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Warum wir für das Mediengesetz ein Ja einlegen – wenn auch kein enthusiastisches.

Eine gesunde Medienlandschaft, sprich eine Bandbreite von unabhängigen und vielfältigen Verlagen mit gut ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten, ist essentiell für eine Demokratie wie die Schweiz. Denn es muss eine öffentliche Diskussion über politische Themen stattfinden, damit alle gehört werden und gemeinsame Lösungen gefunden werden können. Nur so kann das Beste für alle unsere Nächsten gefunden werden. Gleichzeitig kann auch nur so Wahrheit ertastet werden. Oder wie das Online-Magazin Republik es treffend formulierte: «Die grösste Leistung eines gesunden Mediensystems ist gerade das, was viele ihm vorwerfen: die Herstellung eines Mainstreams. Was heisst: ein Set an gemeinsamen Fakten, Werten und Benimmregeln, über die man sich dann streiten kann. Zerbricht der Mainstream, streitet man sich nicht mehr über verschiedene Interpretationen der Wirklichkeit, man lebt in verschiedenen Wirklichkeiten.»

Facebook ist kein Ersatz für eine Nachrichtenredaktion

Wer sich vorwiegend in den sozialen Medien informiert, läuft schnell Gefahr, in seiner eigenen Wirklichkeit (auch Bubble genannt) stecken zu bleiben. Denn die täglich konsumierten «News», die einem im Feed von Facebook, Twitter und Co angezeigt werden, sind nicht dieselben Inhalte, die auch den Nachbarn und anderen Landsleuten angezeigt werden. Sie werden vom Algorithmus eines Grosskonzerns für jeden User individuell zusammengestellt. Es befindet keine lokale Redaktion darüber, was relevant ist, sondern die Programmierer eines Unternehmens, das mit Werbeeinnahmen zu seiner Grösse heranwuchs und weiterhin davon abhängig ist. Allerdings kann man auch beim Konsum eines (immer demselben) anderen Mediums in eine Blase geraten.

Macht der Medien muss verteilt bleiben

Wenn die zahlreichen unabhängigen Medien weiter von den wenigen Big Players übernommen oder quasi als Spielzeug von Milliardären aufgekauft werden, erweisen wir unserem demokratischen System ebenfalls einen Bärendienst. Dann unterliegt die Meinungsbildung den Interessen der Konzerne und derer Aktionäre, sowie den Interessen der Einzelbesitzer. Abweichende Meinungen oder Kritik an gewissen Mächten und an Besitzverhältnissen ist dann nicht mehr möglich. Was es heisst, wenn Medien und damit die Meinungsbildung in den Händen weniger liegt, wird in immer mehr Ländern klar: In unser Bewusstsein getreten ist das Problem mit Medienmagnaten wie Rupert Murdoch, der in Grossbritannien Margaret Thatcher zum Durchbruch verhalf, dann auch Silvio Berlusconis Medienimperium (resp. Quasi-Monopol) in Italien, den Medienhäusern in Osteuropa und nun auch den immer grösseren Medienkonzernen in Westeuropa. Auch in Lateinamerika sind die Medien zum grossen Teil in den Händen der konservativen Oberschicht. So wird die demokratische Meinungsbildung verzerrt und erhalten Einzelinteressen die Macht, das Denken der Bevölkerung in eine bestimmte Richtung zu lenken oder kritische Meinungen und Minderheiten zu unterdrücken.

Abhängigkeit von privaten Geldern minimieren

Die Situation ist auch für die hiesige Demokratie problematisch: Eine Studie der Uni Zürich hat gezeigt, dass die Schweizer Medienkonzerne bei der Konzernverantwortungsinitiative viel mehr Artikel gegen als für die Initiative publiziert haben. Es ist naheliegend, dass die Medienhäuser ihre zahlungskräftigen Inserenten, die von der Annahme der Initiative betroffen gewesen wären, nicht gegen sich aufbringen wollten. So stellt sich die Frage, ob in Zukunft Initiativen, die wirtschaftliche Interessen von Konzernen bedrohen, überhaupt eine Chance haben werden. Staatliche Subventionen können durchaus dazu dienen, solche Abhängigkeiten zu minimieren.

Das zurzeit Bestmögliche

Nun wurde über Jahre an einer Subventionslösung gewerkelt, unzählige Interessengruppen haben die Arbeit beeinflusst, die Vorschläge wurden hin und her gereicht, bis schliesslich das herauskam, was uns jetzt als Mediengesetz vorgelegt wird und worüber wir im Februar abstimmen werden. Nun soll die Schweizer Presse jährlich mit 180 Millionen Franken unterstützt werden (zumindest für die nächsten sieben Jahre), statt wie bisher mit 50 Millionen. Kleine Onlinemedien erhalten 30 Millionen, die Grossen bekommen einen Grossteil der 70 Millionen, die für die Zustellung bestimmt sind, und Keystone-SDA, die Journalistenschule, der Presserat etc. erhalten weitere 30 Millionen. So richtig begeistert ist vom Endprodukt niemand – das haben Kompromisse so an sich. Eigentlich sollten vor allem kleine und unabhängige Medien finanziert werden. Das Schweizer Parlament hat es allerdings so an sich, dass Wirtschaftslobbies und Konzerne stark Einfluss nehmen können. Wohl auch deshalb, weil die Parteifinanzierung nicht transparent ist – eine Verzerrung der Gesetzgebung, die im Ausland schon längst angegangen wurde. So ist das vorliegende Gesetz das Beste, was unter unseren nicht bereinigten Umständen möglich ist, auch wenn es stossend ist, dass grosse Medienhäuser noch mehr Geld erhalten. Aber wenn es abgelehnt wird, dann wird in naher Zukunft auch kein besseres Gesetz möglich sein. Und damit wird die Machtkonzentration in der Meinungsbildung weitergehen.

Unser besonderes Anliegen ist, dass im öffentlichen Diskurs nicht nur die Lauten, sondern auch Minderheiten, wirtschaftlich Schwache und andere marginalisierte Gruppen Gehör finden. Es stellt sich also die Frage, ob das neue Mediengesetz dieses Anliegen fördert oder behindert. Wir denken, dass das neue Gesetz dieses Ziel erreicht. Mehr oder weniger.

https://www.republik.ch/2022/01/05/mediengesetz/befragung


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Nur Flüchtlingsangst und Wirtschaftswachstum?​

Mit den nationalen Wahlen vom 18. Oktober 2015 stellt sich erneut die die Frage: «Wie soll die Schweiz von morgen aussehen?». Nun dominieren zwei Themen die Diskussion um die Wahlen: Die Flüchtlinge und das Wirtschaftswachstum.

