Analysten wohl nicht unter russischen Angriff geraten wäre, hätte sie Nukleararsenal 1994 nicht abgegeben. Diese militärische Strategie ist als Mutual Assured Destruction (MAD) bekannt und war auch ein Grund, warum es während des Kalten Krieges zu keiner direkten Konfrontation zwischen den Supermächten USA und UdSSR kam. In diesem Szenario würden Atomwaffen niemals eingesetzt werden müssen, weil niemand es wagen würde, einen Atomstaat anzugreifen.

Doch die Vorstellung, dass der Weltfrieden allein durch Abschreckung – also durch die Angst vor gegenseitiger Zerstörung – gesichert werden kann, halte ich für fragwürdig und instabil. Diese Strategie ist extrem riskant, da sie keinen Raum für Fehler lässt, deren Folgen katastrophal wären. Ich wünsche mir daher einen Frieden, der auf einer anderen Vision basiert: auf das Völkerrecht und auf gegenseitigem Respekt zwischen allen Völkern und Mitgliedern der menschlichen Familie – oder aus christlicher Perspektive: auf Nächstenliebe.

Doch die Vorstellung, dass der Weltfrieden allein durch Abschreckung – also durch die Angst vor gegenseitiger Zerstörung – gesichert werden kann, halte ich für fragwürdig und instabil.

Dass die Schweiz dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beigetreten ist, obwohl sie sich an den vorbereitenden Verhandlungen aktiv beteiligt hat, liegt wohl weniger daran, dass sie viel auf die Abschreckungstheorie gibt. Vielmehr sieht sie den Nutzen des Vertrags für die nukleare Abrüstung als ungewiss an. Ein Beitritt würde keinen konkreten Nutzen bringen und hätte aussen- und sicherheitspolitische Nachteile (siehe Bericht des Bundesrats). Diese Entscheidung ist reines realpolitisches Kalkül: Man möchte seine Verbündeten nicht unnötig verärgern.

Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, Bündnispartner nicht zu verärgern, doch sollte dies nicht gelten, wenn es um so grundlegende Fragen wie die nukleare Abrüstung geht. Es sollte uns egal sein, ob unsere Forderungen auf Zustimmung stossen oder nicht – wir sollten meiner Meinung nach Teil der globalen Bemühungen um ein Atomwaffenverbot sein. Gerade weil die Schweiz eine starke humanitäre Tradition hat, sollte sie hier als Vorbild vorangehen.

Die Entscheidung, dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beizutreten, stellt einen Bruch mit der humanitären Tradition der Schweiz dar und beschädigt unsere Glaubwürdigkeit als humanitäre Akteurin. Diese Tradition ist stark von christlichem Gedankengut geprägt. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Henri Dunant, der Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (1863) und erster Sekretär der Genfer Sektion der Evangelischen Allianz. Dunant, ein tiefgläubiger Christ, war erschüttert vom Leid der Verwundeten nach der Schlacht von Solferino (1859). Seine religiösen Überzeugungen motivierten ihn, sich für humanitäre Hilfe einzusetzen und eine Organisation zu gründen, die in Konflikten neutral und unabhängig agiert, um allen Verwundeten Hilfe zu leisten. Diese Tradition prägt bis heute das humanitäre Engagement der Schweiz und sollte uns – und besonders auch die Christinnen und Christen – weiterhin inspirieren. Ein Beitritt zum Vertrag wäre ein klares Bekenntnis zu unserer humanitären Verantwortung und eine Fortsetzung unseres langjährigen Engagements für nukleare Abrüstung.

Ich fordere mit der Allianz für ein Atomwaffenverbot die Schweiz auf, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden. Denn wer, wenn nicht die Schweiz, sollte für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einstehen?

1. https://www.swissinfo.ch/ger/papst-nennt-atomwaffen-anschlag-auf-menschheit/45388980

Photo: Flickr Commons, Public Domain (Link)

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Drei Viertel der Evangelikalen Christinnen und Christen wählten bei den letzten zwei Präsidentschaftswahlen Donald Trump. Eine Auseinandersetzung damit, warum viele amerikanische Evangelikale den derzeitigen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner unterstützen, obwohl er sich gegen ihre moralischen Werte verhält.

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Am 17. Oktober wird weltweit der Internationale Tag zur Bekämpfung der Armut begangen. Gerade in Zeiten von bewaffneten Konflikten besteht die Gefahr, das Anliegen nachhaltiger Entwicklung und der internationalen Solidarität zugunsten des eigenen Sicherheitsbedürfnisses und der unmittelbaren Nothilfe zurückzustellen. Doch besonders Christinnen und Christen sind aufgerufen, sich in einer Zeit von Unsicherheit und wachsender sozialer Ungleichheit für Gerechtigkeit einzusetzen. Mit dem Projekt «Sonntag für unsere Nächsten» bietet StopArmut eine praktische Grundlage an, sich in Kirchgemeinden mit dem Thema auseinander zu setzen.

Auch in Krisenzeiten Nächstenliebe und nachhaltige Entwicklung wahren
Dass in ungewissen Zeiten das Sicherheitsbedürfnis stärker in den Vordergrund tritt, ist verständlich. So beschäftigt sich das Schweizer Parlament in diesem Jahr intensiv mit der Frage einer Erhöhung des Militärbudgets auf Kosten der internationalen Zusammenarbeit. Dies würde global die ärmsten Länder treffen und ist zutiefst unsolidarisch. Da Sicherheit und Entwicklung eng miteinander verknüpft sind, sollten Armee und Entwicklungszusammenarbeit nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Diese Tendenzen in der Politik widerspiegeln häufig das individuelle Denken: Auch im persönlichen Leben ist es oft nicht leicht, in Krisenzeiten den Nächsten zu priorisieren. Doch gerade Christinnen und Christen sind aufgerufen, sich auch unter erschwerten Bedingungen für die Schwächsten einzusetzen und Nächstenliebe aktiv zu leben. So dürfen wir angesichts einer Welt, in der laut der Weltbank noch immer ca. 700 Millionen Menschen in extremer Armut (mit weniger als $2.15 pro Tag) leben, nicht untätig bleiben.

