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Das ChristNet-Forum vom vergangenen Samstag unter dem Thema «Demokratie – gefährdet oder gefährlich?» zeigte auf, dass erste Anzeichen dieser Staatsform durchaus im Neuen Testament ausgemacht werden können.

Bei der Begrüssung wies ChristNet-Präsident Markus Meury auf die Dringlichkeit des Themas hin. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten viele Staaten ihre demokratischen Strukturen ausgebaut. Heute zeige der Demokratieindex, der von der britischen Zeitschrift The Economist jährlich berechnet wird, in allen Regionen der Welt nach unten. Die Schweizer Demokratie werde zwar wegen ihrer direktdemokratischen Instrumente als vorbildlich wahrgenommen, sei aber ebenfalls vor Angriffen nicht gefeit.

So käme es immer wieder vor, dass sich Parlamente auf Kantons- und Bundesebene weigerten, vom Volk angenommene Initiativen auch wirklich umzusetzen. Ein Beispiel seien die F-35-Jagdflugzeuge, die die Bundesversammlung «wegen der zunehmenden Bedrohung durch Russland» bestellt hat, obwohl eine Initiative dagegen hängig ist.

Jesus trat für «innere Theokratie ein»

Simon Grebasch, evangelisch-reformierter Pfarrer in Münsingen und ehemaliger Präsident der EVP Kanton Freiburg, setzte sich mit den Herrschaftsformen in der Bibel auseinander. Jesus habe keine bestimmte Staatsform unterstützt, sondern das Reich Gottes realisieren wollen mit dem Ethos der Liebe und Gottes guter Geistkraft im Herzen als Zentrum. Das komme einer Art «innerer Theokratie» (griech. Theos, kratos = Gott herrscht) gleich – mit Auswirkungen auf die äussere Lebensführung. Die Herrschaftsform im künftigen Reich Gottes, die auch äusserlich gemeint sei, könne als «demokratische Theokratie» gesehen werden: «Wo der Gott von Jesus Christus regiert, da sind auch Freiheit und Mitbestimmung garantiert. Man liegt also falsch, wenn man sich eine Theokratie bloss autokratisch vorstellt. In der Bibel ist das nicht der Fall», betonte Grebasch. Auch die Jesus-Nachfolge selbst sei ja freiwillig.

Was hat Demokratie mit dem christlichen Glauben zu tun?

Das Miteinander der ersten Christen sei «aussergewöhnlich partizipativ, egalitär und sozial» gewesen. Dabei wäre die «Koinonia» wichtig gewesen – die Gemeinschaft als Teilhabe und Teilnahme. Die kirchliche Selbstbezeichnung «Ekklesia» hätte auf die politische Volksversammlung im alten Griechenland verwiesen. Das Bild vom Leib Christi und das Wirken des Geistes in allen Gliedern – auch in den Frauen, Sklaven und Kindern – sei revolutionär demokratisch gewesen. Auch die Dreieinigkeit Gottes könne als «in der Gottheit selbst inhärentes demokratisches Prinzip verstanden werden», schloss Grebasch seine Überlegungen ab.

Josef (Jo) Lang, ehemaliger Zuger Nationalrat und Verfasser des Buches «Demokratie in der Schweiz», unterstrich die Direkte Demokratie als Stärke der Schweiz. Das Recht, eine Initiative oder ein Referendum zu ergreifen, werde in Zukunft noch wichtiger werden, was auch dasvergangene Jahr eindrücklich aufgezeigt habe.

Konkrete Fragen gegen MAGA-Slogans

Während der US-amerikanische Wahlkampf vom ideologischen Schlagwort «Make America Great Again» (MAGA) geprägt gewesen sei, «ging es bei den letztjährigen Urnengängen in der Schweiz um konkrete Fragen wie Sozial- und Krankenversicherung, Mietrecht oder Klima- und Landschaftsschutz». In der Direkten Demokratie seien Politiker und Politikerinnen gezwungen, Fragen zu konkretisieren, während in den USA ein Vertreter des Grosskapitals mit einem nationalistischen Slogan die Mehrheit der Arbeiterklasse habe hinter sich bringen können.

Lang zeigte anhand der Abstimmungen zur Gleichberechtigung der Juden und zum Frauenstimmrecht auf, dass die Schweiz seit den ersten Volksabstimmungen nach der Gründung des Bundesstaates bis heute dreigeteilt sei in die progressive Romandie, die urbane Deutschschweiz und die ländliche Deutschschweiz und plädierte in diesem Zusammenhang für die Abschaffung des Ständemehrs. Dieses ermögliche es, die die Mehrheiten in der Romandie durch die konservative Innerschweiz auszubremsen, ein Phänomen, das unter anderem zur Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative geführt hat.