Die Medien berichten täglich über die Flüchtlingsströme, und vielen von uns begegnen heute Eritreern und Syrern im täglichen Leben. Die Hauptsorge scheint aber nicht das Wohlergehen dieser Menschen zu sein, sondern wie wir uns gegen sie wehren können…

Nach dem «Frankenschock» hat die Schweiz eine Rezession erwartet, die nun aber kaum eintritt. Trotzdem sorgt die Angst vor Verlusten dafür, dass Kandidaten hauptsächlich auf ihre Wirtschaftsfreundlichkeit durchleuchtet werden. Allerdings wurde bereits in den letzten vier Jahren alles der Wirtschaftsförderung, also auf Reichtumsvermehrung untergeordnet. Sollen wir dem nun noch mehr opfern?

Ist das alles, wofür wir heute noch einstehen?

Sind Abwehr der Fremden und Vermehrung des materiellen Reichtums das einzige, was uns noch wichtig ist? Wenn man die sinkenden Stimmbeteiligungen in den kantonalen Wahlen in Zürich, Baselland und Luzern ansieht, dann möchte man es meinen. Dass die Parteien, die nicht obige Themen in den Vordergrund schoben, weniger Wählende mobilisieren konnten, ist ein Zeichen dafür.

Als Christen andere Themen

Wir Christen hätten doch andere Themen, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel:

  • Eine Umwelt, die auch unsere Kinder noch über die Grösse Gottes staunen lässt
  • Eine massvolle Mobilität, in der die Städte nicht ersticken, und in der wir sicher leben können
  • Eine Wirtschaft und Gesellschaft, die nicht auf Kampf aller gegen alle und nicht auf Akkumulation durch Stress setzt, sondern Sicherheit und Zeit für Beziehungen lässt
  • Den Schutz des Sonntags als Gabe von Gott, damit wir durchschnaufen und Beziehungen pflegen können
  • Schulen und Spitäler, die mit genügend Mitteln ausgestattet allen gleich zugänglich sind
  • Gerechtigkeit mit unseren Mitmenschen im Süden, die sie vor Ausbeutung und Nahrungsmittelspekulation schützt, auch wenn unsere Wirtschaft damit weniger Gewinn macht.

Gehen wir wählen, wenn uns diese Themen auch wichtig sind!

Auf dem Spiel stehen zum Beispiel:

  • Der Sonntagsschutz
  • Die Energiewende
  • Die Umweltgesetzgebung
  • Das Mieterschutzgesetz
  • Die flankierenden Massnahmen zu den Bilateralen, die uns vor Hungerlöhnen schützen
  • und so weiter.

Oder wollen wir erst dann aufwachen, wenn wir all das nicht mehr haben? Mobilisieren wir unsere Freunde, wählen zu gehen!


Zuerst erschienen auf: Livenet.ch, 28.9.2015

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40 Tage für Ausländerpolitik beten

Wie vor vier Jahren lädt ChristNet im Hinblick auf die Nationalratswahlen vom 18. Oktober 40 Tagen «Beten+Wählen» ein. Dieses Mal aus aktuellem Anlass unter dem Thema «Migration». So soll den Christen Gelegenheit geboten werden, als persönliche Vorbereitung auf die Wahlen während 40 Tagen für die politische Schweiz zu beten, dass sie für Migrationsfragen mehr Offenheit zeigt.

Möchtest Du eine Schweiz der Nächstenliebe auch im Migrationsbereich? Dann mach mit bei der Gebetsbewegung vom 9. September bis 18. Oktober!

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Ende 2014 waren weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie noch nie. Auffällig hohe Aufnahmequoten in der Schweiz und in Europa deuten darauf hin, dass sehr viele dieser Menschen wirklich um ihr Leben fliehen, wegen inneren Konflikten und Bürgerkrieg in Syrien und Eritrea. Sicher stimmt es aber auch, dass im Zeitalter von Handy und Internet die Informationen über die Verhältnisse im Westen bzw. Norden allgegenwärtig sind. Auch die Organisation der Reise, sowie die Kontakte zu denen, «die es geschafft haben» sind heute einfacher.

Grosse Herausforderungen, vielfältige Ursachen

Derweil spielen sich auf dem Mittelmeer schreckliche Dramen ab: Jedes Jahr verlieren Tausende bei der Überfahrt ihr Leben. Wer ist schuld daran? Die Schlepper, weil sie skrupellos und profitgierig zu viel riskieren? Die «Wirtschaftsflüchtlinge», weil sie sich zu naiv vom Versprechen auf Reichtum verlocken lassen? Die EU, weil sie ihre Grenzen abriegelt und die Flüchtlingsboote auf riskantere Routen zwingt? Wir alle, weil wir von unserer Regierung den Schutz der Grenzen und unseres bequemen Wohlstands erwarten?

In den Medien klingt es oft so, als wäre vor allem Europa mit einem enormen Flüchtlingsstrom konfrontiert. Dies sieht im weltweiten Vergleich ziemlich anders aus:

Top 3 Aufnahmeländer1
(absolute Zahlen)
Top 3 Aufnahmeländer
(pro 1000 Einwohner)
  1. Türkei           1,59 Mio.
  2. Pakistan      1,51 Mio.
  3. Libanon       1,15 Mio.
  1. Libanon       232
  2. Jordanien   87
  3. Nauru           39
  • Schweiz 0,015 Mio.2
  • Schweiz       2

Ist die Schweiz also dermassen zurückhaltend, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht? Nicht unbedingt: So ist etwa die Schutzquote (Asylgewährungen und vorläufige Aufnahmen) im letzten Jahr deutlich auf 58 Prozent gestiegen. Und unsere Regierung hat dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat ein verhältnismässig grosses Kontingent von 3000 schutzbedürftigen Personen für die Aufnahme zugesichert. Angesichts von etwa 4 Millionen Flüchtlingen im Nahen Osten3 fordern einige NGOs allerdings die Aufnahme von bis zu 100 000 Flüchtlingen aus Syrien…

Die hohen Gesuchszahlen und der dadurch ausgelöste Bedarf an Unterkünften stellen Bund und Kantone vor grosse Herausforderungen. Während nun von rechts aussen die grosse Krise heraufbeschworen wird («Asylchaos!»; «Armee an die Grenze!»), reagieren viele Kantone erfreulich pragmatisch und innovativ: Das Tessin arbeitet mit Hoteliers zusammen, im Aargau und in Bern wurden vorübergehend Militärzelte aufgestellt.