Der «Sonntag für unsere Nächsten»
Angesichts globaler Krisen fühlen sich viele Menschen hilflos und frustriert. Deswegen ist die Rolle der Gemeinschaft und der Kirche umso wichtiger, denn der Einsatz für unsere Nächsten ist eine vereinte Aufgabe der Glaubensgemeinschaft. Um Kirchgemeinden zu ermutigen, das Thema Armutsbekämpfung stärker in den Fokus zu nehmen, haben StopArmut und Trägerorganisationen zum dritten Mal einen «Sonntag für unsere Nächsten» lanciert. Dafür stehen umfangreiche Materialien zur Verfügung, um in Gottesdiensten und im Alltag eine bewusste Auseinandersetzung zu fördern. Kirchgemeinden, die sich über StopArmut.ch registrieren, erhalten kostenlosen Zugang zu einem Dossier mit Predigtanregungen, Kreativmaterialien und Ideen für konkrete Aktionen.

Ein kleiner Schritt – eine grosse Wirkung
Christinnen und Christen können durch Gebet, Bewusstseinsbildung sowie die finanzielle Unterstützung von Projekten einen Unterschied machen. StopArmut lädt Kirchen im ganzen Land ein, den 17. Oktober zu nutzen, um sich neu für eine gerechtere Welt einzusetzen – im Glauben, in den Kirchgemeinden und darüber hinaus. So können sie gemeinsam zeigen, dass Glaube und Gerechtigkeit untrennbar miteinander verbunden sind.


Kontakte
Katia Aeby
Verantwortliche Kommunikation & Marketing
Tel. 076 330 76 50
katia.aeby@interaction-schweiz.ch

Anja Eschbach
Kampagnenleiterin StopArmut, Projektleiterin Sonntag für unsere Nächsten
Tel. 078 953 34 03
anja.eschbach@stoparmut.ch

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Wie kann ich als Christin oder Christ aktiv werden?

Der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden ist tief in der christlichen Tradition verankert. Doch schauen wir heute um uns und auf die Welt, ist diese von sozialen Konflikten, Armut bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen geprägt. Wie kann ich als Christin oder Christ dazu beitragen, dem Shalom, Gottes grossem Friedensprojekt für uns Menschen, näherzukommen?

Der Prophet Micha rief bereits vor über 2500 Jahren zum sozialen Engagement zugunsten der Gerechtigkeit auf: «Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was Gott von dir erwartet: Gerechtigkeit üben, Gemeinschaftssinn lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.» (Micha 6,8) Diese Worte haben bis heute nichts an ihrer Bedeutung verloren, denn wo wir auch hinschauen, ist unsere Gesellschaften von tiefen Kluften zwischen den Menschen geprägt. Oft spielen dabei Merkmale wie soziale Herkunft, Kultur, Geschlecht, Religion, politische Überzeugung oder Eigentum eine Rolle. Diese Kluften und das Macht- und Profitstreben einzelner Gruppen führen nicht selten zu bewaffneten Konflikten, die mit unbeschreiblichem Leid für Millionen von Menschen verbunden sind. Denken wir zum Beispiel an die Sahelzone, Israel/Palästina, Syrien, die Ukraine, Haiti oder Afghanistan, um nur einige der aktuellen Krisen zu nennen.

Gleiche Chancen für alle

Im christlichen Verständnis hat Gott allen Menschen die gleiche Würde mit auf den Weg gegeben. Daraus leitet sich das Prinzip der Chancengerechtigkeit ab. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beginnt mit folgendem Artikel: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.» (AEMR, 1. Artikel) Die Staaten verpflichten sich dadurch, allen Menschen die gleichen Chancen und Möglichkeitenzu bieten. Und auf individueller Ebene ist uns geboten, unseren Mitmenschen gleichberechtigt und mit Respekt gegenüberzutreten. Jesu Prinzip der Nächstenliebe stellt genauso respektvolle Beziehungen zwischen den Menschen ins Zentrum sowie das sich gegenseitige Unterstützen.

Sich für die «anderen» interessieren

Doch was kann ich als Christin oder Christ konkret gegen Ungerechtigkeit um mich herum und weltweit unternehmen? Gott sieht für jede und jeden von uns eine spezifische Rolle im Leben vor. Indem wir in uns gehen und Gott zu uns sprechen lassen, können wir herausfinden, was diese Aufgabe ist und welche Bedeutung sie für das friedliche Zusammenleben in der Gemeinschaft hat. Wenn ich mich für mein Gegenüber interessiere, hilft mir das, Vorurteile bezüglich jenen, die «anders» sind, abzubauen. Zum Beispiel kann ich mit einer Frau,die aus einem Konfliktgebiet flüchten musste, ins Gespräch kommen und so beginnen, mich mit globaler Gerechtigkeit zu befassen. Indem ich Empathie gegenüber diskriminierten Menschen zeige, beginne ich mich für eine Gesellschaft zu öffnen, in der Respekt und Liebe gelebt werden sollen und in der der Glaube und die Hoffnung nach Shalom unter den Menschen weiter gedeihen können.


