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Meine Frau und ich waren letztes Jahr zwei Wochen in Kuba. Wir waren beim Hurricane Ivan, der gleiche Stärke wie jetzt Katrine hatte, mit dabei. Ein Wirbelsturm kündigt sich 10 Tage vorher an, wird ab dann per Wettersatelliten weiterverfolgt und seine Laufbahn kann mit Wettercomputern heute immer besser berechnet werden. Bereits zehn Tage vor Ankunft von ?Ivan? wurden erste Meldungen verbreitet, eine Woche vorher erste Massnahmen verordnet, und einige Tage vorher die Evakuierung von Hunderttausenden von Menschen vorbereitet. Wir haben miterlebt, was dort alles in Gang gesetzt wurde, um Verluste an Menschenleben zu verhindern. Jedem wurde ein sicherer Ort inklusive Transport zur Verfügung gestellt.

In den USA ist es offenbar ziemlich das Gegenteil: es scheint, als sei den Menschen einfach gesagt worden „flieht jetzt“, aber es kümmerte sich niemand darum, ob die Armen überhaupt Transportmittel hatten oder irgendwo einen Platz hätten, wo sie hingehen konnten. Dann bleiben eben Hunderttausende in ihren elenden Mobile Homes (die ich vor einigen Jahren im Süden der USA selber gesehen habe) und städtischen Wohnungen und hofften, dass sie überleben…

Es beelendet mich, wenn von einer ?unerwarteten Grösse? einer Katastrophe geredet wird, wo man nichts hätte machen können. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, die meisten Menschenleben zu retten. Kuba erlebt jedes Jahr Wirbelstürme der Kategorie 4 bis 5, und da gibt’s jeweils null bis 20 Tote, und das bei gleich vielen Einwohnern wie den drei in den USA betroffenen Bundesstaaten zusammen. Was heute in den USA passiert, ist Ausdruck des „Jeder soll selber schauen“, was offensichtlich für die Schwächeren tödlich sein kann… Statt nur zu beten, dass Wirbelstürme vorbeigehen, würden sich gewisse Kreise lieber mal mit Jesu Lehre von der Solidarität beschäftigen. Ich finde es ein Bisschen frech, sich auf der einen Seite zu weigern, solidarisch zu sein und auf der anderen Seite von Gott zu verlangen, dass Er halt dann schaut. Dass Er nicht alles mit sich machen lässt, wundert mich nicht… Wird ein Umdenken stattfinden?

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In der Bibel ist oft von „Sünden“ die Rede. Nicht, um uns Probleme und Prüfungen zu bereiten, sondern um auf Fallstricke hinzuweisen. Gott möchte uns zu davor bewahren, zu sündigen, damit unsere wertvolle Beziehung zu Ihm nicht leidet und damit wir uns selber und unseren Mitmenschen keinen Schaden zufügen. Der Irakkrieg hat unseres Erachtens seine Wurzel in einer Kombination von Sünden.

Geldgier

1. Timotheus 6.10 sagt, „….eine Wurzel allen Übels ist die Geldliebe, (…)“. Der Griff nach dem Öl ist für die Bush-Administration eine wichtige Treibfeder: Bush selber kommt aus einer Ölfamilie, Vize Cheney war Chef der grössten Ölbohr-Ausrüsterfirma der Welt (Halliburton), und Bush selber verdankt seine Wahl unter anderem Exxon, die für die republikanischen Kandidaten im Wahlkampf 2000 riesige Summen locker gemacht hat. Im Mai 2001, nach der US-Energiekrise, erklärte Cheney „den verbesserten Zugang zu den Ölreserven im persischen Golf“ zu einer Priorität der nationalen Energiesicherheit. Die Öffnung der irakischen Energiereserven könnte laut dem ehemaligen Saudi-Arabischen Energieminister Jamani die Halbierung des heutigen Ölpreises bedeuten. Ein Segen für ein Land, das 2,5 Mal so viel Öl pro Kopf verbraucht wie die anderen Industrieländer, aber gleichwohl keine Lust hat, an diesem Überkonsum etwas zu ändern…

Auch Medienmagnaten wie Rupert Murdoch haben ein riesiges Interesse am Krieg, der die Einschaltquoten und damit die Gewinne explodieren lässt. Die amerikanische Öffentlichkeit wird deshalb von den Medien zum Krieg getrieben. Und schliesslich hat die Waffenindustrie (die USA haben einen Anteil von 40 % aller Rüstungsbudgets der Welt) ein Interesse am Krieg.

Selbstgerechtigkeit

Daneben treibt aber noch andere prominente Sünde zum Krieg: die Selbstgerechtigkeit. „Was aber siehst Du den Splitter, der in Deines Bruders Auge ist, den Balken aber, der in Deinem eigenen Auge ist, nimmst Du nicht wahr?“(Lukas 6.41) Je mehr wir das Gefühl haben, wir seien gut, desto mehr entfernen wir uns von Gott. Denn dann lassen wir unsere Handlungen nicht mehr durch Gott in Frage stellen und die Weisheit des Heiligen Geistes versiegt. Die Pharisäer haben dieses Schicksal erlitten und wurden von Jesus entsprechend beurteilt.

