Vorbemerkung
Im Altertum und in der Biblischen Zeitgeschichte herrscht in den meisten Kulturen das Patriarchat vor. Ägypten, Babylon, Orient der Antike, das Zweistromland, die Stadt Ur, aus der Abraham stammt (heute Irak), um nur einige der damaligen Hochkulturen zu nennen. Es geht deshalb m.E. darum, vor allem Frauengestalten im biblischen Kontext zu betrachten, die Wendepunkte, Umbruchstellen im Traditionsfluss andeuten und den Weg in eine neue, heute vielerorts selbstverständliche Sichtweise eröffnen.
Mirjam, die Ehrgeizige
Mirjam ist die ältere Schwester des Moses. Sie beschützt ihr Brüderchen, als er in einem Körblein ins Schilf gelegt wurde. („In einiger Entfernung stellte sich die Schwester auf, um zu sehen, wie es ihm ergehen würde.“ 2. Mose 2,4)
In 2.Mose 2,7 wird gesagt, wie Mirjam aufmerksam sogleich der Pharaonentochter, die im Nil badend das schreiende Brüderchen findet anbietet: Zitat: ?Soll ich hingehen und dir eine hebräische Amme rufen, dass sie dir das Kind stille??
In 4. Mose 12,1ff. lesen wir über Miriams Geltungssucht: „Mirjam und Aaron redeten wider Mose um des kuschitischen Weibes willen, die er zur Frau genommen hatte (…): „Hat der Herr nicht zu Mose allein geredet, sondern auch zu uns“??
Hat Leitungseigenschaften und Charisma: „Da griff die Prophetin Mirjam zur Handpauke und alle Frauen zogen hinter ihr her mit Handpauken und Reigen und Mirjam sang ihnen vor: Singet dem Herrn, denn hoch erhaben ist er; Ross und Reiter warf er ins Meer (ägyptische Streitkräfte auf dem Weg zum Sinai)“
Nochmals im Buch Micha wird die Führerschaft Mirjams rückblickend bestätigt: Habe ich dich doch aus dem Lande Ägypten geführt und dich aus dem Sklavenhause erlöst, habe dir Mose und Aaron und Mirjam als Führer gesandt!?
Ja, sie tritt in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung fast an die Stelle Moses: Da heisst es: Denke daran, was der Herr, dein Gott an Mirjam getan hat auf dem Wege, als ihr aus Aegypten ausgezogen seid? (5. Mose 23,9)
Mirjam erweist sich auch gesundheitlich als starke Frau: Sie wird von Aussatz befallen (4. Mose 12,10) und wird wieder gesund (12,5)
Schliesslich – und das ist ungewöhnlich für diese frühe Zeit – wie bei Staatsmännern nach ihrem Sterben der genaue Beerdigungsort und die Zeit beschrieben (4.Mos 20,1)
Deborah = die patriotische Frau
Deborah übte gemeinsam mit Barak im Zeitraum um 1200 v. Chr. das Richteramt über Israel aus. Rechtsprechung in Streitsituationen aber auch Leitfunktionen beinhaltete dieses Amt. ?Deborah, die Frau des Lapidoths war Prophetin und sprach den Israeliten Recht zu jener Zeit? (Ri. 4,4)
Weiter lesen wir: Deborah fordert Barak dazu auf, Israel zu befreien (Ri. 4,6), wobei sie bereit ist, ihm in Kampf zu folgen (Ri. 4,9).
Aktiv inspiriert sie Barak weiter zum Handeln Ri. 4,14: „Deborah sprach zu Barak: „auf, denn dies ist der Tag, da der Herr den Sisera in deine Hand gegeben hat.““ So siegt der Feldherr Barak, auch dank Deborah zum Feldherrn geworden, am Berge Tabor gegen den König Sisera, welcher Anführer einer Koalition kanaanäischer Könige war.
In Richter 5,1ff. lesen wir das Deborahlied, ein Siegeslied, das Deborah mit Barak nach dem Sieg singt.