Gott sieht für jede und jeden von uns eine spezifische Rolle im Leben vor. Indem wir in uns gehen und Gott zu uns sprechen lassen, können wir herausfinden, was diese Aufgabe ist und welche Bedeutung sie für das friedliche Zusammenleben in der Gemeinschaft hat.


Was haben Krisen in anderen Ländern mit mir zu tun?

Um global einen Beitrag zu leisten, hilft es sicherlich, neugierig zu sein und Menschen aus anderen Kulturen kennenzulernen, sich über das politische Geschehen anderswo zu informieren und sich zu fragen, was Krisen in anderen Ländern mit mir zu tun haben. Denn es reicht nicht, dass es uns persönlich gut geht, wir sollten uns als Christinnen und Christenauch international solidarisch zeigen. Denken wir zum Beispiel an Grosskonzerne, die ihren Sitz in derSchweiz haben und Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden aufgrund ihrer Aktivitäten im Ausland tragen. Die Koalition für Konzernverantwortung, der die Kampagne StopArmut angehört, setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass der Staat solche Konzerne für die Einhaltung der Menschenrechte und den Umweltschutz in die Pflicht nimmt. Die globale Vernetzung ist dabei eine Chance, sich gemeinsam mit anderen zu engagieren und Brücken zu bauen.

Auch ich kann Brückenbauerin oder -bauer sein

In der «Ge-Na Studie» zu Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit (www.glaubeklimahoffnung.net), an der rund 2500 Christinnen und Christen aus der Schweiz und Deutschland mitgemacht haben, stimmten über 90 Prozent der Befragten zu, dass sie der christliche Glaube motiviere, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Dieses Ergebnis ist ermutigend und fordert uns auf, diesen Weg weiterzugehen. Persönlich kann ich als Brückenbauerin oder -bauer für das friedliche Zusammenleben dienen, indem ich respektvolle Beziehungen mit meinen Nächsten pflege und wenn nötig auch für sie einstehe, egal welche Kultur sie haben oder ob sie arm oder reich sind. Der nächste Schritt ist nicht weit entfernt: sich auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene für die Menschenrechte und den Frieden auszusprechen. Denn um dem Shalom als Frucht der Gerechtigkeit näherzukommen, braucht es das gemeinsame Engagement von uns allen.


Dieser Artikel wurde von Katia Aeby, Verantwortliche für Kommunikation & Marketing bei Interaction, verfasst und stammt aus dem ERF Medien Magazin September 2024, dem monatlich erscheinenden Printmagazin von ERF Medien. www.erf-medien.ch

Foto von Azzedine Rouichi auf Unsplash

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Nach der Nomination von Kamala Harris am kürzlichen Parteikongress der US-Demokraten ist die Ausgangslage für die Präsidentschaftswahlen vom kommenden November klar. Für die Demokratische Partei treten die Baptistin Kamala Harris zusammen mit dem Lutheraner Tim Walz als nominiertem Vizepräsidenten an, während Donald Trump, der als «Freund der Christen» bezeichnet wird, zusammen mit seinem katholischen potenziellen Vizepräsidenten James David Vance ins Rennen steigen wird. Für Christen also eine ausgeglichene Auswahlsendung? Höchstens auf den ersten Blick. Es gibt gute Gründe, den frommen Verpackungen nicht zu trauen und nach der mitgelieferten politischen Kultur sowie dem politischen Programm zu fragen. Und gleich auch noch zu prüfen, ob und wie weit der eigene christliche Glaube die persönliche politische Agenda prägt.

Nehmen wir als Ausgangspunkt das verwerfliche Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump am Parteitag der US-Republikaner im vergangenen Juli (Korrektur: der Anschlag fand kurz vor dem Parteitag der US-Republikaner statt. Die ChristNet-Redaktion). Für Trump war die Deutung nach dem ersten Schock klar: Er habe den Anschlag auf sein Leben nur «dank der Gnade des allmächtigen Gottes» überlebt: «In gewisser Weise fühlte ich mich sehr sicher, denn ich hatte Gott auf meiner Seite1

Beten für Donald Trump?

Der Evangelist Franklin Graham sagte am selben Parteitag zum Anschlag gegen Trump, Gott habe dessen Leben verschont und betete für den möglichen zukünftigen Präsidenten. Robert Jeffress, Leiter der «First Baptist» Megachurch in Dallas, soll Gott gedankt haben, dass «er das Leben dieses mutigen Anführers, der ein Krieger für die Wahrheit und Freund der Christen weltweit ist, geschützt hat2 .» Auch Joe Biden erklärte öffentlich, dass er für Donald Trump beten wolle.

Das ging dem US-Theologen William Schweiker dann doch zu weit. Der Dozent für christliche Ethik an der Universität Chicago meinte, es wäre ihm lieber gewesen, wenn Biden alle aufgefordert hätte, sich für Frieden und Einheit einzusetzen, «statt eine höhere Macht anzurufen». Auf die Frage, ob das knappe Überleben Trumps ein Werk Gottes sei, antwortete er: «Kann sein. Ich weiss das nicht.» Schweiker kritisierte in einem Interview mit der «Zeit» Trump dafür, dass er den christlichen Glauben missbrauche, obwohl er weder für seine Frömmigkeit noch als bibelfester Kirchgänger bekannt sei. «Wenn jemand sich als Christ bezeichnet, dann muss es auf der persönlichen Ebene irgendeine Übereinstimmung zwischen seinem Glauben und seinem Tun geben. Aber ich erkenne bei Trump einfach keinerlei Demut3

Wie weit reicht der christliche Glaube?

