Im Blick auf die Juden: Glorifizierung oder Nüchternheit?
Für viele genügt die Tatsache, dass ein Mensch jüdischer Abstammung ist, um etwas Besonderes aus ihm zu machen. Wenn einer dazu noch aus Jerusalem kommt, dann lassen sich damit Kirchen und Hallen füllen. Ais Jude kann man ein Objekt religiöser Bewunderung werden. So wie einige den Staat Israel und das Land schon fast religiös verehren.
Jeff Spivak, Pastor einer messianischen Gemeinde in Israel, sagte einmal: ?In der gegenwärtigen Landsituation müssen bibelgläubige Christen einen prophetischen Standpunkt einnehmen und endlich die Anbetung Israels aufgeben.?
Mir sind drei Problemfelder aufgefallen, bei denen ich den Eindruck habe, dass hinter der Israelliebe die biblische Nüchternheit fehlt. Nach den fatalen Folgen des Antisemitismus und dem Schrecken des Holocaust sollten wir bedenken, dass es in der Geschichte oft nur ein kleiner Pendelschlag vom Philosemitismus (Judenfreundschaft) zum Antisemitismus (Judenhass) war, wie das auch bei dem Reformator Martin Luther zu erkennen ist.
Zurück zum Judentum
Kürzlich war in einer christlichen Zeitung zu lesen, dass Israel als Bundesvolk Gottes unabhängig von seiner Beziehung zu seinem Messias Jesus von Nazareth gerettet werde. Als Beweis dafür diente Offb. 21 ,12, wo es heißt, dass die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels im himmlischen Jerusalem neben den Namen der zwölf Apostel des Lammes eingeschrieben sind. Es herrscht die Vorstellung, dass Gott zwei Wege des Heils anbiete: Einmal den Weg für die Juden über das orthodoxe Judentum und zum anderen den Weg für die Völker über den Glauben an Jesus ais Heiland. Dabei wird alles, was jüdisch ist, besonders verehrt. Doch das unmittelbare Heil für Juden in Jesus Christus wird verschwiegen. Petrus sagte damals zu den jüdischen Rabbinern (Apg. 4, 12): ?Es ist in keinem anderen das Heil, ? durch den wir gerettet werden?. Manch ein Christ ist inzwischen zum Judentum übergetreten, weil er denkt, dadurch Gott näher zu sein.
Mittel zum Zweck
Die zweite Form einer Überbetonung Israels liegt in einer egoistischen Heilserwartung, in der die Juden nur ein Mittel zum Zweck sind. Aufgrund der Rückkehr der zerstreuten Juden in das Land der Väter und der beginnenden Erfüllung von Hesekiel 37 wächst die Erwartung, dass die Wiederkunft des Herrn unmittelbar bevorsteht. Lasst uns die Ärmel hochkrempeln und Israel segnen, damit der Herr wiederkommt und WIR gesegnet werden. Der Einsatz für die Juden ist bewundernswert, doch es besteht die Gefahr, dass die Juden ein Mittel zum Zweck werden. Paulus und Mose traten mit einer selbstlosen Haltung für Israel ein.
Persönliche Schuldgefühle
Die dritte Form einer problematischen Israelliebe entsteht aufgrund persönlicher Schuld an Juden. Oftmals habe ich Momente erlebt, in denen deutlich wurde, dass sich vor allem ältere Menschen aufgrund enormer Schuldgefühle für Juden und für Israel einsetzen, ohne die eigene Vergangenheit aufgearbeitet zu ha ben. Nur durch die Vergebung in Jesus werden innere Wunden geheilt, nicht durch Aktivitäten und Verdrängung.
Wir brauchen eine biblische Nüchternheit
Es ist schwierig, wenn Juden übernatürlich im Mittelpunkt stehen. Wenn sie dann nicht wie gewünscht reagieren, ist die Gefahr gross, dass sie abgelehnt werden. Daher sind Juden oft skeptisch gegenüber all der Israelliebe. In der Geschichte des Judentums gab es immer wieder Epochen der Begeisterung, dann der Bedrängung und später der Bedrückung, und am Ende stand die Vernichtung. Eine übertriebene Israelliebe ist oft von einem nationalistischen Israel-Denken geprägt. Man ist pauschal für Israel und kontra Araber. Man sieht nur das Kollektiv und nicht das Individuum. Oft werden pauschale Aussagen gemacht.
Wir brauchen eine biblische Nüchternheit, die Folgendes festhält:
1. Rettung geschieht allein aus Glauben (Apg. 4,12). Allein im Namen Jesu liegt die Rettung für Juden (Rom. 10,12-13).
2. Es gibt in der Orthodoxie keine persönlich erfahrbare Vergebung von Schuld, egal wie streng religiös jemand lebt. Vergebung geschieht allein aus Glauben (1.Joh.1,7-9).
3. Der Auferstandene hat uns beauftragt, allen Menschen Zeugnis von ihm abzulegen (Rom.10,14).
4. Wir leben aus der Gnade des Neuen Bundes. Gott schenkt uns durch sein Opfer Gerechtigkeit (Hes. 36,2627; Jes. 61,10; Jer. 31,31).
5. Die Bedeutung Israels liegt in seiner Beziehung zum Messias. Daher ist alles Engagement an Unterstützung und Begleitung von Israel und den Juden nur dann sinnvoll, wenn es zum Ziel hat, dass Israel wieder zu seinem Gott der Väter und seinem Messias zurückkehrt.
Jurek Schulz
Aus: Messianisches Zeugnis. AMZI ? Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel. Reinach: Juli/August 2003. www.amzi.org









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