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Armut – für die Bibel zentral

Wenn wir in der Bibel lesen, stellen wir fest, dass die Armut einen äusserst wichtigen Platz einnimmt. Sie stellt ein zentrales Thema, eine eigentliche biblische Realität dar. Die Gesetze Israels betonen ganz besonders die Unterstützung der Armen und Schwachen; die Kranken und die Menschen, die unter schwierigen Lebensumständen und politischen Verhältnissen zu leiden haben. Auch die Propheten beschäftigen sich mit diesen Fragen. Sie verurteilen die Missachtung der Armen und die sozialen Ungerechtigkeiten. Dabei steht die Armenhilfe in direktem Zusammenhang mit dem Glauben:

Bist du dadurch König, dass du in Zedernholzbauten wetteiferst? Hat dein Vater nicht auch gegessen und getrunken und trotzdem Recht und Gerechtigkeit geübt? Ging es ihm damals nicht gut? Er hat dem Elenden und dem Armen zum Recht verholfen. Darum ging es ihm gut. Heisst das nicht mich erkennen? spricht der HERR. Doch deine Augen und dein Herz sind auf nichts gerichtet als auf deinen ungerechten Gewinn und auf das Blut des Unschuldigen, es zu vergiessen, und auf Unterdrückung und Erpressung, sie zu verüben. (Jeremia 22,15-17)

Auch die poetischen Bücher thematisieren die Armut, z.B. bei Hiob, aber auch in den Sprüchen und in den Psalmen, deren Autoren Gott ständig in den Ohren liegen. Während seiner ganzen Geschichte war Israel mit Notlagen konfrontiert: von Abraham bis zum babylonischen Exil und darüber hinaus: Hungersnöte, Sklaverei, Mangel in der Wüste, Plünderungen, Kriege usw. Das Volk wurde unentwegt unterdrückt und erlebte doch gleichzeitig den Segen des Herrn.

Armut – ein umfassendes Konzept

Im Alten Testament gibt es 10 verschiedene Worte für Armut. Sie umschreiben alle Aspekte der Armut. Wirtschaftliche Armut: Hungersnot, Krieg, soziale Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, Schutzlosigkeit desjenigen, der sich nicht gegen die Stärkeren wehren kann. Psychische Armut: Angst, Einsamkeit. Und besonders wichtig: Geistliche Armut: die Angst, von Gott verlassen zu sein, Todesangst, Orientierungslosigkeit.

In gewissen Lagen kann die Armut eine Folge von unangemessenem Verhalten sein. Die Bibel erwähnt Armut als Folge der Faulheit oder als Strafe Gottes. Doch daraus darf nicht geschlossen werden, Armut sei immer ein Fluch. Die Bibel erwähnt Menschen, die von Gott geliebt sind und den Glauben haben, und die doch in Armut leben. Denken wir an Hiob und den Psalmisten, die ja genau wegen ihrem Glauben leiden (z.B. Psalm 73).

Doch Reichtum kann auch ein Segen sein. Die Bibel verachtet materiellen Besitz nicht, im Gegenteil: oft stellt er ein Zeichen der Liebe Gottes dar. Doch muss uns dabei bewusst bleiben, dass das Urteil gegenüber ungerechtem Reichtum extrem hart ist und dass die Gefahr, wegen dem Wohlstand korrupt zu werden, durchaus real ist (s. z.B. Salomo).

Auch das Neue Testament spricht von Armut. Wir denken an die erste Seligpreisung Jesu: „Glückselig ihr Armen“ (Lukas 6,20) und Matthäus fügt an: „Glückselig die Armen im Geist“ (Mat. 5,3). Diese zwei Versionen zeigen uns deutlich, dass es keine künstliche Trennung zwischen wirtschaftlicher und geistlicher Armut gibt. Aber „Glücklich ihr Armen“, das steht so diametral im Widerspruch zu unserer Denkweise! Dabei sollen hier nicht die Armen idealisiert werden. Der Arme ist glückselig, weil er unfähig ist, sich selber zu retten. Die Lage, in der er sich befindet, ist förderlich dafür, zu entdecken, auf welche Weise und wie sehr Gott auf seine Bedürfnisse eingehen wird.

Gott kämpft für die Schwachen

Die Armut ist ein Leiden, und der Gott der Bibel will nicht, dass Seine Schöpfung leidet. Er bleibt nicht unbeteiligt und distanziert in seinem fernen Himmel. Nein, Gott ist ein Gott, der sich hingibt und die Bedürftigkeit nicht will. Er beteiligt sich am Kampf und bezieht für uns Stellung. Den Gründertext für diese Realität finden wir in der Geschichte vom brennenden Busch (2. Mose 3). Der Herr sagt: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes in Ägypten… ja, ich kenne seine Schmerzen. Darum bin ich herabgekommen…“ (V.7+8).

Ein anderes Beispiel ist Abraham, der reich, ruhig und zufrieden in seinem Land lebte und der in die Wüste aufbrechen und seine falsche Sicherheit verlassen musste, um den wahren Reichtum zu kennen, der sich in Gott findet.

Oder auch das Passahfest, das Jesus mit seinen Jüngern feiert. Er, Gott, der auf die Erde gekommen ist, der sich hingegeben hat, der gedemütigt wurde, er ist in Knechtsgestalt gekommen und wurde gehorsam bis zum Tod (Phil. 2,8). Während Gott sich auf die Seite der Schwächsten stellt, kämpft er doch nicht alleine. Er führt den Kampf mit seinem Volk, sei es Israel oder die Gemeinde. Er lehnt die Schicksalsgläubigkeit ab. Jesus sagt dazu, dass wir ja allezeit Arme bei uns haben und dass wir, wenn wir wollen, ihnen Gutes tun können! (Markus 14,7)

Die Armut bekämpfen

Der Kampf gegen die Armut muss gleichzeitig auf zwei Ebenen geführt werden:

Karitative Ebene: Nächstenliebe und Barmherzigkeit widerspiegeln die Person Gottes. Sie geben sich selbst hin und erwarten nichts zurück. Diese Haltung kann in zahlreichen biblischen Geboten gefunden werden. Damit wird die Gewinnmaximierung abgelehnt.

Die soziale und politische Ebene: Hier geht es darum, der Verarmung des Volkes vorzubeugen. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen: die Korruption bekämpfen, gerechte Gesetze erlassen, die Besitzanhäufung verhindern und dazu z.B. das Sabbatjahr einführen (s. 2. Mose 21,2).

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, besonders auf eine biblische Begebenheit hinzuweisen, die oft unbeachtet bleibt. (1. Könige 21) Der König Ahab begehrt den Weinberg des Bürgers Nabot. Dieser will ihn aber nicht abtreten. Auf Anraten seiner Frau Isebel lässt Ahab Nabot aufgrund falscher Zeugenaussagen zum Tode verurteilen und eignet sich den Weinberg an. Diese Ausübung des Rechts des Stärkeren wird von Gott extrem hart verdammt. Das ist wegweisend und wird denn auch von Jesus aufgenommen, wenn er zu seinen Jüngern sagt: „Unter euch wird es nicht so sein; sondern wenn jemand unter euch gross werden will, wird er euer Diener sein.“ (Matt. 20,26)

Unsere Motivation

Gott gibt uns zwei Motive, um unser Verhalten zu ändern:

Die Erinnerung: Während seiner gesamten Geschichte mit den Menschen hat Gott Feste eingeführt, damit sich die Menschen erinnern können, wie z.B. das Passahfest, das an die Leiden in Ägypten erinnert, oder die Sabbatruhe, die an die Sklaverei erinnert. Die Botschaft lautet: „Erinnere dich, dass auch wenn du heute nicht in Armut lebst, du doch zu tiefst arm bist.“ Wir sind berufen, Gott ähnlich zu werden: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (1. Petrus 1,16) Gott ist barmherzig, darum wollen auch wir barmherzig sein. Jesus hat sich selbst bis zur Armut entäussert, darum wollen auch wir arm sein.

Die Hoffnung: Nach Jahrhunderten der Gesetze und Propheten, muss Israel sein Versagen eingestehen. Dieses Versagen lässt die Erwartung von etwas anderem aufkeimen und schafft Raum für die Hoffnung. In diese Situation hinein erscheint Jesus, der lange erhoffte Messias. Seine ersten Worte in der Synagoge von Nazareth bestätigen diese Hoffnung: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen.“ (Lukas 4,18) Von da an wird die Gemeinde zum sichtbaren Zeichen für diese künftige Welt. In der Apostelgeschichte lesen wir, wie sehr sich die Gemeinde um die Armen kümmerte, sodass es schliesslich keine Armen unter ihnen gab. (Apg. 4,34)

Christus, der sich für uns arm gemacht hat, ist die Quelle. Von ihm fliesst der Strom aus der Gemeinde heraus hin zu einer bedürftigen Welt. In den Briefen, und besonders bei Paulus, fällt dem Zehnten und den Gaben zur Unterstützung der Armen besonderes Gewicht zu. Paulus erinnert uns daran, dass es sich dabei um eine Partnerschaft handelt, die sich auf beide Seiten auswirkt.

Die Bibel hat zwei Begriffe, um die Gerechtigkeit zu bezeichnen: einerseits die Gerechtigkeit, die wir vor Gott haben und die uns letztlich von Gott verleiht wird; andererseits das Recht, bei dem zwischen den Menschen eine „rechte“ Beziehung besteht. Die christliche Ethik entspringt letztlich unserem Glauben, und auf dieser Grundlage führt uns unser Gewissen zu Recht und Gerechtigkeit.

 

Literatur

Jacques Blandenier, Les pauvres avec nous – La lutte contre la pauvreté selon la Bible et dans l’histoire de l’Eglise. Dossier Vivre n°26. Je sème. Genève 2006.

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ChristNet stellt sieben sich logisch folgende Thesen zur Problematik des Geldes in der Schweiz auf. Analyse der heutigen gesellschaftlichen Strömungen, Folgen daraus und Alternativen zu einer nicht mehr vom Geld beherrschten Schweiz!

 

These 1: Sowohl Christen wie Nichtchristen lassen sich mehr und mehr von der Angstkultur anstecken

Wir stellen vor allem in der westlichen Welt einen Wandel hin zu einer Angst- und Misstrauenskultur fest: Angst vor dem Verlust der eigenen Güter und der materiellen Sicherheit, sowie Angst vor dem unbekannten Nächsten. Wachsender Wohlstand hat die Angst vor dem Verlust unserer Güter verstärkt. Das wirtschaftliche Wettbewerbsdenken nimmt Überhand in den privaten Bereichen und sorgt dafür, dass der Nächste mehr und mehr als Konkurrent gesehen wird. Und der zunehmende Individualismus hat uns aus sozialen Zusammenhängen herausgerissen, wo wir früher Geborgenheit erfahren konnten. Die Angst um das eigene Wohl haben die Sorge um das Wohl des Nächsten gedämpft. Wir bringen dies mit der Aussage Jesu zusammen, die Liebe werde bei vielen erkalten (Mat. 24,12). Gerade in der Schweiz sind wir stark von der Angstkultur geprägt, wie wir an der besonders hohen Anzahl Versicherungsabschlüsse pro Einwohner sehen.

These 2: Desolidarisierung: Wir haben ein Problem mit dem Teilen, weil wir Angst um das eigene Wohl haben und weil wir mit immer höhere Folgekosten aus unserer Art des Wirtschaftens konfrontiert sind.

Aus Angst um das eigene Wohl und aus dem Misstrauen gegenüber dem Nächsten erwächst eine Desolidarisierung. „Freiheit“ steht als Konzept hoch im Kurs, da wir nach Freiheit vor aller Art Verpflichtung gegenüber dem Nächsten suchen.

