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Die Abhandlung „Der entzauberte Markt“ des St. Galler Wirtschaftsethikers Peter Ulrich trifft den Nerv der Zeit. Es handelt sich nicht nur um „ein Bisschen mehr Ethik in der Wirtschaft“, sondern um die Frage, wer eigentlich heute unsere Werte und damit unsere Gesellschaft bestimmt. Insofern hat das Buch auf überraschende Weise mit unserem Glauben zu tun.

 

Anhand der eigentlich humanistischen Begriffe „Vernunft, Freiheit, Fortschritt“ zeichnet Peter Ulrich nach, wie das Primat der Wirtschaft das Primat der Gesellschaft verdrängt hat. Der Ökonomismus ist die stärkste Ideologie unserer Zeit geworden. Er gibt sich wertfrei, obwohl er gewisse Werte voraussetzt. Er glaubt, für das Wohl aller zu sorgen, obwohl immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. Wichtige Gründe dafür sind einerseits durch globale Konkurrenz geschaffene Sachzwänge, auf der anderen Seite der Glaube an die Metaphysik des Marktes. Dahinter steht nämlich der Glaube an Adam Smith’s „Unsichtbare Hand (Gottes)“ und die Wohltätigkeit des per Definition egoistischen „Homo oeconomicus“. Diese Grundlagen führen uns zu unserem eigenen Glauben zurück: An wen und was glauben wir? Welches Menschenbild haben wir?

 

Der Ökonomismus bestimmt heute unsere Werte. Das Weissbuch der Schweizer Wirtschaft forderte uns gar zu einer individuellen, fundamentalen Mentalitätsveränderung hin zu mehr Konkurrenz auf. Im Überlebenskampf des härter werdenden Wettbewerbs wird es für die Unternehmen und die Einzelnen aber immer schwerer, noch bestehende ethische und moralische Standards einzuhalten.

 

Hier stellt Ulrich die Frage, welche Werte und welche Gesellschaft wir eigentlich wollen. Er fordert, dass die Wirtschaft wieder an ihre ursprünglichen Platz innerhalb der Gesellschaft zurückkehren soll und dass die Gesellschaft, also die Gesamtheit der Bürger, auf demokratische Weise selber entscheiden muss, wie sie die Gesellschaft und das Zusammenleben gestalten will.

 

In diesem Sinne stellt Ulrich das Modell des „republikanischen Wirtschaftsethos“ vor, wo sich das Handeln nicht am Modell des Homo Oeconomicus, sondern an seiner Gesellschaftsverträglichkeit legitimiert. Dieser Ethos umfasst das individuelle, das unternehmerische und das politische Handeln. Als Hilfsmittel fordert er „Sachzwangbegrenzungen“, das heisst Regelwerke auf nationaler und internationaler Ebene, die es dem Einzelnen, den Unternehmen und den Staaten zumutbar machen, ethisch zu Handeln. Sicher ein wichtiger Ansatz, aber als Christen würden wir sagen, er ist notwendig, aber nicht hinreichend. Hier hätte ein christlicher Autor noch weitere Elemente zur Hand.

 

„Der entzauberte Markt“ ist eine wichtige, sorgfältige , wenn auch manchmal etwas akademiche Analyse der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und auch Glaube, und zeigt gleichzeitig gangbare Handlungswege auf.

 

Ulrich, Peter: „Der entzauberte Markt“; Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag, 2002. Gebunden, 222 Seiten. ISBN 3-451-27935-5

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Mit diesem Text möchte ich erklären, wie die liberalen Theorien den Menschen beschreiben. Gleichzeitig untersuche ich die Sicht der Bibel und vergleiche die beiden Ansätze miteinander.

1.    Der rationale und gewinnorientierte Mensch

Die liberalen Denker beschreiben den Menschen als Wesen, das rational handelt und auf dem Markt immer auf Gewinnsteigerung aus ist. Er strebt immer grössere Effizienz an, um das Verhältnis zwischen Aufwand1  und Ertrag2ständig zu verbessern. Sein Verhalten beruht demnach nicht auf vorgefassten Werten, sondern passt sich von Fall zu Fall den Mitteln an, die den grössten Ertrag versprechen.

Diesem Postulat des rationalen Menschen steht entgegen, dass das Verhalten der wirtschaftlichen Akteure auch durch andere Faktoren beeinflusst wird: soziokulturelle Werte, persönlicher Geschmack usw. Auch die Bibel äussert sich detaillierter zum Thema: Sie sieht im Menschen ein komplexeres Wesen als einen simplen und immer konsequentenhomo oeconomicus. Der Mensch ist sündig und vereint zwei gegensätzliche Willensausprägungen, wie das platonische Gleichnis des Pferdegespanns veranschaulicht: Mal will er das Gute tun, mal das Böse. Die Bibel nennt das den Kampf zwischen Fleisch und Geist. Der Mensch soll gegen das Fleisch kämpfen und es täglich ans Kreuz tragen; er soll seine Fehler einsehen und Busse tun. Diese Haltung ist dem neoliberalen Menschenbild völlig fremd. Anders gesagt: Wir sind berufen, vorsichtig und selbstkritisch zu bleiben. Für uns Christen, die vom Heiligen Geist erneuert sind3, sollten geistliche Anliegen vor dem fleischlichen Materialismus Vorrang haben. Darum ist das liberale Menschenbild vereinfachend, monokausal oder gar utopisch, da es die Funktionsstörungen und Fehlverhalten des Menschen nicht in Betracht zieht.

Gleichzeitig widerspiegelt es eine zu pessimistische Sicht des Menschen, der sich vom Gewinn treiben lasse, ohne sich um andere Fragen zu kümmern. Gewiss ist der Mensch Sünder und egoistisch, doch hindert ihn das keineswegs daran, sich für soziale Hilfswerke zu engagieren, Mönch zu werden oder eine nichtgewinnorientierte Tätigkeit anzunehmen (Krankenpflege, Sozialarbeit, Pfarramt, Gewerkschaft usw.). Noch gefährlicher ist der Ansatz von Friedmann, der behauptet, die Gewinnsteigerung sei ein moralischer Wert für sich. Dies zeigt, dass die Theorie des Neoliberalismus’ über ihren Anspruch als Wissenschaft hinausgeht, denn wir treten hier in den Bereich der Ethik und Theologie ein. Sollte dieser Ansatz auf andere Bereiche ausgedehnt werden, könnten seine totalitären Ansprüche nicht weiter verborgen werden. Die Frage stellt sich dabei, wie ein solches Ideal in den öffentlichen Diensten umgesetzt werden kann. Wer wünscht sich denn einen Staat, in dem die Beamten lieber der Steigerung ihres Gewinns nachgehen, als dass sie das Gesetz anwenden?

Weitere Punkte kommen hinzu: Erstens beinhaltet der Gewinn zwei verschiedene Konzepte: Er kann einerseits einfach das sein, was übrigbleibt, wenn man den Verlust vom Ertrag abzieht. Er kann sich aber auch auf den Mehrgewinnbeziehen, der sich aus dem Vergleich des Gewinns eines Wirtschaftssubjekts mit dem relativ kleineren Gewinn der übrigen Marktteilnehmer ergibt. Man spricht beispielsweise von Mehrgewinn, wenn ein Unternehmen mehr als 20% Gewinn erzielt, während sich der marktübliche Gewinn auf unter 10% beläuft.

Zweitens war während der Industrialisierung die Gewinnsteigerung nicht immer das einzige Ziel der Unternehmer. Oft wurden die Gewinne zu ideologischen und politischen Zwecken verwendet. So hat der Erfolg insbesondere Henry Ford und Frederick Winslow Taylor dazu gebracht, sich besser um ihre Mitarbeiter zu kümmern und ihnen Weiterbildung, Wohnraum und „Erziehung zu guten Sitten“4 anzubieten. Oft widersprachen diese von nicht-geldlichen Zielen motivierten Massnahmen dem Gedanken der Gewinnsteigerung diametral. Übrigens beinhaltet diese Haltung das Konzept der Langfristigkeit in der Unternehmensführung.

Das Wirtschaftssubjekt versucht also nicht nur, seinen Gewinn zu steigern, sondern orientiert sich auch an seinen Werten und Ideologien. Dadurch wird die Fragestellung eindeutig auf die ethische und geistliche Ebene ausgedehnt. Dies gilt insbesondere für die Frage der Langfristigkeit und der Stabilität im Wirtschaftsbereich. Der christliche Mensch sollte darum geistliche und humanistische Werte vor materialistische und egoistische Überlegungen stellen. Er sollte sich vom Heiligen Geist leiten lassen und nicht von seinen materiellen Bedürfnissen und das Geldausgeben zur ethischen Frage machen.

2.    Der selbständige und autonome Mensch

Eine zweite Behauptung der liberalen Theorie lautet, der Mensch sei im Umgang mit seiner Existenz unabhängig und auf sich gestellt, er sei von niemand abhängig. Der Gedanke der Autonomie findet sich in der liberalen Definition von Solidarität wieder. Demnach empfängt der bedürftige Mensch seine Hilfe zuerst von der Familie, dann von Bekannten und schliesslich von der Dorfgemeinschaft. Der Staat soll dabei erst als letzte Instanz einspringen. So haben wir es mit einer Gruppe isolierter Einzelpersonen zu tun, deren soziale Bindung sehr schwach ist; als ob diese Bindung zweitrangig oder sogar schlecht wäre. Auch wenn diese Sicht von Solidarität auf den ersten Blick durchaus akzeptabel und legitim erscheinen mag, ist die verborgene Botschaft in Tat und Wahrheit die Ablehnung von allem, was kollektiv ist, wie z.B. dem Gemeinwohl oder dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Warum sonst sollte die Definition der Gesellschaft ausschliesslich beim Einzelnen ansetzen? Ist es tatsächlich möglich, eine Gesellschaft zu bauen, indem Individuen mit begrenzten und zufälligen Beziehungen angehäuft werden? Wo bleiben da die augenfälligen kollektiven Phänomene (Mode, Schaffung einer kollektiven Identität, in der sich das Ich über das Wir definiert usw.)? Diese Sicht verrät die Illusion, wonach sich jeder Mensch selber genügt, ohne auf Gott angewiesen zu sein. Das erinnert an Nietzsches Utopie des stolzen „Übermenschen“, der sich jeglicher „moralischer Fessel“ entledigt hat.