Ich würde noch einen Schritt weitergehen. Politikerinnen und Politiker, die sich als Christen bezeichnen oder sich auf den christlichen Glauben berufen, müssten ihren Glauben nicht nur im persönlichen Umfeld ein Stück weit unter Beweis stellen, sondern auch bei ihrer politischen Agenda und in ihrer politischen Kultur. Der nominierte Trump-Vize J.D. Vance ist vor 5 Jahren zum Katholizismus konvertiert. Ob allerdings seine Ansichten über Politik und darüber, wie ein optimaler Staat aussehen sollte, wirklich «ziemlich genau mit der katholischen Soziallehre übereinstimmen»4 , wie er behauptet, muss bezweifelt werden.

Die wenigen Republikaner vom «Lincoln Project», die kritisch gegenüber Donald Trump eingestellt sind, nehmen hier kein Blatt vor den Mund. Im weiteren Umfeld des Parteitags der Republikaner zeigten sie in Endlosschleife Clips, welche an Trumps Skandale erinnern. An den Sturm seiner Anhänger auf das Capitol. An seine Verurteilung wegen Betrugs, nachdem er Schweigegeld an einen Pornostar in seinen Geschäftsunterlagen als Anwaltskosten verschleiert hatte. «Er ist kein Christ, er ist kein Anführer», betonten sie. «Lasst euch nicht verarschen.» Und: «Geht wählen, um seinen Lügen ein Ende zu setzen»5 : eine Anti-Empfehlung für Trump.

Wenn das so ist, warum fallen trotzdem so viele, gerade auch ernsthafte Christen auf Trump herein? Erstens weiss Trump, welche Themen er bespielen muss, um bibelnahe Christen für sich zu gewinnen: beispielsweise die Abtreibung und den Patriotismus. Zweitens folgen manche US-Christen einem individuellen Glauben, den sie in der sonntäglichen Anbetung feiern, ohne ihre angestammte politische Agenda im Lichte des Evangeliums zu hinterfragen. Oft ist diese Haltung auch noch kombiniert mit einer Vorliebe zu Persönlichkeiten, die den Leuten predigen, was Sache ist. Bekanntlich lernt man das Hinterfragen oder Überprüfen von präsentierten Fakten nicht unbedingt im Gottesdienst, dazu wären vertiefende Gespräche nötig. Ist diesen gläubigen Christen nicht aufgefallen, dass Trump für eine gehässige politische Kultur steht? Diesen Wermutstropfen sehen sie ihm offensichtlich nach. Schliesslich sind wir alle Sünder.

Abtreibung als Symptomhandlung

Nun, kein ernsthafter Christ kann ein Befürworter des (Un-)Rechts auf Abtreibung sein. Leben muss geschützt werden, auch wenn es erst im Mutterleib heranwächst. Nur gegen die Abtreibung zu sein, genügt aber nicht. Gesellschaftlich muss ein Umfeld geschaffen werden, das Abtreibungen unnötig macht bzw. höchstens noch als ethisches Dilemma6 zulässt.

Den Demokraten müsste gesagt werden, dass das (Un-)Recht auf Abtreibung nur scheinbar ein feministisches Anliegen ist. Es mag zwar Frauen geben, die eine Abtreibung als Mittel zur Familienplanung einsetzen. Das ist aber eine grobe Gedankenlosigkeit, denn dafür gibt es gescheitere Wege. Wer genau hinschaut, wird sehen, dass es in der Regel nicht die Schwangere ist, die abtreiben will, sondern der Mann, dem diese Schwangerschaft ungelegen kommt oder der Mann, der sich bereits aus dem Staub gemacht hat. Oder dann ist es der Druck, der auf heutigen Frauen lastet, möglichst uneingeschränkt der Arbeitswelt zur Verfügung zu stehen.

Mit anderen Worten: Abtreibungen sind in der Regel reine Symptomhandlungen. Dahinter stehen Fragen und Probleme, die angegangen werden müssten, damit eine Abtreibung gar nicht notwendig wird. Dafür bräuchte es aber entsprechende soziale und gesellschaftliche Voraussetzungen, die meist zu einer linken politischen Agenda gehören. Ich habe deshalb in einem früheren Beitrag für eine Zusammenarbeit zwischen rechts- und linksevangelikalen Christen plädiert, um das (Un-)Recht auf Abtreibung glaubwürdig anzugehen7 .

Die Grenzen des Patriotismus

Gott möge Amerika segnen, heisst es in der inoffiziellen Hymne der USA8 . In diesem eindrücklichen Lied werden die schönen Landschaften und die in diesem Land herrschende Freiheit gefeiert. Auch aus christlicher Sicht völlig zurecht, schliesslich wurden die USA stark vom Calvinismus und Pietismus geprägt. Menschenrechte und Demokratie sind der logische Ausdruck eines biblisch-christlichen Menschenbildes. Die USA gelten als die grösste moderne Demokratie der Welt. Gegen die Liebe zu diesen Werten ist nichts auszusetzen.

Wer aber die Bibel etwas genauer liest, wird sehen, dass Gott nicht nur die USA segnen möchte, sondern alle Völker der Erde. Auch sie sollen mit schönen Landschaften, die nicht ausgebeutet, mit Freiheit, Menschenrechten und Demokratie für alle Teile der Bevölkerung gesegnet werden. Schliesslich sind alle Menschen von Gott geschaffen worden. Bei Gott gibt es kein Amerika zuerst. Auch wenn sich jeder Staat selber organisieren, gut für seine Bürgerinnen und Bürger sorgen und ihre Eigeninitiative fördern soll und darf, möchte unser Schöpfer mehr: Er will unseren Blick für das Ganze fördern. Aus seiner Sicht ist die Welt ein Dorf, in dem alle füreinander sorgen sollten sollten.