„Denn wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden“ (Lukas 14.11). Die Selbsterhöhung und Selbstgerechtigkeit hat leider in einigen Kreisen des evangelikalen Christentums z.T. ein Mass angenommen, das immer mehr negative Auswirkungen auf die ganze Welt hat. Es geht hier nicht darum, uns Christen schlechter zu machen als Andere, aber es scheint uns wichtig, auf die Gefahr der Selbstgerechtigkeit hinzuweisen, bevor es zu spät ist. Ohne Umkehr in diesem Bereich riskieren wir, in den Augen der Nichtchristen unglaubwürdig zu werden oder gar die Welt in den Abgrund stürzen. Der Irakkrieg ist dabei ein Schritt näher zum Abgrund.

Nationalismus

George Bush, wiedergeborener Christ, hat den „monumentalen Kampf des Guten gegen das Böse“ ausgerufen und wird dabei von grossen Teilen der evangelikalen Kirchen der USA unterstützt. Wer dabei die Guten sind (und das wird im absoluten Sinne verstanden), das ist von vornherein klar: der Westen, insbesondere die USA, „God’s country“, wie manche zu sagen pflegen. Der „Sendungswahn“ der amerikanischen Regierung hat dabei beängstigende Ausmasse angenommen. Hier hat sich in verhängnisvoller Weise Nationalismus mit Religion vermischt und eine nationale Selbstverherrlichung entstehen lassen. Deshalb glaubt sie auch auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Demokratische Unterordnung unter multilaterale Kompromisse im internationalen Rahmen wird mehr und mehr ein Fremdwort. Dies wurde in den letzten zehn Jahren klar, als die USA kaum mehr internationale Übereinkommen unterzeichneten, die ihre Interessen tangierten. Im Falle des Iraks war die UNO nur so lange das Verhandlungsgremium, bis klar wurde, dass die UNO den Willen der USA nicht mittragen würden. Die Kriegsgegner wie Deutschland und Frankreich bekamen denn auch die Aggression der USA mit Drohungen, Vertragsauflösungen und Verhöhnungen zu spüren. Diejenigen, die nicht tun, was die USA will, werden bestraft. Ist dies die Freiheit, von der sie reden?

Die treibenden Kräfte des Irak-Feldzuges (Rumsfeld, Wolfowitz, Cheney, aber auch Georges Bush’s Bruder Jeb und der ehemalige Vize Quayle) sind übrigens allesamt Mitunterzeichner der Charta des amerikanischen Thrink Tank „The Project for a New American Century“. Ziel dieses Projektes ist dieamerikanische Weltvorherrschaft („American world leadership“) und dass Amerika globale Verantwortung für Frieden und Sicherheit ausübt durch

  • starke militärische Kräfte (deutliche Erhöhung der Armee-Ausgaben)
  • Stärkung der Verbindung zu demokratischen Allierten und Herausforderung von feindlichenRegime im Sinne unserer Interessen und Werte
  • Förderung von politischer und ökonomischer Freiheit im Ausland
  • Akzeptanz von Amerikas einzigartiger Verantwortung im Erhalten und Ausbauen einer internationalen Ordnung, die freundschaftlich gesinnt ist, gegenüber unserer Sicherheit, unserem Wohlstand und unseren Prinzipien. Alles öffentlich nachzulesen unter www.newamericancentury.org

Im „Kreuzzug gegen das Böse“ wird denn auch schön nach dem Schema des Gleichnisses des „Balkens im eigenen Auge“ und der Selbstgerechtigkeit vorgegangen. Schon in der Interpretation des Attentats vom 11. September wurde kaum die Frage gestellt, mit welchen Anteil der Westen mit seinem Verhalten in den arabischen Ländern zum Terrorismus beigetragen hat. (LINK?). Warum hat es genau in den letzten 20 Jahren einen solchen Aufschwung des Fundamentalismus in den arabischen Ländern gegeben? Die Frage nach der eigenen Schuld wurde nie gestellt. Im Gegenteil, wir bleiben die absolut Guten. Im monumentalen Kampf gegen das Böse wird das Böse „irgendwo da draussen“ geortet statt in uns selber. Die meisten Diktaturen, die die USA im nahen Osten bekämpfen, sind zu Beginn von den USA selber gezüchtet oder unterstützt worden sind, um eigene Interessen durchzusetzen. Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit zur Erkenntnis der eigenen Schuld am Aufkommen von Terror verhindert also eine echte Lösung. In der Folge wird der Irak-Krieg die Spirale der Gewalt weiter antreiben: die Schmach der (zu erwartenden) Niederlage der „arabischen“ Seite und der Stachel der amerikanischen Okkupation sowie der Hass der Bevölkerungen auf die arabischen Herrscher, die mit den USA mitgezogen haben, wird dem islamischen Fundamentalismus massiven Aufschwung bescheren und mittelfristig Umstürze provozieren. Hoffen wir, dass es nicht die Atommacht Pakistan betrifft. Mit dem Irakkrieg wird der Terror nicht vermindert werden, wie Bush glauben machen will, sondern sich verstärken. Damit wird dann die Antiterror-Offensive des Westens seine Rechtfertigung finden…