Wir sind nicht bereit, die wachsenden Schäden aus unserer Art des Wirtschaftens zu bezahlen: Obwohl für schwächere Menschen keine Arbeitsplätze mehr angeboten werden, und sie zu Sozialfällen werden, haben wir die Tendenz, ihnen die alleinige Schuld für ihre Situation zuzuschreiben oder wir nennen sie „Profiteure des Sozialsystems“. Wir schenken deshalb den Theorien, die besagen, dass „jeder selber alles erreichen kann, wenn er sich nur anstrengt“, gerne Glauben. Christen sind gegen diese kulturellen Strömungen nicht immun, weshalb das Wohlstandsevangelium und der Compassionate Conservativism uns attraktiv erscheinen.

These 3: Weil wir nicht teilen können, sind wir zum Wachstum verdammt

Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt, es ist eigentlich genug für alle da, wir haben alles, was wir brauchen. Trotzdem streben wir hartnäckig stärkeres Wachstum des BIP, also des Reichtums an (und opfern zahlreiche christliche Werte dafür), obwohl die Bibel sagt, wir sollen uns keine Reichtümer anhäufen (Jakobus 5). Dies gilt nicht nur für das persönliche Leben, sondern auch für ganze Nationen, denn wir sehen in der Folge, wohin das führt.

Wofür also Wachstum? Wir sagen, es brauche es Wachstum, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen. Haben wir uns ein System geschaffen, wo nur dann jeder Arbeit hat, wenn das BIP wächst? Sind wir ansonsten unfähig, jedem Menschen eine sinnvolle Arbeit zu verschaffen? Wir sagen auch, es brauche Wachstum, um unsere Altersvorsorge zu finanzieren. Aber könnten wir dies mit einem verbesserten Teilen nicht auch anders organisieren? Drittens, sagt der Bundesrat, brauche es Wachstum, damit es weniger Verteilkämpfe gäbe. Sind wir nur fähig, vom Überfluss zu verteilen? Bringen wir es nicht fertig, dass jeder vom Erschaffenen genug für seine Anstrengungen erhält? Diese Probleme wären unseres Erachtens mit Gemeinsinn und einen Sinn fürs Teilen anders lösbar. Da wir hierzu noch nicht bereit sind, ist auch die Schweiz „zum Wachstum verdammt“. Zudem glauben wir auch im persönlichen Leben immer noch daran, dass mehr Reichtum glücklicher macht.

Immer-mehr-Konsum ist wirtschaftspolitisch deshalb sehr willkommen und wird gefördert. Der Konsumismus wird zum ideologischen Zwang für die Gesellschaft, obwohl wir eigentlich schon alles haben. Wie kann die Volkswirtschaft trotz gesellschaftlichem Überfluss noch wachsen? Der Suche nach Wachstumsmöglichkeiten werden zwangsläufig auch Werte und Ideale geopfert.

These 4: Wir klammern uns selbst an unrechte Güter

Die Schweiz war nur unter massivem Druck des Auslandes dazu bereit, die nachrichtenlosen Vermögen von Juden zurückzugeben. Heute klammern wir uns an das Bankgeheimnis, auch wenn wir wissen, dass der grösste Teil der ca. 2,5 Billionen Franken Vermögen aus dem Ausland auf Schweizer Konten den Steuern hinterzogen wurden. Wir behelfen uns immer noch mit Rechtfertigungen und Ablehung unserer Verantwortung, obwohl das Bankgeheimnis 1934 gerade zum Anziehen von Steuerfluchtgeldern gesetzlich verankert wurde.

Hierzu fällt uns Micha 6.9-11 auf: „Höret Ihr Stämme und ihr Ratsleute! Noch immer bleibt unrecht Gut in des gottlosen Haus und das verfluchte falsche Mass. Oder sollte ich unrechte Waage und falsche Gewichte im Beutel billigen?“

These 5: „Mammon“ hat Macht in der Schweiz und beherrscht unser Denken und unsere Politik

 

„Niemand kann gleichzeitig zwei Herren dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des andern nicht kümmern können. Genauso wenig könnt ihr zur selben Zeit für Gott und das Geld leben.“ (Matth.6,24) Uns scheint, dass das Wirtschaftlichkeitsdenken und die Sorge um unsere Güter zu stark gewichtet werden gegenüber Gott und der Nächstentenliebe. Unsere Werte werden deshalb mehr und mehr vom „Mammon“ bestimmt. Hierfür scheint die Schweiz auch zahlreiche christliche Werte wie Familien, Sonntag, Barmherzigkeit gegenüber den Schwachen, Gerechtigkeit und Moral zu opfern. Wir müssen uns tatsächlich entscheiden. Kehren wir als ganzes Land um, reinigen wir unsere Leben, unsere Politik, unsere Wirtschaft und unsere Banken. „Denn eine Wurzel allen Übels ist die Geldliebe“, (1. Timotheus 6.10), und es scheint, als ob wir die Folgen davon heute zu spüren bekommen. Hingegen verspricht uns Gott, für uns zu sorgen, wenn wir in Gerechtigkeit wandeln und ihn anbeten (und nicht den Mammon). Wir brauchen also keine Angst vor Verlust von Reichtum oder Arbeitsplätzen zu haben, wenn wir die nötigen Schritte gehen und uns vor ungerechtem Mammon trennen. Gottes Vorsorge und Friede wird uns tragen.

These 6: De Alternative: Vertrauen in Gott und eine Politik der Barmherzigkeit mit den Schwächsten

Jesus hat uns neben der Errettung durch den Glauben radikale Nächstenliebe gepredigt und uns angewiesen, in unserem ganzen Handeln das Wohl des Nächsten (und damit das Allgemeinwohl) ins Zentrum zu stellen. Wir wollen diese Nächstenliebe, diese Agape, wieder neu erwecken, d.h. dazu aufrufen und beitragen, dass die Welt von der Liebe Jesu geprägt wird. Dadurch soll Gott in unserer Gesellschaft sichtbar werden. Dies beginnt mit der Christenheit, die neu für das Wohl des Nächsten sensibilisiert wird und dadurch ein kraftvoller Multiplikator von Gottes Liebe wird. Oft wird vergessen, dass die Nächstenliebe nicht nur den persönlichen Bereich prägen soll, sondern dass wir genauso auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene Nächstenliebe üben müssen. Insbesondere die schwächsten Glieder der Gesellschaft scheinen uns heute gefährdet, da sie keine Macht und kaum eine Lobby haben. Doch schon Jesus predigt uns den Schutz der Schwächsten, indem er sich ganz mit ihnen identifiziert: „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; […] ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt; […] ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matt. 25,35-36)

Hierzu brauchen wir aber die Pflege eines Gottvertrauens, das in unserem eigenen Leben anfängt, dass Er uns versorgen wird, wenn wir gerecht handeln.

These 7: Wir brauchen eine neue biblische Barmherzigkeit

Das Thema Solidarität nimmt in der Bibel einen breiten Raum ein. Zentral ist der Begriff der Armen, der einerseits für die materielle Armut und Unterdrückung (auch „Elende, Geringe“, etc.) gebraucht wird, aber auch für geistlich Arme, das heisst Demütige. Die Stellen, wo Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird, sind rar. Sie finden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im Neuen Testament, wer nicht arbeiten WOLLE, auch nicht essen solle. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel, oft in Verbindung mit sozialer Benachteiligung beschrieben. Natürlich kann man deshalb noch nicht behaupten, die Armen seien heute generell unschuldig an ihrer Situation, aber wir müssen bereit sein, genauer hinzuschauen. Deshalb ist das Alte wie das Neue Testament voll von Aufrufen, die Armen zu schützen (physisch und rechtlich), mit ihnen zu teilen und Gerechtigkeit herzustellen. Wir sollten auch nicht im Glauben hängen bleiben, dass wir unseren Wohlstand ja selber erschaffen hätten und wir deshalb nichts zu teilen bräuchten. Denn erstens ist unsere Leistungsfähigkeit auch Gottes Gnade, und alles was wir haben, kommt von Gott. So sind wir gehalten, nach seinem Willen mit dem Erhaltenen umzugehen. Zweitens hat jeder Mensch unterschiedliche Gaben, die auch unterschiedlich in Lohn umsetzbar sind. Deshalb sollten wir allen Menschen ein würdiges Leben ermöglichen. Gewisse Umverteilung ist deshalb bereits im alten Testament vorgesehen. Der Nächste, das ist spätestens heute auch der Arme in anderen Teilen der Welt. Wir sind gehalten, uns auch ihnen zu widmen.

Wir sind überzeugt, dass die Schweiz geistlich gesehen Gott und seinem Segen den Rücken kehrt, wenn sie ihren Wohlstand nicht mit den Armen teilt.

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Ihr macht jemandem ein Geschenk und diese Person nimmt das Geschenk und in kürzester Zeit ist es kaputt, weil sie Dinge damit gemacht hat, für die das Geschenk nicht gedacht war. Wie fühlt ihr? So oder ähnlich wird sich Gott fühlen, wenn er daran denkt, wozu er uns seine Schöpfung anvertraut hat.

Textlesung

„Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie [euch] untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!“ 1. Mose 1,28

„Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren.“ 1. Mose 2,15

Einleitung

Gott hat aus dem Nichts, aus dem Chaos eine herrliche Schöpfung bereitet und uns Menschen dadurch einen Lebensraum gegeben, indem wir uns entfalten können. Gleichzeitig hat er uns als Abbild seiner Herrlichkeit in diese Schöpfung gestellt und sie unserer Fürsorge anvertraut. Doch was haben wir daraus gemacht? Es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, dass wir am Rande des ökologischen Zusammenbruchs sind. Der Lebensraum, den Gott uns anvertraut hat wird uns zum Todesbereich, und wir Christen können uns davor nicht verschliessen wenn uns wirklich ernst damit ist, dass diese Schöpfung Gottes Werk ist.

In einem ersten Schritt wollen wir einmal ganz offen der Krise unserer Umwelt in die Augen schauen und dann sehen, worin unser Auftrag als Christen besteht.

1. Die Krise

Wir wollen zuerst zusammentragen, wodurch Gottes Schöpfung gegenwärtig bedroht wird:

  • Abgase (Brenn- und Treibstoffe) – Ozonloch
  • Raubbau der Rohstoffe
  • Atom und Atommüll
  • Müllberge
  • Giftstoffe in Wasser, Land und Luft
  • Chemie und ihre Abfälle
  • Abholzung des Regenwaldes
  • Aussterben vieler Tierarten täglich
  • Überfischung der Meere
  • Gemästete Tiere mit Antibiotika machen Bakterien resistent
  • Zunehmende Erkrankungen der Atemwege; Krebs und andere Zivilisationskrankheiten

Der Lebensraum, den Gott uns geschaffen hat ist weltweit aus dem Gleichgewicht gefallen und die grösste Gefahr dieser Krise ist, dass wir immun davor werden und gar nicht mehr auf die Probleme reagieren.

Wenn wir uns einmal überlegen, woher all diese Probleme kommen, dann sind wir ganz schnell bei einem der Hauptprobleme: die Menschen wollten mit begrenzten Möglichkeiten unbegrenzte Ansprüche stillen: immer schneller, immer mehr, immer besser. Zudem haben die Menschen die Erde nach den Wertvorstellungen menschlicher Machtentfaltung verwaltet und nicht nach den Massstäben göttlicher Gerechtigkeit. Da sind wir uns selber ins offene Messer gelaufen; oder anders ausgedrückt: mit unserem Wunsch nach unbegrenzten Möglichkeiten sägen wir den Ast ab, auf dem wir selber sitzen. Anstatt in fürsorglicher Art und Weise dieser Schöpfung zu dienen, haben wir uns die Schöpfung dienlich gemacht, und dadurch ist sie aus dem Gleichgewicht gefallen. Wir wollen nur noch Grenzen sprengen und überwinden anstatt in Grenzen zu leben. Fortschritt ist halt nicht alles – es gibt auch noch das Gleichgewicht.