Biblische Antworten

Was sagt denn die Bibel zu dieser komplexen Thematik? Zunächst einmal ist der Themenkreis «Verfolgung – Flucht – Exil – Heimat» in der Bibel erstaunlich gegenwärtig: Von 1. Mose 4 bis in die Offenbarung waren die Menschen immer wieder unterwegs. Abraham, Isaak, Jakob, Joseph, Mose, Jesus: Sie und andere waren für Kurz oder Lang Fremde in fremdem Land. Kein Wunder ist der Umgang mit Fremden auch in der biblischen Ethik ein Thema: Texte dazu finden sich etwa im Gesetz des Mose.4

Im Neuen Testament werden Werte wie Gastfreundschaft («einige haben Engel beherbergt…»5 ), Barmherzigkeit, Grosszügigkeit und Verzicht hochgehalten. Interessant auch, dass in der Bibel der Nächste nicht unbedingt, oder eben gerade nicht, der «Naheliegendste» und Volksgenosse ist. Im Gleichnis, welches das grosse Liebesgebot illustriert, ist es einer aus dem verachteten Volk der Samariter, der hilft. Und in der Grundlegung der Nächstenliebe im Alten Testament heisst es : «Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.»6 

Viele Flüchtlinge suchen Schutz vor Verfolgung an Leib und Leben. Andere suchen ein besseres Leben, Zukunftsperspektiven statt Hoffnungslosigkeit. Haben wir, die wir zufällig in einem der reichsten Länder geboren sind, das Recht, diese sogenannten «Wirtschaftsflüchtlinge» zu verurteilen? Gott liebt sie genauso wie uns selber. «Wir die Guten, sie die Bösen», dieses Bild trifft nicht zu – übrigens auch nicht in der Umkehrung. Gott bringt die Flüchtlinge an unsere Pforten und fordert uns mit ihnen heraus, ähnlich wie im Gleichnis der arme Lazarus den reichen Mann herausfordert7 .

Wir merken uns: Woher sie auch kommen und wie auch immer ihre Geschichte lautet, es sind Menschen. Unsere Nächsten. Ihnen soll unsere ganze Anteilnahme gelten.


1. UNHCR, Global Trends 2014

2. Berechnung aufgrund von: Staatssekretariat für Migration, Asylstatistik 2014
https://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/publiservice/statistik/asylstatistik/jahresstatistiken.html (eingesehen am 11.08.2015)

3. Staatssekretariat für Migration SEM, «Humanitäre Krise in Syrien», eingesehen am 30.7.2015. bfm.admin.ch/bfm/de/home/asyl/syrien.html.

4. 3. Mose 17–19 und 5. Mose 23–24.

5. Hebräer 13,2.

6. 3. Mose 19,33f.

7. Lukas 16,19-25.

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Die Kantone haben ihre Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen reihum abgeschafft.

Dies geschah unter dem Druck des ungesunden Steuerwettbewerbs um die Reichsten. Trotz immer höherer Vermögen haben die Kantone immer weniger eingenommen. Waren es 1999 noch 1,5 Milliarden Franken, sank diese Zahl 2010 auf noch 974 Millionen.

Die letzten 20 Jahre waren geprägt von einem stetigen Steuerabbau.

Einkommenssteuern, Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Dividendenbesteuerung, etc. Bereits im Jahr 2001 bezahlten die ärmsten 20 Prozent etwa 23 Prozent ihres Einkommens für Steuern und Abgaben, die reichsten 20 Prozent nur wenig mehr, etwa 24,5 Prozent. Da viele kantonale Steuersenkungen erst seither in Kraft getreten sind, ist davon auszugehen, dass die «Flat Tax» (gleicher Steuersatz für Arm und Reich) insgesamt heute schon Realität ist.

Diese Steuersenkungen haben zu einer Steuerkrise geführt.

In den letzten Jahren beschnitten praktisch alle Kantone die Grundversorgung wie Bildung, Spitäler, etc. Gerade die Bildung ist das eigentliche Lebenskapital für ärmere Menschen. Wenn sie nicht mehr gewährleistet ist, ist die Chancengleichheit für mehr und mehr Arme nicht mehr gewährleistet.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer stärker auseinander.

Grosse Vermögen, die von Generation zu Generation gehen, sind auch in der Schweiz einer der Hauptfaktoren für die Konzentration des Wohlstands: Zwischen 1980 und 2010 ist der Anteil der reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung am gesamten Volksvermögen von 14 Prozent auf 21,5 Prozent gestiegen1 . Die Schweiz hat denn (nach den USA) auch die höchste Vermögenskonzentration aller OECD-Länder2 . Die ärmsten 25 Prozent mussten zwischen 2003 und 2010 eine Einbusse beim realen Einkommen hinnehmen3 –trotz immer grösserem Arbeitsdruck und grösserer Produktivität.

Die biblische Forderung, Vermögen nicht anzuhäufen und Reichtum umzuverteilen, wird in unserer Gesellschaft heute nur sehr beschränkt befolgt.

Geld und Macht in den Händen weniger Reicher schaden der Demokratie. Denn nur die Reichsten können sich auf die Dauer ein teures Politikmarketing leisten (Parteien, Wahl- und Abstimmungskämpfe, Medien Think Tanks, Abhängigkeit der Körperschaften von ihren Steuern). So ist die Möglichkeit der weniger Wohlhabenden bedroht, sich eine Meinung zu bilden, diese kundzutun und auch Gehör zu finden. Durch die Möglichkeit, Einkommen und Vermögen fast unbeschränkt zu akkumulieren entstehen starke Abhängigkeiten (Konkurrenz unter den Kantonen um Steuern der Reichen) bis zu Ungleichheiten vor dem Gesetz.