Die aktuell grösste Gefahr drohe „der Schweizer Demokratie bei einem Versagen in der Klimafrage“. Der Klimawandel werde nicht nur ein Chaos in der Natur auslösen. Wenn es nicht gelinge, Mehrheiten für klimapoltische Massnahmen zu finden, sehe es düster aus.

Meinungsvielfalt nicht immer gewährleistet

Markus Dütschler, langjähriger Lokalredaktor der Berner Tageszeitung «Der Bund» und heutiger Co-Leiter des Kommunikationsdienstes der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, kritisierte, dass in den aktuelle (Bezahl-)Medien die Meinungsvielfalt nicht immer gewährleistet sei. Eine Befragung von Journalistinnen und Journalisten durch das Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW zeige, dass das Personal auf den Redaktionen nicht sehr divers zusammengesetzt sei. Es sei daher auch kein Wunder, dass gewisse Themen sehr breit und andere überhaupt nicht transportiert würden. So interessierten sich Journalisten oft nicht für religiöse Themen und deren Botschaft, weil die meisten von ihnen einen konfessionslosen Hintergrund hätten. Zudem würden zu gewissen Themen immer wieder die gleichen Experten befragt.

Im Internet hingegen kämen Leute zu Wort, die bislang nicht gehört worden seien, was nicht nur schlecht sei. Durch die neuen Medien könne unter Umständen die „Schweigespirale“ durchbrochen werden, die auf einer Theorie fusst, die in den 70er-Jahren von Elisabeth Noelle-Neumann formuliert wurde: Menschen sind gehemmt, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu bekennen, wenn sie davon ausgehen, dass diese von der vorherrschenden abweicht, was für die Meinungsvielfalt in einer Demokratie eine Gefahr darstellen könne.

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«Wie Geld die Politik und uns selber bestimmt». Unter diesem Thema lud die linksevangelikale Gruppe «ChristNet» am 28. Januar in Bern zu einem Forum ein. Gut 30 Teilnehmende wollten mehr darüber wissen.

Laut dem mennonitischen Theologen Lukas Amstutz gibt es im Alten Testament drei Positionen zum Geld: Reichtum als Segen – etwa bei Abraham –, die weisheitliche Warnung vor den Gefahren und die prophetische Kritik an unrechtmässig erworbenem Reichtum, der zu sozialen Ungerechtigkeiten führe. Die göttliche Reaktion darauf sei der Ausgleich dieser Ungerechtigkeiten. Im Neuen Testament gebe es dann eine breite Kritik an den Reichen. Geld versperre den Weg zu Gott, solange man es für sich behalte. Oder in den Worten des aktuellen Papstes: «Das Geld muss dienen, es darf nicht beherrschen.» Im Spendenverhalten am Opferstock in Markus 12 sieht Amstutz mehr als den Gegensatz zwischen Reichen, die aus ihrem Überfluss geben und einer Witwe, die trotz ihres Mangels alles gibt. Laut der Vorgeschichte gehe es viel mehr um die Ausbeutung dieser Witwe durch die Reichen, welche die Häuser der Witwen leer fressen. Eigentlich müsste die Witwe das Geld erhalten. Schon der Sündenfall sei eine Konsumsünde gewesen: eine Frage habe gereicht, um aus Neugierde Gier zu machen. Die Reichen sollten dafür sorgen, dass die
Armen selber reich werden können.

Die Berner Politologin Laura Brechbühler hat in ihrem Studium den Einfluss des Geldes in der Schweizer Politik durch Lobbying und Politikfinanzierung untersucht. Unterdessen müssten die Parlamentarier bezahlte und unbezahlte Mandate ausweisen, über deren Höhe wisse man aber wenig. Die Mitte werde dabei am meisten umworben. Das Haupt-Lobbying finde aber ausserhalb des Bundeshauses statt. Da es keine staatliche Politikfinanzierung gebe, seien Spenden entscheidend. Bei den rechten Parteien gebe es tendenziell weniger davon, weil dort die Unternehmen mehr investieren. Der genaue Einfluss sei aber unklar. Deshalb müsse es mehr Transparenz geben, wie dies mit dem Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative in den kommenden Parlamentswahlen erstmals geschehen sollte.