Diese Sichtweise müsste auch in unsere Migrationspolitik einfliessen, um ein weiteres Steckenpferd von Donald Trump ins Spiel zu bringen. Wie eine ganzheitliche Migrationspolitik aussehen könnte, wurde im Forum in zwei längeren Beiträgen thematisiert9 . Zumindest die Christen müssten die Vorschläge der beiden US-Parteien nach diesen Kriterien messen. An der Grenze Mauern hochzuziehen, das genügt nicht.

Dass viele Menschen sich Sorgen um die Demokratie in den USA machen, hat seine Berechtigung. Im Project 2025 des konservativen Thinktanks Heritage Foundation wird u.a. gezeigt, wie Trump die Macht des Präsidenten markant erweitern könnte. Ein ehemaliger Berater und ein weiterer Verbündeter von Trump haben an diesem Plan mitgearbeitet. Sie gehören zu den Hauptautoren seines neuen Wahlprogramms110 . Ist die Ankündigung Trumps, dass er nach seiner Wiederwahl für einen Tag als Diktator regieren wolle, vielleicht mehr als ein Spass? Kommt es dann zur «sofortigen Massendeportation» der Asylsuchenden, wie das seine Fans beim Parteitag auf Kartonschildern gefordert hatten?

Im US-Wahlkampf wird unterdessen auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. Bisher galt aber: Die Kandidaten respektieren die Verfassung und selbst erbitterte politische Gegner bewahren sich ein Minimum an Anstand. Und bei der Amtseinführung vor dem Capitol gibt man sich die Hand. Zur Amtseinführung von Donald Trump seien sie und ihr Mann im Januar 2017 trotz ihrer Wut erschienen, weil sie die Demokratie und ihre Werte ehren wollte, schrieb Hillary Clinton im Rückblick11 . Dieses Prinzip wurde 2020 von Trump nach seiner Abwahl in Frage gestellt. Kamala Harris kämpft nach den bewährten demokratischen Regeln, Donald Trump ignoriert sie. Den Ausgang der kommenden Wahl dürfte er nur anerkennen, wenn er gewinnt12 . An einer Wahlveranstaltung im März hatte Trump gesagt: «Wenn ich nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad geben13

Trump bewundert starke Männer in undemokratischen Regimes: so Wladimir Putin, Viktor Orban und den Nordkoreaner Kim Jong-un. Schon während seiner Amtszeit sprach er davon, dass er eine dritte und vierte Amtszeit anstreben würde – im Scherz. «Liebäugelt Trump mit einer Verfassungsänderung à la Putin oder Hugo Chavez … um seine Amtszeit zu verlängern14 ? Der Bund-Kommentator Christoph Münger kommt zu Schluss: «Es geht bei diesem Wahlkampf nicht um politische Programme, sondern darum, ein Comeback von Donald Trump im Weissen Haus zu verhindern. Egal, wie man zu Kamala Harris steht, ob man ihre Pläne zur Aussen-, Innen- und Wirtschaftspolitik gutheisst oder nicht – man kann ihr nur viel Glück wünschen im Boxkampf für die Demokratie.»

Die beiden Politologie-Experten Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus bezeichnen in einem Vergleich die «dunkle Persönlichkeit» von populistischen Politikern und benutzen dabei die Kriterien Narzissmus (Selbstverliebtheit), Psychopathie (psychische Störungen) und Machiavellismus (unbedingtes Machtstreben). An der Spitze15 liegen Donald Trump, Aleksandar Vucic (Serbien) und Jean-Luc Mélanchon (Frankreich). Die Probleme gibt es also nicht nur in den USA, sondern auch ganz in unserer Nähe.

Trump ist eine Offenbarung

Nochmals: Wie können Christen dazu kommen, Donald Trump zu wählen? Lassen Sie mich zum Schluss eine provozierende These aufstellen.

Zusammen mit dem Neutestamentler Adolf Pohl bin ich der Meinung, dass der Antichrist nicht (nur) eine bestimmte Person ist, die am Schluss der Endzeit auftauchen und den Weltuntergang herbeiführen wird. Pohl schildert ihn in seiner zweibändigen Auslegung der Offenbarung16 als politische und/oder kirchliche Führerfigur, die antichristliche Züge aufweist und zu unterschiedlichen Zeiten aufgetreten ist bzw. auftreten wird. Als die «Offenbarung des Johannes» in den urchristlichen Gemeinden vorgelesen wurde, war es der römische Kaiser Nero, der sich als Antichrist gebärdete. Wichtig: Das letzte Buch der Bibel wurde damals nicht als Drohkulisse für die Zukunft verstanden, sondern als Trostbuch, das den Sieg der Guten Botschaft über das Böse und den Bösen verhiess.

So sollten auch wir die «Offenbarung» lesen. Und damit rechnen, dass immer wieder Führergestalten auftreten, die Züge des Antichristen verkörpern. Sie werden als Messias-Gestalten gefeiert, verbunden mit der Erwartung, dass sie das Volk vom Bösen erlösen können. In Wirklichkeit aber lügen und betrügen sie, verbreiten Irrlehren, verführen ihre Anhänger und schmieden Koalitionen, um ihre Macht zu steigern. Wer vor diesem Hintergrund das Reden und Handeln des Kandidaten Donald Trump analysiert, müsste eigentlich stutzig werden. Trump hat die Lüge in der grössten Demokratie der Welt zu seinem politischen Werkzeug gemacht.