Endzeitangst

Im Winter 02/03 glauben laut einer amerikanischen Umfrage 72 % der amerikanischen wiedergeborenen Christen, dass „wir derzeit die Anfänge jenes Krieges sehen, der zumAntichristen und zu Armageddon führt.“ Vielleicht wird das Verhalten des Westens selber diese Aussagen zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden lassen…. In den letzten zehn Jahren hat im Westen die Auslegung der biblischen Endzeitprophetien einen wahren Boom erleben lassen. Erinnern wir uns auch an die Endzeitromane von Tim La Haye, von denen bereits 50 Millionen Exemplare verkauft worden sind. Dieses Endzeit-Fieber hat die Angst unter den Christen geschürt und lässt bei einer vermeintlichen Bedrohung überreagieren, auch was die Angst um Israel betrifft. Selbsterfüllende Prophezeiung… In seinem alttestamentlichen Sendungswahn hat Bush folglich das Gefühl, die USA müsse Israel vor dem Irak (geographisch am Ort des alten Babylon) retten. Es ist möglich, dass Bush tatsächlich aus Angst um Israel zum Krieg bläst. Seine Berater haben ihm, aus anderen Gründen, wie wir gesehen haben, erfolgreich den Angst-Floh ins Ohr gesetzt… Durch einen westlichen Angriff wird aber vor allem der arabische Hass auf Israel geschürt. Statt Israel zu schützen wird es nur noch mehr in Gefahr gebracht. Einziger Ausweg wird dann die amerikanische Okkupation der gesamten arabischen Welt sein. Die Spirale dreht sich weiter…

In den amerikanischen Reden zum Krieg wird immer wieder betont, es sei eine Pflicht vor Gott, die guten westlichen Werte Freiheit und Demokratie zu verbreiten. Dabei haben dieselben Kreise nicht gemerkt, dass diese Werte z.T. längst durch den Mammon korrumpiert sind:

  • „Freiheit“: Mit der immer grösseren sozialen Ungleichheit und dem immer stärkeren Ausschluss der Mittellosen von Lebens-Grundbedingungen wie Gesundheit und Bildung wird die Freiheit für die Unterschichten immer mehr zur Farce. Nur die Starken haben die Mittel (Geld und Bildung), diese Freiheit auszunutzen. Und diese verschaffen sich mit Liberalisierungen und Privatisierungen auf Kosten der Schwachen auch immer mehr Freiheiten. Parallel wird die Ideologie „Wer will, der kann“ gefördert…
  • „Demokratie“: In den USA sind heute nur noch Reiche oder von der Wirtschaft unterstützte Personen wählbar, die anderen haben in der teuren Wahlwerbeschlacht keine Chance mehr. Im Wahljahr 2000 wurden laut Cash ca. 500 Millionen Dollar für den Wahlkampf aufgewendet, im Wahljahr 2002 bereits eine Milliarde Dollar, zwei Drittel davon als Wahlspenden der Wirtschaft an die Republikaner… Die Meinungsbildung ist ebenfalls durch die Abhängigkeit der Medien von der Wirtschaft massiv verzerrt.

Wie wird es unter diesen Umständen weitergehen? Wir wagen zu behaupten, dass nach dem voraussichtlich raschen amerikanischen Sieg sich die Hybris (in geopolitischen, aber auch in wirtschftlichen Bereichen) noch verstärken wird und sich die Arroganz der Macht weiter entfaltet. Der Irakkrieg wird nicht der letzte Angriffskrieg sein, vor allem, weil wie erwähnt wohl der Terrorismus durch diesen Krieg geschürt wird. Die amerikanische Bevölkerung wird weiter dem „starken Mann“ folgen. Wie werden die anderen Länder reagieren? In einer ersten Zeit werden sich viele, von der Macht beeindruckt, bei den USA anbiedern. Deren Macht wird dann noch mehr zunehmen. Viel wird aber davon abhängen, wer die Medien kontrollieren wird. Je mehr sich die Arroganz der Macht entfaltet, desto mehr werden aber auch Widerstände entstehen. Hoffen wir, dass diese Widerstände nicht in der Gewalt enden, sondern friedlich ausgetragen werden!

Warnung vor Sünde ist also nicht Moralismus, sondern die Sorge um die Folgen der Sünde und um die Liebe, die als erste Schaden nimmt. Lasst uns für George W. Bush und seine Regierung beten. Und möge uns Gott davor bewahren, Kreuzzüge im Namen Gottes auszufechten. Denn wir sind dazu berufen, Gottes Liebe in dieser Welt konkret sichtbar werden zu lassen.


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