Die Aussage des Paulus in Röm. 8,19-23 stimmen heute mehr denn je: die ganze Schöpfung ist in Mitleidenschaft gezogen worden und wartet unter Seufzen auf ihre Erlösung.

Als Christen müssen wir lernen, dass wenn wir von der Sünde der Menschen sprechen, wir nicht nur von Scheidung, Abtreibung, Alkohol oder was weiss ich was reden, sondern von der Ausbeutung der Schöpfung Gottes, von Umweltsünden und vom Glauben, dass es für den Fortschritt keine Grenzen gäbe. Umweltsünden sind auch Sünden an Gott und an unseren Mitmenschen, genau wie Abtreibung, Rassissmus, Pornographie und jede Form von Gottlosigkeit. Im Bereiche der Umweltsünden wird das Werk Gottes täglich mit Füssen getreten, und wir können es uns als Gemeinde nicht leisten, uns auf einige Spezialthemen zu begrenzen und diesen Bereich einfach den anderen zu überlassen. Schliesslich ist die Fürsorge der Schöpfung der erste Auftrag des Menschen gewesen und entspricht sozusagen seinem Urauftrag. Natürlich wissen wir, woher diese Probleme kommen, und gerade deshalb haben wir einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Wenn für die Gemeinde der Umgang mit der Schöpfung Gottes kein Thema ist, nur weil es von den Grünen besetzt ist, ist das eher ein Armutszeichen als ein Zeichen von Geistlichkeit.

Das führt uns nun zu unserem Auftrag in der Schöpfung

2. Unser Auftrag

Unser Auftrag ist kurz umrissen die Erhaltung und Entfaltung der Schöpfung Gottes, also des Raumes, den er uns gegeben hat. Nun können wir weder Busch noch irgend eine Regierung dazu bewegen, den CO2 Ausstoss zu reduzieren, wir können die Chemiekonzerne nicht dazu anhalten, ihr Umwelt belastendes Material in Wasser, Luft und Erde abzustossen und wir werden Schlachtgrossbetriebe kaum davor abhalten, ihre Tiere mit Antibiotika zu füttern, damit sie in noch kürzerer Zeit noch mehr Fleisch hergeben. Ich weiss auch nicht, ob ich bereit bin auf das Auto zu verzichten, nur noch beim Bauern einzukaufen und den Müllberg zu verringern. Obwohl das alles sehr erstrebenswert wäre und eventuell der einzige Weg ist, uns vor der Katastrophe zu bewahren.

Ich glaube, einer unserer ersten Beiträge den Auftrag an der Schöpfung Gottes wahrzunehmen ist neu zu lernen mit Grenzen zu leben und diese als Schutz und als Hilfe und nicht als Einengung zu sehen. Die Masslosigkeit und die Grenzenlosigkeit unserer Zeit führt buchstäblich zu einer masslosen und grenzenlosen Katastrophe und unsere Bereitschaft Mass zu halten, Grenzen zu akzeptieren rührt an das Grundproblem. In Bezug auf die Schöpfung heisst es in der Bibel immer wieder, dass Gott Grenzen gesetzt hat; dem Wasser, dem Land und allem auf dieser Erde. Grenzen sind nicht einfach eine Herausforderung um einen Weg zu suchen, um diese zu sprengen, sondern eine Linie, die Gott uns gegeben hat, damit sie nicht übertreten wird.

Weiter glaube ich, dass wir als Gemeinde unsere Stimme in Sachen Umwelt genauso erheben müssen wie gegen die Abtreibung oder gegen Rassismus. Gott hat uns die Natur, die seine Schöpfung ist, nicht einfach dazu gegeben, dass einige daraus möglichst viel Gewinn und Kapital schlagen, sondern dass sie in einem Gleichgewicht bestehen kann, so dass alle sich darin entfalten können. Wenn wir zu diesen Themen schweigen haben wir praktisch Gott als dem Schöpfer dieser Welt abgesagt, auch wenn wir noch so vehement dafür eintreten mögen, dass Gott diese Welt in buchstäblichen sieben Tagen geschaffen hat. Wenn wir uns nicht zum Umgang mit der Schöpfung äussern, spielt es auch keine Rolle mehr, wer und in welcher Zeit sie geschaffen wurde.

Und letztlich wird es auch immer eine Frage des Lebensstils sein. Wir werden nicht umhin kommen, uns immer wieder kritisch zu hinterfragen. Vielleicht ist der Preis für teurere, umweltverträglichere Produkte langfristig der kleinere Preis, denn der Preis für umweltschädliche Billigprodukte könnte der Zusammenbruch und der Tod sein. Auch hier sollten wir nicht schlauer als Gott sein wollen.

Schluss

Wie wir das im einzelnen ausleben können, welche Möglichkeiten und Aufgaben wir hier im Konkreten haben, darüber müssen wir uns in den Hauskreisen weiter austauschen. Eines aber ist sicher: Gott hat seine Schöpfung unserer Fürsorge anvertraut; sie gehört auch zu jenen uns anvertrauten Pfunden, mit denen wir schaffen sollen. Dies einfach einigen Spezialisten zu überlassen ist eine sträfliche Vernachlässigung unseres Auftrags.

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Arbeitstexte der Wirtschaftsgruppe von ChristNet (2002-2005)

Globalisierung_christliche_Sicht

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„Du sollst den Fremden nicht misshandeln und ihn nicht unterdrücken. “ (Exodus 22:21)

Mehr als 100 Mal befiehlt das Alte Testament, Fremde zu schützen. Die wiederkehrende Formel „der Fremde, die Witwe und die Waise“ zeigt, dass für Gott die Fremden zu den Schutzbedürftigen gehören. Der Grund für diesen Schutz wird nach der oben erwähnten Stelle deutlich erklärt: „Denn ihr wart Fremdlinge im Land Ägypten. „Jakob war mit seinen Söhnen als Wirtschaftsmigrant in Ägypten, da im Land Kanaan eine Hungersnot herrschte (vgl. Genesis 42ff.).

Der alttestamentliche Grund für die Aufnahme des Fremden ist also die Identifikation mit dem Leiden der Israeliten.

Was sagt Jesus und das NT?

Wir sehen, dass sich Gottes Haltung gegenüber dem Fremden im Neuen Testament noch deutlicher widerspiegelt: Nachdem der Mensch sich von Gott entfernt hat, ist es Gott, der als Fremder in Jesus inkarniert zu seiner Schöpfung kommt: „[Er] kam zu den Seinen, und die Seinen nahmen ihn nicht auf“. “ (Johannes 1:11)

Das ganze Leben Jesu zeigt, dass er ein Fremder ist; nicht nur, dass er das Haus seines himmlischen Vaters verlässt und in einem stinkenden Schafstall geboren wird, sondern er muss gleich nach seiner Geburt nach Ägypten fliehen; er wird als uneheliches Kind betrachtet; in seinem Dienst wird er ständig als Ketzer behandelt; seine engsten Freunde verstehen ihn nicht und verlassen ihn; und schließlich wird er getötet. All dies drückt aus, wie fremd er in diesem Land war.

Der Ruf der Christen

Jesus ruft seine Jünger auf, Fremde zu sein wie er: Wie er sind sie in der Welt, aber nicht von der Welt (vgl. Joh 17,11.14).  (Johannes 17:11.14) Der Hebräerbrief veranschaulicht diese Realität sehr deutlich: „[Die Helden des Glaubens erkannten], dass sie Fremde und Reisende auf der Erde waren. “ (Hebräer 11,13) Deshalb sind wir Schweizer Christen Fremde in der Schweiz. Sollte uns das nicht für die Not der Ausländer sensibilisieren, eine Art Komplizenschaft?

Das bedeutet nicht, dass Ausländer Heilige sind. Sie sind Menschen wie wir, weder besser noch schlechter. Leider neigen wir dazu, sie als Feinde zu sehen und nicht als Menschen, die wie wir sind. Doch wir vergessen, dass wir nur dann Erben des Reiches des Vaters sein werden, wenn wir Jesus „aufnehmen“, wenn er ein Fremder ist. (Matthäus 25:35)

Im Angesicht unserer Angst

Unsere Reaktion auf Ausländer basiert oft auf Angst: die Angst vor „Überfremdung“, die Angst, dass die Ausländer uns die Arbeitsplätze wegnehmen, dass die Qualität der Bildung unserer Kinder sinkt, dass christliche Werte aufgegeben werden.

Jesus ist sehr klar: Wenn wir Gott gehorchen wollen, müssen wir ihn und unseren Nächsten lieben (vgl. Matthäus 22,37-39). Es ist die Liebe, die es uns ermöglicht, die Angst vor dem Fremden zu überwinden, denn „die Angst ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Angst“. (1Joh 4:18)


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Vorbemerkung

Im Altertum und in der Biblischen Zeitgeschichte herrscht in den meisten Kulturen das Patriarchat vor. Ägypten, Babylon, Orient der Antike, das Zweistromland, die Stadt Ur, aus der Abraham stammt (heute Irak), um nur einige der damaligen Hochkulturen zu nennen. Es geht deshalb m.E. darum, vor allem Frauengestalten im biblischen Kontext zu betrachten, die Wendepunkte, Umbruchstellen im Traditionsfluss andeuten und den Weg in eine neue, heute vielerorts selbstverständliche Sichtweise eröffnen.

Mirjam, die Ehrgeizige

Mirjam ist die ältere Schwester des Moses. Sie beschützt ihr Brüderchen, als er in einem Körblein ins Schilf gelegt wurde. („In einiger Entfernung stellte sich die Schwester auf, um zu sehen, wie es ihm ergehen würde.“ 2. Mose 2,4)

In 2.Mose 2,7 wird gesagt, wie Mirjam aufmerksam sogleich der Pharaonentochter, die im Nil badend das schreiende Brüderchen findet anbietet: Zitat: ?Soll ich hingehen und dir eine hebräische Amme rufen, dass sie dir das Kind stille??

In 4. Mose 12,1ff. lesen wir über Miriams Geltungssucht: „Mirjam und Aaron redeten wider Mose um des kuschitischen Weibes willen, die er zur Frau genommen hatte (…): „Hat der Herr nicht zu Mose allein geredet, sondern auch zu uns“??

Hat Leitungseigenschaften und Charisma: „Da griff die Prophetin Mirjam zur Handpauke und alle Frauen zogen hinter ihr her mit Handpauken und Reigen und Mirjam sang ihnen vor: Singet dem Herrn, denn hoch erhaben ist er; Ross und Reiter warf er ins Meer (ägyptische Streitkräfte auf dem Weg zum Sinai)“

Nochmals im Buch Micha wird die Führerschaft Mirjams rückblickend bestätigt: Habe ich dich doch aus dem Lande Ägypten geführt und dich aus dem Sklavenhause erlöst, habe dir Mose und Aaron und Mirjam als Führer gesandt!?

Ja, sie tritt in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung fast an die Stelle Moses: Da heisst es: Denke daran, was der Herr, dein Gott an Mirjam getan hat auf dem Wege, als ihr aus Aegypten ausgezogen seid? (5. Mose 23,9)

Mirjam erweist sich auch gesundheitlich als starke Frau: Sie wird von Aussatz befallen (4. Mose 12,10) und wird wieder gesund (12,5)

Schliesslich – und das ist ungewöhnlich für diese frühe Zeit – wie bei Staatsmännern nach ihrem Sterben der genaue Beerdigungsort und die Zeit beschrieben (4.Mos 20,1)

Deborah = die patriotische Frau

Deborah übte gemeinsam mit Barak im Zeitraum um 1200 v. Chr. das Richteramt über Israel aus. Rechtsprechung in Streitsituationen aber auch Leitfunktionen beinhaltete dieses Amt. ?Deborah, die Frau des Lapidoths war Prophetin und sprach den Israeliten Recht zu jener Zeit? (Ri. 4,4)

Weiter lesen wir: Deborah fordert Barak dazu auf, Israel zu befreien (Ri. 4,6), wobei sie bereit ist, ihm in Kampf zu folgen (Ri. 4,9).