Dem gegenüber stellt die Bibel den Menschen in ein kollektives Umfeld, auch wenn sie den persönlichen Aspekt des Einzelnen5 respektiert und sogar verteidigt. Der Mensch lebt vor allem in der Beziehung zu Gott6 und den Menschen. So ist der Christ berufen, in der Kirche7, dem Leib Christi, freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Die Kirche ist dabei nicht uniform, sondern durch die Bindung der Liebe und Solidarität zusammenhängend und geeint8. Gott hat demnach den Menschen nicht geschaffen, damit er allein und isoliert sei (und um diesen Zustand zu verherrlichen), sondern im Gegenteil, damit er mit Gott und den Menschen Beziehung pflege. Das atomistische Weltbild9 der Liberalen entspricht also weder der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch dem biblischen Weltbild.

3.    Der Mensch als Zentrum der Welt

Weiterhin behaupten die Liberalen, der Mensch stehe im Zentrum der Welt und beherrsche die Schöpfung souverän. Sein Verhalten unterstehe seinem freien und unabhängigen Willen. Gewiss hat Gott dem Menschen bei der Schöpfung aufgetragen, den Tieren im Garten Eden einen Namen zu geben10 und über sie zu herrschen11. Doch diese Herrschaft entspricht nicht automatisch einer Menschenzentriertheit, denn die Bibel verlangt gleichzeitig Verantwortung gegenüber Gott. Die Menschenzentriertheit des Liberalismus vernachlässigt die Sünde des Menschen. Die Bibel sagt klar, dass auch der Mensch geistlichen12, moralischen und physikalischen Realitäten und Grenzen unterworfen ist. Die Anerkennung dieser Grenzen seiner Bewegungsfreiheit sollte ihn demütig machen, gerade im Umgang mit der Schöpfung.

Im Gegensatz zur liberalen Behauptung steht der Mensch also nicht im Zentrum der Schöpfung. Er leidet an seiner sündigen Natur, er lebt in der Abhängigkeit von seiner Umwelt und seinen Mitmenschen. Das Postulat der Menschenzentriertheit erscheint zwar in mancher Hinsicht optimistisch, es scheint die Würde des Einzelnen zu fördern, gleichzeitig widerspiegelt es aber den Stolz des Menschen seiner Umwelt gegenüber. Die Bibel erinnert uns daran, dass Hochmut oft vor dem Fall kommt.13

4.    Der eigenverantwortliche Mensch

Schliesslich wird behauptet, der Mensch sei durchaus fähig, sich um sich selber zu kümmern. Dieses Postulat der Eigenverantwortung wird oft benutzt, um staatliche Sozialleistungen zu kürzen, weil sie, so die Argumentation, unnütz seien und den Bezüger vom Staat abhängig machten. Hinter diesem Gedanken finden wir wieder das Bild des selbständigen und idealen Menschen. Dabei sagt die Bibel ganz klar, dass wir unserer sündigen Natur14 unterworfen sind, die uns zu verantwortungslosem Verhalten treibt: Autofahren unter Alkoholeinfluss oder Rauchen trotz Krebsrisiko. Welch schöne Beispiele von Eigenverantwortung! Um dieser Natur zu widerstehen sind wir auf die Erneuerung durch den Heiligen Geist angewiesen.

Ausserdem ist das Konzept der Eigenverantwortung zu kritisieren, weil es zu verstehen gibt, dass es überflüssig ist, dem Nächsten zu helfen – oder sich helfen zu lassen. Ein schwerer Schlag für die Solidarität. Und das obwohl das Neue Testament vom Amt der Diakonie spricht, womit unter anderem die Sorge für die Schwächsten der Gesellschaft, wie z.B. Kranke, Witwen und Waisen, gemeint ist. Mit dem neoliberalen Bild wird uns ein Mensch angepriesen, der wild ist und kurzfristig und fatalistisch denkt, da ja die Marktmechanismen ohnehin die Wirtschaft bestimmen… Dabei geht vergessen, dass ja auch der Wirtschaftslauf immer von menschlichen Entscheiden bestimmt wird, sei das auf Gesetzes-, geldpolitischer oder Unternehmensebene.

Wenn wir in unseren Betrachtungen noch etwas weiter gehen, fällt auf, dass das liberale Menschenbild so etwas wie ein „inneres Loch“ voraussetzt. Der Mensch ist ja so frei, er trägt in sich eine „heilige Kammer“, auf die die Gemeinschaft, das kulturelle Umfeld und andere Instanzen keinen Zugriff haben. Da dies als normal und rechtmässig angesehen wird, kann fast Alles aus dieser „Black Box“ kommen. Dies kann äusserst gefährlich sein, da hier keine moralischen Massstäbe gelten. Natürlich widerspricht das jeglicher Wirklichkeit, hat doch jeder Mensch seine eigene Geschichte und Persönlichkeit und ist von seinem Umfeld geprägt. Eine andere Gefahr dieses Menschenbildes liegt darin, dass die Menschen sehr uniform beschrieben werden. Das weckt Erinnerungen an totalitäre Regimes wie unter Stalin oder Hitler, wo der Einzelne ohne Unterschied in einer rassischen oder klassenbedingten Masse aufging. Beim Liberalismus geht er eher im Markt auf, auf dem er mit gleicher Vernunft, gleicher Autonomie, gleicher Eigenverantwortung usw. tätig ist.

In der Bibel lesen wir aber, dass der Mensch nicht leer und uniform geschaffen ist. Gott unterhält mit jedem von ihm geschaffenen Menschen eine ganz besondere Beziehung, da jeder Mensch einzigartig ist. Gleichzeitig ist Gott immer um Gerechtigkeit und Gleichbehandlung besorgt, denn „Gott schaut nicht die Person an“15. Die biblische Sicht übertrifft demnach die liberale Theorie an Komplexität, und das trotz der angeblichen Wissenschaftlichkeit des Liberalismus’. Der Mensch der Bibel kommt der alltäglichen Wirklichkeit viel näher, da die Bibel mit allen Aspekten des menschlichen Weltbildes und Verhaltens, aber auch mit seiner Verstiegenheit und Widersprüchlichkeit rechnet.

Thomas Tichy, Politologe, 2004

Übersetzung: Samuel Ninck

 


1. …oder erwartete Kosten…

2. …oder erstrebtem Gewinn…

3.  von neuem geboren: Titus 3,5-7.

4. Paternalismus.

5. So beruft uns Jesus, eine persönliche Beziehung mit Gott zu unterhalten. Matthäus 6,5-6.

6. Leider beeinträchtigt die Sünde diese Beziehung. Bezug herstellen zum Konzept des Bundes im Alten und Neuen Testament.

7. Die Rede ist hier nicht von der Kirche als Institution oder Organisation, sondern von der „weltweiten Kirche“, d.h. der Christen, die frei sind, sich zu organisieren wie sie wollen, mit oder ohne Hierarchie.

8. „Wenn ein Glied leidet… (1. Korinther 12) Wir können nicht über Solidarität sprechen, ohne die Solidarität der Urkirche zu erwähnen, in der die Güter zusammengelegt wurden. Dies hat keinen zwingenden Charakter, sondern zeigt beispielhaft, dass sich der Mensch andere Verhalten haben kann als den Egoismus, den der Neoliberalismus nahe legt.

9. In diesem Zusammenhang werden mir gewisse Liberale dankbar sein, dass ich nicht Tocqueville erwähnt habe. Dieser Autor beschreibt die amerikanische Gesellschaft und weist auf die wichtige Rolle hin, die die Bürgervereinigungen dort am Anfang des 19. Jahrhunderts gespielt haben.

Dem ist entgegen zu halten, dass nicht alle Liberalen Schüler von Tocqueville sind und dass die Bürgervereinigungen (Bürgerbewegung) doch immer im übermächtigen Schatten des Einzelnen stehen. Es gibt keine Garantie dafür, dass der Einzelne den Entschluss fasst, auf die Anderen zuzugehen und sich mit ihnen zusammen zu schliessen. Im Gegenteil kann er sich ohne Weiteres für ein einsames und zurückgezogenes Leben entscheiden, da das Grundpostulat, dass er frei ist, weiterhin gilt..

10. 1. Mose 2,19-20. Römer 7,14-19.

11. 1. Mose 1,26.28-30.

12. Galater 5,17.

13. Sprüche 16,18.

14. Römer 7,14-19.

15.  z.B. Kolosser 3,25.

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In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Debatte auf die Entwicklung unserer Gesellschaft konzentriert. Welches Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell wollen wir fördern? Das G8-Treffen gibt uns die Gelegenheit, unsere Kritikpunkte kurz zu skizzieren und einige Ideen zu dem Gesellschaftsmodell zu entwickeln, das uns vorschwebt.