Der Baselbieter Nationalrat Eric Nussbaumer erläuterte das Parlamentarier-Shopping: Wer in einer Kommission sitzt, bekommt automatisch Mandate angetragen. Dies ist für ihn «die schlimmste Entwicklung». Nussbaumer wandte sich aber gegen den Eindruck, dass alle politisch Tätigen käuflich seien. Das Milizsystem sei im Kern ein bezahltes Lobbying. Deshalb bleibe die entscheidende Frage «Welche Werte beeinflussen mich?» Lobbyarbeit für die Schwächsten – etwa im Asylbereich – sei in der Regel nicht möglich. Das wirkliche Problem sei deshalb das Geld: «Das Problem mit dem Lobbyismus ist das Ungleichgewicht in der Interessenvertretung. Die verschiedenen Gruppen haben ungleiche Mittel, sich in der Politik Gehör zu verschaffen.» Christen sollten deshalb zu Lobbyisten werden für solche, die keine Lobby haben. Ziel sei die Ausgewogenheit aller politischen Entscheidungen, nachvollziehbar und transparent. Am Schluss zähle das wahre Argument, das – hoffentlich – nicht gekauft sei.

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Die Rückmeldungen nach unserem Aufruf vom Mai sind durchaus positiv, die finanzielle und ideelle Unterstützung ist weiterhin vorhanden.

Darauf hin haben an der Generalversammlung vom 19. Juni haben die anwesenden Mitglieder dem neuen Konzept zugestimmt. Nun suchen wir intensiv nach einer neuen Geschäftsführung. Bitte leitet die Stellenanzeige an potentiell interessierte Personen weiter. Weiter suchen wir mittelfristig auch nach einem neuen Kassier, da Walter ad interim weitermacht, aber bald abgelöst werden möchte. Gleichzeitig nehmen wir bereits erste Arbeiten in Angriff, so die Wieder-Einrichtung eines Twitter-Kontos und die Verbesserung der Adresskartei. Und schliesslich sollen auch wieder mehr Texte auf der Website erscheinen. Die CO2-Abstimmung hat Gelegenheit dazu gegeben. Melde Dich, wenn Du etwas schreiben möchtest!

ChristNet sucht neue Geschäftsführung: Hier die Stellenanzeige

-> Kassier gesucht: Eine interessante und wichtige Aufgabe, ohne die ChristNet und sein Dienst für die Nächstenliebe gar nicht möglich ist. Wär das was für Dich? Oder kennst Du jemanden, der/die interessiert sein könnte?

Neu wieder ChristNetTweets: jetzt hier folgen und auf dem Laufenden bleiben.


Und schliesslich läuft auch politisch was:

-> Und schliesslich läuft auch politisch was.:

1) KOVI: Wir bleiben dran!
In der Ausarbeitung der Verordnungen hat Karin Keller-Sutter den bereits sehr mageren „Gegenvorschlag“ des Bundesrates gegen die Konzernverantwortungsinitiative nun noch massiv verwässert. Unternehmen wir Holcim fallen nicht mehr unter das Gesetz, zudem wurden zahlreiche Schlupflöcher geschaffen, die das Gesetz schon fast obsolet machen. Hier kannst Du Dich an der Vernehmlassung beteiligen und Deine Meinung einbringen:

2) Trotz oder gerade wegen der knapp verlorenen Abstimmung zum CO2-Gesetz muss das Engagement gegen die Klimaerwärmung weitergehen. Denn das Thema ist weiter drängend, es fehlt offenbar noch an der Sensibilisierung. Dafür sind wir da, und die langsame, aber sichere Veränderung der Haltungen wird auch in der Schweiz zu mehr Klimaschutz führen: Hier ein hoffnungsvoller Kommentar.

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Was müssen wir aus unserem Leben weglassen, damit wir wirklich leben? In einem Brainstorming der Arbeitsgruppe «Einfaches Leben» lernen wir kennen, wie jeder von uns auf unterschiedliche Weise auf diese Frage antwortet. Aber in der Vision, die Sehnsucht, die uns antreibt, finden wir uns recht schnell zusammen. Wir möchten sehr gerne Menschen sein, die großzügig Ressourcen teilen. Eigentlich. Wir möchten in dem Wahn nach immer mehr es irgendwann genug sein lassen. Eigentlich. Wir suchen nach Sinn und Fügung in allem was wir tun. Eigentlich. Der Selbst- und Fremdausbeutung radikal ein Ende setzen. Eigentlich.