Wir brauchen etwas wie ein biblisches Jubeljahr.4

So erhalten wieder alle die gleichen Chancen und Abhängigkeiten werden aufgehoben. Beim Jubeljahr wurde alle 50 Jahre Land, das aus Not verkauft wurde, wieder an die ursprünglichen Besitzfamilien zurückgegeben. Somit wurden Akkumulation verhindert, Abhängigkeiten gebrochen, und die Armen hatten wieder gleiche Lebenschancen. Heute besteht das Startkapital der armen Bevölkerung aus der Bildung. Deshalb ist es dringend nötig, dass die Kantone mehr finanzielle Mittel erhalten, damit die Chancengleichheit erhalten wird. Dazu leistet die Erbschaftssteuer einen Beitrag.

Unter den alten Menschen ist Armut verbreitet.

Dies wird oft übersehen, weil die Reichsten meist auch in dieser Alterskategorie sind und damit den Einkommens- und Vermögensdurchschnitt stark nach oben ziehen. Die AHV ist nicht existenzsichernd, trotz Verfassungsauftrag! In Zukunft droht sie wegen der Alterung der Bevölkerung gar noch abgebaut zu werden. Auf der anderen Seite wirken steigende AHV-Beiträge wie eine «Flat Tax» und belasten die unteren Einkommen stark. Die AHV setzt eigentlich den biblischen Solidaritätsgedanken um, indem die jüngeren Erwerbstätigen direkt mit den Rentnern solidarisch sind. Dazu sind aber neue Einnahmequellen wie die Erbschaftssteuer nötig.

Die Erbschaftssteuer ist die gerechteste Steuer.

Der Empfänger einer Erbschaft hat nichts dafür geleistet. Im Gegensatz dazu müssen heute Löhne aus harter Arbeit versteuert werden. Ungerecht! Die Erbschaftssteuer ermöglicht es, familiengebundene Vermögen wieder der Allgemeinheit zukommen zu lassen, und trägt so zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums bei.

Ein hoher Freibetrag von 2 Millionen Franken auf der Erbmasse sorgt dafür, dass nur 2 bis 3 Prozent aller Erbschaften in unserem Land betroffen sind. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Bauernbetriebe erhalten Ermässigungen, die ihnen das Überleben sichern.

 


1. Schweizerischer Gewerkschaftsbund: SGB-Verteilungsbericht 2015 – Eine Analyse der Lohn-, Einkommens- und Vermögensverteilung in der Schweiz. Dossier Nr. 107. 2015. verteilungsbericht.ch.

2. Credit Suisse: Global Wealth Report 2014. Zürich, 2014, Tabelle 1, S. 30. publications.credit-suisse.com/tasks/render/file/?fileID=60931FDE-A2D2-F568-B041B58C5EA591A4.

3. Vgl. «Verteilung des Wohlstands in der Schweiz.» Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 10.4046 von Jacqueline Fehr vom 07.12.2010, August 2014.

4. Vgl. 3. Mose 25,8-31; mehr dazu: Lukas Amstutz, «Das Jubeljahr in Bibel und Theologie», in Die Schweiz, Gott und das Geld, ChristNet/StopArmut, 2013. christnet.ch/de/content/17-das-jubeljahr-bibel-und-theologie.

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Staat und Steuern in der Bibel

Der moderne Staat des 21. Jahrhunderts und die Staatsformen, von denen die Bibel berichtet, sind nur schwer zu vergleichen. Der technische Fortschritt und die Mobilität von heute machen eine kollektive Organisation möglich, an die damals – vor allem in der Zeit zwischen 1000 vor Christus und der Eroberung Palästinas durch das Römische Reich im Jahre 63 vor Christus – nicht zu denken war. Entscheidender als der Staat waren Sippe und Familie.

Gesetze und kollektive Organisation gab es indes schon zu biblischer Zeit. Im Alten Testament wird anerkannt, dass gewisse Aufgaben kollektiv gelöst werden sollen. Dazu zählen neben der religiösen Organisation auch die Gesetzgebung, der Strassenbau oder die Sicherheit. Ebenso gehört ein gewisser Grad an Umverteilung in den Kanon der alttestamentarischen Gesetzlichkeit. Davon lesen wir ab dem Buch Mose, noch mehr in den Büchern Könige.

Im Neuen Testament bejaht Jesus den Staat als notwendige Realität, verzichtet aber auf die Präzisierungen hinsichtlich der Staatsform.

Herausforderung Armut

Einen breiten Raum nimmt in der Bibel das Thema der Solidarität ein. Zentral ist der Begriff der Armen. Zwar gibt es Stellen, an denen Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird. Sie sind allerdings rar und befinden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im Neuen Testament, dass, wer nicht arbeiten wolle, auch nicht essen soll. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel beschrieben, das mit sozialer Benachteiligung oder Unterdrückung einhergeht.

Das Alte und das Neue Testament sind voller Aufrufe, die Armen zu schützen – physisch und rechtlich – und mit ihnen zu teilen. Beispielsweise lesen wir in 5. Mose 15,7-11, wir sollten «dem Armen die Hand grosszügig öffnen». Und in Sprüche 21,13 heisst es: «Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.» Jesus erklärt den Jüngern auch, nach welchem Massstab sie einst gerichtet werden: «Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben» (Mat. 25,45).

Steuerliche Eingriffe des Staates

Die Bibel empfiehlt zur Linderung und Bekämpfung von Armut das persönliche Engagement in Form von Almosen. Darüber hinaus kennt sie aber auch Formen gesetzlich geregelter Umverteilung:

  • Alle drei Jahre diente der Zehnte nicht nur der Bezahlung der Leviten, sondern auch der Armutslinderung (5. Mose 14,28-29).
  • Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19,10).
  • Alle sieben Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23,11).
  • Alle sieben Jahre wurden die Schulden erlassen, «damit kein Armer unter Euch sei» (5. Mose 14,4).
  • Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden (z.B. 2. Mose 22,24).
  • Jubeljahr: Die Bibel fordert dazu auf, alle 50 Jahre Land, das in Not verkauft werden musste, an die ursprünglichen Besitzer zurück zu geben. Dank diesem so genannten Hall oder Jubeljahr sollte die gleichmässige Landverteilung – bei der Eroberung Kanaans hatte ursprünglich jede Familie ein Stück Land erhalten – aufrecht erhalten bleiben. Landlosigkeit war in der Subsistenzwirtschaft im letzten Jahrtausend vor Christus der erste Schritt in die Armut. Die periodischen «Landreformen» des Jubeljahrs diente dazu, Betroffenen einen Neustart zu ermöglichen und struktureller Ungerechtigkeit vorzubeugen (3. Mose 25,8-31).

Nächstenliebe und Solidarität

Im Neuen Testament ist die zentrale Botschaft jene der Nächstenliebe. Praktische Hinweise, wie sie im Umgang mit Benachteiligten gemeint ist, finden wir in der Bergpredigt, im Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder auch in der Erklärung Jesu, nach welchem Massstab die Jünger einst gerichtet werden (Matt. 25,31ff.).

Wenn Jesus die tätige Nächstenliebe des Individuums auch stärker gewichtet, bedeutet dies nicht, dass er kollektive Solidarität ablehnt. Nirgends kritisiert er staatliche Regelungen, die zum Schutz von Armen eingeführt wurden. Solidarität behält auch im Neuen Testament seine umfassende – persönliche und kollektive – Bedeutung.

Impulse für eine biblisch inspirierte Steuerpolitik

Eine Steuerpolitik, die auf biblischen Solidaritäts- und Gerechtigkeitsprinzipien basiert, kann sich an folgenden Leitlinien orientieren:

  • Gemeinschaftliche Herausforderungen: Es gibt menschliche Bedürfnisse, die am besten gemeinsam – teils nationalstaatlich, teils supranational – sichergestellt werden. Dazu gehören der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Gesundheit, Sicherheit und Bildung oder das Bedürfnis der Bewahrung der Schöpfung und der menschlichen Lebensgrundlage. Eine ausschliessliche Erfüllung dieser Bedürfnisse über den Markt und privates Engagement des (egoistischen) homo oeconomicus ist illusorisch. Sie können diese nicht oder nicht zur grösstmöglichen Befriedigung aller befriedigen. Um die Aufgaben gemeinsam anzugehen, ist die Erhebung von Steuern nötig.
  • Höhe und Form der Steuern: Wie hoch die Steuern sein sollen, kann aus biblischer Perspektive nicht allgemeingültig gesagt werden. Die Höhe hängt vom Kontext und den Bedürfnissen ab. Grundsätzlich gilt: So wenig wie nötig, so viel wie möglich. Darum sind auch progressive Steuern angezeigt. Obwohl die Bibel lineare Steuern kennt (der Zehnte), sind auch Hinweise auf progressive Steuern vorhanden: In Markus 12,42-43 zählt für Jesus zum Beispiel die Spende der Witwe mehr als die Gaben der Reichen, die nur von ihrem Überfluss geben.
  • Reduktion der Schere zwischen Arm und Reich: Dies ist durch eine hohe Erbschaftssteuer und die Umverteilung von Einkommen möglich. Wenn die Chancengleichheit gestärkt wird und eine hohe Erbschaftssteuer erhoben wird, sind Umverteilungsmassnahmen nur noch beschränkt nötig. Dabei gilt zu bedenken, dass die Einkommensunterschiede zu biblischen Zeiten viel weniger gross waren als heute!
  • Neujustierung der Arbeitsethik: Oft ist die Sorge zu hören, zu hohe Steuern sorgten dafür, dass sich Arbeit nicht mehr lohne und Investitionen und Innovationskraft abgewürgt würden. Wenn aber nur gearbeitet wird, um viel zu verdienen, stellt sich die Frage nach der Arbeitsmotivation und –ethik. Ist es nicht gerade für Wohlhabende äusserst verdienstvoll, einen grossen Teil ihres Lohnes der Allgemeinheit zu geben statt es nur für sich selbst zu brauchen? Dies auch weil heute die Verbindung zwischen Einkommen und Leistung höchst zufällig geworden ist: Wirtschaftsführer erhalten bis zu 500 Mal mehr Lohn als eine Kassiererin in der Migros – ein massloses Verhältnis. Hier braucht es eine neue Optik: Nicht wie viel wir abgeben müssen ist entscheidend, sondern wie viel wir wirklich zum Leben brauchen.

Fazit: Kritisches Vertrauen zu Staat und Steuern

Vieles spricht vom biblischen Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und Solidarität dafür, dem Staat die Steuern grosszügig zu überlassen. Vieles spricht auch dafür, dem Staat als Instrument der Umverteilung zwischen Arm und Reich zu trauen. Gleichwohl ist dies kein Plädoyer dafür, ihm in seiner Finanz- und Ausgabepolitik unkritisch gegenüber zu stehen. Der Staat ist stets gefordert, das ihm entgegengebrachte Vertrauen durch verantwortungsvolles Handeln zu rechtfertigen. Diese Sicht teilt auch die Bibel: «Ein König gibt durch das Recht dem Land Bestand, aber wer nur Abgaben erhebt, zerstört es.» (Sprüche 29,4)

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Genf, 20. April 2015 – Für die christliche Denkfabrik ChristNet sind Steuern auf Erbschaften gerecht, solidarisch – und biblisch begründet: Bereits das Alte Testament verlangt von Vermögenden, ihren Grundbesitz mit Bedürftigen zu teilen. Mit einer Umfrage will ChristNet die gerechteste Steuer eruieren und einen Kontrapunkt zum vorherrschenden Steuerabbau-Diskurs setzen.

Die Erbschaftssteuer, die am 14. Juni zur Abstimmung kommt, ist ein Appell an die Solidargemeinschaft Schweiz. Sie will neue Einnahmen für die AHV, das wichtigste Sozialwerk des Landes generieren, sowie die Kantone unterstützen, die das Bildungs- und Gesundheitswesen finanzieren. Beide Anliegen stehen heute unter Druck. Eine sichere AHV und eine gute Bildungs- und Gesundheitsversorgung sind aber gerade für weniger begüterte Menschen essenziell.

Bibel: Arme gesetzlich begünstigen

Bereits die Bibel appelliert an Vermögende, ihren Reichtum mit den Armen zu teilen: Ein Gesetzestext im dritten Buch Mose verfügt alle fünfzig Jahre ein so genanntes Jubel- oder Halljahr (3. Mose 25,8-31). Land, das aus Not verkauft worden war, musste demnach wieder an die ursprünglichen Besitzfamilien zurückgegeben werden. Damit erhielten Arme wieder gleiche Spiesse im Überlebenskampf. Heute besteht das Startkapital bedürftiger Bevölkerungsgruppen aus guter Bildung und Gesundheit. Die AHV ihrerseits soll die Existenzgrundlage im Alter sicherstellen – ein Verfassungsauftrag, den sie bisher nicht erfüllt.