Wir stellen fest, dass in unserer Gesellschaft Entscheidungen oft von wirtschaftlichen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls diktiert werden. Der Individualismus hat die Solidarität auf fast nichts reduziert, und die aufeinanderfolgenden Liberalisierungswellen verleihen reichen Einzelpersonen, multinationalen Konzernen und internationalen Währungsinstitutionen, die de facto die Herrschaft über die Staaten ausüben, eine unverhältnismäßige Macht.

Fehlende demokratische Kontrolle

Die Verhandlungen innerhalb der G8 und der großen Finanzinstitutionen (WTO, IWF und Weltbank) werden hinter verschlossenen Türen geführt, was die Entscheidungen verschleiert. Es gibt keine öffentliche Konsultation, keine demokratische Kontrolle. Die Verlierer sind die armen Länder und Bürger, deren Bürgerrechte auf diese Weise eingeschränkt werden. Besorgniserregend ist, dass sogar die Schweizer Delegation bei der WTO über das GATS (General Agreement on Trade in [Public] Services) und die Privatisierung von Wasser verhandelt, ohne ein Mandat des Schweizer Volkes zu haben. Die UNO, ein demokratisches Gremium auf supranationaler Ebene, wird ins Abseits gestellt.

Für mehr soziale Gerechtigkeit!

Die uns auferlegten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme fördern den Individualismus und verweigern Solidarität und Chancengleichheit. So schaffen wir Gesellschaften, in denen der Stärkste regiert, um sein persönliches Vermögen zu sichern. Der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, Errungenschaften, die unter anderem den Reichtum der Schweiz und der westlichen Demokratien ausmachen, sind gefährdet.

Angesichts dieser Missstände setzen wir uns für eine Gesellschaft der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit ein. Wir kritisieren scharf diesen Diskurs, der besagt, dass jeder Einzelne durch reine Willenskraft alles erreichen kann. Nicht alles ist eine Frage des Willens, sondern hängt von den Mitteln ab, die einem zur Verfügung stehen. Wir plädieren für Verantwortung auf individueller Ebene, die aber die staatlich organisierte Solidarität nicht ersetzen kann. Wir wollen eine Gesellschaft, in der das Geld wieder seinen rechtmäßigen Platz als Mittel und nicht als Zweck des Wirtschaftens einnimmt und in der die demokratische Kontrolle wirksam ist. Zum Beispiel muss es eine Obergrenze für die zulässige Investition von Geld in demokratische Abstimmungen und Wahlen geben, denn es besteht eine reale Gefahr der Manipulation durch finanziell stark unterstützte Kampagnen. Ebenso beobachten wir mit Sorge die Lobbyarbeit von Wirtschaftskreisen in den Vorzimmern internationaler Institutionen und in Parlamentssälen.

Für eine Wirtschaft im Dienste des Menschen

Wir setzen uns für demokratische, starke und unabhängige Medien ein, da immer mehr Medien durch Werbekunden zensiert werden oder sogar im Besitz von Wirtschaftskonzernen sind. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die Debatte über die Auswüchse unserer Demokratien neu zu beleben und mutige Reformen in Angriff zu nehmen. Durch eine engagierte Zivilgesellschaft müssen wir die Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen fördern.

Das derzeitige Wirtschaftssystem konzentriert immer mehr Reichtum in einigen wenigen Unternehmen unter dem Druck der Aktionäre, die immer höhere Gewinne verlangen. Dies geschieht auf Kosten der Mitarbeiter, was bei den einen zu Entlassungen und bei den anderen zu mehr Druck und Stress führt. Das Streben nach wirtschaftlichem Wachstum auf Kosten der Gesellschaft und der Grundwerte der Menschenwürde ist nicht länger akzeptabel. Wir fordern daher unsere Regierung auf, eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik zum Wohle der Mehrheit zu betreiben. Sind wir bereit, Maßnahmen zu akzeptieren, die uns teuer zu stehen kommen können?

Für einen Sinneswandel

Demokratisierung ist eine notwendige Bedingung für eine gerechte Gesellschaft, aber ohne ein Herz für den Nächsten wird die Demokratie nicht ausreichen. Wir müssen von unserer Angst vor Mangel befreit werden, sei es wirtschaftlich oder persönlich. Dies erfordert ein Bewusstsein und Regeln, die ethisches Verhalten auf allen Ebenen fördern.

Markus Meury/Silvia Hyka, Mai 2003

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CHRONIK EINER PSEUDO-DEMO

Kulisse: Die Festung des Weltwirtschaftsforums (WEF) steht einmal mehr unter dem Höchstschutz von Polizei, Militärpolizei und Armee mit dem Auftrag, mit Autodurchsuchungen, Identitätskontrollen usw. die „guten“ von den „bösen“ Demonstranten zu trennen.

1. Akt: Die Spannung steigt:

11.00 Uhr: Unsere sieben „Terroristen“ besammeln sich in Thusis (GR). Nach einem kurzen Fototermin für das Familienalbum ? mit Transparenten, die könnten unterwegs ja konfisziert werden ? wagen wir den Ansturm auf Davos.

11.30 Uhr: Erste Polizeikontrolle. Angespannt, aber korrekt untersuchen die Beamten unser „Arsenal“ im Kofferraum. Wenigstens werden meine Krücken nicht beschlagnahmt, uff! Journalisten schiessen die ersten Bilder und figurieren als eine Art Beobachter.

11.45 Uhr: Zweite Polizeikontrolle. Sind wir eigentlich im Kino? Unsere Autos werden von vier bis zu den Zähnen gepanzerten Rambos umstellt, die uns am Aussteigen hindern. Wir befinden uns direkt an einem Tunneleingang und sind von einem ganzen Regiment umzingelt (für dieses Mal ohne Beobachter). Die Rauchgranaten sind einsatzbereit. Kofferraumkontrolle zum Zweiten. Identitätskontrolle via Hauptquartier. Unsere Leumunde scheinen (bis dahin?) leer gewesen zu sein, und eine Viertelstunde später sind wir wieder unterwegs ? immer noch mit Krücken, uff zum Zweiten! Auf wann die dritte Kontrolle? (Andere hatten dieses Privileg…)

12.30 Uhr: Nach einer friedlichen Reise ? vor uns ein Polizeiauto und fünf Busse (nicht von der Polizei, aber sie passten gut ins Bild), über uns ein oder zwei Helikopter ? erreichen wir Davos wohlbehalten. Die Polizei ist überall, das Dorf ist ausgestorben.

13.00 Uhr: Wir essen in einem der wenigen offenen Restaurants. (Sogar die Tankstellen sind geschlossen, weil die Demonstranten ja Feuer legen könnten…)

14.00 Uhr: Wir brechen auf und suchen andere Demonstranten. Doch wo sind sie? Jemand schickt uns auf einen 30minütigen Fussmarsch. Endlich treffen wir auf 3 oder 4 Mitdemonstranten. Wir entrollen unsere Transparente und machen einen Privatumzug.

14.30 Uhr: Endlich treffen wir auf einem Platz eine bunt zusammen gewürfelte Masse von etwa 1000 Demonstranten, die schon seit einer Weile dort warten ? die Demonstration war auf 13.30 angesetzt. Gewerkschafter, Anarchisten, Zapatisten, Pazifisten, Private und viele viele Journalisten. Das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren, Stil eher alternativ.

15.30 Uhr: Nach einigen Interviews und Begegnungen, ergreifen verschiedene Redner das Wort. Wir erfahren, dass in Landquart etwa 4000 Demonstranten blockiert sind und den Kontrollzirkus ablehnen. Einige Überdrüssige haben Schaden angerichtet. Die Spannung steigt. Wir warten. Später wird durchgegeben, man habe zu einer Einigung gefunden, die Kontrollen würden im Zug stattfinden. Landquart ist offen! Doch nicht lange, denn kaum sind die Demonstranten im Zug, sollen sie doch wieder einzeln kontrolliert werden!

Hurra, ein Zug kommt an! Doch leider ist er leer. Die Spannung steigt weiter. Man sagt uns schliesslich, es komme niemand hoch. Es wird entschieden, dass wir auf unser Recht auf Demonstration verzichten und aus Solidarität nach Landquart hinunterfahren. Die Polizei könnte sich so unversehens in ihren eigenen Spielchen gefangen wiederfinden (im Sandwich zwischen zwei Demonstrationen). Die Spannung steigt weiter, und wir ermutigen die Organisatoren, zu Gewaltlosigkeit aufzurufen.

2. Akt: Wer hat was von demonstrieren gesagt?

16.00 Uhr: Endlich setzt sich der Umzug in Bewegung! Wir strecken unsere Transparente in die Höhe: „Ihr wollt die Welt beherrschen? Die Welt sagt WIDERSTAND!“, „Anti-internationale Solidarität“, „Löscht das Forum aus!“. Ein riesiges Goldenes Kalb wird durch die Menge getragen und von Affenpolitikern (Busch & Co.) mit Dollars beregnet. Wir schaffen es doch noch, vor dem Forums-Fort durchzuziehen. Schneebälle fliegen. Als einzige Zuschauer schauen fast nur die Berge. Die Bewilligung für die Demonstration wird vor dem Rathaus verbrannt, um die inakzeptablen Demonstrationsbedingungen anzuprangern.

17.00 Uhr: Schliesslich löst sich die Demo auf. Keiner weiss wieso. Wir gehen nicht nach Landquart. Alles fährt nach Hause. Wie wir hören, sind die sowieso schon gegangen. Die Polizei hat uns effizient auseinander gehalten, die Demonstration verzögert und sogar verhindert.

