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Geld wird immer mehr zum Thema in der Schweiz. Auch evangelikale Redner wie Earl Pitts ziehen durchs Land und lehren, dass wir uns in unserem persönlichen Leben nicht vom Geld abhängig machen sollen. Diese biblische Lehre ist aber bisher noch nicht bis in die Politik vorgedrungen.

Die Schweiz als Ganzes und ihre Beziehung zum Geld ist von den Christen bisher erstaunlicherweise überhaupt noch nicht analysiert worden, es scheint hier wie eine Mauer zu bestehen. Dabei sind die Verquickungen der Schweiz und ihrer Politik mit dem Mammon (wie Jesus den Geldgötzen nennt) nur zu augenfällig.

Aus dem Ausland häufen sich die Prophetien über die Schweiz, dass sie vom Mammon ablassen muss:

–        Im 1997 sagte Bobby Connor (USA) an der von der Schleife veranstalteten Konferenz ?Feste Speise III?, dass ein Fluch über der Schweiz sei, und zwar im Zusammenhang mit Micha 6.7-14, wo die Folgen von unrechter Bereicherung beschrieben werden.

–        Im 2000 erhielt Scott MacLeod (USA) in Luzern die Prophetie ?Der Löwe des Lichts?, wo die Schweiz und die Gemeinden aufgefordert werden, von Söldnern des Mammon zu Söldnern der Barmherzigkeit zu werden.

–        Eine ugandische Christin ist während einer Gebetsveranstaltung vor der Abstimmung zum Partnerschaftsgesetz aufgestanden und hat die Schweizer gemahnt, dass die Wurzel des Übels besonders in der Schweiz der Mammon sei, und solange wir da nicht aufräumen, weitere Übel wie die nun verlorene Abstimmung über das Land kommen werden. Viele Christen aus Ländern des Südens sehen das Schweizer Bankgeheimnis als grosse Sünde an.

Nur in der Schweiz kommt die Erwähnung des Themas einem Stich ins Wespennest gleich. Da schweigen die Gemeinden lieber. Oder aber wir basteln uns Rechtfertigungsideologien, um nicht von unrechtem Reichtum ablassen zu müssen. Selbst im Vorwort eines schweizer Gemeindeleiters zum ?Löwen des Lichts? wird überraschenderweise der Kern der Prophetie umgangen und lieber von den guten Wurzeln der Schweiz sowie einem Sendungsbewusstsein geredet.

Achtung, dies heisst nun nicht, dass wir Schweizer ein schlechteres Volk seien als die Anderen oder dass unser Wohlstand nicht auch durch fleissige Arbeit entstanden ist. Aber auch wir haben wie alle anderen Länder unsere dunkeln Flecken, wo Gott uns auffordert, uns zu reinigen und uns heilen zu lassen. In der Schweiz betrifft dies vor Allem den Mammon und die Angst davor, unsere Güter zu verlieren.

Wo herrschte und herrscht Mammon?

Bereits in der Geschichte sehen wir einige Orte, wo die Schweiz dem Mammon und nicht Gott gedient hat:

–        Söldnerwesen:Für Geld in den Krieg zu ziehen um irgendwelche Gegner des Geldgebers zu töten, das nennt man heute auch Berufskiller. Die Schweiz hat also lange Zeit ein ?Berufskillertum? gepflegt, und die Schweizer Söldner waren bekannt für Ihre Treue zum Geld (-geber) bis zum Äussersten. Natürlich haben sind viele Söldner aus Not in diesen ?Beruf? gerutscht, aber die Schweiz hätte mit gerechterer Verteilung der Güter wohl als Ganzes diesen Ausverkauf verhindern können.

–        Zweiter Weltkrieg: noch heute gibt es Politiker, die sagen, wir seien vor Allem wegen unserer Verteidigung vom zweiten Weltkrieg verschont geblieben. Aber die Mehrheit der in- und ausländischen Historiker und Zeitzeugen wissen heute, dass die Schweiz einem echten Angriff kaum hätte widerstehen können. Natürlich ist es auch falsch, zu sagen, die Schweiz wäre nur dank ihrer Wichtigkeit für Nazideutschland vom Krieg verschont geblieben, aber viele ungute Geschäfte bleiben heute noch ungeklärt.

–        Nachrichtenlose Vermögen: Es ist schon befremdend, wenn heute noch von ?Erpressung durch die Juden? zur Rückgabe der nachrichtenlosen Vermögen geredet wird. Die Schweiz hätte lange genug Zeit zur Rückgabe gehabt, und wenn sie es tatsächlich erst durch Erpressung zurückgegeben hat, dann wirft das eher ein schlechtes Licht auf uns. Erwähnenswert ist dabei, dass Wachmann Meili, der verhindert hat, dass die Grossbank damals die Akten vernichtet hat, noch immer als Gesetzesbrecher verfolgt wird!

 

Und heute?

Auch heute klammert sich die Schweiz an vielen Orten ans Geld:

–        Das Bankgeheimnis: Noch heute schlummern Milliarden von schmutzigen Geldern auf den Nummernkonten der Schweizer : Geld von Diktatoren, die ihre Völker beraubt haben, Drogen- und sonstige kriminelle Gelder, die hier reingewaschen werden, und vor Allem Steuerflucht-Gelder in der Höhe von hunderten Milliarden Franken. Der Bundesrat redet sich noch immer damit heraus, dass die Gelder nur wegen der Unsicherheit in den Herkunftsländern in die Schweiz gebracht würden. Dabei gilt in Bankenkreise generell der Tenor, die anderen Länder seien ja selber schuld, wenn sie zu hohe Steuern verlangen. Dass diese ausländischen Steuersysteme demokratisch zustande gekommen sind, scheint egal zu sein. Fakt ist, dass die Schweiz wegen ihrer künstlichen Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sich in den meisten Fällen weigert, anderen Staaten Rechtshilfe zu gewähren, wenn sie wissen, dass reiche Bürger ihr Geld in der Schweiz verstecken. Und durch das Bankgeheimnis werden noch und noch dreckige Gelder angelockt.

–        Für viele Asylsuchende wird der Eintritt in die Schweiz unmöglich (siehe Texte unter ?Soziales?), um Steuerflüchtlinge buhlt die Schweiz jedoch heftig: Mobutu durfte in der Schweiz frei ein- und ausgehen, und gewisse Kantone unterhalten zum Beispiel in Deutschland eigene Beratungsbüros, wie sich reiche Steuerflüchtige in der Schweiz niederlassen und dabei noch weniger Steuern als Schweizer zahlen müssen. Ein Tanz um das goldene Kalb.

–        Die Länder des Südens verlieren wegen der Kapitalflucht in die Schweiz jährlich ca. 5 Milliarden Franken pro Jahr an Steuereinnahmen. Die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz beträgt aber nur etwa ein Drittel davon (die private gar einen Bruchteil), Tendenz sinkend…

–        Der Bundesrat hat im letzten Herbst einen Schuldenerlassfür arme Länder abgelehnt, obwohl viele der Schulden von den Diktatoren aufgehäuft worden sind, die auch von der Schweiz hofiert worden waren. Zudem ist ein grosser Teil der Schulden wegen der hohen Zinsen sowieso bereits abgezahlt. Die Schweiz klammert sich an diese Gelder, dies gar im Gegensatz zu den G8-Staaten, die 18 armen Ländern die Schulden soeben erlassen haben.

–        Das oberste Legislaturziel 04-07 heisst Wachstumsförderung, also Anhäufung von Reichtümern. Es ist schon erstaunlich: Die Schweiz ist noch immer eines der reichsten Länder der Welt, aber weil wir nicht genügend teilen können, fordern wir Wachstum, um den Meisten (nicht mal allen) arbeitswilligen Menschen Arbeit und genügend Einkommen zu verschaffen. Diesem Wachstum werden Moral, Ethik und Gerechtigkeit geopfert. So zum Beispiel der Sonntag, die Embryonen, die Familien, etc. Blind wird heruntergebetet, der Markt sei das Allheilmittel, wenn er frei sei, dann werde alles gut. Der Markt wird über den Mammon gesteuert, freier Markt heisst freier Mammon. Wir befreien also den Mammon von einschränkenden Regeln, damit er frei wirken kann, weil wir an ihn glauben. Schliesslich sagen wir, wir könnten uns keine einschränkenden Regeln erlauben, sonst bestraft uns der Markt (also der Mammon).

In der Bibel heisst es, ?Bereitet dem Herrn den Weg? (Jesaja 40). Dies ist auch das Motto des diesjährigen nationalen Gebetstages in Winterthur am 1. August. Nach dem oben Gesagten stellt sich die Frage, wer denn unser Herr ist. Jesus sagt auch: ?Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon.? (Matthäus 6,24) Wir müssen uns tatsächlich entscheiden. Viele Propheten fordern uns heute dazu auf. Verschliessen wir unsere Herzen nicht diesem Ruf. Kehren wir als ganzes Land um, reinigen wir unsere Leben, unsere Politik, unsere Wirtschaft und unsere Banken. ?Denn eine Wurzel allen Übels ist die Geldliebe?, (1. Timotheus 6.10), und es scheint, als ob wir die Folgen davon heute zu spüren bekommen.

Hingegen verspricht uns Gott, für uns zu sorgen, wenn wir in Gerechtigkeit wandeln und ihn anbeten (und nicht den Mammon). Wir brauchen also keine Angst vor Verlust von Reichtum oder Arbeitsplätzen zu haben, wenn wir die nötigen Schritte gehen und uns vor ungerechtem Mammon trennen. Gottes Vorsorge und Friede wird uns tragen.

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Andreas Missbach ist Mitarbeiter der Erklärung von Bern und wird an der Konferenz vom 5. November 2005 über das Bankgeheimnis sprechen.

ChristNetInput: Wem dient das Schweizer Bankgeheimnis?

Andreas Missbach: Wenn ich als reicher Bürger oder Bürgerin eines anderen Landes keine Steuern zahlen will, dann kann ich mein Geld in der Schweiz anlegen. Das Bankgeheimnis garantiert, dass die Schweizer Behörden dem Heimatland weder Amts- noch Rechtshilfe wegen Steuerhinterziehung leisten.

ChristNetInput: Und wem schadet es?

Andreas Missbach: Besonders leiden die Entwicklungsländer. Diese Länder haben nicht einmal genug Steuereinnahmen für Schulen und Spitäler und sie verlieren durch Steuerhinterziehung unter Beihilfe von Schweizer Banken viel Geld ? schätzungsweise 5 mal mehr als die Schweiz für Entwicklungshilfe ausgibt.

ChristNetInput: Was müssen wir als Schweizer ändern?

Andreas Missbach: Die Schweiz müsste einfach die Unterscheidung zwischen straffreier Steuerhinterziehung und strafbarem Steuerbetrug aufheben. Bei Verdacht auf Betrug kann das Bankgeheimnis nämlich aufgehoben werden.

Mehr Info zum Thema in der kostenlosen EvB-Broschüre „Wegleitung zur Steuerhinterziehung“ (www.evb.ch, 01 2 777 000).


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Eine Einleitung über Globalisierung von Ruth Valerio im pdf unten :

– Globalisierung und Armut
– Globalisierung, die Gemeinde und Mission
– Globalsierung aus biblischer Perspektive

Globalisierung_Valerio

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„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Johannes 14,6

„Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Johannes 8,32

Riemann Verlag / Bertelsmann ISBN 3-570-50018-7

Auszüge aus Kapitel 15 „Der Markenbumerang“ (S. 355 ff.)

 

Das Branding hat, wie wir gesehen haben, grosse Ähnlichkeit mit einem Ballon: Es lässt sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufblasen, enthält jedoch nichts als heisse Luft. …Kritiker.. brennen darauf, den Ballon mit spitzer Feder zum Platzen zu bringen und die kläglichen Gummireste fallen zu sehen. Je ehrgeiziger ein Konzern die Kulturlandschaft markiert hat und je unvorsichtiger er seine Arbeiter im Stich gelassen hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass er ein stilles Bataillon von Kritikern herangezüchtet hat, die nur darauf warten zuzustechen. Ausserdem macht das Rezept des Brandings die Konzerne sehr verwundbar für die naheliegendste Taktik im Arsenal von Aktivisten: Man bringt die Produktionsmethoden eines Konzerns in Konflikt mit seinem Markenimage…

 

..“Wenn sie für irgendein Produkt Werbung machen“, lautet die berühmte Warnung von Helen Woodward, einer einflussreichen Werbetexterin der Zwanzigerjahre, „sehen Sie sich nie die Fabrik an, wo es hergestellt wird.. Sehen Sie den Leuten nicht bei der Arbeit zu,,, denn, sehen Sie, wenn Sie die Wahrheit über irgendetwas wissen, die wirkliche innerste Wahrheit, dann ist es sehr schwer, die oberflächliche Schaumschlägerei zu schreiben, durch die es verkauft wird“.

 

Lora Jo Foo zieht bei ihren Seminaren über Sweatshops jedes Mal eine Schere heraus und fordert die TeilnehmerInnen auf, die Labels von ihrer Kleidung zu schneiden….Auf einer Weltkarte versammeln sich die kleinen Flicken zu einem Wald: Liz Claiborne, GAP, Calvin Klein, .. in Asien, Lateinamerika. Nach dem Aufkleben verfolgt Foo die globale Reiseroute eines Konzerns. Sie beginnt, als seine Produkte noch in Nordamerika hergestellt wurden, dann führt sie nach Japan und Südkorea, dann nach Indonesien und zu den Philippinen, dann nach China und Vietnam.

 

Jiu-Jitsu Strategie: den künstlichen Glanz einer Marke gegen sie selbst wenden! Man lädt einen Arbeiter aus der Dritten Welt ein und lässt ihn, vor vielen laufenden Kameras, einen Superstore in der Ersten Welt besuchen. Nur wenige Nachrichtenmacher können dem höchst fernsehgerechten Moment widerstehen, wenn einem indonesischen Nike-Arbeiter der Mund offen stehen bleibt, weil die Schuhe, die er für zwei Dollar am Tag produziert, im Nike Town von San Francisco 120 Dollar kosten.

 

Charles Kernaghan vom National Labour Committee NLC … nimmt bei Besuchen in Exportzonen in Haiti und El Salvador seine Tragtasche mit Logo ? Kleidung samt Preisschildchen mit: „Bevor ich nach Haiti aufbrach, ging ich in einen Wal-Mart auf Long Island und kaufte mehrere Kleidungsstücke von Disney, die auf Haiti hergestellt waren. Ich zeigte sie einem Haufen Arbeiter, und sie erkannten sofort die Kleidung, die sie hergestellt hatten … Ich hilet ein Pocahontas-T-Shirt Grösse 4 in die Höhe. Ich zeigte ihnen das Preisschild, 10,97 Dollar. Aber erst als ich die 11 Dollar in die Landeswährung umrechnete ? 172 Gourdes ? schrien alle Arbeiter plötzlich auf vor Schock, Unglauben, Wut und mit einer Mischung von Schmerz und Traurigkeit, wobei sie die Augen fest auf das Pocahontas-Shirt geheftet hielten … An einem einzigen Tag verarbeiteten sie Hunderte von Disney-T-Shirts. Doch der US-Verkaufspreis eines einzigen T-Shirts betrug fast das Fünffache ihres Tageslohns.

 

Slogans der internationalen Anti-Nike-Bewegung:

Just Don’t Do it ? Nike, do It Just ? Just Boycott It ? Nein, Ich Kaufe Es nicht! ?

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Wie kann man dem Materialismus widerstehen? Jesus Christus äusserte sich sehr scharf über die Habsucht. Aber trotz dieser Warnung sind auch Christen sehr empfänglich für den Reiz eines materialistischen Lebensstiles, klagt der Psychologe Dr. Ray Guarendi.

Guarendi, Autor, Rundfunkmoderator und Vater von 10 Kindern, äussert sich darüber, wie sehr die Leute dem Konsum verfallen sind und welchen Schaden die Habsucht den einzelnen Menschen zufügen kann.

Zenit: Die Menschen in einer freien Gesellschaft sind überflutet von Wahlmöglichkeiten bei praktisch fast allen Aspekten des Lebens: Wohnung, Beruf, äusserer Erscheinung, Beziehungen, Besitz. Was beeinflusst die Menschen an meisten ? ohne dass es ihnen bewusst ist?

Ray Guarendi: Das Konsumverhalten scheint mir an erster Stelle zu stehen. Wir sind einfach so tief in ihr drin, dass wir es überhaupt nicht mehr merken. Unser Verlangen nach Besitz verdrängt alles. Wir werden von ihm abgelenkt, in Besitz genommen, angelockt und verführt. Selbst Christen finden dadurch nicht einmal mehr die Zeit über Gott nachzudenken. Deswegen hat wohl Jesus im Neuen Testament viel von der Habsucht gesprochen.

In unserer Kultur gilt Konsument zu sein als das gute Leben ? aber es lenkt uns von dem eine Ewigkeit lang währenden guten Leben ab. Adam und Eva hatten alles, bis auf einen Baum. Und natürlich, genau den wollten sie am meisten.

Wenn der Materialismus so zunimmt, welches sind die Auswirkungen dieses Phänomens auf Ehen, Familien und Kinder, die Sieals Psychotherapeut erfahren?

Das Erste, was ich als Therapeut mit einem Kind mache, das ein Verhaltensproblem hat: Ich bitte die Eltern, sich neu einen Überblick zu verschaffen, was für Spielzeug und was für Freizeitbeschäftigungen es hat und was es alles darf. Die Kinder schwimmen in Spielzeug und Freizeitbeschäftigungen, und das wirkt sich auf ihr Verhalten aus.

Einer der drei Hauptstressfaktoren in den Ehen und Familien sind die Finanzen. Unsere Unzufriedenheit über unserer Finanzen, unsere Wohnungen und unsere Möglichkeiten, Dinge zu kaufen, ist himmelhoch.

Und weil unser Verlangen nach Besitz so gross ist, müssen wir arbeiten. Das bedeutet, dass Papa und manchmal Mama den ganzen Tag von zu Hause fort sind, damit sie und ihre Kinder alles haben können, was sie wollen. Dies führt zu dem, was ich das ?Kompensationssystem arbeitender Eltern? nenne.

Die Mütter wollen oft gar nicht arbeiten, sie denken aber, dass sie arbeiten müssen, wegen der in der Familie herrschenden Gewohnheit, Geld auszugeben. Sie sind müde, wenn sie nach Hause kommen, sie fühlen sich schuldig, weil sie nicht genug Zeit mit ihren Kindern verbringen, und sie scheuen sich, diese kurze Zeit damit zu verbringen, ihre Kinder zu bestrafen, wenn sie sich schlecht benehmen.

Das beeinträchtigt ihre Erziehungsvorsätze und hält sie davon ab, wirklich Eltern zu sein. Wenn Eltern lange arbeiten oder Überstunden machen, können sie ihre Kinder nicht beaufsichtigen; ihre Kinder sind was die Erziehung angeht, auf sich selbst gestellt.

Und die Männer?

Die Ehemänner gehen ihren Hobbys häufig mehr nach als Ehefrauen es tun, weil ihnen gesagt wird, sie müssten sie unbedingt haben, um ein rechter Mann zu sein und das Leben zu geniessen. Aus Oberflächlichkeit wollen Männer die neuesten, besten Sachen haben, und manchmal schliesst das Ehefrauen ein. Sie denken, ?meine Frau wird älter; es gibt bestimmt noch ein besseres, neueres Modell.?

Wenn man daran gewöhnt wird, Sachen haben zu wollen, machen die Ansprüche nicht bei unbelebten Objekten Halt. Man will andere Menschen haben, andere Beziehungen, die einem als etwas Besseres erscheinen als die jetzigen. Wenn man mit dem unzufrieden ist, was man hat, hört es nicht bei Konsumgütern auf. Eine solche Haltung führt oft zu Affären und zu einem allgemein von Unzufriedenheit geprägten Verhaltensmuster.

Unzufriedenheit hängt nicht mit dem zusammen, was wir haben sondern mit dem Abstand zwischen dem, was wir haben und dem, was wir haben wollen.

Wir leben in einer Kultur, in der unsere Aufmerksamkeitsspanne kurz ist. Wir definieren das Gutsein des Lebens nach seiner Veränderbarkeit, seiner Fortschrittlichkeit und Wandelbarkeit. Sich auf etwas auf Lebenszeit festzulegen, wie zum Beispiel auf die Ehe, kann einem psychologisch so vorkommen, als müsse man dabei ersticken. Wir können uns nicht auf ein Ding festlegen. Auf Tradition, Hingabe und Beständigkeit wird herabgesehen. Leider ist es so, dass wir genau die Dinge als gut würdigen, die unsere Kultur zerstören können.

Was für Fragen können sich die Menschen und vor allem Eltern stellen, um festzustellen, wie weit er bei ihnen eingedrungen ist?

Ich will einige Dinge nennen, die man sich fragen kann: Wie viel Spielraum habe ich in meinem Leben? Habe ich freie Zeit? Habe ich Geld übrig? Energie übrig? Bin ich zu beschäftigt, um irgendetwas für irgendjemanden zu tun? Überprüfen Sie Ihre Beschäftigungen und schauen Sie, wie viel davon nötig ist.

Sie müssen schauen, was Ihre Zeit in Anspruch nimmt und ob Sie es rechtfertigen können. Auch wenn Sie sich Dinge leisten können, müssen Sie sie nicht haben. Überprüfen Sie, wie viel Sorgfalt Sie auf Besitz verwenden, besonders auf Ihre Steckenpferde und grossen Besitztümer. Fragen Sie sich: Vernachlässige ich andere, um mich stattdessen um all meine Sachen zu kümmern? Welche Zeit wende ich auf für meine Kinder und meine Familie?

Falls Sie ein grosses Haus besitzen: auch wenn Sie es bezahlen können, es zu erhalten frisst eine Menge Ihrer Zeit. Gott wird nicht fragen, wie gross Ihr Haus war. Er wird Sie fragen, wie viel Zeit Sie mit Ihrer Familie verbracht haben.

Wie viel Sachen haben meine Kinder? Kinder brauchen ungefähr fünf Spielsachen, wenn?s hochkommt. Sie können zeichnen, lesen und Dinge erfinden. Ich benutze als Faustregel: 90 Prozent von dem, was Kinder haben, sollten Sie weg geben. Es erspart Ihnen Enttäuschungen mit den Kindern, und diese sind dankbarer und benehmen sich besser.

Beeinträchtigt mein Besitz meine Fähigkeit, zu helfen und Beziehungen zu Menschen zu haben? Je mehr Sie besitzen, desto mehr werden Sie davon in Besitz genommen.

Wie kann man praktisch darauf reagieren?

Ganz einfach: Geben sie die Sachen weg, beziehungsweise kaufen Sie sie nicht. Gehen Sie durch Ihr Haus; zählen Sie alle Dinge, die da herumstehen, liegen oder hängen. Sie dienen keinem anderen Zweck als unser Leben zu verschönern.

Überprüfen Sie, wie Sie Ihr Geld ausgeben. Wenn jemand leidet und Ihre Hilfe braucht, geben Sie nur fünf Franken, um ihm zu helfen? Warum geben Sie ihm nicht mehr? Der Konsumismus ist eine Fortsetzung des in sich selbst Aufgehens ? so besteht das Leben darin, etwas zu bekommen und nicht zu geben. Wir müssen auf uns, unsere Häuser und unseren Lebensstil mit einem objektiven Blick schauen. Schauen Sie darauf, was Ihnen hilft, in den Himmel zu kommen und was Sie davon abhält, mit Gott zu gehen.

Quelle: http://www.zenit.org/

13.09.2004

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Konsum kommt von con-sumere und bedeutet ?zusammen nehmen? oder ?sammeln?. Einige Fragen dazu:

·         Was sammeln wir?

·         Lassen wir uns von Gottes Grosszügigkeit inspirieren?

·         Vertrauen wir der Fürsorge Gottes? (5-Franken-Stück: Deus providebit. Der Herr wird sorgen.)

·         Lassen wir unser Leben vom Haben oder vom Sein bestimmen?

 

Wir möchten verschiedene gesellschaftliche Aspekte zum Thema Konsum und seinen Auswirkungen darlegen und versuchen, eine biblische Sicht zu gewinnen. Zwei Texte sollen uns dabei helfen Antworten zu finden:

 

Bewahre mich davor zu lügen und lass mich weder arm noch reich sein! Gib mir nur, was ich zum Leben brauche! Habe ich zuviel, so sage ich vielleicht:? Wozu brauche ich Gott? ? Habe ich zu wenig, so fange ich vielleicht an zu stehlen und bringe deinen Namen in Verruf. (Spr. 30, 8+9)

Was haben wir in die Welt mitgebracht? Nichts! Was können wir aus der Welt mitnehmen? Nichts! Wenn wir also Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. Wer unbedingt reich werden möchte, gerät in Versuchung. Er verfängt sich in unsinnigen und schädlichen Wünschen, die ihn zugrunde richten und ins ewige Verderben stürzen. (1.Tim. 6, 7-10)

Themenbereiche

Wir haben das riesige Thema Konsum in 5 Bereiche aufgeteilt und die gesellschaftlichen Aspekte den biblischen gegenübergestellt. Der Einfachheit halber konzentrieren wir uns dieses Jahr auf den 3. Punkt: Materialismus.

1.Werbung

Gesellschaftliche Aspekte

?Zehn Markennamen könnten genügen, um das Leben eines Mitteleuropäers annähernd zu erklären.? ? Coca-Cola, Mercedes, Orange, Sony, Nestlé? (Zeitungsinterview des Philosophen Andreas Brenner vom 7.August 2004)

Die Werbung ist allgegenwärtig, sie bevormundet uns.

Sie vermittelt versteckte Botschaften, z.B.: ?Du brauchst das, um glücklich zu sein.? ?Du reichst nicht.? ?Alle haben das.?

Die Werbung ist das Medium des Materialismus?: Haben erfüllt.

Biblische Sicht

Du bist einzigartig, wertvoll und geliebt:

Ja, mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt; darum habe ich dir [meine] Güte bewahrt.
(Jer. 31,3)

Nur Gottes Liebe ist unvergänglich.

2. Umwelt

Gesellschaftliche Aspekte

Unsere Ressourcen sind nicht unerschöpflich: Rohstoffe, Luft, Wasser? Wenn die ganze Welt konsumieren würde wie wir, bräuchten wir mehrere Erden, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir gefährden unsere Existenz und die Existenz unserer Kinder.

Die Herstellung und Entsorgung unserer Gebrauchsgegenstände sind oft für unsere Umwelt belastend. Alles, was wir heute kaufen, jede Dienstleistung, die wir in Anspruch nehmen, hat morgen Abfälle zur Folge.

Biblische Sicht

Wir haben den Auftrag, als Haushalter sorgfältig mit dem uns anvertrauten Erbe umzugehen:

Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren. (1. Mos 2,15)

Wenn wir zur Schöpfung Sorge zu tragen, üben wir somit Nächstenliebe (unseren Kindern usw. gegenüber) und ehren unseren Schöpfer.

3. Materialismus

Gesellschaftliche Aspekte

Der Materialismus sieht den Menschen als homo oeconomicus an und reduziert ihn auf rein wirtschaftliche Aspekte: Das Leben dient dem Haben, und der Besitz wird zum Zweck des Lebens, anstatt Mittel zu sein. Daraus entsteht oft das Sammeln von unnötigem Besitz.

Biblische Sicht

Der Mensch ist von Gott und für Gott erschaffen, nicht für den Besitz.

Gleichnis des reichen Bauern, das mit folgendem Satz abschliesst:

Du Tor! In dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Was du aber bereitet hast, für wen wird es sein? So ist, der für sich Schätze sammelt und nicht reich ist im Blick auf Gott. (Luk. 12, 16-21)

Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. (Matth. 6,25)

4. Soziale Gerechtigkeit

Gesellschaftliche Aspekte

Das Gefälle zwischen Arm und Reich ist am Zunehmen. Der Besitz ist immer mehr auf immer weniger Leute verteilt, auch in der Schweiz. Die Reichen erhalten dadurch immer mehr Macht.

Arm sein unter vielen Reichen ist schwierig: Die Konsumhaltung (und die Werbung) fördert die Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse, wodurch eine egoistische Haltung entstehen kann, die wenig Platz für Solidarität mit den Armen hat. Andererseits wird den Armen ein Paradies versprochen, das auf Konsumgütern und Markenartikeln beruht, wodurch das Gefühl des sozialen Versagens gefördert wird. Oft sind es gerade Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen, die sich mit dem Kauf von Markenartikeln eine verloren gegangene Identität erkaufen wollen.

Biblische Sicht

Jesus hat sich immer mit den Armen und Verstossenen der Gesellschaft solidarisiert. Durch seine Liebesbegegnungen vermittelte er Wertschätzung und identitätsstiftende Erlebnisse.

Auch in der Urgemeinde wurde Solidarität gelebt. Paulus fordert z.B. die Korinther auf, für die Gemeinde in Jerusalem zu spenden:

?nicht, damit andere Erleichterung haben, ihr aber Bedrängnis, sondern nach Maßgabe der Gleichheit: in der jetzigen Zeit [diene] euer Überfluss dem Mangel jener, damit auch der Überfluss jener für euren Mangel diene, damit Gleichheit entstehe (2. Kor. 8, 13+14)

5. Nord-Süd-Gefälle

Gesellschaftliche Aspekte

Das Nord-Süd-Gefälle wiederspiegelt die gleichen Missstände, wie bei der sozialen Gerechtigkeit, nur auf globaler Ebene.

Dazu kommt, dass die Ressourcen im Süden an den Völkern vorbei ausgebeutet und vermarktet werden.

Unser Reichtum hat etwas mit der Not im Süden zu tun.

Biblische Sicht

Sie lässt sich mit der Antwort auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit vergleichen.

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Die Abhandlung „Der entzauberte Markt“ des St. Galler Wirtschaftsethikers Peter Ulrich trifft den Nerv der Zeit. Es handelt sich nicht nur um „ein Bisschen mehr Ethik in der Wirtschaft“, sondern um die Frage, wer eigentlich heute unsere Werte und damit unsere Gesellschaft bestimmt. Insofern hat das Buch auf überraschende Weise mit unserem Glauben zu tun.

 

Anhand der eigentlich humanistischen Begriffe „Vernunft, Freiheit, Fortschritt“ zeichnet Peter Ulrich nach, wie das Primat der Wirtschaft das Primat der Gesellschaft verdrängt hat. Der Ökonomismus ist die stärkste Ideologie unserer Zeit geworden. Er gibt sich wertfrei, obwohl er gewisse Werte voraussetzt. Er glaubt, für das Wohl aller zu sorgen, obwohl immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. Wichtige Gründe dafür sind einerseits durch globale Konkurrenz geschaffene Sachzwänge, auf der anderen Seite der Glaube an die Metaphysik des Marktes. Dahinter steht nämlich der Glaube an Adam Smith’s „Unsichtbare Hand (Gottes)“ und die Wohltätigkeit des per Definition egoistischen „Homo oeconomicus“. Diese Grundlagen führen uns zu unserem eigenen Glauben zurück: An wen und was glauben wir? Welches Menschenbild haben wir?

 

Der Ökonomismus bestimmt heute unsere Werte. Das Weissbuch der Schweizer Wirtschaft forderte uns gar zu einer individuellen, fundamentalen Mentalitätsveränderung hin zu mehr Konkurrenz auf. Im Überlebenskampf des härter werdenden Wettbewerbs wird es für die Unternehmen und die Einzelnen aber immer schwerer, noch bestehende ethische und moralische Standards einzuhalten.

 

Hier stellt Ulrich die Frage, welche Werte und welche Gesellschaft wir eigentlich wollen. Er fordert, dass die Wirtschaft wieder an ihre ursprünglichen Platz innerhalb der Gesellschaft zurückkehren soll und dass die Gesellschaft, also die Gesamtheit der Bürger, auf demokratische Weise selber entscheiden muss, wie sie die Gesellschaft und das Zusammenleben gestalten will.

 

In diesem Sinne stellt Ulrich das Modell des „republikanischen Wirtschaftsethos“ vor, wo sich das Handeln nicht am Modell des Homo Oeconomicus, sondern an seiner Gesellschaftsverträglichkeit legitimiert. Dieser Ethos umfasst das individuelle, das unternehmerische und das politische Handeln. Als Hilfsmittel fordert er „Sachzwangbegrenzungen“, das heisst Regelwerke auf nationaler und internationaler Ebene, die es dem Einzelnen, den Unternehmen und den Staaten zumutbar machen, ethisch zu Handeln. Sicher ein wichtiger Ansatz, aber als Christen würden wir sagen, er ist notwendig, aber nicht hinreichend. Hier hätte ein christlicher Autor noch weitere Elemente zur Hand.

 

„Der entzauberte Markt“ ist eine wichtige, sorgfältige , wenn auch manchmal etwas akademiche Analyse der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und auch Glaube, und zeigt gleichzeitig gangbare Handlungswege auf.

 

Ulrich, Peter: „Der entzauberte Markt“; Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag, 2002. Gebunden, 222 Seiten. ISBN 3-451-27935-5

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Mit diesem Text möchte ich erklären, wie die liberalen Theorien den Menschen beschreiben. Gleichzeitig untersuche ich die Sicht der Bibel und vergleiche die beiden Ansätze miteinander.

1.    Der rationale und gewinnorientierte Mensch

Die liberalen Denker beschreiben den Menschen als Wesen, das rational handelt und auf dem Markt immer auf Gewinnsteigerung aus ist. Er strebt immer grössere Effizienz an, um das Verhältnis zwischen Aufwand1  und Ertrag2ständig zu verbessern. Sein Verhalten beruht demnach nicht auf vorgefassten Werten, sondern passt sich von Fall zu Fall den Mitteln an, die den grössten Ertrag versprechen.

Diesem Postulat des rationalen Menschen steht entgegen, dass das Verhalten der wirtschaftlichen Akteure auch durch andere Faktoren beeinflusst wird: soziokulturelle Werte, persönlicher Geschmack usw. Auch die Bibel äussert sich detaillierter zum Thema: Sie sieht im Menschen ein komplexeres Wesen als einen simplen und immer konsequentenhomo oeconomicus. Der Mensch ist sündig und vereint zwei gegensätzliche Willensausprägungen, wie das platonische Gleichnis des Pferdegespanns veranschaulicht: Mal will er das Gute tun, mal das Böse. Die Bibel nennt das den Kampf zwischen Fleisch und Geist. Der Mensch soll gegen das Fleisch kämpfen und es täglich ans Kreuz tragen; er soll seine Fehler einsehen und Busse tun. Diese Haltung ist dem neoliberalen Menschenbild völlig fremd. Anders gesagt: Wir sind berufen, vorsichtig und selbstkritisch zu bleiben. Für uns Christen, die vom Heiligen Geist erneuert sind3, sollten geistliche Anliegen vor dem fleischlichen Materialismus Vorrang haben. Darum ist das liberale Menschenbild vereinfachend, monokausal oder gar utopisch, da es die Funktionsstörungen und Fehlverhalten des Menschen nicht in Betracht zieht.

Gleichzeitig widerspiegelt es eine zu pessimistische Sicht des Menschen, der sich vom Gewinn treiben lasse, ohne sich um andere Fragen zu kümmern. Gewiss ist der Mensch Sünder und egoistisch, doch hindert ihn das keineswegs daran, sich für soziale Hilfswerke zu engagieren, Mönch zu werden oder eine nichtgewinnorientierte Tätigkeit anzunehmen (Krankenpflege, Sozialarbeit, Pfarramt, Gewerkschaft usw.). Noch gefährlicher ist der Ansatz von Friedmann, der behauptet, die Gewinnsteigerung sei ein moralischer Wert für sich. Dies zeigt, dass die Theorie des Neoliberalismus’ über ihren Anspruch als Wissenschaft hinausgeht, denn wir treten hier in den Bereich der Ethik und Theologie ein. Sollte dieser Ansatz auf andere Bereiche ausgedehnt werden, könnten seine totalitären Ansprüche nicht weiter verborgen werden. Die Frage stellt sich dabei, wie ein solches Ideal in den öffentlichen Diensten umgesetzt werden kann. Wer wünscht sich denn einen Staat, in dem die Beamten lieber der Steigerung ihres Gewinns nachgehen, als dass sie das Gesetz anwenden?

Weitere Punkte kommen hinzu: Erstens beinhaltet der Gewinn zwei verschiedene Konzepte: Er kann einerseits einfach das sein, was übrigbleibt, wenn man den Verlust vom Ertrag abzieht. Er kann sich aber auch auf den Mehrgewinnbeziehen, der sich aus dem Vergleich des Gewinns eines Wirtschaftssubjekts mit dem relativ kleineren Gewinn der übrigen Marktteilnehmer ergibt. Man spricht beispielsweise von Mehrgewinn, wenn ein Unternehmen mehr als 20% Gewinn erzielt, während sich der marktübliche Gewinn auf unter 10% beläuft.

Zweitens war während der Industrialisierung die Gewinnsteigerung nicht immer das einzige Ziel der Unternehmer. Oft wurden die Gewinne zu ideologischen und politischen Zwecken verwendet. So hat der Erfolg insbesondere Henry Ford und Frederick Winslow Taylor dazu gebracht, sich besser um ihre Mitarbeiter zu kümmern und ihnen Weiterbildung, Wohnraum und „Erziehung zu guten Sitten“4 anzubieten. Oft widersprachen diese von nicht-geldlichen Zielen motivierten Massnahmen dem Gedanken der Gewinnsteigerung diametral. Übrigens beinhaltet diese Haltung das Konzept der Langfristigkeit in der Unternehmensführung.

Das Wirtschaftssubjekt versucht also nicht nur, seinen Gewinn zu steigern, sondern orientiert sich auch an seinen Werten und Ideologien. Dadurch wird die Fragestellung eindeutig auf die ethische und geistliche Ebene ausgedehnt. Dies gilt insbesondere für die Frage der Langfristigkeit und der Stabilität im Wirtschaftsbereich. Der christliche Mensch sollte darum geistliche und humanistische Werte vor materialistische und egoistische Überlegungen stellen. Er sollte sich vom Heiligen Geist leiten lassen und nicht von seinen materiellen Bedürfnissen und das Geldausgeben zur ethischen Frage machen.

2.    Der selbständige und autonome Mensch

Eine zweite Behauptung der liberalen Theorie lautet, der Mensch sei im Umgang mit seiner Existenz unabhängig und auf sich gestellt, er sei von niemand abhängig. Der Gedanke der Autonomie findet sich in der liberalen Definition von Solidarität wieder. Demnach empfängt der bedürftige Mensch seine Hilfe zuerst von der Familie, dann von Bekannten und schliesslich von der Dorfgemeinschaft. Der Staat soll dabei erst als letzte Instanz einspringen. So haben wir es mit einer Gruppe isolierter Einzelpersonen zu tun, deren soziale Bindung sehr schwach ist; als ob diese Bindung zweitrangig oder sogar schlecht wäre. Auch wenn diese Sicht von Solidarität auf den ersten Blick durchaus akzeptabel und legitim erscheinen mag, ist die verborgene Botschaft in Tat und Wahrheit die Ablehnung von allem, was kollektiv ist, wie z.B. dem Gemeinwohl oder dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Warum sonst sollte die Definition der Gesellschaft ausschliesslich beim Einzelnen ansetzen? Ist es tatsächlich möglich, eine Gesellschaft zu bauen, indem Individuen mit begrenzten und zufälligen Beziehungen angehäuft werden? Wo bleiben da die augenfälligen kollektiven Phänomene (Mode, Schaffung einer kollektiven Identität, in der sich das Ich über das Wir definiert usw.)? Diese Sicht verrät die Illusion, wonach sich jeder Mensch selber genügt, ohne auf Gott angewiesen zu sein. Das erinnert an Nietzsches Utopie des stolzen „Übermenschen“, der sich jeglicher „moralischer Fessel“ entledigt hat.

Dem gegenüber stellt die Bibel den Menschen in ein kollektives Umfeld, auch wenn sie den persönlichen Aspekt des Einzelnen5 respektiert und sogar verteidigt. Der Mensch lebt vor allem in der Beziehung zu Gott6 und den Menschen. So ist der Christ berufen, in der Kirche7, dem Leib Christi, freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Die Kirche ist dabei nicht uniform, sondern durch die Bindung der Liebe und Solidarität zusammenhängend und geeint8. Gott hat demnach den Menschen nicht geschaffen, damit er allein und isoliert sei (und um diesen Zustand zu verherrlichen), sondern im Gegenteil, damit er mit Gott und den Menschen Beziehung pflege. Das atomistische Weltbild9 der Liberalen entspricht also weder der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch dem biblischen Weltbild.

3.    Der Mensch als Zentrum der Welt

Weiterhin behaupten die Liberalen, der Mensch stehe im Zentrum der Welt und beherrsche die Schöpfung souverän. Sein Verhalten unterstehe seinem freien und unabhängigen Willen. Gewiss hat Gott dem Menschen bei der Schöpfung aufgetragen, den Tieren im Garten Eden einen Namen zu geben10 und über sie zu herrschen11. Doch diese Herrschaft entspricht nicht automatisch einer Menschenzentriertheit, denn die Bibel verlangt gleichzeitig Verantwortung gegenüber Gott. Die Menschenzentriertheit des Liberalismus vernachlässigt die Sünde des Menschen. Die Bibel sagt klar, dass auch der Mensch geistlichen12, moralischen und physikalischen Realitäten und Grenzen unterworfen ist. Die Anerkennung dieser Grenzen seiner Bewegungsfreiheit sollte ihn demütig machen, gerade im Umgang mit der Schöpfung.

Im Gegensatz zur liberalen Behauptung steht der Mensch also nicht im Zentrum der Schöpfung. Er leidet an seiner sündigen Natur, er lebt in der Abhängigkeit von seiner Umwelt und seinen Mitmenschen. Das Postulat der Menschenzentriertheit erscheint zwar in mancher Hinsicht optimistisch, es scheint die Würde des Einzelnen zu fördern, gleichzeitig widerspiegelt es aber den Stolz des Menschen seiner Umwelt gegenüber. Die Bibel erinnert uns daran, dass Hochmut oft vor dem Fall kommt.13

4.    Der eigenverantwortliche Mensch

Schliesslich wird behauptet, der Mensch sei durchaus fähig, sich um sich selber zu kümmern. Dieses Postulat der Eigenverantwortung wird oft benutzt, um staatliche Sozialleistungen zu kürzen, weil sie, so die Argumentation, unnütz seien und den Bezüger vom Staat abhängig machten. Hinter diesem Gedanken finden wir wieder das Bild des selbständigen und idealen Menschen. Dabei sagt die Bibel ganz klar, dass wir unserer sündigen Natur14 unterworfen sind, die uns zu verantwortungslosem Verhalten treibt: Autofahren unter Alkoholeinfluss oder Rauchen trotz Krebsrisiko. Welch schöne Beispiele von Eigenverantwortung! Um dieser Natur zu widerstehen sind wir auf die Erneuerung durch den Heiligen Geist angewiesen.

Ausserdem ist das Konzept der Eigenverantwortung zu kritisieren, weil es zu verstehen gibt, dass es überflüssig ist, dem Nächsten zu helfen – oder sich helfen zu lassen. Ein schwerer Schlag für die Solidarität. Und das obwohl das Neue Testament vom Amt der Diakonie spricht, womit unter anderem die Sorge für die Schwächsten der Gesellschaft, wie z.B. Kranke, Witwen und Waisen, gemeint ist. Mit dem neoliberalen Bild wird uns ein Mensch angepriesen, der wild ist und kurzfristig und fatalistisch denkt, da ja die Marktmechanismen ohnehin die Wirtschaft bestimmen… Dabei geht vergessen, dass ja auch der Wirtschaftslauf immer von menschlichen Entscheiden bestimmt wird, sei das auf Gesetzes-, geldpolitischer oder Unternehmensebene.

Wenn wir in unseren Betrachtungen noch etwas weiter gehen, fällt auf, dass das liberale Menschenbild so etwas wie ein „inneres Loch“ voraussetzt. Der Mensch ist ja so frei, er trägt in sich eine „heilige Kammer“, auf die die Gemeinschaft, das kulturelle Umfeld und andere Instanzen keinen Zugriff haben. Da dies als normal und rechtmässig angesehen wird, kann fast Alles aus dieser „Black Box“ kommen. Dies kann äusserst gefährlich sein, da hier keine moralischen Massstäbe gelten. Natürlich widerspricht das jeglicher Wirklichkeit, hat doch jeder Mensch seine eigene Geschichte und Persönlichkeit und ist von seinem Umfeld geprägt. Eine andere Gefahr dieses Menschenbildes liegt darin, dass die Menschen sehr uniform beschrieben werden. Das weckt Erinnerungen an totalitäre Regimes wie unter Stalin oder Hitler, wo der Einzelne ohne Unterschied in einer rassischen oder klassenbedingten Masse aufging. Beim Liberalismus geht er eher im Markt auf, auf dem er mit gleicher Vernunft, gleicher Autonomie, gleicher Eigenverantwortung usw. tätig ist.

In der Bibel lesen wir aber, dass der Mensch nicht leer und uniform geschaffen ist. Gott unterhält mit jedem von ihm geschaffenen Menschen eine ganz besondere Beziehung, da jeder Mensch einzigartig ist. Gleichzeitig ist Gott immer um Gerechtigkeit und Gleichbehandlung besorgt, denn „Gott schaut nicht die Person an“15. Die biblische Sicht übertrifft demnach die liberale Theorie an Komplexität, und das trotz der angeblichen Wissenschaftlichkeit des Liberalismus’. Der Mensch der Bibel kommt der alltäglichen Wirklichkeit viel näher, da die Bibel mit allen Aspekten des menschlichen Weltbildes und Verhaltens, aber auch mit seiner Verstiegenheit und Widersprüchlichkeit rechnet.

Thomas Tichy, Politologe, 2004

Übersetzung: Samuel Ninck

 


1. …oder erwartete Kosten…

2. …oder erstrebtem Gewinn…

3.  von neuem geboren: Titus 3,5-7.

4. Paternalismus.

5. So beruft uns Jesus, eine persönliche Beziehung mit Gott zu unterhalten. Matthäus 6,5-6.

6. Leider beeinträchtigt die Sünde diese Beziehung. Bezug herstellen zum Konzept des Bundes im Alten und Neuen Testament.

7. Die Rede ist hier nicht von der Kirche als Institution oder Organisation, sondern von der „weltweiten Kirche“, d.h. der Christen, die frei sind, sich zu organisieren wie sie wollen, mit oder ohne Hierarchie.

8. „Wenn ein Glied leidet… (1. Korinther 12) Wir können nicht über Solidarität sprechen, ohne die Solidarität der Urkirche zu erwähnen, in der die Güter zusammengelegt wurden. Dies hat keinen zwingenden Charakter, sondern zeigt beispielhaft, dass sich der Mensch andere Verhalten haben kann als den Egoismus, den der Neoliberalismus nahe legt.

9. In diesem Zusammenhang werden mir gewisse Liberale dankbar sein, dass ich nicht Tocqueville erwähnt habe. Dieser Autor beschreibt die amerikanische Gesellschaft und weist auf die wichtige Rolle hin, die die Bürgervereinigungen dort am Anfang des 19. Jahrhunderts gespielt haben.

Dem ist entgegen zu halten, dass nicht alle Liberalen Schüler von Tocqueville sind und dass die Bürgervereinigungen (Bürgerbewegung) doch immer im übermächtigen Schatten des Einzelnen stehen. Es gibt keine Garantie dafür, dass der Einzelne den Entschluss fasst, auf die Anderen zuzugehen und sich mit ihnen zusammen zu schliessen. Im Gegenteil kann er sich ohne Weiteres für ein einsames und zurückgezogenes Leben entscheiden, da das Grundpostulat, dass er frei ist, weiterhin gilt..

10. 1. Mose 2,19-20. Römer 7,14-19.

11. 1. Mose 1,26.28-30.

12. Galater 5,17.

13. Sprüche 16,18.

14. Römer 7,14-19.

15.  z.B. Kolosser 3,25.

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~ 3 min

In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Debatte auf die Entwicklung unserer Gesellschaft konzentriert. Welches Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell wollen wir fördern? Das G8-Treffen gibt uns die Gelegenheit, unsere Kritikpunkte kurz zu skizzieren und einige Ideen zu dem Gesellschaftsmodell zu entwickeln, das uns vorschwebt.

Wir stellen fest, dass in unserer Gesellschaft Entscheidungen oft von wirtschaftlichen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls diktiert werden. Der Individualismus hat die Solidarität auf fast nichts reduziert, und die aufeinanderfolgenden Liberalisierungswellen verleihen reichen Einzelpersonen, multinationalen Konzernen und internationalen Währungsinstitutionen, die de facto die Herrschaft über die Staaten ausüben, eine unverhältnismäßige Macht.

Fehlende demokratische Kontrolle

Die Verhandlungen innerhalb der G8 und der großen Finanzinstitutionen (WTO, IWF und Weltbank) werden hinter verschlossenen Türen geführt, was die Entscheidungen verschleiert. Es gibt keine öffentliche Konsultation, keine demokratische Kontrolle. Die Verlierer sind die armen Länder und Bürger, deren Bürgerrechte auf diese Weise eingeschränkt werden. Besorgniserregend ist, dass sogar die Schweizer Delegation bei der WTO über das GATS (General Agreement on Trade in [Public] Services) und die Privatisierung von Wasser verhandelt, ohne ein Mandat des Schweizer Volkes zu haben. Die UNO, ein demokratisches Gremium auf supranationaler Ebene, wird ins Abseits gestellt.

Für mehr soziale Gerechtigkeit!

Die uns auferlegten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme fördern den Individualismus und verweigern Solidarität und Chancengleichheit. So schaffen wir Gesellschaften, in denen der Stärkste regiert, um sein persönliches Vermögen zu sichern. Der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, Errungenschaften, die unter anderem den Reichtum der Schweiz und der westlichen Demokratien ausmachen, sind gefährdet.

Angesichts dieser Missstände setzen wir uns für eine Gesellschaft der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit ein. Wir kritisieren scharf diesen Diskurs, der besagt, dass jeder Einzelne durch reine Willenskraft alles erreichen kann. Nicht alles ist eine Frage des Willens, sondern hängt von den Mitteln ab, die einem zur Verfügung stehen. Wir plädieren für Verantwortung auf individueller Ebene, die aber die staatlich organisierte Solidarität nicht ersetzen kann. Wir wollen eine Gesellschaft, in der das Geld wieder seinen rechtmäßigen Platz als Mittel und nicht als Zweck des Wirtschaftens einnimmt und in der die demokratische Kontrolle wirksam ist. Zum Beispiel muss es eine Obergrenze für die zulässige Investition von Geld in demokratische Abstimmungen und Wahlen geben, denn es besteht eine reale Gefahr der Manipulation durch finanziell stark unterstützte Kampagnen. Ebenso beobachten wir mit Sorge die Lobbyarbeit von Wirtschaftskreisen in den Vorzimmern internationaler Institutionen und in Parlamentssälen.

Für eine Wirtschaft im Dienste des Menschen

Wir setzen uns für demokratische, starke und unabhängige Medien ein, da immer mehr Medien durch Werbekunden zensiert werden oder sogar im Besitz von Wirtschaftskonzernen sind. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die Debatte über die Auswüchse unserer Demokratien neu zu beleben und mutige Reformen in Angriff zu nehmen. Durch eine engagierte Zivilgesellschaft müssen wir die Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen fördern.

Das derzeitige Wirtschaftssystem konzentriert immer mehr Reichtum in einigen wenigen Unternehmen unter dem Druck der Aktionäre, die immer höhere Gewinne verlangen. Dies geschieht auf Kosten der Mitarbeiter, was bei den einen zu Entlassungen und bei den anderen zu mehr Druck und Stress führt. Das Streben nach wirtschaftlichem Wachstum auf Kosten der Gesellschaft und der Grundwerte der Menschenwürde ist nicht länger akzeptabel. Wir fordern daher unsere Regierung auf, eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik zum Wohle der Mehrheit zu betreiben. Sind wir bereit, Maßnahmen zu akzeptieren, die uns teuer zu stehen kommen können?

Für einen Sinneswandel

Demokratisierung ist eine notwendige Bedingung für eine gerechte Gesellschaft, aber ohne ein Herz für den Nächsten wird die Demokratie nicht ausreichen. Wir müssen von unserer Angst vor Mangel befreit werden, sei es wirtschaftlich oder persönlich. Dies erfordert ein Bewusstsein und Regeln, die ethisches Verhalten auf allen Ebenen fördern.

Markus Meury/Silvia Hyka, Mai 2003

~ 8 min

CHRONIK EINER PSEUDO-DEMO

Kulisse: Die Festung des Weltwirtschaftsforums (WEF) steht einmal mehr unter dem Höchstschutz von Polizei, Militärpolizei und Armee mit dem Auftrag, mit Autodurchsuchungen, Identitätskontrollen usw. die „guten“ von den „bösen“ Demonstranten zu trennen.

1. Akt: Die Spannung steigt:

11.00 Uhr: Unsere sieben „Terroristen“ besammeln sich in Thusis (GR). Nach einem kurzen Fototermin für das Familienalbum ? mit Transparenten, die könnten unterwegs ja konfisziert werden ? wagen wir den Ansturm auf Davos.

11.30 Uhr: Erste Polizeikontrolle. Angespannt, aber korrekt untersuchen die Beamten unser „Arsenal“ im Kofferraum. Wenigstens werden meine Krücken nicht beschlagnahmt, uff! Journalisten schiessen die ersten Bilder und figurieren als eine Art Beobachter.

11.45 Uhr: Zweite Polizeikontrolle. Sind wir eigentlich im Kino? Unsere Autos werden von vier bis zu den Zähnen gepanzerten Rambos umstellt, die uns am Aussteigen hindern. Wir befinden uns direkt an einem Tunneleingang und sind von einem ganzen Regiment umzingelt (für dieses Mal ohne Beobachter). Die Rauchgranaten sind einsatzbereit. Kofferraumkontrolle zum Zweiten. Identitätskontrolle via Hauptquartier. Unsere Leumunde scheinen (bis dahin?) leer gewesen zu sein, und eine Viertelstunde später sind wir wieder unterwegs ? immer noch mit Krücken, uff zum Zweiten! Auf wann die dritte Kontrolle? (Andere hatten dieses Privileg…)

12.30 Uhr: Nach einer friedlichen Reise ? vor uns ein Polizeiauto und fünf Busse (nicht von der Polizei, aber sie passten gut ins Bild), über uns ein oder zwei Helikopter ? erreichen wir Davos wohlbehalten. Die Polizei ist überall, das Dorf ist ausgestorben.

13.00 Uhr: Wir essen in einem der wenigen offenen Restaurants. (Sogar die Tankstellen sind geschlossen, weil die Demonstranten ja Feuer legen könnten…)

14.00 Uhr: Wir brechen auf und suchen andere Demonstranten. Doch wo sind sie? Jemand schickt uns auf einen 30minütigen Fussmarsch. Endlich treffen wir auf 3 oder 4 Mitdemonstranten. Wir entrollen unsere Transparente und machen einen Privatumzug.

14.30 Uhr: Endlich treffen wir auf einem Platz eine bunt zusammen gewürfelte Masse von etwa 1000 Demonstranten, die schon seit einer Weile dort warten ? die Demonstration war auf 13.30 angesetzt. Gewerkschafter, Anarchisten, Zapatisten, Pazifisten, Private und viele viele Journalisten. Das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren, Stil eher alternativ.

15.30 Uhr: Nach einigen Interviews und Begegnungen, ergreifen verschiedene Redner das Wort. Wir erfahren, dass in Landquart etwa 4000 Demonstranten blockiert sind und den Kontrollzirkus ablehnen. Einige Überdrüssige haben Schaden angerichtet. Die Spannung steigt. Wir warten. Später wird durchgegeben, man habe zu einer Einigung gefunden, die Kontrollen würden im Zug stattfinden. Landquart ist offen! Doch nicht lange, denn kaum sind die Demonstranten im Zug, sollen sie doch wieder einzeln kontrolliert werden!

Hurra, ein Zug kommt an! Doch leider ist er leer. Die Spannung steigt weiter. Man sagt uns schliesslich, es komme niemand hoch. Es wird entschieden, dass wir auf unser Recht auf Demonstration verzichten und aus Solidarität nach Landquart hinunterfahren. Die Polizei könnte sich so unversehens in ihren eigenen Spielchen gefangen wiederfinden (im Sandwich zwischen zwei Demonstrationen). Die Spannung steigt weiter, und wir ermutigen die Organisatoren, zu Gewaltlosigkeit aufzurufen.

2. Akt: Wer hat was von demonstrieren gesagt?

16.00 Uhr: Endlich setzt sich der Umzug in Bewegung! Wir strecken unsere Transparente in die Höhe: „Ihr wollt die Welt beherrschen? Die Welt sagt WIDERSTAND!“, „Anti-internationale Solidarität“, „Löscht das Forum aus!“. Ein riesiges Goldenes Kalb wird durch die Menge getragen und von Affenpolitikern (Busch & Co.) mit Dollars beregnet. Wir schaffen es doch noch, vor dem Forums-Fort durchzuziehen. Schneebälle fliegen. Als einzige Zuschauer schauen fast nur die Berge. Die Bewilligung für die Demonstration wird vor dem Rathaus verbrannt, um die inakzeptablen Demonstrationsbedingungen anzuprangern.

17.00 Uhr: Schliesslich löst sich die Demo auf. Keiner weiss wieso. Wir gehen nicht nach Landquart. Alles fährt nach Hause. Wie wir hören, sind die sowieso schon gegangen. Die Polizei hat uns effizient auseinander gehalten, die Demonstration verzögert und sogar verhindert.

3. Akt: Die Zeitbombe:

23.00 Uhr: In einem Kloster bei Chur schauen wir die Nachrichten am Fernsehen: Die Demonstranten von Landquart haben nach Zürich umgeschwenkt, doch die Polizei ist da. Einige sind bis nach Bern weitergefahren, wo sich extreme Anarchisten (?) Strassenschlachten mit der Polizei liefern und Schaufenster einschlagen.

Bilanz:

Unser Einsatz hat dazu beigetragen, einen äusseren Druck auf das aktuelle Wirtschaftssystem auszuüben (auch wenn eine weitere Mobilisation der Bevölkerung nötig ist). Diesem äusseren Druck muss ein innerer, politischer Druck folgen, sollen fundamentale Veränderungen eintreten. Wir konnten ChristNet (und seine Forderungen in Davos) etwas bekannter machen und Kontakte knüpfen.

Wir sind überzeugt, dass die Gewalt kein Mittel für diesen Kampf ist. Im Gegenteil: Sie schadet der Glaubwürdigkeit und dominiert die Medienberichterstattung auf Kosten der echten Probleme.

Also auf nächstes Jahr? Vielleicht können wir dann an einer Demonstration teilnehmen, die diesen Namen verdient. Und noch friedlicher!

Epilog: Die Desinformation der meisten Medien:

Montag, 27.01.03, ich öffne meine Tageszeitung. „Le Matin“ titelt: „Tausend Demonstranten gegen 400 Polizisten“. Ein total unklarer Titel, da er dem Durchschnittsleser suggeriert, 1000 Demonstranten hätten Schaden angerichtet. Der nachfolgende Artikel ist nicht klarer. Ähnlich tönt?s in der Lausanner Zeitung „24 Heures“.

Doch in der Genfer Zeitung „Le Courrier“ (die ich Euch für ihre Unabhängigkeit und kritische Haltung der Globalisierung gegenüber empfehle) heisst es: „… mehrere Dutzend Vermummter haben Schaufenster der umliegenden Banken und Hotels eingeschlagen“. Die Polizei habe unverzüglich angegriffen, als ein Demonstrant eine Rakete losgelassen habe. Ausserdem habe die Polizei mit Gummigeschossen auf einen Zug geschossen, der Landquart verlassen hat, und einen Demonstranten verletzt! Auf der selben Seite ist sogar die Rede von ChristNet! Sag mir, was du liest, und ich sage dir, auf welcher Seite der Globalisierung du stehst…

Vincent Léchaire, 31.01.03, übersetzt von Samuel Ninck

ChristNet geht nach Davos!

Am 25. Januar findet die grosse Demo anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos statt. ChristNet geht mit einer kleinen Gruppe dort hin. Warum denn das??

Wir haben das Gefühl, dass die Spielregeln der Globalisierung heute hauptsächlich von den Interessen der reichen Länder und der grossen Konzerne beherrscht werden, und dass der Mammon mehr und mehr regiert. Dass dies nicht gut gehen kann, ist klar. Was ist aber, wenn die Menschen in fünfzig Jahren fragen werden, wo denn die Christen gewesen sind, als all dies geschehen ist? Werden sie sagen müssen, dass die Christen genauso dem Mammon alle Macht gegeben haben? Sollen die Menschen sagen, die Christen sind ja nicht besser gewesen, und darum unseren Gott ablehnen? Wir wollen der Welt zeigen, dass den Christen die heutigen Vorgänge nicht egal sind, sondern dass wir menschenwürdige und demokratische Spielregeln in der Globalisierung wollen.

Ist eine Demo der richtige Ort? Nicht nur, aber auch. ChristNet setzt sich in vielerlei Art ein. Aber auch da, wo engagierte Menschen zusammenfinden, wollen wir uns zeigen.

Aber sollen wir mit diesen Gewalttätern mitziehen? Nein, wir wollen bewusst dort dafür beten und mithelfen, dass diese Demo friedlich abläuft. Wir möchten uns dabei auch Pfarrer Ueli Wildberger anschliessen, um entspannungsfördernde Aktivitäten mitzutragen (Lieder singen etc.). Es ist für die Sache unheimlich wichtig, dass die Demo friedlich abläuft .

Und was haben wir sonst dort zu bieten? Das Gebet! Denn wir kämpfen nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit Mächten und Gewalten in der geistlichen Welt. Dies ist unser spezifischer Beitrag, und ohne Gott können wir nichts tun. Veränderung der Spielregeln der Globalisierung ist nur möglich durch Veränderung der Herzen weg vom Mammon, hin zu Gott. Wir werden uns auch schon am Freitagabend treffen, um Zeit fürs Gebet zu haben.

An der Demo tragen wir Plakate und Transparente mit, die wir selber anfertigen. Unsere Slogans:

– Make mercy, not money

– Mein Gott heisst nicht Markt

– L?homme ? crée à l?image de Mammon?

Wir wollen auf unserem Weg nach Davos auch Flugblätter verteilen, wo wir unsere Visionen, Vorschläge und Forderungen dem Publikum näherbringen, denn ohne Kommunikation und Erklärung nützt der Gang an die Öffentlichkeit nichts.

Unsere Gedanken zum Thema Globalisierung (und Unterthema Wasserprivatisierung) können in entsprechenden Artikeln auf dieser Website nachgelesen werden.

Bitte tragt unsere Teilnahme in Davos im Gebet mit! Wir bitten Gott vor allem um Bewahrung, aber auch darum, dass er alle Herzen beruhige, damit die Demo friedlich bleibe. Bitten wir Gott auch darum, dass viele Menschen berührt werden, speziell die Teilnehmer am Forum, damit sie sich von der Liebe für die Armen leiten lassen und nicht von Marktgesetzen!

Markus Meury, ChristNet

Flugblatt: Schon wieder diese Chaoten!

… oder: Warum wir nach Davos gehen

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos zieht neben hunderten von Wirtschaftsführern und Politikern jedes Mal viele mehr oder minder friedliche Demonstranten an. Sie werden Globalisierungsgegner genannt, zutreffender wäre aber Globalisierungskritiker, denn die Globalisierung selber ist nicht aufzuhalten. Entscheidend sind aber die Regeln der Globalisierung. Wer bestimmt: die Macht des Geldes, der grossen Konzerne, der reichen Länder? Oder die Menschen, die betroffen sind, nach demokratischen Regeln? Denn in der Welthandelsorganisation (WTO) werden im Moment Weltwirtschaftsregeln ausgehandelt, wo die demokratisch gewählten Regierungen und die Bevölkerungen zu weiten Bereichen wie Gesundheitswesen, Schulen, Eisenbahn und Grundversorgung wie Wasser, Strom und so weiter nichts mehr zu sagen haben. Mit dem Argument, dass der Wettbewerb nicht behindert werden darf, muss die öffentliche Versorgung den internationalen Konzernen geöffnet werden und wir dürften nicht einmal mehr Regeln aufstellen, welche Mindestleistungen sie zu erbringen hätten oder welche Preise sie höchstens verlangen dürften. Wir sind also alle betroffen von dem, was auch am WEF zwischen den Politikern und Wirtschaftsführern besprochen wird. AUCH SIE SIND BETROFFEN!

Wir wollen auf friedlichem Wege Druck auf die Regierungen und Wirtschaftsführer machen, damit die Globalisierung FüR und nicht GEGEN die Menschen geschieht. Wir verurteilen schärfstens jegliche Gewalt, denn diese schadet nicht nur den davon betroffenen Menschen, sondern auch der Bewegung selber. Wir werden versuchen, an der Demo selber zur Gewaltfreiheit beizutragen, aber vielleicht lassen sich nicht alle Chaoten davon abbringen.

Wir sind eine christliche Organisation Namens ChristNet. Wir handeln aus unserem Glauben heraus, weil wir sehen, dass Jesus die Liebe zu den Menschen gepredigt hat und in der aktuellen Form der Globalisierung die Menschen unter die Räder kommen. Für weitere Informationen können Sie die Website www.christnetonline.ch konsultieren.

Wir wünschen Ihnen einen wunderschönen Tag!

Unsere Forderungen:

Forderung an unseren neuen Wirtschaftsminister Deiss, die Interessen der Ärmsten der Welt statt der Interessen der Multinationalen Konzerne in der Welthandelsorganisation (WTO), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zu vertreten
Stop der Verhandlung im WTO über die Totalliberalisierung und Privatisierung des Servic Public: Wir haben unserer Regierung kein Mandat dazu gegeben!
Mehr Mitsprache für die Entwicklungsländer im WTO, die heute kein Geld haben, sich genügend mit den Themen auseinanderzusetzen
Demokratisierung des IWF und der Weltbank, die im Moment alleine von den Industrieländern beherrscht werden
Öffentliche Diskussion und demokratische Mitsprache der Bevölkerung zur Politik des IWF, der Weltbank und des WTO
Ende der Austeritätspolitik des IWF, der ganze Völker in die Not treibt
Stop der Wasserprivatisierung: in Entwicklungsländern wird auf Druck und Zwang des IWF und der Weltbank in vielen Ländern die Wasserversorgung privatisiert. Inzwischen sind Millionen von Armen von der Wasserversorgung ausgeschlossen, weil die privatien Konzerne die Preise für das Wasser in unbezahlbare Höhen getrieben haben! Täglich sterben Tausende von Kindern, weil sie an Krankheiten sterben, die die Ursache in unsauberem Wasser haben.
Garantierter Zugang auch der Ärmsten zu Wasser, Bildung und Gesundheit!