Teilen ? eine Alternative zum Wirtschaftswachstum?

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Wirtschaftswachstum – ein relativer Begriff

Mit Wirtschaftswachstum wird die der Fortschritt der Produktion und des Konsums von Gütern bezeichnet. Das Wirtschaftswachstum ist die Zu- oder eben Abnahme dieses „Sozialprodukts“.

Man hat es also nur mit Zahlen zu tun, die aber nicht so präzise sind, wie sie scheinen. Sie messen etwas zwar super-exakt, aber nur stückhaft; nur was auch tatsächlich bezahlt wird, kommt in die Statistik. So wird z.B. Freiwilligenarbeit in Familie, Haus und Vereinen nicht erfasst. Ebenso werden Umweltschäden oder auch die Schattenwirtschaft nicht gemessen. Das Wirtschaftswachstum sagt auch nichts darüber aus, wie sicher man lebt, noch über Freiheit, Zufriedenheit, Stabilität usw.

Dieses „Sozialprodukt“ wird dann zum internationalen Vergleich durch die Einwohnerzahl geteilt, was aber noch lange nichts über dessen Verteilung unter der Bevölkerung aussagt. Dies zeigen heute die Zahlen über das Wirtschaftswachstum in China eindrücklich, wo ein kleiner Teil der Leute sehr viel Geld macht, aber die grosse Masse leer ausgeht.

Das Wirtschaftswachstum hat oft etwas Suspektes: Was ist das und woher kommt es? Ich bin nicht Ökonomin, aber es scheint mir klar, dass das Wirtschaftswachstum nicht einfach so passiert. Es beruht auf der Arbeit von Menschen. Ganz grundsätzlich liegt es in der Natur des Menschen, immer noch weiterzugehen und Neues auszutüfteln. Dies steigert denn auch die Produktivität der Wirtschaft. Hinter dem Wirtschaftswachstum steckt also das Vorwärtsstreben der Menschen; es liegt in der Natur des Menschen.

Wirtschaftswachstum dient der Umverteilung

Zum Wirtschaftswachstum steht in der Bibel nichts ausdrücklich. Aber man sieht z.B., dass es Israel unter Salomo sehr gut geht, d.h. es herrschte Wirtschaftswachstum. Das geschah unter Gottes Schutz und Segen. In den modernen Volkswirtschaften wissen wir, dass wir verschiedene Elemente fördern können; Bildung, Steuern, Geldpolitik, Forschung. Dabei ist uns die Frage nach der Teilhabe am Wohlstand wichtig.

In einer Welt mit einer steigenden Bevölkerungszahl braucht es ganz grundsätzlich Wirtschaftswachstum. Und ganz realistisch: bei wachsender Wirtschaft, das heisst wenn der Kuchen grösser wird, bekommen alle immer ein bisschen mehr und sind zufrieden, ohne dass sich die Frage nach der Verteilung und der Gerechtigkeit stellt. Wird das Wirtschaftswachstum aber kleiner, dann klappt dieser Trick nicht mehr; die Löhne bleiben tief, die Arbeitslosigkeit steigt, und es kommt zu Verteilungskämpfen.

Als Gewerkschaftssekretärin sehe ich tagtäglich, dass die AHV auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist. Die letzte Prämienerhöhung liegt 30 Jahre zurück. Dies ist nur dank Wirtschaftswachstum möglich.

Grenzen des Wachstums

Gibt es Grenzen des Wirtschaftswachstums? Ja, natürlich. Wir brauchen und verbrauchen Ressourcen, die nicht erneuerbar sind. Wir verbrauchen ungeheuer viele Ressourcen und schädigen damit unsere Umwelt. Es gibt nachhaltiges Wachstum, aber das ist auch heute noch leider nur ein kleiner Teil des Wirtschaftswachstums. Die Feststellung, dass die Weltwirtschaft wird nicht unbegrenzt wachsen kann, ist zum Gemeinplatz geworden. Haben wir den ‚Peak Oil’ schon erreicht? Diese Frage beschäftigt heut alle Zeitungen.

Wir sehen, dass geringes Wirtschaftswachstum zu sozialen Problemen führt und es ist verlockend, auf hohes Wirtschaftswachstum zu setzen. Doch sind dem Grenzen gesetzt, denn vielleicht geht uns die Luft ja noch vor den Ressourcen aus. Der Verteilungskampf führt zu Kriegen und je knapper die Ressourcen, desto schlimmer die Konflikte, die uns bevorstehen.

Doch die Frage der Verteilung stellt sich nicht nur zwischen armen und reichen Ländern heute und jetzt, sondern auch zwischen den Generationen. Was wir heute ausbeuten, steht unseren Kindern nicht mehr zur Verfügung.

Wichtige Ergänzung: Das Teilen

Das Wirtschaftswachstum kann nicht die einzige Antwort auf eine Reihe von Problemen sein. Auch in der Schweiz, einer ziemlich egalitären Gesellschaft, gibt es viele, und immer mehr, ‚laissés pour compte’. Diese Zahlen nehmen natürlich zu, je weniger Wirtschaftswachstum wir haben. Wir sehen aber auch, dass unser Wirtschaftswachstum in den armen und ärmsten Ländern keine Probleme löst. Teilen ist also unbedingt nötig. Wir kommen nicht ums Teilen herum. Dies betrifft die Schweiz und Europa, ist aber auch ein weltweites Problem.

Wir sind hier mit Problemen konfrontiert, bei denen es um viel, sehr viel Geld geht. Die dimension caritative im Beitrag von Jacques Blandenier stellt die Hilfe im Kleinen dar. Es braucht aber auch die dimension social-politique, das organisierte Teilen, das sich in UmverTeilung und Solidarität äussert. Im Allgemeinen stellen wir relativ einfach fest, wo Not herrscht. Wenn es dann aber um organisiertes Teilen geht, braucht es Gesetze, weil sich nicht alle gerne von sich aus daran beteiligen.

Umverteilung, und ‚Teilen’, hat furchtbar schlechte Presse. Geiz ist geil, und Solidarität wird in manchen Kreisen als Schimpfwort verwendet. Der UBS-Präsident Ospel meinte denn auch, die Kritik an hohen Managerlöhnen sei unverantwortlich.

Es wird gern von Eigenverantwortung gesprochen. Den Armen wird die Schuld für ihre Armut in die Schuhe geschoben. Wenn die Armen dann aber eigenverantwortlich stehlen gehen, um zu überleben, werden sie bestraft. Ich werde oft belächelt, wenn ich von Teilen und Umverteilung spreche.

Wenn wir an den Bundesrat schreiben, dann müssen wir konkrete Vorschläge machen, wie geteilt werden soll, denn von selber werden sie sich nicht damit befassen.

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