3. Akt: Die Zeitbombe:

23.00 Uhr: In einem Kloster bei Chur schauen wir die Nachrichten am Fernsehen: Die Demonstranten von Landquart haben nach Zürich umgeschwenkt, doch die Polizei ist da. Einige sind bis nach Bern weitergefahren, wo sich extreme Anarchisten (?) Strassenschlachten mit der Polizei liefern und Schaufenster einschlagen.

Bilanz:

Unser Einsatz hat dazu beigetragen, einen äusseren Druck auf das aktuelle Wirtschaftssystem auszuüben (auch wenn eine weitere Mobilisation der Bevölkerung nötig ist). Diesem äusseren Druck muss ein innerer, politischer Druck folgen, sollen fundamentale Veränderungen eintreten. Wir konnten ChristNet (und seine Forderungen in Davos) etwas bekannter machen und Kontakte knüpfen.

Wir sind überzeugt, dass die Gewalt kein Mittel für diesen Kampf ist. Im Gegenteil: Sie schadet der Glaubwürdigkeit und dominiert die Medienberichterstattung auf Kosten der echten Probleme.

Also auf nächstes Jahr? Vielleicht können wir dann an einer Demonstration teilnehmen, die diesen Namen verdient. Und noch friedlicher!

Epilog: Die Desinformation der meisten Medien:

Montag, 27.01.03, ich öffne meine Tageszeitung. „Le Matin“ titelt: „Tausend Demonstranten gegen 400 Polizisten“. Ein total unklarer Titel, da er dem Durchschnittsleser suggeriert, 1000 Demonstranten hätten Schaden angerichtet. Der nachfolgende Artikel ist nicht klarer. Ähnlich tönt?s in der Lausanner Zeitung „24 Heures“.

Doch in der Genfer Zeitung „Le Courrier“ (die ich Euch für ihre Unabhängigkeit und kritische Haltung der Globalisierung gegenüber empfehle) heisst es: „… mehrere Dutzend Vermummter haben Schaufenster der umliegenden Banken und Hotels eingeschlagen“. Die Polizei habe unverzüglich angegriffen, als ein Demonstrant eine Rakete losgelassen habe. Ausserdem habe die Polizei mit Gummigeschossen auf einen Zug geschossen, der Landquart verlassen hat, und einen Demonstranten verletzt! Auf der selben Seite ist sogar die Rede von ChristNet! Sag mir, was du liest, und ich sage dir, auf welcher Seite der Globalisierung du stehst…

Vincent Léchaire, 31.01.03, übersetzt von Samuel Ninck

ChristNet geht nach Davos!

Am 25. Januar findet die grosse Demo anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos statt. ChristNet geht mit einer kleinen Gruppe dort hin. Warum denn das??

Wir haben das Gefühl, dass die Spielregeln der Globalisierung heute hauptsächlich von den Interessen der reichen Länder und der grossen Konzerne beherrscht werden, und dass der Mammon mehr und mehr regiert. Dass dies nicht gut gehen kann, ist klar. Was ist aber, wenn die Menschen in fünfzig Jahren fragen werden, wo denn die Christen gewesen sind, als all dies geschehen ist? Werden sie sagen müssen, dass die Christen genauso dem Mammon alle Macht gegeben haben? Sollen die Menschen sagen, die Christen sind ja nicht besser gewesen, und darum unseren Gott ablehnen? Wir wollen der Welt zeigen, dass den Christen die heutigen Vorgänge nicht egal sind, sondern dass wir menschenwürdige und demokratische Spielregeln in der Globalisierung wollen.

Ist eine Demo der richtige Ort? Nicht nur, aber auch. ChristNet setzt sich in vielerlei Art ein. Aber auch da, wo engagierte Menschen zusammenfinden, wollen wir uns zeigen.

Aber sollen wir mit diesen Gewalttätern mitziehen? Nein, wir wollen bewusst dort dafür beten und mithelfen, dass diese Demo friedlich abläuft. Wir möchten uns dabei auch Pfarrer Ueli Wildberger anschliessen, um entspannungsfördernde Aktivitäten mitzutragen (Lieder singen etc.). Es ist für die Sache unheimlich wichtig, dass die Demo friedlich abläuft .

Und was haben wir sonst dort zu bieten? Das Gebet! Denn wir kämpfen nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit Mächten und Gewalten in der geistlichen Welt. Dies ist unser spezifischer Beitrag, und ohne Gott können wir nichts tun. Veränderung der Spielregeln der Globalisierung ist nur möglich durch Veränderung der Herzen weg vom Mammon, hin zu Gott. Wir werden uns auch schon am Freitagabend treffen, um Zeit fürs Gebet zu haben.

An der Demo tragen wir Plakate und Transparente mit, die wir selber anfertigen. Unsere Slogans:

– Make mercy, not money

– Mein Gott heisst nicht Markt

– L?homme ? crée à l?image de Mammon?

Wir wollen auf unserem Weg nach Davos auch Flugblätter verteilen, wo wir unsere Visionen, Vorschläge und Forderungen dem Publikum näherbringen, denn ohne Kommunikation und Erklärung nützt der Gang an die Öffentlichkeit nichts.

Unsere Gedanken zum Thema Globalisierung (und Unterthema Wasserprivatisierung) können in entsprechenden Artikeln auf dieser Website nachgelesen werden.

Bitte tragt unsere Teilnahme in Davos im Gebet mit! Wir bitten Gott vor allem um Bewahrung, aber auch darum, dass er alle Herzen beruhige, damit die Demo friedlich bleibe. Bitten wir Gott auch darum, dass viele Menschen berührt werden, speziell die Teilnehmer am Forum, damit sie sich von der Liebe für die Armen leiten lassen und nicht von Marktgesetzen!

Markus Meury, ChristNet

Flugblatt: Schon wieder diese Chaoten!

… oder: Warum wir nach Davos gehen

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos zieht neben hunderten von Wirtschaftsführern und Politikern jedes Mal viele mehr oder minder friedliche Demonstranten an. Sie werden Globalisierungsgegner genannt, zutreffender wäre aber Globalisierungskritiker, denn die Globalisierung selber ist nicht aufzuhalten. Entscheidend sind aber die Regeln der Globalisierung. Wer bestimmt: die Macht des Geldes, der grossen Konzerne, der reichen Länder? Oder die Menschen, die betroffen sind, nach demokratischen Regeln? Denn in der Welthandelsorganisation (WTO) werden im Moment Weltwirtschaftsregeln ausgehandelt, wo die demokratisch gewählten Regierungen und die Bevölkerungen zu weiten Bereichen wie Gesundheitswesen, Schulen, Eisenbahn und Grundversorgung wie Wasser, Strom und so weiter nichts mehr zu sagen haben. Mit dem Argument, dass der Wettbewerb nicht behindert werden darf, muss die öffentliche Versorgung den internationalen Konzernen geöffnet werden und wir dürften nicht einmal mehr Regeln aufstellen, welche Mindestleistungen sie zu erbringen hätten oder welche Preise sie höchstens verlangen dürften. Wir sind also alle betroffen von dem, was auch am WEF zwischen den Politikern und Wirtschaftsführern besprochen wird. AUCH SIE SIND BETROFFEN!

Wir wollen auf friedlichem Wege Druck auf die Regierungen und Wirtschaftsführer machen, damit die Globalisierung FüR und nicht GEGEN die Menschen geschieht. Wir verurteilen schärfstens jegliche Gewalt, denn diese schadet nicht nur den davon betroffenen Menschen, sondern auch der Bewegung selber. Wir werden versuchen, an der Demo selber zur Gewaltfreiheit beizutragen, aber vielleicht lassen sich nicht alle Chaoten davon abbringen.

Wir sind eine christliche Organisation Namens ChristNet. Wir handeln aus unserem Glauben heraus, weil wir sehen, dass Jesus die Liebe zu den Menschen gepredigt hat und in der aktuellen Form der Globalisierung die Menschen unter die Räder kommen. Für weitere Informationen können Sie die Website www.christnetonline.ch konsultieren.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Tag!

Unsere Forderungen:

Forderung an unseren neuen Wirtschaftsminister Deiss, die Interessen der Ärmsten der Welt statt der Interessen der Multinationalen Konzerne in der Welthandelsorganisation (WTO), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zu vertreten
Stop der Verhandlung im WTO über die Totalliberalisierung und Privatisierung des Servic Public: Wir haben unserer Regierung kein Mandat dazu gegeben!
Mehr Mitsprache für die Entwicklungsländer im WTO, die heute kein Geld haben, sich genügend mit den Themen auseinanderzusetzen
Demokratisierung des IWF und der Weltbank, die im Moment alleine von den Industrieländern beherrscht werden
Öffentliche Diskussion und demokratische Mitsprache der Bevölkerung zur Politik des IWF, der Weltbank und des WTO
Ende der Austeritätspolitik des IWF, der ganze Völker in die Not treibt
Stop der Wasserprivatisierung: in Entwicklungsländern wird auf Druck und Zwang des IWF und der Weltbank in vielen Ländern die Wasserversorgung privatisiert. Inzwischen sind Millionen von Armen von der Wasserversorgung ausgeschlossen, weil die privatien Konzerne die Preise für das Wasser in unbezahlbare Höhen getrieben haben! Täglich sterben Tausende von Kindern, weil sie an Krankheiten sterben, die die Ursache in unsauberem Wasser haben.
Garantierter Zugang auch der Ärmsten zu Wasser, Bildung und Gesundheit!

