Gedanken zur Steuerpolitik
Wer bezahlt gerne Steuern? Eben! Deshalb haben wir die Tendenz, Steuersenkungen zu fordern und anzunehmen, wo nur möglich…
Was sollte christliche Steuerpolitik leisten?
- Finanzierung der gemeinsamen Aufgaben
- Gerechter Ausgleich, da tatsächlich unterschiedliche Chancen und Lebensunterhalts-Fähigkeiten zwischen den Menschen bestehen. In den letzten Jahren setzt sich politisch immer mehr die Angst vor den „Profiteuren unseres Sozialstaates“ durch, dies auf Kosten der Solidarität mit den Schwachen
- Teilen: dieser Aspekt wird selbst von Christen oft vernachlässigt
Klar: Effizienz im Staat muss sein, und auch die Vorsicht, dass er das Geld vernünftig und gerecht ausgibt
Rahmen der aktuellen Steuerdebatte
In den letzten 10 Jahren sind in der Schweiz die Reichen massiv reicher und die Armen ärmer geworden. Das reichste 1% der Bevölkerung konnte ihr Vermögen verdoppeln, die Kader ihr Einkommen um 20-50% steigern. Die Beschäftigten in den Tieflohnbranchen mussten gleichzeitig einen Einkommensverlust von im Durchschnitt 5% erleiden. Noch nicht eingerechnet sind hier die Krankenkassen-Prämiensteigerungen und der Abbau der staatlichen Zahlungen und Leistungen.
Teilen und Ausgleich wäre also dringender denn je, aber es geschieht nun genau das Gegenteil: Teilen wird immer unpopulärer: gerade die Ausgleich schaffenden Steuern werden abgebaut.
Es stimmt, dass in den letzten 10 Jahren die Steuern insgesamt stark zugenommen haben. Es waren dies vor allem die Mehrwertsteuer (mehrheitlich für die AHV), die Lohnabzüge für IV und die Arbeitslosenversicherung. Hinzu kamen viele Gebührenerhöhungen sowie Steuererhöhungen der direkten Steuern vor allem in Gemeinden und in einzelnen Kantonen. Es waren also grösstenteils nichtprogressive Steuern, die alle Zahler prozentual gleich betrafen, zum Teil sogar mit einer Höchstgrenze wie bei der Arbeitslosenversicherung. Gleichzeitig wurden die Staatsleistungen für den Einzelnen abgebaut.
Steuerabbau trotzdem vor allem für die Reichen
Seit einigen Jahren wird in der Politik vor allem mit dem Ruf nach tieferen Steuern Stimmen gemacht. Bundesrat Villiger selbst sagte anlässlich seiner 1. August-Rede vor eineinhalb Jahren, dass diejenigen am lautesten schreien, die die Steuern am Besten bezahlen können…
Im September hat der Nationalrat deshalb ein Steuersenkungspaket verabschiedet, das weit über das vom Bundesrat Vorgeschlagene hinausgeht und nach dem Motto „wer hat, dem wird gegeben“ funktioniert:
- 300 Millionen Reduktion der Unternehmensbesteuerung, obwohl wir schon fast die tiefste Unternehmenssteuer der westlichen Länder haben
- ca. 400 Millionen an die Hauseigentümer, die den Eigenmietwert nicht mehr zu besteuern brauchen
- 760 Millionen für die Börsengeschäfte, die den Börsenstempel nicht mehr zu bezahlen brauchen
- und vor allem 1,3 Milliarden an die reichen Ehepaare und Familien. Unter dem Titel Familienförderung sollten Familien entlastet werden. Drei Viertel der Beträge werden in der aktuellen Ausgestaltung jedoch von Ehepaaren und Familien gespart, die über 90’000 Franken Haushaltseinkommen haben. Und die ganz armen Familien zahlen bereits heute kaum Bundessteuer, sodass sie praktisch nichts von Steuersenkungen haben. Insgesamt ist diese Familienvorlage völlig sinnlos, denn sie hilft vor allem den reichen Familien, denen die Kinder viel weniger eine finanzielle Belastung sind, als den Armen, wo, wie Studien belegen, Kinder immer mehr ein Armutsrisiko sind. Diese Steuer-Vorlage, die aber wie die anderen noch durch den Ständerat muss, sieht einen Abzug von 11000 bis 14000 Franken vom Nettoeinkommen vor, sodass die Verheirateten, und besonders die Familien einen tieferen Steuersatz zahlen müssen. Der Nationalrat hat es abgelehnt, einen Abzug direkt von zu bezahlenden Steuerrechnung zu machen, was für alle Steuerzahler gleich viel gebracht hätte, und wovon die Armen gleich viel wie die Reichen profitiert hätten. In der aktuellen Version hingegen profitieren die Reichen prozentual viel mehr…
Gleichzeitig fällt in einem Kanton nach dem Anderen die Erbschaftssteuer, die wiederum den Erben in reichen Familien zu gut kommt. Und zur selben Zeit wird bei der neusten AHV-Revision weiter gespart, weil man zu wenig Geld habe…
Dies sind in meinen Augen krasse Beispiele für die vermehrte Durchsetzung der Macht des Geldes in der Politik.
Eingangs habe ich Beispiele aufgezählt, was die Steuerpolitik leisten sollte.
- Gemeinsame Aufgaben finanzieren: heute werden diese mehr und mehr privatisiert
- Gerechter Ausgleich: trotz der sich öffnenden Lohnschere in den neunziger Jahren passiert in der Steuerpolitik das Gegenteil
- Teilen? Ist immer weniger populär…
Mit dem Argument weniger Steuern zahlen lässt sich heute jede Abstimmung gewinnen. Deshalb wird auf diesem Gebiet denn auch manchmal gelogen, dass die Balken krachen. Erinnern wir uns an die Abstimmung über die steueraufkommensneutrale CO2-Abgabe, die von der Wirtschaftslobby als neue Steuer verleumdet wurde. Bei Erbschaftssteuer-Abschaffungsinitiativen und bei Projekten zur Senkung der progressiv ausgestalteten direkten Einkommenssteuern wird ebenfalls regelmässig behauptet, dies komme den Armen zu Gute, obwohl dies kaum zutrifft. Und bei der aktuellen Kapitalgewinnsteuer behaupten die Gegner ebenfalls, die kleinen Bürger müssten sie bezahlen, obwohl in der Schweiz hauptsächlich vermögende Personen Aktien besitzen und Kleinaktionäre mit der Gewinn-Freigrenze von 5000 Franken im Jahr kaum je etwas bezahlen müssten.
Kapitalgewinnsteuer
Unter den beschriebenen Rahmenbedingungen und der gegenwärtigen Umverteilung von unten nach oben bietet die Kapitalgewinnsteuer die Gelegenheit, wieder etwas Gerechtigkeit herzustellen.
– Erinnern wir uns, dass im Jahre 1997 in der Schweiz mehr Einkommen mit Kapitalgewinnen als mit Lohneinkommen erzielt worden ist.
– Die gegenwärtige Börsenflaute ist vorübergehend, denn auch heute halten Vermögensverwalter daran fest, dass mittelfristig Aktien die grösste Rendite von allen Anlagemöglichkeiten bieten.
– Die schon bestehende bescheidene Vermögenssteuer ist kein Ersatz für eine Kapitalgewinnsteuer, jedes andere Einkommen kann auch zu Vermögen werden und wird dennoch besteuert…
– Aufwand und Ertrag der Kapitalgewinnsteuer stehen in gutem Verhältnis. Sonst hätten nicht alle anderen westlichen Länder die Kapitalgewinnsteuer bereits. Die USA hat übrigens ihr Budgetdefizit hauptsächlich dank der Kapitalgewinnsteuer tilgen können.
Besser freiwillige Solidarität statt Steuern?
In christlichen Kreisen wird oft gesagt, es sei besser, die Leute würden freiwillig Gutes tun als erzwungene Steuern zahlen. Das Problem ist nur, dass die freiwilligen Spenden auch in Ländern mit tiefen Steuern nur einen kleinen Teil der Differenz zu Ländern mit höheren Steuern ausmachen. Die Rechnung geht nicht auf.
Es wird manchmal auch gesagt, der Staat sollte die Hände von den Wohlfahrts-Aufgaben wie Fürsorge und AHV lassen, die Kirchen sollten das übernehmen. Solche Ideen sind völlig undurchdacht, denn wo sollen die Kirchen die Milliarden hernehmen? Wir riskieren, dass viele Menschen in Not geraten und ihnen niemand hilft, und vor allem, dass den Kirchen, die schon heute am finanziellen Limit sind, das Geld für die Evangelisation fehlt. Damit hätten sie dem Reich Gottes einen Bärendienst erwiesen…
Die gerechte Steuerprogression, die heute noch besteht, wird durch die Freiwilligkeit aufgehoben. Teilen ist aber für alle eine biblische Pflicht, und nicht nur vom Überfluss. Wer als Milliardär gnädigst eine Million spendet, hat nur von seinem Überfluss abgegeben (siehe auch Lukas 21 und Markus 12 zum Scherflein der armen Witwe). Wer Geld hat, der verweist auch in christlichen Kreisen schnell auf den eigenen Verdienst, obwohl es Gott ist, der uns versorgt, und der uns auch die Kraft und Dynamik zu Top-Leistungen in der Wirtschaft gibt. Oder sind Lohndifferenzen zwischen 2500 Franken und 200’000 Franken im Monat durch Eigenanstrengung gerechtfertigt? Geld macht nicht glücklich, aber wer keines hat, der ist in der heutigen Gesellschaft ausgeschlossen.
Photo by Dmitry Demidko on Unsplash
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