Aktiv inspiriert sie Barak weiter zum Handeln Ri. 4,14: „Deborah sprach zu Barak: „auf, denn dies ist der Tag, da der Herr den Sisera in deine Hand gegeben hat.““ So siegt der Feldherr Barak, auch dank Deborah zum Feldherrn geworden, am Berge Tabor gegen den König Sisera, welcher Anführer einer Koalition kanaanäischer Könige war.

In Richter 5,1ff. lesen wir das Deborahlied, ein Siegeslied, das Deborah mit Barak nach dem Sieg singt.

Nach dem Sieg schliesslich führt Deborah eine Evaluation des Verhaltens der einzelnen Stämme Ruben, Gilead, Dan, Asser, Sebulon, Naphtali, Meros und deren Streitkräfte durch, in der sie vor allem die Gleichgültigkeit derjenigen tadelt. So lesen wir in 5, 23: „Verflucht ist Meros, (…) dass sie nicht kamen dem Herrn zu Hilfe ….“

Ruth

…wird zwar viel zitiert, entspricht zwar m.E. eher dem damals herrschenden klassischen Frauenbild: Treue Ehefrau, die dem Ehemann überallhin folgt (Ruth 1,16), fleissig in Haus und Hof (3,5), ist aber im Volk als „wackeres Weib“ bekannt (3,11).

Eva

Wie Ruth wird auch Eva, Adams Frau viel zitiert. Sie hat zwar einen grossen Titel mit ihrem Namen, der übersetzt Mutter aller Lebenden heisst, erhalten. Oft überlesen wird die frühzeitliche gewaltdurchbrechende Funktion Evas. Alle kennen die Geschichte von Kain und Abel und dem Brudermord. In der Zeugungsreihe Kains beginnt eine Geschichte der Gewalt, die in Lamech einen Höhepunkt erlangt, wenn der biblische Text diesen die erste Kriegshymne der Welt singen lässt: 1.Mose 4,23ff: ?Und Lamech sprach zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört meine Rede, ihr Weiber Lamechs, vernehmt meinen Spruch: Einen Mann erschlug ich für meine Wunde, und einen Jüngling für meine Strieme. Denn wird Kain siebenmal gerächt, so Lamech siebenundsiebzigmal.?

Die Spirale der Gewalt wird durchbrochen, was bisher kaum Beachtung fand:

25:“(…) Und Eva gebar einen Sohn den hiess sie Seth, denn Gott hat mir einen anderen Spross gegeben für Abel (= „Dunst“, „ohne Bestand“), weil Kain ihn erschlagen hat. Und auch dem Seth ward ein Sohn geboren, den hiess er Enos. Damals fing man an, den Namen Jahwes anzurufen.“

Abigail

lernen wir als interessante Frauengestalt kennen, die das konservative Bild in der patriarchalischen Gesellschaft zu durchbrechen beginnt: Als Frau des Nabal und spätere Frau Davids war sie „klug und von schöner Gestalt“ (1. Sam. 25,3).

Die Syrophönizierin

… die keinen Namen trägt, weil sie aus dem andersgläubigen Kanaan kommt geht als vorbildliche besonders glaubensstarke Frau in die Geschichte ein: „O Frau, dein Glaube ist gross, Dir geschehe wie Du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.“

Die Königin von Saba. „Die Prüferin“.

Bekannt für ihren märchenhaften Reichtum hört sie vom Ruhme Salomos: 2. Chr. 9.1ff: „und sie kam, um Salomo in Jerusalem durch Rätsel zu erproben (…) und Salomo gab ihr auf all ihre Fragen Bescheid (…). 5ff: Resultat: „und sie sprach zum König: „volle Wahrheit ist es, was ich in meinem Lande über dich und Deine Weisheit gehört habe. Ich habe es den Leuten nicht glauben wollen, bis ich hergekommen bin, und es mit eigenen Augen gesehen habe.““

Isebel: Wo Licht ist, da gibt’s auch Schatten.

Isebel werden viele für damalige Ohren schlechte Eigenschaften zugeschrieben: Verpönt ist sie wegen ihrer Götzendienerschaft, indem sie am Karmel 450 Baalspriester anleitet dem Baal zu opfern, und wird in der Geschichte zur Gegenspielerin des Propheten Elija. (1. Kön. 18,19)

In 1. Kön. 19,2 hören wir, dass sie sich an Elija Rächen will wegen des misslungenen Baalsopfers am Karmel.

Ja, 1. Kön. 21,5 – 13 beschreibt sie als Mörderin.

Später verführt sie ihren Mann zur Sünde 1 Kön. 21,25 und ist selber sehr eitel 2.Kön. 9.30, und muss schliesslich eines schrecklichen Todes selber sterben.

Atalja

„die grausame Königin“ Als Tochter des Königs Ahab von Israel, verheiratet mit Joram von Juda, versucht sie den Kult des tyrischen Baal in Jerusalem einzuführen, und wird zur Mörderin „am ganzen königlichen Geschlecht“, nachdem sie vernimmt, dass ihr Sohn Ahasja gefallen ist. Sie lässt alle Davididen töten, einer, der Enkel jedoch entkommt, Joasch, welcher sie 6 Jahre später im Jahre 840 v. Chr. stürzt und tötet.

Allgemeine Beobachtungen in der Bibel:

Im langen Stammbaum Jesu, wie ihn uns Matthäus im 1. Kapitel vorführt, werden in 2 Etappen von Abraham bis David und von diesem bis Jesus fast nur Männer genannt, die Söhne zeugen, welche wiederum Söhne haben usw. Bis Maria: Hier wird die lange Reihe plötzlich unterbrochen durch die Jungfrauengeburt, ein nicht nur für heutige Ohren ein sehr aussergewöhnliches Ereignis. Josef ist zwar da, aber seine eventuelle Vaterschaft verblasst völlig zugunsten des Wunders dieser aussergewöhnlichen, wunder-baren Geburt. Die Geburt als spezifisch frauliches Ereignis steht im ZENTRUM des Weltgeschehens! Es beginnt für die Christenheit nicht nur eine neue Zeitrechnung, sondern es wird betont, dass Maria das alleinige „irdische“,sterbliche „Gefäss“ werden darf, das das „Heil der Welt“, Christus, tragen und zur Welt bringen darf.

Beim Kreuz sind es wiederum Frauen, die am längsten ausharren und Jesus in seinem Sterben begleiten (Mk. 15,40), und die ersten, die zum Grab kamen an Ostern (Joh. 20,1). Sie waren weiter die ersten, die den Juden von Jesus erzählten (Lk. 2,37ff).

Bei der wahrscheinlich ersten Gebetsversammlung nach Ostern der Apostel waren die Frauen, unter ihnen wird Maria, die Mutter Jesu genannt, dabei. (Apg. 1,14).

Frauen waren weiter die ersten, die christliche Missionare aufnahmen in den europäischen Missionsländern. So lesen wir von Lydia, die in Philippi Paulus und Silas aufnahm und als erste (!) europäische Person Christin wurde.

Die Aufzählungsliste liesse sich noch erweitern, aber den zeitlichen Rahmen dieser Veranstaltung würde dies jedoch sprengen.

 

Literatur:

Buchhorn-Maurer, D., Hrsg, Schwestern, Mütter und Prophetinnen,

Schwabenverlag Ostfieldern, 2004.

Diezelbacher, M., Heilige oder Hexen, Patmosverlag, Düsseldorf 2004.

Fischer, Irmtraud, Gottesstreiterinnen, Kohlhammer Stuttgart,1995.

Kruse, Ingeborg, Unter dem Schleier des Lachens, Stuttgart, 1999.

Meissner, Angelika, Und sie tanzen aus der Reihe, Stuttgart, 2002.

Motté, Magda, Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit, Darmstadt, 2003.

Richards, Sue und Lary, Alle Frauen der Bibel,

Brunnenberlag, Giessen, 2003.

Sölle, Dorothee, Gottes starke Töchter, Schwabenverlag, Stuttgart, 2003.

Wind, Renate, Eva, Maria und Co., Neukirchener Verlag, Neukirchen, 2004.

 

Autor: Christian v. Fellenberg, lic.theol., Krankenpfleger, Sandrainstr. 84, 3007 Bern

~ 13 min

Einleitung

In der Bibel sind die Stellen zahlreich, da Gott seinem Volk ein wunderbares Land verheisst. Die erste Stelle betrifft Abraham, der einen Nachkommen bekommen und in das Land ziehen soll, das Gott ihm zeigen wird1, 2 . Diese Verheissung wurde mehrmals wiederholt. Schliesslich konnte Israel das Land Kanaan einnehmen3 .

Später entzog Gott seinem Volk das Land wieder. Der letzte Rest wurde ihm genommen, als der zweite Tempel von den Römern im Jahr 70 n. Chr. zerstört wurde. Aber in den Propheten sind die Verheissungen zahlreich, dass Gott sein Volk ins Land zurückführen werde4 .

1948 wurde der moderne Staat Israel ausgerufen als Heimstätte für die von allen Seiten bedrängten Juden. Für viele Juden und Christen hatte damit die endgültige Erfüllung der Landverheissungen angefangen.

Im Neuen Testament wird die Landverheissung auf eine ganz besondere Art behandelt. Einerseits wird sie von Jesus und den Aposteln auf die ganze Erde ausgeweitet5 . Andererseits wird gezeigt, dass „in Christus“ erfüllt ist, was die Väter erwartet hatten: die persönliche Gegenwart Gottes in seinem Christus6 . Paulus unterscheidet zwischen dem irdischen und dem himmlischen Jerusalem7 . Die Heimat derer, die in Christus sind, ist das Jerusalem im Himmel. Dorthin sind sie unterwegs.

Welche Stellung sollen wir Jesus-Gläubigen mit heidnischem Hintergrund heute zu der Land-Verheissung einnehmen? Sollen wir uns denen anschliessen, die mit politischem und persönlichem Engagement das Land Israel, dessen biblische Dimensionen sie betonen, um jeden Preis verteidigen wollen? Oder denen, die behaupten, das Land Israel habe keine Bedeutung für unsern Glauben an Jesus Christus? Oder gibt es einen dritten Weg?

Für die folgenden Erwägungen haben mich drei Aufsätze angeregt, die ich sehr zur Lektüre empfehle8 .

1. Das Land Israel heute

Wir müssen unterscheiden zwischen dem „Land der Verheissung“ und dem Stück Land, das seit 1948 Israel heisst, weil darauf der moderne Staat Israel errichtet worden ist.

Verheissung bedeutet: Gott hat dem Volk das Land versprochen, und es ist auf dem Weg, in diesem Land zu wohnen. Für Israel gehören Erwählung des Volkes und Verheissung des Landes untrennbar zusammen. Weil Gott bestimmte Orte erwählt hat, ist das Land zwischen Ägypten und dem Zweistromland der Raum, der Israel zugeteilt ist.

 

Verwirrend ist es, dass Palästina seit Jahrhunderten mehrheitlich von ganz anderen Menschen bewohnt wurde; im Altertum hiessen sie Philister, heute Palästinenser, die dauernd von ihren Herren (arabischen, türkischen, europäischen) unterdrückt und ausgenutzt wurden. Seit 1967 leben sie unter israelischer Besatzung. Das hat ihnen aber nicht die ersehnte Befreiung gebracht, sondern sie haben neue Herren bekommen, die sagen, wie sie zu leben haben. Damit erleben sie eine erneute Unterdrückung, die der ähnlich ist, die ihre Vorfahren früher erlitten hatten.