Wie zu biblischen Zeiten sollen auch heute Vermögende eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen. Vielfach zeigen sich Reiche bereits solidarisch, sie gründen Stiftungen oder Hilfswerke. Leider herrscht hierzulande aber je länger je mehr ein Rückzug ins Private vor. Der Staat, das ursprünglich umfassendste Solidarwerk, wird zunehmend beargwöhnt und so seiner besonderen Fähigkeit beraubt, Armut zu bekämpfen.

Gefährlicher Trend Steuerabbau

So sind Steuerwettbewerb und Steuerabbau die grossen Trends in der Schweizer Finanzpolitik, die den immer grösseren Vermögensunterschieden keinen Einhalt gebietet. Dies ist nicht nur eine Gefahr für den sozialen Frieden, sondern auch für die Demokratie: Denn wo sich Geld in den Händen weniger konzentriert, ballt sich auch die politische Macht. Und wo die Medien von Big Business gelenkt werden, ist die freie Meinungsbildung gefährdet.

Die Erbschaftssteuerreform schafft einen Ausgleich zwischen Reichen, die ohne eigene Leistung zu einem Vermögen gelangen, und weniger Begüterten – wie dies schon die Bibel vorsieht. Deshalb empfiehlt ChristNet die Initiative eindringlich zur Annahme.

Umfrage: Welches ist die gerechteste Steuer?

ChristNet hat eine Umfrage zur gerechtesten Steuer lanciert. Hier können alle Interessierten 1 bis 5 Punkte an verschiedene Steuerformen wie Einkommenssteuer, Vermögenssteuer, Verbrauchssteuern oder eben die Erbschaftssteuer verteilen.

Im Zwischenergebnis nach 31 eingesendeten Antworten liegt die Vermögenssteuer mit insgesamt 139 Punkten in Führung. Die Erbschaftssteuer folgt erst auf dem 5. Platz, hält aber mit 129 Punkten Kontakt zur Spitze. Als unbeliebteste Steuern gelten bisher die Mehrwertsteuer (98) und die Gebühren für Leistungen der Behörden (90), beides nicht-degressive Steuerformen, die Arme und Reiche ungleich belasten.

ChristNet hofft für den weiteren Verlauf der Umfrage auf eine Aufholjagd der Erbschaftssteuer, die sie aus den dargelegten Gründen für die fairste aller Steuern hält. Zugleich soll mit der «ultimativ-positiven Umfrage» ein grundsätzlicher Kontrapunkt zum vorherrschenden Steuerabbau-Diskurs gesetzt werden.

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«Wir zahlen immer mehr Steuern!»

Eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung von 2004 zeigt: Zwischen 1990 und 2001 wurden die reichsten 20 Prozent der Haushalte im Durchschnitt um 4300 Franken pro Jahr entlastet, die ärmsten 20 Prozent bezahlen 650 Franken mehr… Dies hängt damit zusammen, dass die Steuern zwar insgesamt sanken, die AHV-/IV-Beiträge und die leistungsabhängigen Abgaben aber gleich blieben oder anstiegen. Daraus ergibt sich faktisch eine «Flat Tax», d.h. eine Besteuerung ohne Progression.

«Die Erbschaftssteuer schröpft uns alle!»

Die Erbschaftssteuerreform betrifft nur 2 bis 3 Prozent aller Erbschaften in unserem Land. Nur diese entspringen einem Nettovermögen (nach Abzug aller Schulden wie Hypotheken oder Darlehen) von mehr als 2 Millionen Franken. Dafür sorgt der Freibetrag in der Initiative, der also etwa 97 Prozent aller Erbschaften von der Steuer befreit.

«Wir sollen nicht immer mehr die Reichen schröpfen!»

Das Gegenteil ist der Fall: Die weniger wohlhabenden Schichten werden immer stärker zur Kasse gebeten. Gleichzeitig haben hohe Einkommen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Auch mit progressiven Steuern steht ihnen immer mehr zur Verfügung. Die Belastung der Reichen wird also auch mit progressiven Steuern nicht höher.

«Die Erbschaftssteuer ist eine Neidsteuer und widerspricht dem zehnten Gebot!»

Durch die immer grössere Vermögenskonzentration entstehen grosse Probleme. Genau deshalb wird im Alten Testament das Jubeljahr empfohlen, in welchem der Bodenbesitz alle 50 Jahre neu zugunsten der Landlosen verteilt werden soll. Die Erbschaftssteuer ist eine moderne Antwort darauf.

«Die Reichen zahlen ja schon die Mehrheit des Steueraufkommens!»

Dies besagt mehr über die immer grössere Kluft bei der Einkommensverteilung als über eine ungerechte Steuerbelastung.

«Die Reichen wandern ab, wenn wir die Erbschaftssteuer einführen!»

Die Reichen haben auch mit der Erbschaftssteuer noch genügend Vorteile in der Schweiz. Überdies ist die Erbschaftssteuer im Ausland oft höher.

«Aber der Reichtum ist doch ein Segen von Gott!»

Im Alten Testament erscheint Reichtum oft (aber nicht immer) als Segen Gottes. Dabei gilt zu bedenken, dass Gott segnet, damit wir den Segen weitergeben (s. Abraham; 1. Mos. 12,2). Dann hat ja Gott trotz allem das Jubeljahr eingeführt (s.o.). Ausserdem spricht Gott an vielen Bibelstellen von Umverteilung.

«Gott will doch, dass das Geld in der Familie bleibt!»

Jesus hat nicht die Sippe zur Grundlage seines Engagements gemacht und sich vielmehr von den Ansprüchen seiner Familie distanziert. Die Anhäufung der grossen Familienvermögen schafft erst die genannten Probleme und rechtfertigt bei Weitem eine Umverteilung, wie sie die AHV-Erbschaftssteuerreform will.

«Der Wert der Familie geht vor!»

Wenn wir Familien fördern wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Familie möglich ist. Das heisst auch armen Familien helfen. Die Kantone brauchen dazu genügend Mittel! Heute bauen sie entsprechende Hilfsleistungen eher ab, so etwa Krankenkassen-Vergünstigungen etc.! Deshalb ist die Erbschaftssteuer nötig.

