Gesundheitspolitik muss Solidarität an die erste Stelle setzen!

,
~ 3 min

Nächstenliebe heisst essentiell Solidarität. Dies gilt ganz besonders im Bereich der Gesundheit. Wie wichtig ist es uns, dass unsere Nächsten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben? Und wie wichtig ist es uns, dass die Armen ganauso Zugang haben wie die Reichen? Wie wichtig ist uns in diesem Sinne die Gerechtigkeit? Wo setzen wir die Grenze, welche Behandlung gesundheitlich notwendig oder sinnvoll ist? Hier geht es um Lebenschancen und Zugang zur Gesellschaft: gewisse Behandlungen sind zwar nicht überlebensnotwendig, aber können massiv behindern.

Solidarität im Gesundheitswesen heisst vor allem Solidarität der Gesunden mit den Kranken und Solidarität der Reichen mit den Armen. Beides ist heute gefährdet: Diejenigen, denen die nicht teilen wollen, behaupten immer mehr, Kranke gehen zu oft zum Arzt und die Armen sind selber schuld, dass sie arm sind. In der Gesundheitspolitik zeigt sich, dass die Angriffe von Rechts auf den Sozialstaat sich nicht einfach gegen einzelne Profiteure des Sozialstaates richtet, sondern essentiell mehr am eigenen Portemonnaie als am Wohlergehen des Nächsten interessiert sind. Wer wird denn schon freiwillig krank?

Gründe für die Kostensteigerungen

Das Krankenversicherungsgesetz von Ruth Dreifuss wollte zweierlei erreichen: einerseits die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken stärken, andererseits die Kostenexplosion im Gesundheitswesen stoppen. Das erste Postulat ist heute erfüllt, das Zweite hingegen nicht. Was sind die Gründe dafür?

– Der medizinische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Immer bessere (aber damit meist auch teurere) Behandlungen werden entwickelt, immer mehr Krankheiten lassen sich heute (besser) heilen.

– In den letzten Jahren sind die Medikamentenpreise massiv gestiegen. Die schweizerischen Pharmakonzerne haben im Nationalrat erfolgreich durchgesetzt, dass Wiederimporte aus dem Ausland (wo die schweizerischen Medikamente viel billiger sind) verboten bleiben…

– Zu viel Konkurrenz: Durch die Konkurrenz zwischen den Spitälern will jedes Spital (private und öffentliche) immer die neuesten millionenteuren Apparate anschaffen. Dadurch sind sie auch gezwungen, diese zu amortisieren, indem unnötige Untersuchungen damit durchgeführt werden.

– Die Alterung der Bevölkerung führt dazu, dass immer mehr Menschen pflegebedürftig sind. Dafür können sie wohl nichts dafür…

Desolidarisierung als Lösung?

Der neue Innen- und damit Gesundheitsminister Couchepin hat bereits angekündigt, wie er das Gesundheitswesen günstiger machen will.

– „Risikogerechte“ Prämien für Menschen über 50 Jahren. Die Alten sollen mehr Krankenkassenprämien bezahlen, weil sie auch mehr Kosten „verursachen“. Der Gedanke der Solidarität der Gesunden mit den Kranken als Grundsatz des Gesundheitswesens scheint ihm überhaupt nicht bekannt zu sein. Die Alten können schlicht nichts dafür, dass sie mehr Gesundheitskosten verursachen, also dürfen sie auch nicht dafür bestraft werden. Couchepin geht offenbar von Statistiken aus, die „zeigen“, dass die Alten im Durchschnitt eher vermögend sind. Aber dass das Vermögen sehr einseitig verteilt ist und auch heute noch der durchschnittliche Alte (also der Median) ärmer als der Durchschnittsbürger ist, das will er nicht sehen…

– Couchepin plant auch einen Abbau der Grundversicherung. Was er genau plant, das ist noch nicht bekannt, aber es ist zu befürchten, dass viele Behandlungen, die heute von der (solidarischen) Grundversicherung abgedeckt werden, in Zukunft nur noch über eine teure Zusatzversicherung zu haben sind. Solidarität ade…

– Dagegen will er „den Wettbewerb stärken“. Dass dies kostentreibend und nicht kostensenkend ist, sehen wir am Beispiel der Spitäler. Und gerade die USA, wo der Wettbewerb diesbezüglich „spielt“, sollte uns genügend Warnung sein: Ärzte machen auf Weltformat-Plakaten Werbung, um Kunden anzulocken (Ich sah in den USA tatsächlich Plakate mit Slogans wie „Haben Sie heute Kopfweh, fühlen Sie sich nicht gut? Dann kommen sie doch zu Dr. XY“). Das Resultat: nach OECD-Berechnung verschlingt in den USA das Gesundheitswesen 14% des Bruttosozialproduktes, in der Schweiz ca. 10 %, im Schnitt der EU ca. 9,5 %. Und dennoch hat in den USA die Hälfte der Bevölkerung keine Krankenkasse, weil sie es sich nicht leisten können, und die Kindersterblichkeit (laut der UNO das Hauptindiz für die Verbreitung der Gesundheitsversorgung) ist um über 50% höher als in der Schweiz, in Deutschland oder in Frankreich (0,8% gegenüber 0,5%) Wollen wir dieses System wirklich?

Couchepin scheint seiner neoliberalen Ideologie zu erliegen: „Wettbewerb macht alles gut“, und „Jeder kann selber, wenn er will“. Stellen wir uns klar diesen Desolidarisierungstendezen entgegen. Das Thema wird in den nächsten Monaten (aber vor allem nach den Wahlen im Herbst) brennend werden!


Photo by Tim Marshall on Unsplash

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.