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Warum wir nach Genf kommen

Der G8-Gipfel zieht neben den 8 mächtigsten Politikern der Welt viele mehr oder minder friedliche Demonstranten an. Sie werden Globalisierungsgegner genannt, zutreffender wäre aber Globalisierungskritiker, denn die Globalisierung selber ist nicht aufzuhalten. Entscheidend sind aber die Regeln der Globalisierung.

Wer bestimmt? Die Macht des Geldes, der grossen Konzerne, der reichen Länder? Oder die Menschen, die betroffen sind, nach demokratischen Regeln?

In der Welthandelsorganisation (WTO) werden im Moment Weltwirtschaftsregeln ausgehandelt, wo die demokratisch gewählten Regierungen und die Bevölkerungen zu weiten Bereichen wie Gesundheitswesen, Schulen, Eisenbahn und Grundversorgung wie Wasser, Strom und so weiter nichts mehr zu sagen haben.

Mit dem Argument, dass der Wettbewerb nicht behindert werden darf, muss die öffentliche Versorgung den internationalen Konzernen geöffnet werden und wir dürften nicht einmal mehr Regeln aufstellen, welche Mindestleistungen sie zu erbringen hätten oder welche Preise sie höchstens verlangen dürften.

Wir sind also alle betroffen von dem, was in Evian zwischen den Mächtigen dieser Welt besprochen wird.

AUCH SIE SIND BETROFFEN!

(Seiten 2 und 3)

G8 ? Gegen die globalisierte Gewalt
Warum gegen den G8?

Seit 1975 spielt der G8 eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung des IWF, der Weltbank und der WTO. Dabei wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne jegliche Transparenz verhandelt.

Die dabei getroffenen Entscheide sind sogenannte ?Gentlemen’s Agreements?, d.h. persönliche Verpflichtungen der Staatschefs ohne jegliche parlamentarische Kontrolle.

Dabei werden vor allem die Interessen der multinationalen Unternehmungen und der durch die 8 vertretenen Industriestaaten berücksichtigt.

Die Forderungen des G8 sind oft ideologisch und gehen in Richtung Liberalisierung und Privatisierung. Dadurch wird das Recht des Stärkeren und die Geldlogik immer stärker verankert und universell gemacht.

Wir sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die auf der Unterdrückung der Schwächsten und der Ärmsten beruht, der Bestimmung des Menschen nicht gerecht wird. Darum setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, deren Werte auf Solidarität, Miteinander und Gerechtigkeit beruhen.

Was wir ändern wollen
Allmacht der Wirtschaft
Die Logik des Geldes macht uns kaputt! Die ewige Dynamik von Konkurrenz, Wachstum und Effizienz erschöpft die natürlichen Rohstoffe, zerstört die Umwelt, macht den Menschen zum Wolf für den Menschen und drängt immer mehr Menschen und ganze Völker an den Rand.

· Für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und der Multis!

Demokratie und Transparenz
· Stop der Verhandlungen im G8 und in der WTO über die Totalliberalisierung und Privatisierung des Service Public: Wir haben unseren Regierungen kein Mandat dazu gegeben!

· Mehr Mitsprache für die Entwicklungsländer am G8 und in der WTO, die heute kein Geld haben, sich genügend mit den Themen auseinander zu setzen.

· Demokratisierung des IWF und der Weltbank, die im Moment alleine von den Industrieländern beherrscht werden.

· Öffentliche Diskussion und demokratische Mitsprache der Bevölkerung zur Politik des G8, des IWF, der Weltbank und der WTO.

Terrorismus und Krieg im Irak
Die tieferen Gründe für Fundamentalismus und Terrorismus liegen oft in den ungerechten Verhältnissen zwischen Nord und Süd und in der Ohnmacht der Menschen angesichts imperialistischer Tendenzen des Westens.

Die Bombardierung ganzer Völker mit dem Vorwand, gegen den Terrorismus zu kämpfen, nähren diese Gefühle und können Gruppierungen von Fundamentalisten und Terroristen künftig sogar Aufwind geben.

· Zuerst muss die Ungerechtigkeit benannt und bekämpft werden!

Trotz des ?Endes der Kämpfe?, das von den USA und Grossbritannien erklärt wurde, sind diese Länder auch weiterhin völkerrechtlich in einen illegalen Angriffskrieg verwickelt. Darum fordern wir, dass

· jegliche Verhandlung mit den USA und Grossbritannien, die sich nicht mit dem Krieg im Irak befasst, aufgegeben wird;

· der Wiederaufbau im Irak unter der Oberaufsicht der UNO erfolgt, damit er demokratisch und vom irakischen Volk bestimmt verläuft und nicht wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der Grossmächte dient.

Politik des G8, FMI, der Weltbank und der WTO
· Ende der Austeritätspolitik des IWF, der ganze Völker in die Not treibt.

· Stop der Wasserprivatisierung: in Entwicklungsländern wird auf Druck und Zwang des IWF und der Weltbank in vielen Ländern die Wasserversorgung privatisiert. Inzwischen sind Millionen von Armen von der Wasserversorgung ausgeschlossen, weil die privatien Konzerne die Preise für das Wasser in unbezahlbare Höhen getrieben haben! Täglich sterben Tausende von Kindern, weil sie an Krankheiten sterben, die die Ursache in unsauberem Wasser haben.

Glossar
IWF ? Internationaler Währungsfonds

WTO – Welthandelsorganisation

G8 ? Gruppe der 7 mächtigsten Staaten (USA, GB, J, D, F, I, CAN) plus Russland

Garantierter Zugang auch der Ärmsten zu Wasser, Bildung und Gesundheit!

 

(Seite 4)

G8 ? Für eine friedliche Demonstration!
Nein zu jeglicher Gewalt!

Wir wollen auf friedlichem Wege Druck auf die Regierungen und Wirtschaftsführer machen, damit die Globalisierung für und nicht gegen die Menschen geschieht.

Darum verurteilen wir jegliche Gewalt, denn diese schadet nicht nur den davon betroffenen Menschen, sondern auch der Bewegung selber.

Wir finden es nicht sehr glaubwürdig, gegen den Krieg im Irak und die Gewalt eines Systems zu demonstrieren, das dem Gesetz des Stärkeren Vorschub leistet, und gleichzeitig zu zerstören, was Anderen gehört.

An der Demo selber werden wir versuchen, zur Gewaltfreiheit beizutragen, aber vielleicht lassen sich nicht alle Chaoten davon abbringen.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Tag!

Wer wir sind
Wir sind eine Gruppe von ChristInnen und Nicht-ChristInnen mit der einen Idee, radikale Forderungen mit gewaltfreien Mitteln vorzubringen. Dabei werden wir von einer christlichen Organisation Namens ChristNet unterstützt.

Die Mehrheit unter uns handelt aus dem Glauben heraus, weil wir sehen, dass Jesus die Liebe zu den Menschen gepredigt hat, während in der aktuellen Form der Globalisierung die Schwächsten und Ärmsten unter die Räder kommen.

Für weitere Informationen können Sie die Website www.christnetonline.ch konsultieren.

~ 4 min

Die Kraft der Gewaltlosigkeit

„Widerstehen, widerstehen, widerstehen“, mit diesen Worten haben diejenigen, die von den Medien als „Schwarzer Block“ bezeichnet werden, einige von ihnen dazu ermuntert, die Demonstration am 1. Juni aufzulösen: der eine durch den Angriff auf ein „Stück“ der Post, der andere durch den Angriff auf eine Bankfassade, der dritte durch den Angriff auf eine Tankstelle, der dritte durch den Angriff auf eine Bushaltestelle (und sofort von seinen Kameraden in Ordnung gebracht!), der dritte durch den Angriff auf ein Verkehrsschild.

Wir waren unter ihnen unterwegs; wir waren bei ihnen, um Worte auszutauschen, um die Anzahl der Munition zu begrenzen (Steine, die aus der Zerstörung einer niedrigen Mauer stammen, Holzstücke…), um uns zwischen sie und die anvisierten Gebäude zu stellen… (sehr nah an ihnen wie Basketballspieler!), die sie sprühen ließen, aber versuchten, uns einzuschalten, wenn das Projekt zu brechen war. Offensichtlich waren wir zu wenige. Aber wo griffen wir ein? Indem wir uns gegenseitig halfen, wenn ein Konflikt begann, entspannten sich die Dinge! Wir handelten individuell, aber das Wissen, dass andere in der Nähe waren, war wertvoll.

Eine Alternative zur sich wiederholenden Gewalt der Welt
Unter diesen teilweise maskierten oder vermummten Männern und Frauen, oft mit einem Stock in der Hand, manche mit einem Helm am Gürtel, fühlte ich mich immer sicher, auch wenn unsere Begleiter von immenser Wut und auch Hass erfüllt waren. Einer von ihnen sagte zu mir: „Deine Gewaltlosigkeit ist nutzlos. Wenn mein Großvater, der in den Minen arbeitete, uns nicht mit Gewalt bekämpft hätte, wären wir immer noch in dieser Sklaverei“. Ich maß das Privileg meiner Situation: eine andere Zukunft zu sehen als die sich wiederholende Gewalt der Welt.

Unsere kleine, für diesen Anlass geschaffene Hetero-Gruppe ging mit dem, was ich gerne als Schild des Vertrauens bezeichne, unterstützt durch die Gebete vieler, einige an unserem Hauptsitz in Genf, andere anderswo in der Schweiz und natürlich an tausend Orten in der Welt. Die Kraft der Kommunion ist eine Gnade.

Der Anblick von Kameras und Camcordern machte diese speziellen Demonstranten (ein wenig anders als die 70.000 anderen) wütend. Wenn sie eine Kamera sahen, die zu aufdringlich war, wären sie bereit gewesen, den Besitzer anzugreifen. Durch sie bekam ich einen Vorgeschmack darauf, worum es bei der Freiheit geht: mit unbedeckten Gesichtern zu gehen und mit diesen „schwarzen“ Schafen anzugeben, ohne sich Gedanken über die Polizeiakte zu machen, in die wir an diesem Tag geraten waren. Es spielte keine große Rolle. Die Hauptsache war, mit ihnen präsent zu sein, hier und jetzt.

Wenn man diese 150 Demonstranten von außen betrachtet, sieht man eine aggressive Gruppe, man stellt sich die Bedrohung vor, die sie darstellen, die Angst, die sie in uns wecken. Dabei hätte es an diesem Tag ausgereicht, einfach nur 100 friedliche Menschen in ihrer Mitte zu haben, die bereit waren, unter uns zu marschieren, dazu etwa fünfzehn Demonstranten, die sich im „Peace Keeping“ übten, und die Gewaltdynamik der Gruppe wäre nicht gelähmt, sondern aufgelöst gewesen! Ich bin mir sicher, dass es bei dieser Demonstration KEIN DEGAT gegeben hätte, von dem die Polizei absichtlich abgewichen wäre. Ebenso hätte vor den Vallard-Bräuchen die Anwesenheit von etwa hundert Personen zwischen der Prozession und den Raststätten, z.B. für Gewaltlosigkeit sensibilisierte Gymnasien, ausgereicht, um jegliche Plünderung zu vermeiden. Der Beweis. Am Vallard-Zoll, als alle Gebäude verglast waren. Keiner von ihnen wurde gebrochen, weil die anderen Demonstranten und der Organisationsdienst den effektivsten Schutz boten.

Eine erfolgreiche, aber begrenzte Mediation
Unsere Gruppe bestand noch aus sechs Personen, als wir in die Stadt zurückkehrten, auf der Rive-Seite. Dort kamen wir mitten in einer Konfrontation zwischen Polizei und Demonstranten an. Bei mehreren Gelegenheiten konnten wir mit dem Freiwilligen-Organisationsdienst und einigen parlamentarischen Beobachtern fruchtbar intervenieren. Das gab uns einen kleinen Anflug von Stolz… bevor wir zu einem anderen Hot Spot zogen und mit Ausdauer und Geduld wieder von vorne anfingen.

Ganz in der Nähe der Demonstranten und Provokateure (oft Jugendliche) platziert, hatten wir wieder privilegierte Momente des Austauschs. Als ich ihn fragte, warum er das tat, drehte einer von ihnen seinen Freund um. Auf seinem T-Shirt war auf Englisch zu lesen: „Ich sterbe lieber im Stehen als auf den Knien zu leben. “ Worauf ich antwortete: „Dem stimme ich zu. Das ist der Grund, warum ich hier vor Ihnen stehe. „In ihrer herzzerreißenden Wut berührten sie mich und meine eintägigen Begleiter. Und mein Ekel ging an die Pseudo-Badasses, die dort als Voyeure standen, Punkte zählten und ihre Hände in Unschuld wuschen von der Gewalt, zu der sie durch ihre Anwesenheit beitrugen.

Als die Bereitschaftspolizei (die immer hinter unserem Rücken war!) mit ihren Schallbomben, Farbkugeln usw. anrückte, ging der Abend in eine dritte Phase über, nämlich die der Straßenkämpfe. Da wir uns nicht mehr zurechtfanden, beschlossen wir, uns mit einem Umweg über den (potentiell heißen) Bahnhof auf den Weg zu machen und bedauerten nur ein paar Kratzer und Farbflecken! Da wir keine Mittel mehr hatten, um eine fruchtbare Aktion durchzuführen, überließen wir die niedrigen Straßen der Gewalt der einen und der anderen.

Wenn man die Zeitungen liest und die Kommentare im Radio/TV hört, scheint unsere Aktion (und die der Freiwilligen der Organisation) nutzlos gewesen zu sein. Es wurde nicht einmal erwähnt! Aber jeder von uns (insgesamt zehn Personen) konnte – einige zum ersten Mal, andere wieder – die STÄRKE der Gewaltlosigkeit erleben.

Für mich besteht die Bilanz des Tages nicht in Millionen von Franken und auch nicht in Polizeitaktiken, sondern in der Zahl der privilegierten Beziehungen, die auf persönliche und intensive Weise in wenigen Augenblicken mit dem einen oder anderen anonymen Gesprächspartner geknüpft werden und jede andere Sorge als dieses Herz zu Herz auslöschen. Unser Handeln wird durch die (manchmal irritierte) Interpellation gerechtfertigt, die unsere friedliche Intervention provoziert hat, allein durch unseren Körper, die bloßen Hände und das unbedeckte Gesicht. Wir werden nie wissen, was aus diesen gemeinsamen Momenten aufkeimen wird.

Mehr denn je geht es darum, der Gewalt zu widerstehen? auch Sie widerstehen der Gewalt und diesem Gefühl der Unsicherheit, der Ohnmacht, das die Welt (der Macht/Medien) in uns kultiviert und wachsen lässt mit dem okkulten Projekt von CASSER? dem vitalen Moment unserer Hoffnung.

Marie-Laure Ivanov, Lausanne, Juni 2003

~ 5 min

Atten. Getter: ?Am Ende bleibt uns nur das übrig, was wir verschenkt haben.? Mit dieser Aussage im Hinterkopf, wollen wir uns dem Text zuwenden:

Hintergrund:

Der gelesene Abschnitt gehört wohl mit dem vorherigen untrennbar zusammen. In Kap. 20,45-47 greift Jesus die Frömmigkeit Schriftgelehrten massiv an und wirft ihnen u.a. vor, sie seien Immobilienhaie, die sich auf Kosten der Armen bereichern. Und nun stellt er die vom Geld her gesehen unbedeutende Opfergabe dieser armen Witwe den hohen Summen der Reichen gegenüber. Aber eben, spätestens seit Einstein wissen wir, dass alles relativ ist. Jesus wusste schon lange vor Einstein: die Höhe des Betrags, der gespendet wird, ist relativ. Für die arme Witwe sind zwei Heller relativ viel, nämlich ihr ganzes Lebensunterhalt, für eine andere Person sind zwei Heller nicht viel, grade einmal 1 ½ % eines durchschnittlichen Taglohnes; und für einen Reichen ist es etwas, was er nicht einmal spürt.

Auf Grund von diesem Text, möchte ich zwei Aussagen über den Zehnten und Opfer für uns als Gemeinde sagen und dann einige Schlussfolgerungen ziehen:

1.     Das NT kennt keinen gesetzlichen Umgang mit dem Zehnten oder Spenden

Wenn es in der Bibel um den Zehnten oder um Geldspenden geht, dann kommen uns da äusserst realistische Aussagen entgegen. Im Alten Testament war das recht einfach: die Leviten sind für den Gottesdienst und den Tempel verantwortlich und der Rest des Volkes ist für den Lebensunterhalt der Leviten zuständig. Maleachi greift dann auch das Volk Gottes an und wirft ihnen vor: weil sie den Zehnten nicht zahlen, müssen die Leviten ihren Dienst vernachlässigen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Im Neuen Testament finden wir ähnliche Aussagen:  wer für das Evangelium arbeitet, soll auch davon leben. Aber nirgends wird der Zehnte als gesetzlich verpflichtender Ansatz vertreten, nirgends wird uns ein Prozentsatz, ein Mindestbetrag oder eine für alle verpflichtende Summe genannt. Das NT kennt keinen gesetzlichen Umgang mit dem Geld, dem Zehnten oder mit anderen Opfern, obwohl das NT ganz klar das Prinzip vom AT her übernimmt, dass das Volk Gottes für das Geld aufkommt, das benötigt wird, um den Dienst der Gemeinde effektiv auszuüben.

Aber weil die Gemeinde weiss, dass selbst Opfer und Spenden relativ sind, hat sie nie ein festes Gesetz daraus gemacht. Für jemanden, der Fr. 4000.?netto verdient und drei Kinder hat, sind 10 % Abgabe relativ viel, jemand, der Fr. 12’000.?verdient und drei Kinder hat, merkt 10 % bedeutend weniger, und wer wie Michael Schuhmacher im Monat 6 Mio. Franken verdient, der spürt die 10 % nicht einmal. Und weil das NT keinen gesetzlichen Umgang mit dem Zehnten kennt, kennen wir das auch nicht.

2.     Das NT kennt eine grosszügige Haltung in Sachen Spenden und Geld

Im Gegensatz zu einer gesetzlich festgelegten Quote, einem Prozentsatz oder einem Mindestbetrag kennt das NT in Sachen Geld und Spenden nur eine grosszügige Haltung. Paulus berichtet von der Sammlung in Mazedonien, dass die Gemeinden über ihr Vermögen hinaus gegeben haben, Jesus spricht von der Witwe, die ihren ganzen Lebensunterhalt gab und Zachäus verschenkte aus Dankbarkeit und Freude am erlebten Heil grosse Teile seines Vermögens.

Ein vorgeschriebener Prozentsatz macht es uns Menschen nur möglich zu sagen: ich habe meine Pflicht erfüllt, der Rest gehört mir. Aber Jesus kennt in diesem Sinn keine Pflichterfüllung. Unser Leben gehört eben Gott, wie wir das letzte Mal gehört haben. Davon dass wir in diesem Sinn je unsere Schuldigkeit geleistet haben, kann gar nie die Rede sein. Aller Umgang mit Spenden, der darauf abzielt, die eigene Schuldigkeit zu leisten und dann frei, ohne Rückbindung an Gott, über den Rest zu verfügen, zielt an dem, was Jesus hier anspricht, vorbei.

Nicht der Prozentsatz und nicht die Höhe des Betrages machen es aus, sondern die grosszügige Haltung. Weder für Jesus noch für die frühe Gemeinde waren Spenden je eine Frage der Pflicht, sondern sie waren ganz natürlicher Ausdruck ihrer Gottesbeziehung. So wie Gott ihnen grosszügig begegnet ist, so sind sie in Sachen Geld grosszügig miteinander umgegangen. Der Bericht über die Gemeinde nach Pfingsten unterstreicht das nur.

In diesem Sinn ist das NT noch viel radikaler als das AT, ohne je in eine gesetzliche Haltung zu fallen. Für den Einen mag der Zehnte buchstäblich zu viel, für den anderen jedoch zu wenig sein. Aber grosszügig sind beide. Ob im NT jemand 5 % oder 20 % gegeben hat, beide haben es aus freudigem Herzen und im Bewusstsein gegeben, dass ihr ganzes Leben sowieso Gott gehört.

  Schlussfolgerung

Ich möchte aus dem einige Schlussfolgerungen ziehen.

1.      Ohne Spenden können wir als Gemeinde unseren Dienst nicht uneingeschränkt wahrnehmen. Daran hat sich seit der Klage Maleachis über den mangelnden Zehnten und dem daraus resultierenden Mangel am Dienst der Leviten im Tempel nichts geändert. Das ist so einfach und so klar wie das 1 + 1 = 2.

2.      Der Prozentsatz oder der Geldbetrag, den wir spenden, richtet sich nach unserem Herzen und unserem Vermögen. Es ist immer eine Frage von beidem. Ob arm oder reich, ob viel oder wenig, gespendet wurde immer mit dankbarem Herzen und grosszügig, und dann spielt es auch keine Rolle, ob jemand 10 Rappen oder Fr. 1’000.?gibt.

3.      Vielleicht ist diese Schlussfolgerung die kritischste: was mir etwas wert ist, lass ich mir etwas kosten. Oder anders gesagt: Ich zeig dir wofür ich mein Geld ausgebe, und du sagst mir, was mir etwas bedeutet. –  Ob wir nun 10 % geben können oder nicht, spielt keine Rolle, aber wenn uns die Gemeinde etwas bedeutet, wenn sie uns wichtig ist, weil wir daraus Nahrung für unser geistliches Leben beziehen, weil sie uns in der Entfaltung unserer Persönlichkeit hilft, weil wir dadurch Gott begegnen, weil wir sie lieben mit all den bunten Menschen in ihr, dann werden wir auch immer einen Weg finden, sie zu unterstützen, denn für Dinge, die uns wichtig sind, finden wir oft einen Weg, um sie zu finanzieren.  Das ist bei allen Menschen so, ob arm oder reich. Das merk ich bei mir, wenn mir an etwas wirklich viel gelegen ist, dann finde ich einen Weg, es zu finanzieren. Ich kann auch bei unseren Jungs schauen, wofür das Taschengeld reicht, und wofür nicht… Dann weiss ich einwandfrei, wofür ihr Herz schlägt.

4.      Was auf einer persönlichen Ebene gilt, gilt auch für die Gemeindefinanzen. Weil wir uns das, was uns wert ist auch etwas kosten lassen, ist es mein Wunsch und mein Ziel dies auch in unserem Gemeindebudget auszudrücken. Unsere Werte als Gemeinde spiegeln sich in den Budgetposten, aber nicht zwingen in der Betragshöhe, nieder. Deshalb haben wir die Missionskollekte auf den Sonntag, mehr ins Zentrum des Gemeindelebens verlegt. Und weil es uns ernst damit ist, dass Jesus für die Armen und Hilflosen dieser Welt gekommen ist, finden auch wir als kleine Gemeinde mit einer eher angespannten finanziellen Situation immer Mittel und Wege Geld für soziale Zwecke einzusetzen; sei dies indem wir wieder einmal allein erziehenden Müttern in der Umgebung etwas zukommen lassen, oder Kinder für das Jungschilager im Herbst, oder Familien für das Familienlager unterstützen.  Wir finden Wege, und dann spielt es auch keine Rolle, dass wir momentan in Prozenten nicht so viel dafür investieren können, wie andere, aber wir investieren. Liebe macht erfinderisch und kreativ. Und wenn wir kein Geld haben, dann gibt es vielleicht andere Wege. Weshalb auch nicht im nächsten Herbst allen alleinstehenden Frauen im Dorf anbieten, die Winterpneus kostenlos zu montieren?


Photo by Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash

~ 4 min

Wer bezahlt gerne Steuern? Eben! Deshalb haben wir die Tendenz, Steuersenkungen zu fordern und anzunehmen, wo nur möglich…

Was sollte christliche Steuerpolitik leisten?

  • Finanzierung der gemeinsamen Aufgaben
  • Gerechter Ausgleich, da tatsächlich unterschiedliche Chancen und Lebensunterhalts-Fähigkeiten zwischen den Menschen bestehen. In den letzten Jahren setzt sich politisch immer mehr die Angst vor den „Profiteuren unseres Sozialstaates“ durch, dies auf Kosten der Solidarität mit den Schwachen
  • Teilen: dieser Aspekt wird selbst von Christen oft vernachlässigt

Klar: Effizienz im Staat muss sein, und auch die Vorsicht, dass er das Geld vernünftig und gerecht ausgibt

Rahmen der aktuellen Steuerdebatte

In den letzten 10 Jahren sind in der Schweiz die Reichen massiv reicher und die Armen ärmer geworden. Das reichste 1% der Bevölkerung konnte ihr Vermögen verdoppeln, die Kader ihr Einkommen um 20-50% steigern. Die Beschäftigten in den Tieflohnbranchen mussten gleichzeitig einen Einkommensverlust von im Durchschnitt 5% erleiden. Noch nicht eingerechnet sind hier die Krankenkassen-Prämiensteigerungen und der Abbau der staatlichen Zahlungen und Leistungen.

Teilen und Ausgleich wäre also dringender denn je, aber es geschieht nun genau das Gegenteil: Teilen wird immer unpopulärer: gerade die Ausgleich schaffenden Steuern werden abgebaut.

Es stimmt, dass in den letzten 10 Jahren die Steuern insgesamt stark zugenommen haben. Es waren dies vor allem die Mehrwertsteuer (mehrheitlich für die AHV), die Lohnabzüge für IV und die Arbeitslosenversicherung. Hinzu kamen viele Gebührenerhöhungen sowie Steuererhöhungen der direkten Steuern vor allem in Gemeinden und in einzelnen Kantonen. Es waren also grösstenteils nichtprogressive Steuern, die alle Zahler prozentual gleich betrafen, zum Teil sogar mit einer Höchstgrenze wie bei der Arbeitslosenversicherung. Gleichzeitig wurden die Staatsleistungen für den Einzelnen abgebaut.

Steuerabbau trotzdem vor allem für die Reichen

Seit einigen Jahren wird in der Politik vor allem mit dem Ruf nach tieferen Steuern Stimmen gemacht. Bundesrat Villiger selbst sagte anlässlich seiner 1. August-Rede vor eineinhalb Jahren, dass diejenigen am lautesten schreien, die die Steuern am Besten bezahlen können…

Im September hat der Nationalrat deshalb ein Steuersenkungspaket verabschiedet, das weit über das vom Bundesrat Vorgeschlagene hinausgeht und nach dem Motto „wer hat, dem wird gegeben“ funktioniert:

  • 300 Millionen Reduktion der Unternehmensbesteuerung, obwohl wir schon fast die tiefste Unternehmenssteuer der westlichen Länder haben
  • ca. 400 Millionen an die Hauseigentümer, die den Eigenmietwert nicht mehr zu besteuern brauchen
  • 760 Millionen für die Börsengeschäfte, die den Börsenstempel nicht mehr zu bezahlen brauchen
  • und vor allem 1,3 Milliarden an die reichen Ehepaare und Familien. Unter dem Titel Familienförderung sollten Familien entlastet werden. Drei Viertel der Beträge werden in der aktuellen Ausgestaltung jedoch von Ehepaaren und Familien gespart, die über 90’000 Franken Haushaltseinkommen haben. Und die ganz armen Familien zahlen bereits heute kaum Bundessteuer, sodass sie praktisch nichts von Steuersenkungen haben. Insgesamt ist diese Familienvorlage völlig sinnlos, denn sie hilft vor allem den reichen Familien, denen die Kinder viel weniger eine finanzielle Belastung sind, als den Armen, wo, wie Studien belegen, Kinder immer mehr ein Armutsrisiko sind. Diese Steuer-Vorlage, die aber wie die anderen noch durch den Ständerat muss, sieht einen Abzug von 11000 bis 14000 Franken vom Nettoeinkommen vor, sodass die Verheirateten, und besonders die Familien einen tieferen Steuersatz zahlen müssen. Der Nationalrat hat es abgelehnt, einen Abzug direkt von zu bezahlenden Steuerrechnung zu machen, was für alle Steuerzahler gleich viel gebracht hätte, und wovon die Armen gleich viel wie die Reichen profitiert hätten. In der aktuellen Version hingegen profitieren die Reichen prozentual viel mehr…

Gleichzeitig fällt in einem Kanton nach dem Anderen die Erbschaftssteuer, die wiederum den Erben in reichen Familien zu gut kommt. Und zur selben Zeit wird bei der neusten AHV-Revision weiter gespart, weil man zu wenig Geld habe…

Dies sind in meinen Augen krasse Beispiele für die vermehrte Durchsetzung der Macht des Geldes in der Politik.