Ehrlich werden und nach Haltungen suchen

Entlang persönlicher Sensibliliäten und Zugänge zum Thema fasst jeder von uns ein Mandat, an Grundlagen zur Kernfrage zu arbeiten. Abstand bekommen zu toxischem Konsumverhalten etwa. Interviews mit Menschen zu führen, die schon länger mit einfachem Leben unterwegs sind. Konkret darstellen, was es heißen könnte, in Christus genug und die Fülle zu haben. Den Zusammenhang zwischen Aktion und Kontemplation zu klären oder theologische Begründungen zu suchen, warum ein einfaches Leben dem Geist des Evangeliums entspricht.

Erst dann sind sorgfältige Grundlagen gelegt, zu einem schriftlichen Manifest zu kommen, das unserer ChristNet Vision entspricht. Erst dann können wir Gefässe des einfachen Lebens, Modelle einer konkreten Umsetzung vorschlagen.

Wer bei einem nächsten Treffen dabei sein möchte, kann gerne bei der Projektleitung nachfragen: silviagerber@hispeed.ch oder auf info@christnet.ch

Die Arbeitsgruppe sagt DANKE für die gute Moderation durch Silvia Gerber und Gastfreundschaft der Meiers im schönen Haus in Gasel.

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Eine der Aufgaben unseres Netzwerks besteht darin, politische Nachrichten zu verfolgen, die Stimme zu suchen, zu der Gott uns einlädt, ihr Gehör zu verschaffen, indem wir eine entsprechende Verpflichtung in die Tat umsetzen. In diesem Sinne drängt uns die weltweite Krise von Covid-19, in diesem Jahr den Platz der Wächter einzunehmen.

Wir möchten auf diese Fragen aufmerksam bleiben: Wer sind die vergessenen Menschen, in der Schweiz und anderswo, in den gegenwärtigen Umwälzungen und Bedrohungen? In welchen Bereichen tendiert diese Krise dazu, bereits starke Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu verstärken, und welche Entscheidungen können dazu beitragen, dass die Gesundheit und Würde eines jeden Menschen gewahrt bleibt? Aber auch, welche kreativen Ansätze, die das Reich Gottes ausstrahlen, sind am Werk und können uns auch über diese Krise hinaus inspirieren? Wir laden Sie alle ein, mit uns im Gebet zuzuschauen, und warum teilen Sie uns nicht Ihre Eindrücke mit?

Der Beginn des Jahres 2020 war auch eine Gelegenheit, die vorrangigen Themen des Engagements für dieses und vielleicht auch für das nächste Jahr zu definieren:

  • Geld: Während die Bibel viel über unser Verhältnis zum Reichtum spricht und die Schweiz eines der privilegiertesten Länder ist, gibt es zu wenig Raum für ein herausforderndes Wort zu diesem Thema. Der Kontext der Initiative für verantwortungsbewusste multinationale Unternehmen ist eine Gelegenheit, über die spirituellen Wurzeln dieser wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu sprechen: Aus der Angst vor dem Verpassen oder Verlieren herauszukommen, wie das Evangelium uns angesichts dieser Verbundenheit mit dem Reichtum zur Freiheit und damit zum Teilen, zur Gerechtigkeit und zur Solidarität aufruft.
  • Hoffnung angesichts ökologischer und sozialer Krisen: Das Bewusstsein über die Schädigung der Schöpfung kann Wut, Angst oder Verzweiflung hervorrufen. Wie können wir in dieser Krisensituation christliche Hoffnung auf eine Weise bringen und leben, die uns nicht von der Verantwortung entbindet, sondern uns zur Gerechtigkeit führt?
  • Ein einfaches Leben und Gemeinschaft: Ein einfaches Leben, das in gemeinsamer Anerkennung mit anderen gelebt wird, kann viel Freude bringen. In unserer Gesellschaft, die von Einsamkeit, Überkonsum und Spaltung zwischen sozialen Umfeldern geprägt ist, können wir andere, vom Evangelium inspirierte Modelle verkörpern, die konkretes Zeugnis und Hoffnung bringen. Viele Mitglieder von ChristNet leben in verschiedenen Projekten, die die Verbindungen und den Austausch in der Gemeinschaft fördern.

Wenn Sie sich an einem dieser Themen beteiligen möchten, z.B. durch Einreichen einer persönlichen Reflexion, die veröffentlicht werden könnte, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf!