Haben wir zu wenig Energie? Nein, wir verbrauchen zu viel!

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Vor einem Jahr wurde bereits von einer drohenden «Stromlücke», jetzt von der drohenden «Mangellage» gesprochen. Doch selbst die schlimmsten Szenarien sehen nur ein paar Stunden Strommangel vor. Ist das so gravierend für unser Leben? Wo sind wir hingekommen?

Politische und finanzielle Interessen

Es ist auch nicht klar, wieviel politisches Kalkül dahintersteckt. Es wird behauptet, wegen der Energiewende gäbe es nun zu wenig Energie. Gewisse Kreise veranstalteten ein Trommelfeuer gegen «Sündenbock» Sommaruga, die sich scheinbar nur noch mit einem Rücktritt retten konnte. Diese Interessengruppen haben damit ihr Ziel erreicht und hoffen nun wohl, das Umwelt- und Energiedepartement mit Albert Rösti nach den eigenen Wünschen und Interessen verändern zu können. Gleichzeitig konnte der Bevölkerung mit dieser «Mangellage» Angst vor dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative eingeflösst werden, dessen Abstimmung wegen eines Referendums bevorsteht. Die Energiewende, die dringend umgesetzt werden sollte, wird damit möglicherweise verzögert.

Es ist aber sinnlos, den Kopf in den Sand zu stecken: Das Klima erwärmt sich erbarmungslos weiter. Mit einer weiteren Verzögerung verlieren wir wertvolle Zeit und müssen noch mehr Schäden in Kauf nehmen. Es ist bezeichnend, mit welcher Kraft sich Teile der Bevölkerung und Vertreter von bestimmten Wirtschaftszweigen an die Behauptungen der letzten Klimaleugner oder an sonstige Ausreden klammern, um der bitteren Realität auszuweichen. Wie kann es sein, dass der Warnung von Zehntausenden von Wissenschaftlern von dieser Seite keine Beachtung geschenkt wird?

Wann haben wir genug?

Mit unserem steigenden «Wohlstand» brauchen wir immer mehr Energie. Zusätzlichen Geräte, immer mehr und immer grössere Autos, mehr Flugreisen, grösseren Wohnraum, den wir beheizen müssen, sorgen dafür. Die Statistik zeigt zwar eine Stagnation des Energieverbrauchs in der Schweiz seit 20 Jahren und einen Rückgang des Verbrauchs seit 2010 (mit einem Einbruch während der Pandemie), aber dies ist zu einem guten Teil auf die Desindustrialisierung zurückzuführen: Wir sorgen damit einfach in anderen Ländern (Osteuropa, China, Indien) für steigenden Energieverbrauch und importieren immer mehr graue Energie.

Brauchen wir das alles wirklich? Noch ein Tablet mehr? Eine elektrische Saftpresse, weil wir die Orangenhälften nicht mehr selber drücken und drehen können? Oder die elektrische Zahnbürste? Oder noch mehr Kinderspielzeuge mit Batterie? Oder brauchen wir wirklich ein Auto? Warum wollen wir lieber die Steuern senken als den ÖV als echte Alternative auszubauen?

Waren wir früher wirklich so schlecht dran? War es schlimm, nicht mit dem Flugzeug in die Ferien zu fliegen? Oder hat uns die Shoppingtour in London wirklich gefehlt?

Warum brauchen wir das alles? Und vor allem: Wann ist genug? Wieviel mehr Energie benötigen wir tatsächlich?

Ist unsere liebe Freiheit in Gefahr?

Es ist schwierig, auf die Grenzenlosigkeit unserer Möglichkeiten zu verzichten oder nur einen Teil davon verwirklichen zu dürfen. Bei Vorschlägen, sich zu beschränken, um die Zukunft nicht zu gefährden, sehen wir sehr schnell unsere Freiheit in Gefahr. Oder wir bangen um die technischen Erleichterungen unseres Alltages in der stressigen Zeit. Zu letzterem muss auch gefragt werden, warum wir uns eine Wirtschaft und eine Gesellschaft geschaffen haben, die so viel Stress verursacht. Vielleicht sollten wir einmal die Ursachen unseres Konsums angehen. Denn unsere Lebensweise mit immer mehr Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoss hat gravierende Folgen. Die Voraussagen der Wissenschaft sind leider bisher alle eingetreten oder waren sogar noch zu optimistisch.

Die Folgen der Klimaerwärmung sind für uns hier in der Schweiz noch nicht richtig spürbar. Deshalb haben wir Mühe, uns zu einer Reaktion aufzuraffen, obwohl in den Angstbarometern der gfs.bern, die bis 2015 jährlich erstellt wurden, die Klimaerwärmung regelmässig als eine der grössten Ängste auftauchte. Das für uns noch Irreale ist aber unausweichlich und hat dummerweise eine Vorlaufzeit von Jahrzehnten. Unsere Kinder werden riesige Probleme ausbaden müssen, wenn wir nicht jetzt reagieren. Aber der Verzicht ist so unheimlich schwer.

Wir pochen lieber auf die Freiheit, das Leben unserer Nächsten und die Schöpfung Gottes weiterhin zerstören zu dürfen. Doch diese Freiheit ist nicht akzeptabel, es gibt kein Recht auf Vandalismus (der Natur) und auf Tötung von Menschen (durch Dürren und Überschwemmungen). Würden wir es o.k. finden, wenn diese Delikte aus den Strafgesetzbüchern gestrichen und erlaubt würden? Nur weil unsere persönliche Täterschaft nicht so direkt den Folgen zugeordnet werden kann, heisst das nicht, dass wir keine Verantwortung dafür tragen. Wir haben alle auf vielen Ebenen Mitverantwortung. Mit Fingern auf andere zeigen, die noch schlimmer zerstören als wir, gilt nicht.

Es führt kein Weg an der Mässigung vorbei

Wir haben also nicht zu wenig Energie, sondern wir verbrauchen zu viel. Es führt kein Weg an der Reduktion unserer Ansprüche und unseres Verbrauchs vorbei, denn mit risikobehafteten, teuren Atomkraftwerken handeln wir uns einfach neue Probleme ein. Auch Windräder und Stauseen haben Grenzen. Nicht umsonst wurde bereits Anfang der neunziger Jahre die 2000 Watt-Gesellschaft propagiert: Wir kommen nicht umhin, den Energieverbrauch pro Person in der Welt auf 2000 Watt zu limitieren. Ist das so schlimm? Hat das Leben nicht so viel mehr zu bieten? Sind wir noch so sehr im Materialismus gefangen? Ist nicht gerade diese Herausforderung, mit weniger Gütern und Konsum ein erfülltes Leben zu führen, eine schöne Einladung an uns Christen? Sollte es nicht eine Auszeichnung der Christen sein, dass sie weniger der Konsumgesellschaft verfallen sind?

Photo by Federico Beccari on Unsplash

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