Nach dem Sieg schliesslich führt Deborah eine Evaluation des Verhaltens der einzelnen Stämme Ruben, Gilead, Dan, Asser, Sebulon, Naphtali, Meros und deren Streitkräfte durch, in der sie vor allem die Gleichgültigkeit derjenigen tadelt. So lesen wir in 5, 23: „Verflucht ist Meros, (…) dass sie nicht kamen dem Herrn zu Hilfe ….“
Ruth
…wird zwar viel zitiert, entspricht zwar m.E. eher dem damals herrschenden klassischen Frauenbild: Treue Ehefrau, die dem Ehemann überallhin folgt (Ruth 1,16), fleissig in Haus und Hof (3,5), ist aber im Volk als „wackeres Weib“ bekannt (3,11).
Eva
Wie Ruth wird auch Eva, Adams Frau viel zitiert. Sie hat zwar einen grossen Titel mit ihrem Namen, der übersetzt Mutter aller Lebenden heisst, erhalten. Oft überlesen wird die frühzeitliche gewaltdurchbrechende Funktion Evas. Alle kennen die Geschichte von Kain und Abel und dem Brudermord. In der Zeugungsreihe Kains beginnt eine Geschichte der Gewalt, die in Lamech einen Höhepunkt erlangt, wenn der biblische Text diesen die erste Kriegshymne der Welt singen lässt: 1.Mose 4,23ff: ?Und Lamech sprach zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört meine Rede, ihr Weiber Lamechs, vernehmt meinen Spruch: Einen Mann erschlug ich für meine Wunde, und einen Jüngling für meine Strieme. Denn wird Kain siebenmal gerächt, so Lamech siebenundsiebzigmal.?
Die Spirale der Gewalt wird durchbrochen, was bisher kaum Beachtung fand:
25:“(…) Und Eva gebar einen Sohn den hiess sie Seth, denn Gott hat mir einen anderen Spross gegeben für Abel (= „Dunst“, „ohne Bestand“), weil Kain ihn erschlagen hat. Und auch dem Seth ward ein Sohn geboren, den hiess er Enos. Damals fing man an, den Namen Jahwes anzurufen.“
Abigail
… lernen wir als interessante Frauengestalt kennen, die das konservative Bild in der patriarchalischen Gesellschaft zu durchbrechen beginnt: Als Frau des Nabal und spätere Frau Davids war sie „klug und von schöner Gestalt“ (1. Sam. 25,3).
Die Syrophönizierin
… die keinen Namen trägt, weil sie aus dem andersgläubigen Kanaan kommt geht als vorbildliche besonders glaubensstarke Frau in die Geschichte ein: „O Frau, dein Glaube ist gross, Dir geschehe wie Du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.“
Die Königin von Saba. „Die Prüferin“.
Bekannt für ihren märchenhaften Reichtum hört sie vom Ruhme Salomos: 2. Chr. 9.1ff: „und sie kam, um Salomo in Jerusalem durch Rätsel zu erproben (…) und Salomo gab ihr auf all ihre Fragen Bescheid (…). 5ff: Resultat: „und sie sprach zum König: „volle Wahrheit ist es, was ich in meinem Lande über dich und Deine Weisheit gehört habe. Ich habe es den Leuten nicht glauben wollen, bis ich hergekommen bin, und es mit eigenen Augen gesehen habe.““
Isebel: Wo Licht ist, da gibt’s auch Schatten.
Isebel werden viele für damalige Ohren schlechte Eigenschaften zugeschrieben: Verpönt ist sie wegen ihrer Götzendienerschaft, indem sie am Karmel 450 Baalspriester anleitet dem Baal zu opfern, und wird in der Geschichte zur Gegenspielerin des Propheten Elija. (1. Kön. 18,19)
In 1. Kön. 19,2 hören wir, dass sie sich an Elija Rächen will wegen des misslungenen Baalsopfers am Karmel.