Also leben in diesem Raum zwei Menschengruppen, die ihr Geschick selber zu gestalten wünschen, d.h. die den Ton angeben wollen, welche Lebensart hier gelten soll und wie die Ressourcen an Land, Wasser und Menschen verwendet werden sollen. Die Israelis berufen sich für ihren Anspruch auf ihre Bibel, in der verschiedene Modelle von Gestaltung des Landes vorliegen, d.h. verschiedene Vorstellungen von der Grösse des Gebietes, dem Einflussbereich der Regierung und der traditionsgemäss entscheidenden Gesetze.

Die Palästinenser berufen sich auf ihre Jahrhunderte alte Präsenz, auf die islamische Vorstellung, dass dieses Land, das einmal für Allah erobert worden ist, nicht aufgegeben werden und unter nichtislamische Herrschaft kommen darf, auf die Gesetze, die nach ihrer Tradition Geltung beanspruchen und auf das völkerrechtliche Prinzip der Selbstbestimmung der Völker.

Jede Seite fordert mit grösst möglicher Kraft ihr Rechte ein und kämpft mit allen möglichen Mitteln, sie zu erhalten bzw. zu behalten. Jede Seite setzt die andere unter Druck in der Hoffnung, dass sie von ihren Ansprüchen ablässt. Jedes der beiden Völker möchte das andere dominieren oder, wenn das nicht geht, auf die Seite schaffen.

Die Weltgemeinschaft schaut zu und nimmt für die eine oder die andere Seite Stellung. Das geschieht im Bereich der Medien, der Wirtschaft und der Politik. Sie unterstützen ihre Lieblinge und stellen ihre Gegner in ein schiefes Licht. So nimmt die Weltgemeinschaft auf der Ebene psychologischer Kampfführung am Konflikt teil .

Wie sollen wir uns darin so verhalten, dass wir es vor unserem Herrn, Jesus Christus, Jeschua HaMaschiach, verantworten können?

2. Das Land Israel im Licht des Glaubens an Jesus Christus

Ich gehe mit Paulus davon aus, dass „ein neues Geschöpf ist, wer in Christus Jesus ist“ (2.Kor.5,17): „Das Alte ist vergangen, siehe, ganz Neues ist am Werden“. Von da aus werden Fragen um Land, Besitz und Sicherheit in einem besonderen Sinn behandelt. In Christus gehen wir auf das ewige Leben zu, auf das himmlische Jerusalem: das Neue. Darum sind in Ihm politische Ansprüche keine letzten Fragen; sie gehören zum Alten. Sie sind nur vorläufig wirksam.

Christus sagte: „Ich bin das Licht für die Welt“9 , und zu seinen Nachfolgern: „Ihr seid das Licht, das die Welt erhellt“10 . Das bedeutet für uns: Lasst das Licht, das ihr in mir seid, für die Menschen leuchten, und zwar für alle Menschen; die „Welt“ bedeutet in diesem Zusammenhang die ganze Menschheit. In seinem Buch „Lass dein Licht leuchten“11  ermutigt uns Jim Montgomery, unser Haus als „lighthouse“, d.h. als Leuchtturm bzw. „Lichthaus“ zu sehen, sodass unsere Nachbarn, über die guten Beziehungen, die wir pflegen, an dem Licht Teil bekommen, das von Jesus Christus ausgeht. Ich verstehe das so, dass Jesus seiner Gemeinde diesen Auftrag gibt.

 

Er gilt aber auch Israel. Gott richtete folgendes Wort an sein Volk: „Gott, der Herr, hat den Himmel geschaffen und ihn wie ein Zeltdach ausgespannt. Die Erde in ihrer ganzen Weite hat er gebildet, die Pflanzen liess er hervorspriessen, und den Menschen hat er Leben und Atem gegeben. Und nun sagt er zu seinem Boten: «Ich, der Herr, habe dich berufen, meine gerechten Pläne auszuführen. Ich fasse dich an der Hand und helfe dir, ich beschütze dich. Du wirst den Völkern zeigen, was ich von ihnen will, ja, für alle Völker mache ich dich zu einem Licht, das ihnen den Weg zu mir zeigt»12 . Danach hat das Gottesvolk Israel von seinem Gott den Auftrag, für alle Nationen Licht zu sein “ ein Leuchtturm für alle Menschen „, damit sie den Weg zu ihrem Schöpfer finden.

Diesen Auftrag können wir auch auf unsere Nation beziehen: Schweizer, werdet zu einem Leuchtturm für alle Menschen, d.h. für alle Völker. „An euren Taten sollen sie euren Vater im Himmel erkennen und ihn auch ehren“. Damit sagen wir aus: Werdet ein Ort der Orientierung in dunkler, stürmischer Zeit, weil über euch Gottes Herrlichkeit aufstrahlt13 .

Wenn nun in unsern Kreisen zu Recht die Forderung besteht, das Land Israel in höchster Ehre zu halten, so kann ich es folgendermassen verstehen: Israel ist berufen, in seinem Land der Leuchtturm zu sein, von dem der Segen Abrahams an alle Völker ausgeht14 , d.h. die Wahrheit Gottes wird unter die Völker hinausgetragen15 . Das ist ein messianisches Wort, das durch Jesus aktualisiert worden ist, als er vor dem Richter des römischen Weltreiches sagte: «Ja, du hast recht. Ich bin ein König. Ich bin geboren und in diese Welt gekommen, um ihr die Wahrheit zu bezeugen. Wer bereit ist, auf die Wahrheit zu hören, der hört auf mich.»16 . So wird Gottes Volk seinen Auftrag, Leuchtturm für die Völker zu sein, einlösen.

Dieser Auftrag steht in einer auffälligen Spannung zu dem, wie Israel heute seine Existenz auffasst. Dazu Frank Grothe: „Wegen der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Antisemitismus fühlen sich jüdische Menschen, die in der Diaspora leben, im Gegensatz zu israelischen Juden, in ihren wie auch immer gearteten Lebensumständen häufig nicht völlig dort zu Hause, wo sie leben. Ausserhalb Israels wird das Praktizieren des jüdischen Glaubens zur Bestätigung der eigenen Identität immer wichtiger und das Land Israel wird zur Zufluchtsmöglichkeit, die in einer feindseligen Welt das äusserst nötige Gefühl der Sicherheit verleiht“17 . Danach ist Israel vor allem um seine Sicherheit besorgt, während es seinen Auftrag, ein „Leuchtturm für alle Völker zu sein“, darüber vergisst oder doch sehr in den Hintergrund treten lässt.

Jesus hat diesen Auftrag aufgegriffen und aktualisiert. In ihm wird Israel zum Licht für alle Menschen. Werden die heutigen Israeliten diesen Auftrag durch Jesus annehmen, oder werden sie sich davon distanzieren? Werden wir Christen aus den Heiden unsern jüdischen Geschwistern diesen Auftrag in Erinnerung rufen oder werden wir an diesem unserem Auftrag vorbeigehen, d.h. ihnen das Licht Jesu schuldig bleiben und sie so in der Finsternis belassen?

Wir können unsern Auftrag in zwei Richtungen verpassen: 1. Wenn wir uns mit der Selbstbehauptung konservativer israelischer Gruppen identifizieren. 2. Wenn wir gleichgültig über die Nöte des Volkes und des Staates Israel hinweggehen.

Zu 1. zitiere ich Frank Grothe: „Wenn Israel Gefahr läuft sein Land zu verlieren, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass Gott sein Volk auffordert umzukehren. Wenn Israel in Rebellion, Ungehorsam und Sünde verharrt, ist der Verlust des Landes eine sehr reale Bedrohung.“

Diese (oben beschriebenen) Anschauungen motivieren religiös-jüdische Zionisten. Die Mehrheit der jüdischen Siedler, die sich im Westjordanland und in Gaza niedergelassen haben, glauben an ein israelisches Commonwealth, das in dem Land errichtet wird, das den hebräischen Patriarchen versprochen wurde. Sie sind der Überzeugung, das politische und religiöse jüdische Recht müsse überall in Kraft gesetzt werden. Dies sei der Beginn der lange erwarteten Erlösung und werde das Kommen des Messias beschleunigen.

 

Eine bestimmte Gruppe dieser religiösen Nationalisten wird „die Getreuen vom Tempelberg“ genannt. Diese Gruppe arbeitet auf den Aufbau eines neuen jüdischen Tempels hin, der auf dem historischen Platz des salomonischen und des herodianischen Tempels aufgebaut werden soll. Für sie sind die moslemischen Heiligtümer, die jetzt dort stehen, eine Schändung, die verschwinden muss, selbst wenn dies Krieg mit der gesamten islamischen Welt bedeutet. Diese Leute sind der Meinung, das gesamte Gebiet des biblischen Israel müsse unter jüdische Herrschaft gebracht werden. Mit den Palästinensern dürfe hinsichtlich Jerusalems oder hinsichtlich der Siedlungen keinerlei Kompromiss eingegangen werden, weil Gott ausdrücklich geboten habe, mit einem Feind niemals einen Kompromiss in Bezug auf das Land zu schliessen. Diese Leute nehmen für sich in Anspruch, wirklich an den Gott des Tenach (des Alten Testamentes) zu glauben, und sie sind bereit, den Preis für ihre Überzeugungen zu bezahlen. Übrigens werden jüdische Gruppen wie diese häufig moralisch und finanziell von bestimmten evangelikalen Christen unterstützt, die Anhänger einer ähnlichen Eschatologie sind.?

Zu 2. Wenn wir dieser Tendenz nachgeben, werden wir uns auch von den jüdischen Menschen distanzieren, d.h. wir verzichten auf den persönlichen Zugang zu ihnen. Wir kommen nicht darum herum, uns, wenn immer sinnvoll, in der Gemeinde, im Bekanntenkreis und in der Öffentlichkeit auf die Seite des Gottesvolkes Israel zu stellen. Die Menschen um uns herum sollen wahrnehmen, dass wir zu den jüngeren Geschwistern dieses Volkes gehören, weil wir „im Wurzelstock Israel eingepfropft“18  sind.

3. Folgerungen

Wir werden unsere politische Sicht davon bestimmen lassen, dass wir in Christus (dem Messias der Juden) an der Erlösung, d.h. am „verheissenen Land“ im Sinn des ewigen Lebens Anteil haben.

Das Land Israel ist selber ein sichtbares Zeichen für Gottes Treue, nämlich dass er bereit ist, seine Friedens-Verheissung für die ganze Erde wahr zu machen. Es ist der Weg für die Juden, Gottes Wort neu zu vertrauen. Gottes Wort sagt zu Israel: „Du sollst in dem Land, das ich dir gegeben habe, ein Licht für die Heiden, ein Leuchtturm für alle Völker sein.“

Meine Frage an das jetzige Staatssystem und die jetzige Regierung Israels lautet: „Seid ihr bereit, diesen Auftrag wahrzunehmen, wie er durch den Messias offenbart wird? Seid ihr bereit, dieses Zerbrechen des Messias anzunehmen, das die Ausführung des Auftrags erst ermöglicht?“ Das ist es, was Gott in Jesus offenbart hat.

Der jetzige Regierungschef ist ein General gewesen, und er regiert wie ein General. Als solcher tut er seine Pflicht, indem er kämpft, bis er den Sieg über seine Feinde errungen hat. Das entspricht der militärischen Sicht Davids. Dieser militärischen Sicht des jüdischen Königtums hat Jesus in seinem Leiden bis zum Tod am Kreuz eine andere Sicht entgegengesetzt. Sein Ziel war ebenfalls der Sieg, jedoch der Sieg über alle Schuld, alle Gewalt und alles Verderben auf der Erde. Ist Israel und sind wir Christen bereit, diese Sicht anzunehmen und die Konsequenzen daraus zu ziehen, auch in unserem Verhältnis zum Land Israel?