Integriertes Christsein wäre hier ein guter Schutzfaktor. Nicht nur die evangelikale, auch die liberale Theologie ist verführbar. Wie auch eine charismatische «Theologie», die vor allem auf Gefühlen beruht. Zusammen mit den US-Christen brauchen wir auch heute als Schutzfaktor eine Theologie, die den Glauben konsequent von Jesus Christus, dem einzigen Herrn der Welt und seinem Wort an uns prägen lässt, verknüpft mit einem ganzheitlichen Glauben, der von diesem Zentrum aus alle Bereiche des Lebens umfasst.

Vielleicht wurde Donald Trump beim kürzlichen Anschlag darum von Gott bewahrt, damit wir dies neu lernen können.


1. idea Magazin Nr. 30/31 2024
2. Medienmagazin PRO vom 15.7.24
3. Medienmagazin PRO vom 18.7.24
4. idea Magazin Nr. 30/31 2024
5. Der Bund, 18.7.24
6. Bei einem ethischen Dilemma stehen zwei ethisch fragwürdige Positionen einander gegenüber. Es geht dann darum, die weniger fragwürdige Lösung zu wählen.
7. https://www.insist-consulting.ch/forum-integriertes-christsein/22-8-1-wie-weiter-mit-dem-un-recht-auf-abtreibung.html
8. https://www.youtube.com/watch?v=N-CCBaPxGaY
9. https://www.insist-consulting.ch/forum-integriertes-christsein/23-9-1-die-migration-neu-denken-lernen-teil-1.html / https://www.insist-consulting.ch/forum-integriertes-christsein/23-10-1-die-migration-neu-denken-lernen-teil-2.html
10. Der Bund, 11.7.24
11. Der Bund, 19.8.24
12. Der Bund, 3.8.24
13. Der Bund, 9.8.24
14. Der Bund, 3.8.24
15. Der Bund, 12.8.24
16. «Die Offenbarung des Johannes» der Wuppertaler Studienbibel, 1977, Wuppertal, R. Brockhaus-Verlag


Foto von Clay Banks auf Unsplash

Dieser Artikel erschien zuerst auf INSIST.

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Für Christen ist es klar, dass die staatliche Gemeinschaft das Recht und die Pflicht hat, Steuern zu erheben, um die Aufgaben des Gemeinwesens auf allen Stufen zu finanzieren. Schon Jesus sagte, man müsse Gott das geben, was ihm gehört und dem Staat das, was dieser beansprucht.

In einem demokratischen Rechtsstaat können wir mitbestimmen, was für welche Zwecke eingefordert werden darf. Was also darf neben den Einkommens- und Vermögenssteuern verlangt werden? Die Erbschaftssteuer liegt in der Kompetenz der Kantone. Sie wurde in den meisten Kantonen immer mehr reduziert. Eine Erbschaftssteuer könnte aber viel bringen, wenn sie zu einer nationalen Steuer umgewandelt würde. Erbschaften fallen bei den Erben an, ohne dass diese dafür etwas geleistet haben. Es handelt sich somit für die Erben um arbeitslose Einkommen. Die Erbschaftssteuer sei die gerechteste Steuer. Das sagte unser früherer Finanzminister, Bundesrat Kasper Villiger, den ich in der Finanzkommission des Nationalrates erleben durfte, als der Bund im Jahre 2003 ein Entlastungsprogramm zur Sanierung des Bundeshaushaltes vorlegte.

Ein erster Versuch scheitert

Nachdem dem Gesamt-Bundesrat der Wille fehlte, diese Bundessteuer ernsthaft vorzuschlagen, reichte ich damals im Nationalrat eine parlamentarische Initiative ein. Da auch diese nicht zum Erfolg führte, lancierten EVP, SP und Grüne eine Volksinititative: «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)». Im Zentrum stand die Forderung, dass Nachlässe ab 2 Mio. Franken der Erbschaftssteuer unterstehen. Vom Ertrag wäre ein Drittel an die Kantone gegangen, zwei Drittel an die AHV. Politisch und medial wurden wir mit aller Vehemenz bekämpft. 2015 erfolgte die Ablehnung bei nur 29% Ja-Stimmen. Die Zeit war offensichtlich nicht reif.

Die aktuelle Initiative ist unrealistisch

Gegenwärtig ist die Erbschaftssteuer wieder zum Streitpunkt geworden. Die Jungsozialisten bringen mit ihrer zustande gekommenen Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» einen neuen Vorschlag. Diese fordert die Einführung einer Nachlasssteuer von 50% auf Vermögen über dem Freibetrag von 50 Millionen Franken. Die Erträge wären zugunsten des Klimaschutzes zu verwenden. Erfolgreiche Unternehmer wie Peter Spuhler meldeten engagiert, dass sie aufgrund dieses Begehrens die Schweiz verlassen müssten. Diese Form der Erbschaftssteuer wäre für sie nicht verkraftbar. Einige Betroffene erwähnen, dass sie mit einer tieferen Erbschaftssteuer leben könnten. Bereits haben auch bekannte Mitglieder der SP erklärt, dass sie die Forderung ihrer Jungpartei nicht mittragen können.

Sollte die Volksinitiative angenommen werden, würde sie in der Realität zu einem Flop. Die Reichsten würden unser Land verlassen und das Ziel, im Jahr mehrere Milliarden für Bund und Kantone zu erhalten, würde verfehlt. Die Chancen der JUSO-Initiative dürften nicht gross sein; doch weiss man nie zum Voraus, wie Volk und Stände entscheiden werden.

Politisch stellt sich ernsthaft die Forderung, dieser JUSO-Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen.