«Eine Erbschaft hilft, die Existenz der Kinder zu sichern!»

Wegen der Alterung wird ab 2020 nur noch ein Drittel der Erbschaften an Kinder unter 50 Jahren ausgeschüttet werden. Ausserdem geht es bei der Initiative um Erbschaften mit sehr hohen Beträgen. Wer mehr als 2 Millionen vererben kann, dessen Kinder brauchen kaum um ihre Existenz zu fürchten.

«Erbschaften werden doch bereits als Einkommen und Vermögen versteuert!»

Das Doppelbesteuerungs-Argument zieht nicht. Geld, das im Umlauf ist, wird immer mehrmals versteuert: Zuerst der Lohn; dann die Einkäufe (Mehrwertsteuer); der Ladenbesitzer seinen Gewinn und seinen Lohn usw.

Zudem stammen vor allem grosse Vermögen keinesfalls nur aus Einkommen, sondern zum grossen Teil auch aus früheren Erbschaften, Wertzuwachs von Immobilien, steuerfreien Kapitalgewinnen und steuerfreien Spekulationen.

Erbschaften fallen an, ohne dass dafür etwas geleistet werden muss. Deshalb ist es nur gerecht, sie zu besteuern.

Überdies sind die Vermögenssteuern in der Regel minimal!

«Die Erbschaftssteuer bedroht KMUs und Bauernbetriebe und zerstört viele Arbeitsplätze!»

Im Initiativtext heisst es klar: «Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so gelten für die Besteuerung besondere Ermässigungen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.»

Die bürgerliche Mehrheit wird im Falle einer Annahme der Initiative dafür sorgen, dass Familienunternehmen nicht zu hoch belastet werden (z.B. mit 5 % statt 20 %) und einem hohen Freibetrag (z.B. CHF 50 Mio.). Zudem ist es in der Wirtschaftswissenschaft unbestritten, dass mehr Umverteilung mehr Arbeitsplätze schafft. Wenn Arme mehr Geld erhalten, geben sie es nämlich für das Nötigste wieder aus, anstatt zu sparen wie dies die Reichen tun…

«Der Staat soll nicht noch mehr einnehmen!»

Wer ist denn der Staat? Wir selber!

Dazu kommt: Fett gibt es keines mehr abzuschneiden. Bereits heute wird bei Essentiellem gekürzt, bei Gesundheit und Bildung.

«Jeder kann doch selber fürs Alter sparen!»

Leider trifft dies nicht zu. Mit einem Lohn von 3000 Franken pro Monat gibt es kaum Sparmöglichkeiten!

«Die Alten sind heute doch reicher als früher!»

Im Durchschnitt schon, aber nur, weil die Zahl der superreichen Senioren zugenommen hat. Heute liegen gigantische Vermögen bei einzelnen Familien.

«Die Kantone werden entmachtet!»

Der Steuerwettbewerb unter den Kantonen hat zu einem Steuersenkungs-Rennen geführt, zum Schaden aller. Bei einem gemeinsamen Vorgehen mit der Erbschaftssteuer gewinnen alle!

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ChristNet ruft zur Annahme der Volksinitiative «Abschaffung der Pauschalbesteuerung» am 30. November 2014 auf. Dies in der logischen Folge unseres Buches «Die Schweiz, Gott und das Geld» (2013).

Gerechtigkeit bringt Segen für alle

Am 30. November stimmen wir über die Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab. Umfragen zur Folge wäre die Initiative sechs Wochen vor der Abstimmung angenommen worden. Doch nun hat eine Gegenkampagne eingesetzt, die uns Angst machen will: Gegner behaupten, bei einer Annahme würden alle Pauschalbesteuerten wegziehen. Dass dies unwahr ist, zeigt das Beispiel des Kantons Zürich: Nach der Abschaffung dieser steuerlichen Ungleichbehandlung im Jahr 2009 zog nur die Hälfte der betroffenen Personen weg, und dank den Mehreinnahmen von den verbliebenen Personen resultierte nicht einmal ein Verlust1 .

Lässt sich die Schweizer Bevölkerung ein weiteres Mal Angst vor Steuererhöhungen einjagen und damit in die Irre führen? Die Gegenkampagne jedenfalls ist geschickt aufgebaut, denn sie versucht, mit den Begriffen «Mittelstand» und «KMU» uns alle zu Betroffenen zu machen. Und in vergangenen Abstimmungen konnte die Stimmung durch finanzkräftige Kampagnen, die uns Angst vor Arbeitsplatzverlust und Steuern machten, immer noch umgekehrt werden2 . Warum aber lassen wir uns derart beeinflussen? Haben wir so sehr Angst, Mangel zu leiden, dass wir uns dieser Logik des Mammon unterwerfen?

«Wir-Syndrom» oder Gemeinwohl?

Tatsächlich dominiert in der aktuellen Kampagne eine Art «Wir-Syndrom». Die Richtschnur unseres Handelns ist, ob wir als Schweiz finanziell gewinnen oder verlieren. Wir unterwerfen uns damit der Logik des Mammon: «Liebes Geld, bitte, bleib bei uns!» So sind wir sogar bereit, die Gleichheit vor dem (Steuer-) Recht zu beugen.Nun will aber der internationale Steuerwettbewerb, dass andere Länder und ihre Einwohner, die genauso unsere Nächsten sind, verlieren, was wir dabei gewinnen. Diese Menschen brauchen nämlich genauso Steuereinnahmen und Arbeitsplätze wie wir. Vor Gott sind sie gleich viel wert wie wir.

Genauer gesehen ist diese Jagd auf Reiche ja nicht einmal ein Null-, sondern ein Negativsummenspiel: Wenn ein grosser Teil der Pauschalbesteuerten bei uns viel weniger zahlt als in ihren Herkunftsländern, dann verlieren die Bevölkerungen insgesamt grosse Summen an Steuereinnahmen. Bereits heute werden mangels Steuereinnahmen Spitäler geschlossen, der umweltschonende öffentliche Verkehr eingeschränkt und Schulklassen vergrössert. Mit dem aktuellen System verlieren also alle. Das «Wir-Syndrom» und die Unterwerfung unter Mammon schaden der Bevölkerung mehr als sie nützen.