Im kommenden Friedensreich, in dem der Geist des Messias den Ton angibt19 , werden die Fremden und selbst die Feinde beieinander wohnen. Dieses Wort ermutigt jeden möglichen Versuch, die verfeindeten Menschen zum Austausch zusammen zu bringen. Sich kennen lernen, einander schätzen lernen, einander gegenseitig bereichern, die Absichten Gottes für einander erfassen lernen, solches Verhalten verweist auf das von Jesaja verheissene Friedensreich. Deshalb begrüsse ich den Versuch der „Genfer Initiative“, dass Vertreter der Israeli und der Palästinenser mit einander eine Auslege-Ordnung vorgenommen haben über die gegenseitigen Vorstellungen und Forderungen im Blick auf das Land Israel. Das sind Vorschläge, deren allfällige Verwirklichung viel Weisheit von Gott, politisches Geschick und viele weitere Begegnungen erfordert.

Danach kann das Land Israel für die Juden der Ort werden, von dem aus sie Jeschua, ihren Messias, allen Menschen der Erde verkünden, sodass sie Licht und Segensträger für alle Menschen werden. Sie sind berufen, ein „Leuchtturm“ für die ganze Menschheit zu sein.

Das gleiche gilt für die Palästinenser (und für alle andern Nationen): „Ihre Heimat soll zu einem Leuchtturm für die Völker der Welt werden “ durch den ersehnten Erlöser Jesus Christus. Hier finden sich beide Gruppen im gleichen Auftrag.

 

Schlussbemerkungen

Heute schaut die ganze Welt auf Israel/Palästina, d.h. es ist schon jetzt ein „Leuchtturm“. Aber es ist die Frage, ob es Gottes Licht weitergibt, wie es uns in Jesus Christus offenbart worden ist, oder ob es ein traditionelles, gesetzliches, verdunkeltes, bedrohliches Halblicht ist, das eher Gefangenschaft wiedergibt, statt den Weg der Befreiung, wie er von Jesus verkündigt worden ist. Wie kommt es, dass heute in unserer Welt Israel als Zeichen des Fluches wahrgenommen wird, statt als Zeichen für Gottes Segen, der allen Völkern gilt?

Wie unterstützen wir Christen aus den Völkern der Welt das Gottesvolk, dass es wirklich in seine Bestimmung kommt, das Licht unter die Völker zu tragen? Von Paulus aus ist unser Auftrag klar: Wir sollen die Juden zur Nacheiferung reizen, wie er es selber gelebt hat, damit sie an Gottes Gnade teilnehmen20 . Und die Palästinenser? Sie haben nur eine Zukunft, wenn sie Jesus als ihren Erlöser kennen lernen und annehmen.

Beten wir um neue Wege, wie wir „den Juden ein Jude und den Palästinensern ein Palästinenser“ werden können21 . Das kann ja nur geschehen in der Kraft des heiligen Geistes, der von Jesus Christus, Jeschua HaMaschiach ausgeht. Achten wir darauf, wo solche Begegnungen bereits geschehen, damit wir sie unterstützen und allenfalls neu eingehen.

Bern, 22. Februar 2005, Werner Ninck

 


1. Die meisten Zitate stammen aus der Übersetzung „Hoffnung für alle“

2. 1.Mose 12,1-2, Der Herr sagte zu Abram: «Geh fort aus deinem Land, verlass deine Heimat und deine Verwandtschaft, und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde! Deine Nachkommen sollen zu einem großen Volk werden; ich werde dir viel Gutes tun; deinen Namen wird jeder kennen und mit Achtung aussprechen. Durch dich werden auch andere Menschen am Segen teilhaben soll.

3.  Josua 24,13: Ich gab euch ein Land, das ihr nicht mehr urbar machen musstet, und Städte, die ihr nicht erbaut habt. Ihr esst die Früchte von Weinbergen und Ölbäumen, die ihr nicht gepflanzt habt.

4. z.B. Hes. 36,24: Ich hole euch zurück aus fernen Ländern und fremden Völkern und bringe euch in euer eigenes Land.

5. z.B. Matth.5,5: Glücklich sind, die auf Gewalt verzichten, denn sie werden die ganze Erde besitzen.

6. z.B. Joh.4,12-24: Jesus antwortete: «Glaube mir, die Zeit wird kommen, in der es unwichtig ist, ob ihr Gott auf diesem Berg oder in Jerusalem anbetet. Ihr wisst ja nicht einmal, wen ihr anbetet. Wir aber wissen, zu wem wir beten. Denn das Heil der Welt kommt von den Juden. Doch es kommt die Zeit, ja sie ist schon da, in der die Menschen Gott überall anbeten können; wichtig ist allein, dass sie von Gottes Geist und seiner Wahrheit erfüllt sind. Von diesen Menschen will Gott angebetet werden. Denn Gott ist Geist. Und wer Gott anbeten will, muss seinen Geist haben und in seiner Wahrheit leben.»

7. Gal.4, 22-24.26: Dort heißt es, dass Abraham zwei Söhne hatte: einen von der Sklavin Hagar und einen von seiner Frau Sara, die als Freie geboren war. Der Sohn der Sklavin wurde geboren, weil Abraham endlich einen Sohn haben wollte, der Sohn der Freien dagegen, weil Gott ihn verheißen hatte. Am Beispiel dieser beiden Frauen will uns Gott zeigen, wie verschieden die beiden Bündnisse sind, die er mit den Menschen geschlossen hat. Den einen Bund schloss Gott auf dem Berge Sinai mit dem Volk Israel, als er ihm durch Mose das Gesetz gab. Dieses Gesetz aber knechtet uns und bringt nur Sklaven hervor wie Hagar…. Die andere Frau aber, von der wir abstammen, ist frei. Sie weist auf das neue Jerusalem im Himmel hin, auf den neuen Bund, den Gott mit uns durch Jesus Christus geschlossen hat.

8. Frank Grothe, Jüdischer Glaube und heiliges Land. (www.grothe.ch). P. Walker, Die Auslegung der Landverheissung im neuen Testament (unterrichtet Neues Testament an der Wycliffe Hall, Oxford University in England), O. Palmer Robertson, Die Landverheissung im Licht des neuen Testaments (Robertson unterrichtet am Knox Theological Seminary in Fort Lauderdale, Florida, USA und am African Bible College in Lolongwe, Malawi)

9. Joh.8,12

10.  Matth.5,14

11. Jim Montgomery, Lass dein Licht leuchten. Wie Jesus zu unseren Nachbarn kommt. Gloryworld Medien, 2002.

12. Jes.42,5.6

13. Jes. 60,1.2

14. 1.Mose 12,3

15. Jes.42,1

16. Joh18,37

17. s. Anm. 7

18. Röm.11,17

19. Jes.11,1-9 Was von Davids Königshaus noch übrigbleibt, gleicht einem alten Baumstumpf. Doch er wird zu neuem Leben erwachen: Ein junger Trieb sprießt aus seinen Wurzeln hervor. Der Geist des Herrn wird auf ihm ruhen, ein Geist der Weisheit und der Einsicht, ein Geist des Rates und der Kraft, ein Geist der Erkenntnis und der Ehrfurcht vor dem Herrn. Er wird den Herrn von ganzem Herzen achten und ehren. Er richtet nicht nach dem Augenschein und fällt seine Urteile nicht nach dem Hörensagen. Unbestechlich verhilft er den Armen zu ihrem Recht und setzt sich für die Rechtlosen im Land ein. Sein Urteilsspruch wird die Erde treffen; ein Wort von ihm genügt, um die Gottlosen zu töten. Gerechtigkeit und Treue werden sein ganzes Handeln bestimmen. Dann werden Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen, der Leopard wird beim Ziegenböckchen liegen. Kälber, Rinder und junge Löwen weiden zusammen, ein kleiner Junge kann sie hüten. Kuh und Bärin teilen die gleiche Weide, und ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Heu wie ein Rind. Ein Säugling spielt beim Schlupfloch der Viper, ein Kind greift in die Höhle der Otter. Auf dem ganzen heiligen Berg wird niemand etwas Böses tun und Schaden anrichten. Alle Menschen kennen den Herrn, das Wissen um ihn erfüllt das Land wie Wasser das Meer.

20. Röm.11,14.15: Denn kam es schon zur Versöhnung der Völker mit Gott, als er sich von Israel abwandte, wie herrlich muss es werden, wenn Gott sich seinem Volk wieder zuwendet. Dann werden Tote zum Leben auferstehen.

21. 1.Kor.9,19ff.


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Eine Einleitung über Globalisierung von Ruth Valerio im pdf unten :

– Globalisierung und Armut
– Globalisierung, die Gemeinde und Mission
– Globalsierung aus biblischer Perspektive

Globalisierung_Valerio

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Solidarität mit den Schwachen

Was hat Solidarität mit dem Christlichen Glauben zu tun? In diesem Text werden die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt und die Veränderungen der Wertvostellungen mit den Lehren der Bibel verglichen. Es ist Zeit, zu handeln!

Persönliche Erfahrungen

Die Neunziger Jahre waren eine Zeit, wo vor allem die Einkommensschwachen und die Randgruppen in Bedrängnis gerieten. Vor allem in der Arbeitswelt hatten die Lohnsenkungen für die Einkommensschwachen verheerende Wirkungen, und die Liberalisierungen der Arbeitszeiten hatten ihre Wirkungen auf das Zusammenleben der Familien. Ich hatte auch das Gefühl, dass durch die immer wieder beschriebene internationale Konkurrenz diese Abwärtsspirale seine Fortsetzung finden würde, wenn nicht die Angestellten selber sich wehren können. Deshalb wollte ich für eine Gewerkschaft arbeiten, und bewarb mich vor vier Jahren bei verschiedenen Gewerkschaften. Ich landete schliesslich bei der Gewerkschaft VHTL in Basel, wo ich heute als Regionalsekretär arbeite. VHTL, das heisst Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel. Ich freute mich besonders, hier eine Stelle zu erhalten, denn diese Gewerkschaft vertritt genau die Gruppen, die mir ein Anliegen sind. Es sind dies die Angestellten in den Dienstleistungsberufen mit den niedrigsten Einkommen, so zum Beispiel die Migros-Kassiererinnen, die Putzfrauen, die Nachtwächter und die Arbeiter in der Bell-Wurstfabrik.

Die vergangenen vier Jahre gaben mir einen tiefen Einblick in die Welt derer, mit denen viele von uns kaum je zu tun haben. Hier ein paar Stichworte dazu:

Der Lohn

Tatsächlich gab es im Verlauf der 90er-Jahre immer mehr ?Working Poor?, vor allem in den Bereichen, die ich vertrete. Zu Beginn meiner Tätigkeit hatten viele VerkäuferInnen oder Putzfrauen einen Lohn von unter 2500 Franken netto. Das reicht knapp zum Leben, wenn man alleine ist, aber sobald man noch zusätzlich Kinder mit aufziehen muss, dann ist dies zu wenig. Zudem muss man sich im Klaren sein, dass dies nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Familienväter. Und so wird es nur zu verständlich, dass beide Elternteile arbeiten müssen, um überhaupt die Familie durchzubringen. Deshalb wird auch als Zweitverdiener die Lohnhöhe wichtig. Durch die Mindestlohnkampagnen der Gewerkschaften konnten die Löhne im untersten Bereich in den letzten Jahren kräftig angehoben werden.

Stichwort Arbeitszeiten

Seit Ende der achtziger Jahre griff immer mehr Arbeit auf Abruf um sich. Ich musste z.B. selber zusehen, wie meine Mutter Schwierigkeiten hatte, ihr Privatleben zu organisieren, wenn sie immer warten musste, ob der Arbeitgeber sie zur Arbeit rief oder nicht. Das neue Arbeitsgesetz, das Ende der neunziger Jahre kam, brachte dann einen neuen Schub an Deregulierung der Arbeitszeiten. Es wurden immer mehr Abendarbeit eingeführt, abgesehen davon, dass die Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit erleichtert wurde. Hinzu kam verstärkte Deregulierung der Ladenöffnungszeiten. All dies betraf gerade die schwächsten Arbeitnehmer besonders. In diesen Bereichen haben nicht viele Angestellte eine Lehre oder sonstige berufliche Fähigkeiten, die ihnen erlauben würden, den Job zu wechseln, wenn die Arbeitszeiten ein Familienleben nicht mehr zulassen. Ich habe selber in meiner Arbeit etliche Fälle miterleben müssen, wo die Familien auseinandergekracht sind, unter Anderem weil sich die Partner wegen den hyperflexiblen Arbeitszeiten kaum mehr gesehen haben.