Ein nächster Versuch lohnt sich

EVP-Nationalrat Marc Jost (Bern) hat am 18. April 2024 eine parlamentarische Initiative «AHV-Solidaritätsabgabe auf Millionen-Nachlässe» eingereicht. Der Text lautet: «Der Bund erhebt zugunsten der Finanzierung der AHV eine Steuer auf Millionen-Nachlässe von natürlichen Personen. Die Steuer wird von den Kantonen veranlagt und eingezogen. Die Bundesverfassungsartikel 112 und 129b sind entsprechend anzupassen.»

Dieser Vorstoss geht nun in die Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrates. Wenn diese mehrheitlich Handlungsbedarf feststellt, geht der Vorstoss an die WAK des Ständerates. Wenn auch diese dem Handlungsbedarf zustimmt, kann die nationalrätliche Kommission unter Beizug der Bundesverwaltung eine Vorlage vorbereiten. Der Vorstoss ist von Mitgliedern mehrerer Parteien mitunterzeichnet. Man darf gespannt sein, wie es parlamentarisch weitergeht.

Es ist wichtig, eine moderate nationale Erbschaftssteuer anzustreben. Naheliegend wäre als Zweckbestimmung die AHV. Wenn endlich die Heiratsstrafe – Rentnerehepaare erhalten nur 1,5 Altersrenten – abgeschafft oder zumindest gemildert werden könnte, wäre dies eine gesellschaftspolitisch gute Sache.

Wichtig ist: Die Erbschaftssteuer ist wieder auf der Tagesordnung. Da lohnt sich unser Einsatz.


Dieser Artikel erschien zuerst auf INSIST.

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Gott fordert uns auf, uns für die Nächsten und für Gerechtigkeit einzusetzen, was bei strukturellen Ursachen für Elend und Ungerechtigkeit auch ein politisches Engagement erfordert. Die Kirchen nehmen dabei eine wichtige Rolle als Sprachrohr und als ethische Autorität ein.

Die Kirchen sind in den letzten Jahren unter Druck gekommen, wenn sie in politischen Belangen die Stimme erhoben. Sie wagen es kaum noch, sich politisch zu äussern. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese ethische Autorität mundtot gemacht wird, und müssen sie stützen und ermutigen. Daniel Winkler, der sich als Pfarrer in Riggisberg für Flüchtlinge engagiert, unterstrich am 5. Juni 2024 in seiner Kolumne «Maulkörbe helfen nicht aus der Krise» in der Zeitung «Der Bund»: «Es gehört zum Kernauftrag der Kirchen, sich für die Schwächsten einzusetzen.»1

Kirchen haben seit jeher die Rolle, die Stimme zu erheben, wenn die zentralen Werte des Christentums in Gefahr sind. Nach Jesus ist das zentrale Gesetz, an dem alles hängt: Du sollst deinen Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn unsere Nächsten in Gefahr sind oder ihre Rechte gebeugt werden, dann sind wir aufgefordert, Unrecht anzuprangern. Die Kirche, als Organisation der Christen, hat deshalb auch die Pflicht, die Stimme zu erheben. Dies hat sie in der Vergangenheit immer wieder getan, so z. B. wenn das Recht auf Asyl für verfolgte Menschen in Gefahr war, oder wenn Schuldknechtschaft der Länder im Süden Not und Elend zur Folge hatte.

Die Stimme stösst auf Widerstand und wird zurückgedrängt

Die Konzernverantwortungsinitiative hatte ebenfalls das Anliegen, die Rechte und das Wohl von benachteiligten Menschen im Süden zu schützen und ethische Standards einzufordern. Doch betroffenen wirtschaftlichen Kreisen und deren Vertretern – sowie Menschen, die mit der Initiative nicht einverstanden waren – ging dies zu weit, und sie organisierten ein Kesseltreiben gegen die Kirchen mit der Forderung, dass sie sich nicht mehr einmischen sollen. Kirchlichen Hilfswerken wurde daraufhin Entwicklungshilfegeld verweigert, wenn sie nicht nur Hilfsprojekte organisierten, sondern sich auch für Veränderung der strukturellen Ursachen des Elends einsetzen, also politische Forderungen stellten.2 Der Sensibilisierungkampagne StopArmut zum Beispiel wurde daraufhin die Unterstützung durch das DEZA gestrichen. Auch die diesbezügliche Aufklärung in den Schulen wurde fortan verboten. Wer unsere gesellschaftliche Mitverantwortung für Ausbeutung anspricht, wird also zensuriert. Kirchen und Hilfswerke sowie christliche Medien zögern heute, sich noch politisch zu äussern. Sie haben Angst vor der Verminderung der Spendeneinnahmen und praktizieren damit eine Selbstzensur. 2022, in der Folge der Konzernverantwortungsinitiative, wehrte sich die landeskirchliche Gruppierung «Theologische Bewegung für Solidarität und Befreiung»3 mit einem bedenkenswerten Manifest «Gegen das Schweigen der Kirchen»4 gegen diese Entwicklung.