Gott weiss, was es braucht, damit es uns allen gut geht. Es ist deshalb kein Wunder, dass die Bibel uns auffordert, nicht nur an unser eigenes, sondern auch ans Wohl des Nächsten zu denken.3  Damit ist auch das Gesamtwohl gemeint, und dieses geht weiter als bis zur Landesgrenze. Doch die Angst vor Mangel und vor der internationalen Konkurrenz treibt auch viele Christen zu Ansichten wie: «Wir müssen auch für uns schauen, sonst sind wir bald die Letzten.»

Die Schweiz treibende Kraft

Ja, es gibt Konkurrenten um Steuereinnahmen. Aber die Schweiz kann nicht behaupten, sie schaue zu wenig für sich. Im Gegenteil: Sie war in den letzten 20 Jahren eine der Haupttriebkräfte im weltweiten Steuerdumping, beispielsweise mit den Steuerrabatten für Konzerne, mit Holdingsteuern, dem Bankgeheimnis und auch den Pauschalsteuern. Damit wurde anderen Ländern und deren Bevölkerung Hunderte Konzernsitze und Tausende Pauschalbesteuerte abgeworben. Angst führt uns also zu einer massiv verzerrten Wahrnehmung der Realität. Statt für uns zu schauen sind gerade wir Christen aufgefordert, zuallererst zu fragen, was Gott von uns will.

So heisst es in Micha 6,8 etwa: «Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: Was anders als Recht tun, Liebe üben und demütig wandeln mit deinem Gott?» Gott verspricht uns Segen, wenn wir auf seine Weisungen hören. Und wenn wir gerecht handeln, werden auch unsere «Handels»-Partner gesegnet. Heute leben wir im Überfluss, aber in vielem sind wir kein Segen für unsere nächsten Länder. Es ist Zeit, dies zu ändern. Unsere Angst vor Mangel ist unbegründet, weil Gott uns ja verspricht, dass er für uns sorgen wird. Dabei ist es durchaus möglich, dass wir materiell etwas weniger haben, wenn wir gerecht handeln. Aber der Segen Gottes hat noch ganz andere Dimensionen als die materielle. Zudem hat doch die Schweiz bereits heute Überfluss. Etwas weniger tut‘s auch.

Nicht Neid, sondern Gemeinwohl

Bei der Initiative zur Pauschalsteuer geht es uns also nicht um Neid, sondern um das Allgemeinwohl, das über die Schweiz hinausgeht. Und es geht um biblische Gerechtigkeit: Wir sollen alle Menschen gleich behandeln, ob sie reich oder arm sind4 . Das heisst, dass vor dem Recht alle Menschen gleich sein sollen. Zugleich wollen wir uns aber auch hüten, gegen «die bösen Reichen» zu wettern. Würden wir wirklich anders handeln, wenn wir in derselben Situation wären und die geltenden Regeln dies legitimieren? Es liegt an uns allen, am 30. November für Regeln zu stimmen, die gerecht und für alle segensbringend sind.

Literatur

Zum Thema: Markus Meury, «3.2 Pauschalbesteuerung: Dem Reichtum zu Diensten» in Die Schweiz, Gott und das Geld, ChristNet/StopArmut, 2013.

 


1. www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/abschaffung-der-pauschalsteuer-in-zuerich-ohne-einnahmenverlust-1.15824993

2. Mindestlohninitiative, 1:12-Initiative, Steuergerechtigkeitsinitiative usw.

3. Z.B. in Philipper 2,3-4: «Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.»

4. Jakobus 2,3: «Wenn ihr nun dem mit der vornehmen Kleidung besondere Aufmerksamkeit schenkt und zu ihm sagt: ‹Hier ist ein bequemer Platz für dich!›, während ihr zu dem Armen sagt: ‹Bleib du dort drüben stehen oder setz dich hier bei meinem Fussschemel auf den Boden!› – messt ihr da nicht in euren eigenen Reihen mit zweierlei Mass?»

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Armut, Erbschaft und Umverteilung

Samstag, 23. Juni 2012, 13.30 Uhr

Kirche «Evangelisches Gemeinschaftswerk»

Nägeligasse 9, Bern

Mit:

Lukas Amstutz, Dozent, Theologisches Seminar Bienenberg

Peter Schäppi, Vater der «AHV-Erbschaftssteuer-Initiative»

Und andere Akteure

Ein Jubeljahr für die Schweiz?

Die Schweiz ist reich, und doch sind fast 1 Million Menschen arm. Nur in Singapur und Namibia sind die Vermögen ungleicher verteilt als hierzulande.

Als ChristInnen können wir solchen Fakten gegenüber nicht gleichgültig sein. Die Bibel fordert uns heraus, uns gegen das Arm-Reich-Gefälle und für Gerechtigkeit stark zu machen.

Ein Mittel, das Gott den Israeliten dafür in die Hand gab, war das Jubeljahr: Alle 50 Jahre sollten Grund und Boden an die ursprünglichen Besitzer zurückfallen und so vermieden werden, dass sich der Wohlstand in einzelnen Familien anhäufen konnte.

Die «AHV-Erbschaftssteuer-Initiative» scheint dieses Anliegen des Jubeljahrs aufzunehmen: Grosse Erbschaften über 2 Millionen sollen zugunsten der AHV besteuert werden.

Programm

·         13.30: Einleitung

·         13.45: Das Jubeljahr in Bibel und Theologie. Lukas Amstutz

·         14.15: Braucht die Schweiz ein Jubeljahr? Braucht sie eine Erbschaftssteuer?

·         14.45: Pause

·         15.15: AHV-Erbschafts-Initiative: Was sie will und was sie kann. Peter Schäppi

·         15.45: Power-Input «Erfahrungen beim Unterschriftensammeln».

·         16.00: Gemeinsam auf die Strasse zum Unterschriftensammeln (fakultativ)

Tagesrahmen

·         10.30: GV des Trägervereins ChristNet mit Gebet und Diskussionen.

·         12.15: Gemeinsames Mittagessen im Restaurant «Hotel Bern» (bitte anmelden).

Kontakt

ChristNet, 022 731 71 83, info@christnet.ch

Anreise

Zu Fuss sind es etwa 5 Minuten vom Hauptbahnhof Bern zum Evangelischen Gemeinschaftswerk

Partner

EVP, www.evppev.ch


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