Stichwort Konkurrenz

Die Deregulierungen und Lohnsenkungen werden immer wieder mit der internationalen Konkurrenz und der damit einhergehenden Gefahr für unsere Arbeitsplätze gerechtfertigt. Nach dem, was ich gesehen habe, muss ich feststellen, dass es gerade die Schwächsten sind, die bei dieser Art der Wirtschaft unter die Räder kommen.

Zunehmender Stress

Früher waren Leer-Zeiten, wo es nicht viel Arbeit gab, gang und gäbe. Heute wird im Gegenteil so viel in die Arbeitszeit hineingepresst, dass die Stressbedingten Schäden massiv zunehmen. Ich habe einige dramatische Zusammenbrüche von Angestellten erleben müssen. Es heisst heute zwar, Leistung müsse belohnt werden, aber genau diese massiven Leistungssteigerungen in den untersten Einkommensschichten wurden überhaupt nicht honoriert…

Die Arbeitslosen

Die Gewerkschaften haben bekanntlich eigene Arbeitslosenkassen, so auch wir. So habe ich ein Bisschen Einblick, wie es funktioniert. Viele der Angestellten, die bei uns ihr Arbeitslosengeld beziehen, haben enorm Mühe, wieder eine Arbeit zu finden. Die Arbeitswelt verlangt immer mehr Fertigkeiten und eine 100%ige Leistungsfähigkeit. Es gibt aber eine Schicht von Menschen die entweder die intellektuellen Fähigkeiten dazu kaum haben oder aus irgendwelchen Gründen nicht im Vollbesitz der Kräfte sind. Diese will kein Arbeitgeber, auch nicht im Aufschwung, denn in der heutigen Arbeitswelt sind nur noch die Leistungsfähigen gefragt. Dies ergibt die wachsende sogenannte Sockel-Arbeitslosigkeit. Am Schluss landen viele von ihnen in der IV.

Ich habe deshalb besonders Mühe mit pauschalen Postulaten der ?Selbstverantwortung? und der Etikettierung als ?Scheininvalide?. Natürlich gibt es einige Leute in den genannten Gruppen, die tatsächlich nicht arbeiten wollen. Und es gibt auch solche, die der Sozialstaat träge macht. Da sollte man Massnahmen ergreifen. Aber es ist schlicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn man nun für alle die Arbeitslosengelder, die IV oder die Fürsorgegelder zusammenstreicht. Schliesslich stellt sich die Frage, was ist uns wichtiger: dass niemand leidet oder dass niemand profitiert?

 

Biblische Gedanken

Das Thema Solidarität nimmt in der Bibel einen erstaunlich breiten Raum ein. Zentral ist dabei der Begriff der Armen. Dieser Begriff wird einerseits für die materielle Armut und für Unterdrückung (auch ?Elende, Geringe?, etc.), aber auch für geistlich Arme, das heisst Demütige gebraucht. Ich befasse mich hier nur mit den zwei ersten Gebrauchsweisen.

Wie werden die Armen in der Bibel betrachtet? Welche Schuld haben sie an ihrer Situation? Die Stellen, wo Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird, sind rar. Sie finden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im NT, wer nicht arbeiten WILL, soll auch nicht essen. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel, oft in Verbindung mit sozialer Benachteiligung oder Unterdrückung, beschrieben. Natürlich kann man deshalb nicht sagen, dass die Armen heute generell unschuldig sind an ihrer Situation, aber ich sehe gewisse Parallelen.

Deshalb ist das Alte wie das Neue Testament voll von Aufrufen, die Armen zu schützen (physisch und rechtlich) und mit ihnen zu teilen.

–        Wir sollen dem Armen die Hand grosszügig offnen (5. Mose 15. 7-11)

–        Spr. 21.13 ?Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.?

–        Und in Matthäus 25 lesen wir, wonach gerichtet wird: Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben, etc.

Almosen werden in der Bibel allgemein als gut angesehen. Es gab im alten Testament aber auch gesetzlich geregelte Umverteilung:

–        Der Zehnte diente auch zur Armutslinderung

–        Alle 3 Jahre ging 10 % der Ernte an Arme

–        Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19.10)

–        Alle 7 Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23.11)

–        Alle 7 Jahre wurden die Schulden erlassen (?damit kein Armer unter Euch sei?, wie es in 5. Mose 14.4 heisst)

–        Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden

–        Alle 50 Jahre ging in der Not verkauftes Land zurück an die ursprüngliche Besitzer, damit es keine Anhäufung von Reichtum bzw. keine Landlosigkeit geben sollte

Gesetzliche Umverteilung ist also nicht gleich Raub, wie Anhänger des Wohlstandsevangeliums es behaupten.

Die verschiedenen Verfasser des Alten Testaments forderten auch auf, die Armen und Geringen zu schützen und ihnen Recht zu verschaffen. Denn nur zu oft versuchten die Starken, die Rechte der Armen zu ignorieren oder beugten ungerechte Richter die Sache der Armen. Damals (wie heute) war Armut auch oft mit Machtlosigkeit verknüpft. Vor allem die Propheten gingen hart mit den Israeliten ins Gericht, wenn diese trotz Reichtum die Armen im Elend liessen oder deren Rechte beugten.

Die Bibel fordert uns denn auch auf, die Armen und Geringen als gleichwertige Menschen zu behandeln und uns für deren Rechte und soziale Gerechtigkeit einzusetzen. So zum Beispiel in Ps. 82.3-4: Schafft Recht dem Geringen und der Waise, dem Elenden und dem Bedürftigen lasst Gerechtigkeit widerfahren! Rettet den Geringen und den Armen, entreisst ihn der Hand der Gottlosen.

Abgesehen davon ist laut Jesus das höchste Gesetz die Liebe zu Gott und zu den Nächsten: da ist die Solidarität auf Grund des im ersten Teil gesagten selbstverständlich.

Wir haben gesehen, dass dem Teilen besondere Bedeutung zukommt, da der Armut offenbar auch strukturelle Ursachen zu Grunde liegen.

Wie denn Teilen?

–        Die Urchristen teilten praktisch alles. Dies könnte als Modell dienen, ist deswegen aber noch kein ?Muss?.

–        Teilen wir, so viel wir teilen können und nicht nur von unserem Überfluss. Dies zeigt uns die Geschichte von der armen Witwe im Tempel in Markus 12. Tendenziell führt uns dies zu einem einfacheren Lebensstil

–        Es heisst auch, wir sollen ?arbeiten, damit wir den Armen geben können?. Wir sollten also unser gutes Einkommen nicht für uns alleine behalten und reich bleiben. Aber wir müssen auch nicht unbedingt arm werden. Unsere Haltung sollte geprägt sein von Grosszügigkeit und von Zufriedenheit mit dem, was wir haben.

– Ich glaube, dass echte Solidarität und Nächstenliebe nur gelebt werden wann, wenn wir selber frei sind von unseren eigenen Ängsten um unser täglich Brot, wenn wir in allen unseren Bedürfnissen vollständig von unserem himmlischen Vater getragen werden. Dann wird Solidarität zur Freude und geschieht nicht einfach aus Schuldgefühlen.

–        Wie wir in der Bibel gesehen haben, ist manchmal auch gesetzlich verordnete, organisierte Umverteilung angesagt, denn offensichtlich sind die Armen Gott zu wichtig, als dass Er deren Wohlergehen der reinen Freiwilligkeit der Spender überlassen würde.

Aktuelle Tendenzen

Die Gesellschaften in allen Ländern der westlichen Welt scheinen heute aber trotz zunehmender Armut ein wachsendes Problem mit dem Teilen zu haben. Es besteht eine allgemeine Tendenz der Desolidarisierung. Nachdem ein Teil der Solidarität an Institutionen delegiert worden ist, werden diese Institutionen selber nun auch in Frage gestellt (ohne dass allerdings die frühere Solidarität deshalb zurückkehren würde). Sichtbar ist diese Desolidarisierung auch im Wertewandel: Untersuchungen zeigen die zunehmende Beliebtheit des Begriffes ?Freiheit? gegenüber des Begriffes der ?sozialen Gerechtigkeit?.

Meines Erachtens beruht dieser Wertewandel unter Anderem auf den folgenden drei Punkten, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen:

1. Zunehmender Individualismus: die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wird mit dem zunehmenden Wohlstand und den daraus resultierenden Lebens-Gestaltungsmöglichkeiten immer kleiner. Die Interdependenz (und damit die Notwendigkeit der gemeinsamen Organisation) wird nicht mehr wahrgenommen.

2. Der wachsende Wohlstand hat auch die Angst vor Verlust immer stärker werden lassen.

3. Diese Angst erzeugt eine immer grössere Priorisierung des wirtschaftlichen Wachstums, was einen Übergriff des wirtschaftlichen Denkens auf alle gesellschaftlichen Bereiche nach sich zieht.

Diese Desolidarisierung wird von Rechtfertigungsideologien und beliebten Mythen begleitet, die wir nur allzu gerne glauben:

1. ?Jeder kann alles selber?. Die Unterschiedlichkeiten in Fähigkeiten, Herkunft, etc. zeigen genug, dass diese Behauptung der Realität nicht standhält.

2. ?Der Sozialstaat wird immer mehr missbraucht?. Eine um sich greifende Behauptung, die kaum belegt ist und eher unsere zunehmenden Ängste widerspiegelt. Die Angst vor Profitismus ist in der Bibel ebenfalls nie so stark gewesen.

3. ?Der Sozialstaat hält die Armen und Arbeitslosen nur in Abhängigkeit, deshalb ist es für die Bedürftigen besser, man gibt ihnen nichts mehr?. Wie wir vorher gesehen haben, ist den Betroffenen genauso wenig geholfen, wenn wir nichts mehr geben, denn sie können zum grossen Teil nichts an ihrer Situation.

4. ?Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es allen gut?. Meist ist es aber so, dass die Schwächeren unter Liberalisierungen doppelt leiden: sie sind dann weniger geschützt, und sie haben in Wirtschaften mit weniger Umverteilung kaum etwas vom Wirtschaftswachstum (was auch eine Weltbankstudie nachweist)

5. ?Armut kann nur durch mehr Wachstum bekämpft werden?. Die westlichen Länder sind so reich, dass theoretisch alle genügend haben könnten. Doch dies ist schlicht eine Frage des Teilens.

In den Westlichen Staaten ist eine zunehmende Angst vor dem Verlust der angehäuften Güter zu spüren. Dies wirkt sich auch dahingehend aus, dass die Angst vor Profiteuren, die auf unsere Kosten leben (und uns ärmer machen könnten), zunimmt. Genährt wird sie durch eine tatsächliche Zunahme der Zahl der Fürsorgeempfänger, Arbeitslosen und IV-Rentner, die meist auf Grund ihrer Leistungsunfähigkeit aus dem Arbeitsalltag ausgeschlossen worden sind. Die Angst bringt es mit sich, dass es vielen Menschen heute wichtiger ist, dass niemand profitieren kann, als dass niemand im Elend lebt. Die Sozialwerke sollen abgebaut werden und damit wird die grosse Zahl der unschuldig Abhängigen genauso bestraft… Dies wird auch dort durchgezogen, wo es eigentlich klar sein müsste, dass die Betroffenen nichts dafür können: so wird auch bei Schwerkranken oder armen AHV-Rentnern Selbstverantwortung eingefordert und die Solidarität gekürzt. Wir sind drauf und dran, nicht einmal mehr die Chancengleichheit finanzieren zu wollen, obwohl wir sagen ?Jeder kann selber?. So werden Stipendien für Kinder einkommensschwacher Eltern in mehr und mehr Kantonen abgeschafft.