Die ethische Autorität stützen – und im Dialog bleiben

Wir dürfen nicht zulassen, dass die letzte ethische Autorität, die grenzenlose Machtausübung behindert, mundtot gemacht wird. Das ist genau die Voraussage des ersten Beschreibers des Postmodernismus, Jean-François Lyotard, der sagte, wenn keine Wahrheit und keine gemeinsame Ethik mehr akzeptiert werden und alles beliebig wird, dann wird Macht nicht mehr eingeschränkt und bleibt einziges Kriterium für die Entscheidungsfindung.
Die biblischen Forderungen und ethischen Standards sind klar. Wir dürfen nicht erst dann die Stimme erheben, wenn sich alle Christen einig sind. Es ist klar, dass wir auch auf Widerstand unter Christen stossen, wenn es für das Gewissen unangenehm wird oder wenn unser Wohlstand in Frage gestellt wird. Wenn wir aufdecken und Umkehr fordern, wo Mammon vor Gott herrscht, dann müssen wir immer mit heftigen Reaktionen rechnen, zum Teil auch aus christlichen Kreisen. Unsere Aufgabe ist es, im Dialog zu bleiben, Gegenargumenten zuzuhören, Befindlichkeiten zu validieren und wo möglich gemeinsame Visionen zu entwickeln. Wir dürfen uns aber nicht davon abhalten lassen, Leben zu schützen, uns für die Schwächsten einzusetzen und Gerechtigkeit herzustellen – auch in der Politik. Es darf nicht so weit kommen wie in vielen Ländern, wo Christen und Kirchen aus einem Minderheitsreflex heraus, sichvor der «bösen Welt» abschotten und nur noch einen Kampf für ihre eigene Gruppe führen. Dabei werfen sie sich Führern an den Hals, die Hass säen und die Rechte der Nächsten mit Füssen treten.

Stützen wir also die Kirchen und christlichen Medien, die sich für christliche Werte und Nächstenliebe auch politisch äussern.


1. Kirche unter Druck: Maulkörbe helfen nicht aus der Krise | Der Bund

2. https://www.nzz.ch/schweiz/cassis-verschaerft-regeln-fuer-entwicklungshilfe-staatsgelder-duerfen-nicht-in-polit-kampagnen-fliessen-ld.1604901

3. Theologische Bewegung für Solidarität und Befreiung – Kirche?

4. Stimme_der_Kirchen_Manifest_Pierre Buehler_dt_fr


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Am Samstag, 23. November 2024, organisieren ChristNet und A Rocha mit der Theologischen Hochschule HET-Pro in St-Légier VD eine Studientagung rund um die erstaunlich aktuellen Gedanken des französischen Technikkritikers und Theologen Jacques Ellul unter dem Titel «Welche Hoffnung in einer krisengeschüttelten Zeit?».

Auch 30 Jahre nach seinem Tod verhilft Ellul dazu, aus festgefahrenen Denkmustern auszubrechen. Angesichts der Krisen unserer Zeit übernehmen viele Christinnen und Christen unbesehen die vorherrschenden Ideologien wie Konsumismus, Nationalismus, Kapitalismus, Militarismus usw. Doch lösen diese Denk- und Handlungssysteme die Probleme nicht wie erhofft.

An dieser Tagung, die im christlichen Umfeld der Romandie schon jetzt auf grosses Interesse stösst, stellen acht Referenten aus Fachbereichen wie Theologie, Philosophie, Sozial-, Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften das vielfältige Werk von Ellul in Referaten, Workshops sowie einer Podiums- und Publikumsdiskussion vor.

Key-Note-Redner ist Frédéric Rognon, Ethikprofessor an der Universität Strassburg und einer der aktuell profundesten Ellul-Kenner. Er referiert einen der zentralen Begriffe des Werks des visionären Theologen, die «non-puissance» («Nicht-Macht») im Sinne eines Machtverzichts, der es den Gläubigen ermöglicht, hoffnungsfroh in der Welt zu stehen. David Bouillon, Professor an der HET-Pro, wirft mit einer Deutung des Jona-Buches von Ellul ein biblisches Licht auf den Katastrophismus. Jacob Marques Rollison, Theologe und Worker in der Gemeinschaft L’Abri, bespricht, wie die Technik dem Menschen Macht verleiht und ihn zugleich in Verzweiflung stürzt.

Ein visionärer Denker

Der französische Soziologe und Theologe Jacques Ellul (1912–1994) war einer der visionärsten christlichen Denker seiner Zeit, der auch zu unseren heutigen Herausforderungen viel zu sagen hat. Bereits in den 1950er Jahren beschrieb er die Wirkung der Technik auf die Gesellschaft, kritisierte die Logik des «technisierten Systems», das unsere Gesellschaft durchdringt und ganz der Steigerung der Effizienz, der Innovation und des Profits verschrieben ist, dabei aber Umwelt, Mensch und Kultur zerstört. Er kritisierte insbesondere den vorherrschenden Diskurs, der die Technik als Lösung für alle Übel anpreist.

Dagegen formulierte er eine Ethik der Freiheit, die auf eine entsprechende Bibel-Auslegung basiert. Der Begriff «non-puissance» ist für ihn eng mit der christlichen Hoffnung verknüpft, dem Durst nach Gott, der dem Menschen den rechten Platz zuweist.

Mehr zu diesem untypischen christlichen Autor, der im englischsprachigen Raum eine breite Wirkung entfaltet hat, im deutschsprachigen aber weitgehend unbekannt ist, findet sich im angehängten PDF-Dokument «Wer um alles in der Welt ist Jacques Ellul?»

Eine partizipative Tagung

An der Jacques Ellul Tagung, die auf Französisch stattfindet, werden die Teilnehmenden aktiv mitarbeiten. Ein Höhepunkt sind die acht Workshops am Nachmittag, die über eine Stunde dauern und Raum bieten für einen kollektiven Schöpfungsprozess (Co-Kreation). Dabei sollen konkrete Lösungsansätze für die behandelten Problemfelder gesucht werden. Das Ergebnis wird am Podiumsgespräch im Plenum vorgestellt und diskutiert. Die Organisatoren hoffen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer so Ansätze finden, um in unserer krisengeschüttelten Gesellschaft ihren Platz zu finden.

Weitere Informationen und Anmeldung auf der französischsprachigen Website.