Ja, 1. Kön. 21,5 – 13 beschreibt sie als Mörderin.
Später verführt sie ihren Mann zur Sünde 1 Kön. 21,25 und ist selber sehr eitel 2.Kön. 9.30, und muss schliesslich eines schrecklichen Todes selber sterben.
Atalja
… „die grausame Königin“ Als Tochter des Königs Ahab von Israel, verheiratet mit Joram von Juda, versucht sie den Kult des tyrischen Baal in Jerusalem einzuführen, und wird zur Mörderin „am ganzen königlichen Geschlecht“, nachdem sie vernimmt, dass ihr Sohn Ahasja gefallen ist. Sie lässt alle Davididen töten, einer, der Enkel jedoch entkommt, Joasch, welcher sie 6 Jahre später im Jahre 840 v. Chr. stürzt und tötet.
Allgemeine Beobachtungen in der Bibel:
Im langen Stammbaum Jesu, wie ihn uns Matthäus im 1. Kapitel vorführt, werden in 2 Etappen von Abraham bis David und von diesem bis Jesus fast nur Männer genannt, die Söhne zeugen, welche wiederum Söhne haben usw. Bis Maria: Hier wird die lange Reihe plötzlich unterbrochen durch die Jungfrauengeburt, ein nicht nur für heutige Ohren ein sehr aussergewöhnliches Ereignis. Josef ist zwar da, aber seine eventuelle Vaterschaft verblasst völlig zugunsten des Wunders dieser aussergewöhnlichen, wunder-baren Geburt. Die Geburt als spezifisch frauliches Ereignis steht im ZENTRUM des Weltgeschehens! Es beginnt für die Christenheit nicht nur eine neue Zeitrechnung, sondern es wird betont, dass Maria das alleinige „irdische“,sterbliche „Gefäss“ werden darf, das das „Heil der Welt“, Christus, tragen und zur Welt bringen darf.
Beim Kreuz sind es wiederum Frauen, die am längsten ausharren und Jesus in seinem Sterben begleiten (Mk. 15,40), und die ersten, die zum Grab kamen an Ostern (Joh. 20,1). Sie waren weiter die ersten, die den Juden von Jesus erzählten (Lk. 2,37ff).
Bei der wahrscheinlich ersten Gebetsversammlung nach Ostern der Apostel waren die Frauen, unter ihnen wird Maria, die Mutter Jesu genannt, dabei. (Apg. 1,14).
Frauen waren weiter die ersten, die christliche Missionare aufnahmen in den europäischen Missionsländern. So lesen wir von Lydia, die in Philippi Paulus und Silas aufnahm und als erste (!) europäische Person Christin wurde.
Die Aufzählungsliste liesse sich noch erweitern, aber den zeitlichen Rahmen dieser Veranstaltung würde dies jedoch sprengen.
Literatur:
Buchhorn-Maurer, D., Hrsg, Schwestern, Mütter und Prophetinnen,
Schwabenverlag Ostfieldern, 2004.
Diezelbacher, M., Heilige oder Hexen, Patmosverlag, Düsseldorf 2004.
Fischer, Irmtraud, Gottesstreiterinnen, Kohlhammer Stuttgart,1995.
Kruse, Ingeborg, Unter dem Schleier des Lachens, Stuttgart, 1999.
Meissner, Angelika, Und sie tanzen aus der Reihe, Stuttgart, 2002.
Motté, Magda, Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit, Darmstadt, 2003.
Richards, Sue und Lary, Alle Frauen der Bibel,
Brunnenberlag, Giessen, 2003.
Sölle, Dorothee, Gottes starke Töchter, Schwabenverlag, Stuttgart, 2003.
Wind, Renate, Eva, Maria und Co., Neukirchener Verlag, Neukirchen, 2004.
Autor: Christian v. Fellenberg, lic.theol., Krankenpfleger, Sandrainstr. 84, 3007 Bern