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Herausforderungen für die freikirchlichen Christen

 

Viele Freikirchen sind eher apolitisch. Politik und gesellschaftliches Engagement wird aus verschiedenen Gründen vernachlässigt:

 

 

  • Es herrscht die Idee vor, die Welt gehe sowieso bald zugrunde, warum also sich noch um Politik, Gesellschaft und Veränderungen kümmern? Schon immer glaubten die Christen, das Weltende sei nahe. Die zunehmende weltweite Verunsicherung durch die kulturellen Veränderungen verstärken natürlich die Ängste. Doch auch wenn das Weltende durch die Erfüllung verschiedener biblischer Prophetien näher gekommen ist, so haben wir keinen Grund, einfach anzunehmen, das Weltende stehe vor der Tür. Wir glauben, dass es uns nicht zusteht, den Zeitpunkt des Weltendes zu kennen oder ihn zu interpretieren (Mat. 24.36: «Von jenem Tag aber und jener Stunde weiss niemand, auch nicht die Engel in den Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein.»). Es steht auch geschrieben, dass Christus sehr plötzlich wiederkommt. Solange das Weltende also nicht da ist, solange sind wir aufgefordert, Gottes Wort ernst zu nehmen und uns für unsere Nächsten einzusetzen, sei es in Politik oder Gesellschaft.
  • Gewisse Kirchen lehren auch, wir seien nicht von dieser Welt. Dies stimmt zwar, aber die Bibel lehrt uns auch, dass wir IN dieser Welt sind (Joh. 17,14-19). Und sie lehrt uns auch, dass wir unseren Nächsten Gutes tun sollen, ob sie nun Christen sind oder nicht (vgl. z.B. die Geschichte des barmherzigen Samariters).
  • Wir kümmern uns oft nur um das eigene Seelenheil und nicht um unseren biblischen Auftrag der Nächstenliebe. Natürlich ist die Beziehung zu Gott zentral in unserem Glaubensleben, aber die Bibel lehrt uns auch, dass ein Glaube, der keine Werke hervorbringt, tot ist (Jak. 2,17).
  • Das gesellschaftliche Engagement hat sich bisher oft auf Diakonie beschränkt. Diakonie ist gut, aber Diakonie alleine genügt nicht. Allzu oft ist Diakonie nur ein Pflästerchen, ohne aber die Ursachen zu beheben. Wir sollten ungerechte Strukturen ändern statt nur den Opfern dieser Strukturen zu helfen.
  • Das politische Engagement von Freikirchen hat sich bisher oft auf moralische Themen wie Abtreibung, Homosexalität etc. beschränkt. Die Bibel fordert uns aber auf, weiter zu gehen und das Wohl des Nächsten umfassend zu suchen. Gewisse kirchliche Kreise lehnen dies ab, indem sie Theorien des Wohlstandsevangeliums vorschieben. Demnach brauche man nur richtig zu glauben, und man werde materiell gesegnet. Möglicherweise sind hier noch calvinistische Prädestinationstheorien in den Köpfen, nach denen wir durch unseren Arbeitserfolg sehen, ob wir errettet sind oder nicht. Natürlich verspricht uns Gott Segen, aber die Idee, man brauche deshalb keine soziale Gerechtigkeit und keine Unterstützung der Schwachen, steht voll im Widerspruch zur biblischen Lehre. Schon im alten Testament klagen die Propheten über das Volk Israel, über die Bedrängung und das Elend der Armen und Schwachen wegen der Hartherzigkeit der Israeliten. In Matthäus 25 erklärt Jesus, wonach gerichtet werden wird: die Solidarität mit den Armen, Schwachen, Gefangenen usw. Nicht umsonst haben die Urchristen alles geteilt (Apg. 4,32).

 

Die Freikirchen stehen heute vor verschiedenen Herausforderungen

 

Über moralische Themen hinaus denken:

Das Engagement für moralische Themen ist gut, aber es genügt nicht. Ebenso haben wir den Auftrag, uns für Gerechtigkeit und für die Schwachen einzusetzen: « Schaffet Recht dem Geringen und der Waise, dem Elenden und dem Bedürftigen lasst Gerechtigkeit widerfahren » (Ps. 82,3.4) und « Öffne Deinen Mund für die Stummen, für den Rechtsanspruch aller Schwachen . » (Spr. 31,8.9)

 

Gerechte Strukturen statt nur Diakonie:

Aus dem oben Gesagten ist auch ersichtlich, dass es nicht genügt, in diakonischem Engagement Wunden zu pflegen, sondern dass auf politischer und gesetzlicher Ebene die Ursachen bekämpft werden müssen. Dies kann zum Beispiel heissen:

  • Mehr Teilen: Ist es normal, dass Leute mit vollem Arbeitseinsatz nicht von ihrem Lohn leben können?
  • Arbeit für Schwache und soziale Sicherheit: Ist es normal, dass Leute, die von keiner Firma engagiert werden, weil sie zu wenig Fähigkeiten haben oder psychisch/körperlich angeschlagen sind, in Armut leben müssen?
  • Chancengleichheit: Ist es normal, dass die Chancengleichheit in der Bildung durch Privatisierungen und Abbau von Stipendien für Kinder einkommensschwacher Eltern mehr und mehr zerstört wird und gewisse Kreise dann behaupten, jeder könne alles selber erreichen?
  • Macht: Ist es normal, dass Kreise, die viel Geld haben, über Abstimmungs- und Wahlwerbung, über Besitz von Medien und über Lobbying in Parlament und Kommissionen viel mehr Einfluss in der Politik und in der Gesetzgebung haben als die « Geringen und Elenden »?

 

Vorurteile hinterfragen:

  • ?Die Ausländer werden bevorzugt, und die Schweizer sind die ?Neger??: Ausländer haben im Durchschnitt ein viel tieferes Bildungsniveau, wodurch sie durch Arbeitslosigkeit und nachfolgende Fürsorgeabhängigkeit auch überdurchschnittlich getroffen werden. Das Vorurteil, die Ausländer nützen uns aus, ist schlicht nicht haltbar.
  • ?Die Ausländer sind krimineller als die Schweizer?: Insgesamt sind Ausländer zwar überdurchschnittlich an der Gesamtzahl der Straftaten beteiligt. Bei detaillierter Berechnung wird aber klar, dass dies nur deshalb der Fall ist, weil unter den Ausländern der Anteil von jungen Männern viel höher ist als unter den Schweizern. Kriminalität geht in allen Kulturen vor allem auf das Konto junger Männer, weshalb es so aussieht, als seien die Ausländer besonders kriminell. Wenn man aber die Alterskategorien und die Geschlechter einzeln vergleicht, sind die Ausländer nicht krimineller als die Schweizer!
  • ?Die Leistungsempfänger werden durch den Sozialstaat entmündigt?: Auch hier müssen wir genauer hinschauen, denn es ist nicht damit getan, die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Die Meisten der Arbeitslosen und Fürsorgeabhängigen finden tatsächlich keine Arbeit, und es ist gar nicht anders möglich, als sie zu unterstützen und ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Statt hier abzubauen, bräuchte es gar zusätzliche Bildungsunterstützung, um diese Menschen wieder zu integrieren.

Wir müssen also bereit werden, genauer hinzusehen und uns für die Menschen wirklich zu interessieren, bevor wir Urteile fällen. Es ist allzu leicht und angenehm, zu sagen, die Nächsten seien an ihrem Schicksal selber schuld, denn dies entlastet uns von unserer Verantwortung und vom Teilen?

 

Echte Unterstützung statt moralische Imperative:

Es genügt nicht, uns zum Beispiel gegen Abtreibung und Kriminalität, für Ehe und Familie, für Eigenverantwortung usw. auszusprechen. Wir müssen auch unseren Teil der Verantwortung übernehmen und diese Postulate überhaupt ermöglichen bzw. die betroffenen Leute dahingehend unterstützen:

  • Abtreibung: Wie setzen wir uns ein, dass Leute in finanziellen oder personellen Notlagen nicht abtreiben müssen? Gibt es flächendeckend finanzielle Beihilfen, psychologische Unterstützung und Kinderkrippen? Oder werden solche nötigen Schritte wieder von der Angst abgewürgt, dass gewisse Frauen dies missbrauchen könnten, um vaterlos Kinder aufzuziehen?
  • Kriminalität: Wie setzen wir uns ein, damit die Ursachen von Kriminalität (grosse soziale Differenzen, Dauerberieselung mit Werbung und gleichzeitiger Chancen- und Aussichtslosigkeit für gewisse Schichten) angegangen werden und nicht nur einfach die « Bösen » ins Gefängnis kommen (und dann wieder alles gut sein soll)?
  • Ehe und Familie: Neben aller Freude sind Kinder kostspielig und stürzen Familien in finanzielle Notlagen, vor allem dann, wenn nicht beide Partner arbeiten können. Wie setzen wir uns ein, damit die Löhne genügen, damit Familie überhaupt möglich wird? Es genügt nicht, die Steuern für Familien zu senken, vor allem dann, wenn es so gemacht wird, dass die einkommensschwachen Familien praktisch nichts davon haben, wie es das Parlament nun vorsieht (siehe Artikel dazu auf ChristNetOnline). Wie setzen wir uns ein, wenn die Arbeits- und Ladenöffnungszeiten völlig dereguliert werden und Familien dadurch auseinander gerissen werden?
  • Eigenverantwortung: Was tun wir dazu, um echte Chancengleichheit herzustellen und die Arbeitslosen und Fürsorgeabhängigen zu stärken?

 

Für die Schweiz, aber nicht auf Kosten der anderen Länder und Menschen:

Es ist ja schön, dass wir uns vornehmen, für unser Land zu beten und zu sorgen. Verfallen wir aber nicht der Annahme, dass alles, was für unser Land gut ist, auch vor Gott gut ist. Allzu oft haben wir die Tendenz, Gründe zu finden, dass allgemein gut ist, was für unser Land gut ist. Dies gilt es zu hinterfragen. So müssen wir uns ehrlich Gedanken machen z.B. über das Bankengeheimnis, Waffenexporte und die Tendenz, über Ungerechtigkeiten zu schweigen, damit Wirtschaftsbeziehungen nicht gefährdet werden.

 

Eigeninteressen:

Wir haben die natürliche Tendenz, Theorien, die für uns angenehm sind, eher zu glauben als unangenehme. Wir müssen uns deshalb bewusst werden, welche Eigeninteressen hinter unseren Ansichten stecken könnten. Sind wir bereit, auch gegen unsere eigenen Interessen zu stimmen? Und gegen die Vorteile und Interessen unserer Gemeinde, unseres Kantons oder unseres Landes gegenüber dem Nachbarn (z.B. im « Kampf um reiche Steuerzahler »)?

Achten wir beim Wählen und Abstimmen auch darauf, welche Interessen (meist finanzieller Art) hinter welchen Positionen stehen.

 

Alles dem Mammon?

Scott Mac Leods Prophetie « Missionare der Barmherzigkeit » (siehe Artikel auf ChristNetOnline) trifft unseres Erachtens ins Schwarze. Wir opfern persönlich und politisch den Interessen des Mammon zu viel, ohne es zu merken: unsere Werte, unsere Familien, unsere Sonntage, unsere Liebe und Solidarität. Geben wir der Macht des Mammons noch mehr Raum? Wir sind aufgefordert, uns entscheiden, wem wir dienen wollen, dem Mammon oder Gott. Wir haben die Chance, als Volk und Kirche von Söldnern des Mammons zu Söldnern der Barmherzigkeit zu werden.

 

Wir stehen vor grossen Herausforderungen. Aber Gott hilft uns dabei.


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