~ 3 min

Das Schweizer Volk stimmt am Sonntag, 24. November 2024 über den Ausbau der Nationalstrassen zur Verkehrsentlastung und Stauvermeidung ab. Doch sind mehr Strassen die beste Option gegen die Verkehrsüberlastung in den Ballungsräumen? Braucht es nicht viel eher eine Wende hin zu kombinierter Mobilität, um das Problem längerfristig in den Griff zu bekommen?

Wer jeden Tag mit dem Auto in den Ballungsräumen unterwegs ist, verbringt sehr viel Zeit im Stau. Um den Verkehr zu entlasten und kürzere Fahrzeiten zu ermöglichen, sollen die Nationalstrassen ausgebaut werden. Die Abstimmungsvorlage sieht Investitionen in Milliardenhöhe vor, um neue Strassen zu bauen und bestehende zu verbreitern, um so das Verkehrsaufkommen effizienter zu bewältigen.

Auf das Auto ausgerichtete Infrastruktur

Die Befürworter des Ausbaus argumentieren, dass die Nationalstrassen ein zentrales Element der Schweizer Infrastruktur darstellen. Damit haben sie recht. Bauten für den Verkehr nehmen etwa einen Drittel der Siedlungsfläche ein (BFS 2023). 88 Prozent dieser Fläche machen Strassen aus. Die Schweizer Infrastruktur ist somit stark auf das Auto ausgerichtet. Im Vergleich dazu braucht die Bahn nur gerade 10 Prozent der Siedlungsfläche. Bedenkt man, dass im Zug wesentlich mehr Leute auf weniger Raum Platz finden und in jedem Auto meisten nur eine Person sitzt, wäre aus meiner Sicht ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs einem Ausbau der Nationalstrassen schon nur aus Platzspargründen vorzuziehen.

Könnte ich für meinen Arbeitsweg auch ein E-Bike benutzen und zusätzlich etwas für meine Gesundheit tun?

Die Gegner der Abstimmungsvorlage befürchten mit dem Ausbau der Nationalstrassen nicht nur wertvolle Grünflächen zu überbauen, sondern auch eine Verschlimmerung der heutigen Verkehrssituation zu bewirken. Ganz nach dem Prinzip: Je grösser das Strassengangebot, desto höher das Verkehrsaufkommen. Jedoch lehnen auch sie das Auto als Verkehrsmittel nicht ab. Sie sehen die Lösung der Verkehrsprobleme nicht in einer Entscheidung zwischen Auto und öffentlichen Verkehrs, sondern in einer cleveren Kombination verschiedener Verkehrsmittel.

Clevere Kombination von Verkehrsmitteln als Lösungsansatz

Beim cleveren Kombinieren von Verkehrsmitteln beginnt Mobilität bereits bei der Routenplanung zuhause auf dem Sofa. Die Leute sollen sich Gedanken machen, welches Verkehrsmittel für die gewünschte Strecke zum Beispiel das schnellste, energieeffizienteste, stressfreiste und umweltfreundlichste ist. Ist das Auto die schnellste und kostengünstigste Option, um in Ballungszentren zu gelangen? Könnte ich für meinen Arbeitsweg auch ein E-Bike benutzen und zusätzlich etwas für meine Gesundheit tun? Muss ich zwingend um 8.00 Uhr im Büro sein und mich in den vollgestopften Zug pferchen?

Gerade was den Arbeitsverkehr betrifft, gibt es für Büroangestellte mit Gleitzeit, Homeoffice, Co-Working Spaces und Videokonferenzen sehr viele Möglichkeiten, den Strassen- und Schienenverkehr zu entlasten. Ein Gespräch mit dem Arbeitgeber über den Arbeitsweg sollte daher nicht gescheut werden. Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein der Bevölkerung schneiden Unternehmen bei Arbeitnehmenden besser ab, wenn sie auch im Bereich der Mobilität auf nachhaltiges Management setzen.

Kombinierte Mobilität ermöglicht es also, den Individualverkehr auf den Fern- und Kurzstrecken zu reduzieren. Gleichzeitig bietet sie flexible Lösungen für die sogenannte «letzte Meile» an. «Letzte Meile» bedeutet, dass Menschen für weite Strecken den Zug nutzen, um dann auf lokale Verkehrsmittel oder Velos umzusteigen. Hierfür gibt es bereits zahlreiche Sharing- und Mietangebote direkt an den Bahnhöfen.

Längerfristige Mobilitätslösungen anstreben

In der Diskussion um den Ausbau der Nationalstrassen sollte nicht nur der kurzfristige Nutzen betrachtet werden. Es geht auch um die Frage, wie die Mobilität der Zukunft nachhaltig gestaltet werden kann. Die Abstimmung sollte die gesamte Bevölkerung dazu anregen, über das eigene Mobilitätsverhalten kritisch nachzudenken. Nachhaltige Mobilität ist nicht gegen die Benützung von Autos und Strassen. Sie setzt sich aber explizit für Mobilitätslösungen ein, die längerfristig gut durchdacht, kostensparend, umweltfreundlich, platz- und raumsparend sowie sozial ausgerichtet sind. Aus diesen Gründen stimmt nachhaltige, clever kombinierte Mobilität viel besser mit christlichen Werten überein als der geplante Ausbau der Nationalstrassen.


Foto: KI (Dall-E)