Eingangs habe ich Beispiele aufgezählt, was die Steuerpolitik leisten sollte.

  • Gemeinsame Aufgaben finanzieren: heute werden diese mehr und mehr privatisiert
  • Gerechter Ausgleich: trotz der sich öffnenden Lohnschere in den neunziger Jahren passiert in der Steuerpolitik das Gegenteil
  • Teilen? Ist immer weniger populär…

Mit dem Argument weniger Steuern zahlen lässt sich heute jede Abstimmung gewinnen. Deshalb wird auf diesem Gebiet denn auch manchmal gelogen, dass die Balken krachen. Erinnern wir uns an die Abstimmung über die steueraufkommensneutrale CO2-Abgabe, die von der Wirtschaftslobby als neue Steuer verleumdet wurde. Bei Erbschaftssteuer-Abschaffungsinitiativen und bei Projekten zur Senkung der progressiv ausgestalteten direkten Einkommenssteuern wird ebenfalls regelmässig behauptet, dies komme den Armen zu Gute, obwohl dies kaum zutrifft. Und bei der aktuellen Kapitalgewinnsteuer behaupten die Gegner ebenfalls, die kleinen Bürger müssten sie bezahlen, obwohl in der Schweiz hauptsächlich vermögende Personen Aktien besitzen und Kleinaktionäre mit der Gewinn-Freigrenze von 5000 Franken im Jahr kaum je etwas bezahlen müssten.

Kapitalgewinnsteuer

Unter den beschriebenen Rahmenbedingungen und der gegenwärtigen Umverteilung von unten nach oben bietet die Kapitalgewinnsteuer die Gelegenheit, wieder etwas Gerechtigkeit herzustellen.

– Erinnern wir uns, dass im Jahre 1997 in der Schweiz mehr Einkommen mit Kapitalgewinnen als mit Lohneinkommen erzielt worden ist.

– Die gegenwärtige Börsenflaute ist vorübergehend, denn auch heute halten Vermögensverwalter daran fest, dass mittelfristig Aktien die grösste Rendite von allen Anlagemöglichkeiten bieten.

– Die schon bestehende bescheidene Vermögenssteuer ist kein Ersatz für eine Kapitalgewinnsteuer, jedes andere Einkommen kann auch zu Vermögen werden und wird dennoch besteuert…

– Aufwand und Ertrag der Kapitalgewinnsteuer stehen in gutem Verhältnis. Sonst hätten nicht alle anderen westlichen Länder die Kapitalgewinnsteuer bereits. Die USA hat übrigens ihr Budgetdefizit hauptsächlich dank der Kapitalgewinnsteuer tilgen können.

Besser freiwillige Solidarität statt Steuern?

In christlichen Kreisen wird oft gesagt, es sei besser, die Leute würden freiwillig Gutes tun als erzwungene Steuern zahlen. Das Problem ist nur, dass die freiwilligen Spenden auch in Ländern mit tiefen Steuern nur einen kleinen Teil der Differenz zu Ländern mit höheren Steuern ausmachen. Die Rechnung geht nicht auf.

Es wird manchmal auch gesagt, der Staat sollte die Hände von den Wohlfahrts-Aufgaben wie Fürsorge und AHV lassen, die Kirchen sollten das übernehmen. Solche Ideen sind völlig undurchdacht, denn wo sollen die Kirchen die Milliarden hernehmen? Wir riskieren, dass viele Menschen in Not geraten und ihnen niemand hilft, und vor allem, dass den Kirchen, die schon heute am finanziellen Limit sind, das Geld für die Evangelisation fehlt. Damit hätten sie dem Reich Gottes einen Bärendienst erwiesen…

Die gerechte Steuerprogression, die heute noch besteht, wird durch die Freiwilligkeit aufgehoben. Teilen ist aber für alle eine biblische Pflicht, und nicht nur vom Überfluss. Wer als Milliardär gnädigst eine Million spendet, hat nur von seinem Überfluss abgegeben (siehe auch Lukas 21 und Markus 12 zum Scherflein der armen Witwe). Wer Geld hat, der verweist auch in christlichen Kreisen schnell auf den eigenen Verdienst, obwohl es Gott ist, der uns versorgt, und der uns auch die Kraft und Dynamik zu Top-Leistungen in der Wirtschaft gibt. Oder sind Lohndifferenzen zwischen 2500 Franken und 200’000 Franken im Monat durch Eigenanstrengung gerechtfertigt? Geld macht nicht glücklich, aber wer keines hat, der ist in der heutigen Gesellschaft ausgeschlossen.


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~ 2 min

„Das ghört mir!“ – ein kleiner Satz, den sich jedes Kleinkind schon früh aneignet. Die westliche Gesellschaft ist vom Gedanken des Privateigentums geradezu „besessen“. Es scheint ein allgemein verbreitetes Hobby zu sein, beim Ausfüllen der Steuererklärung alle möglichen Tricks anzuwenden, um ja nicht ein Fränkli zuviel in die allgemeine Kasse legen zu müssen.

Dieser Gedanke macht auch vor dem westlichen Christentum nicht Halt.Manche Christen sehen im Gebot „Ddu sollst nicht stehlen wird als Plädoyer für das Privateigentum verstanden. Einige gehen so weit, dass sie den heutigen Sozialstaat als etwas Unchristliches sehen – ein Dieb, der unser verdientes Privateigentum stehlen will. So fordern auch nicht wenige Christen einen „schlanken Staat“.

Nun, was die biblischen Geschichten angeht, finden wir tatsächlich viele Bespiele für Privateigentum. Doch sollten wir vorsichtig sein, dies quasi als einzig richtiges Gesellschaftssystem zu deklarieren. Und das Gebot, „du sollst nicht stehlen“, beschränkt sich nun wirklich nicht auf die private Ebene.

Tatsächlich finden wir bereits im Aalten Judentum einige Institutionen, die dem heutigen Sozialstaat sehr ähnlich sind. Es gab verschiedenetliche Steuern (wie etwa „der Zehnte“) sowie weitere Abgaben in Form von Geld und Naturalien. Alle 50 Jahre wurde zudem das ganze Land umverteilt und alle Sklaven freigelassen (Erlassjahr). Es erstaunt daher, wenn heutzutage gläubige Christen staats- und steuerfeindlich eingestellt sind.

Ein völlig radikales Bild vermittelt uns die Apostelgeschichte. In Jerusalem wurde in der Gemeinde alles Geld zusammengelegt. Vermögende Leute verkauften ihr Grundstück und schenkten das Geld der Gemeinde. Das Geld wurde dann erneut auf alle Bedürftigen verteilt (Apg. 4,32-37).

„Du solllst nicht stehlen“ wurde vielmehr im Kontext des Kollektiveigentums verstanden; d.h. ein Diebstahl bestand darin, zu mogeln und ein Teil seines Geldes der Gemeinschaft vorzuenthalten (Apg. 5,1-11).

Wie unvorstellbar sich dies auch anhört – die erste christliche Gemeinde lebte freiwillig in einer Kollektivgesellschaft. Später wurden in den Gemeinden, die Paulus bereiste, solidarisch Geld für die Muttergemeinde in Jerusalem gesammelt (in Jerusalem lebten überdurchschnittlich viele arme Pilger, was während der grossen Hungersnot zu einem Notstand führte). Internationale Solidarität und Umverteilungen gab es also bereits damals.

Eine vereinfachte Aufstellung der innerbiblischen Entwicklung:

 

Zeit der Patriarchen mosaisches Gesetz erste Christengemeinde Christentum heute
ca. 2000 v. Chr. ab 1200 v. Chr. ca. 30 n. Chr. 2001 n. Chr.
Privateigentum / Patriarchen, Sippen Privateigentum, Einführung von Steuern; Menschen als „Verwalter“ von Grundstücken“ Verkauf von Privateigentum, leben Kollektivgesellschaft, Unterstützung anderer Gemeinden ?

Das sehr vereinfachte Schema zeigt eine Entwicklung innerhalb des biblischen Verständnisses von Privat- und Kollektiveigentum auf. Es ist mir bewusst, dass sich das Modell der Kollektivgesellschaft nicht einfach 1 zu 1 übertragen lässt. Schon gar nicht sollten wir eine Kollektivgesellschaft diktatorisch herbei zwingen, wie dies etwa in den Sowjetstaaten der Fall war. Es sollte uns aber trotzdem zu denken geben. Könnte es sein, dass der Heilige Geist uns Christen erfüllen möchte, damit wir unsere westlichen Individualgesellschaft überwinden können? Könnte es sein, dass wir beispielsweise unsere Einstellung den Steuern gegenüber revidieren sollten? Über die Höhe und Verwendung von Steuergeldern kann man/frau sicher diskutieren. Grundsätzlich sind aber Steuern und Umverteilungen biblisch breit verankert, so dass auch Paulus dieses Thema im Römerbrief Kapitel 13 anschneidet:: “ .. denn deshalb entrichtet ihr auch Steuern; denn die staatlichen Mächte sind Gottes Diener, die eben hierzu fortwährend beschäftigt sind. Gebt allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Ehrfurcht, dem die Ehrfurcht, die Ehre, dem die Ehre gebührt (Römerbrief 13, Vers 6+7).


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