Familie ermöglichen

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Die Familie ist ein wichtiger christlicher Wert, und in den letzten Jahren ist sie endlich wieder mehr im Blickfeld der Politik. In der nächsten Legislaturperiode wird die Besteuerung der Familien heiss diskutiert werden. Vor den Wahlen versuchen verschiedene Parteien, sich als Familienparteien zu profilieren. Der Wert der Familie soll wieder gestärkt, der Zusammenhalt gefördert und die Familie entlastet werden.

Unzureichende Ansätze

Verschiedene Studien zeigen, dass Familien heute das grösste Armutsrisiko tragen, dies auf Grund der hohen Kosten rund um die Kinder. Im Jahr 2007 lag die Working Poor-Quote in Familien mit drei oder mehr Kindern bei 15%, also drei Mal so hoch wie im Durchschnitt aller Betroffenen. Familien beziehen deshalb stark überdurchschnittlich oft Sozialhilfe. In der Stadt Biel sind heute 20% der Kinder Sozialhilfeempfänger. Bisherige Ansätze zur Entlastung von Familien haben deshalb zu kurz gegriffen.

Familie stützen oder Staat abbauen?

Steuersenkungen mit Hilfe von Abzügen auf dem steuerbaren Einkommen entlasten genau die Falschen und nützen Familien mit knappem Budget nichts. Denn diese bezahlen bereits heute sehr wenig Bundessteuern. Die CVP verlangt, dass Kinderzulagen nicht mehr versteuert werden müssen. Dies würde  ärmeren Familien aber ebenfalls nur wenig bringen, reicheren Familien auf Grund der Steuerprogression hingegen sehr viel. Die SVP verlangt in einer neuen Initiative einen Abzug auf dem steuerbaren Einkommen für Eltern, bei denen ein Elternteil zu Hause bleibt. Auch hier profitieren diejenigen, die es am meisten bräuchten, überhaupt nicht.

Wenn schon Steuersenkung, dann brauchen wir einen pauschalen Abzug pro Kind auf dem Steuerbetrag, und dies vor allem bei den kantonalen Steuern, da dort die Steuern für wenig Verdienende wirklich spürbar sind.

Manchmal werden Steuervergünstigungen für die Familie auch als Alibi für einen pauschalen Steuerabbau missbraucht. Steuersenkungen sind populär, deshalb wird dies oft als Patentrezept vorgeschlagen. Allerdings haben Steuersenkungen meist auch eine Verknappung der Steuereinnahmen und später eine Kürzung der Sozialleistungen pro Kopf zur Folge, was sehr oft genau die Familien trifft.

Was brauchen die Familien?

Manche Politiker wollen die Familie fördern, in dem sie möglichst verhindern wollen, dass familiäre Aufgaben an den Staat delegiert werden können. Ja, Kinder finden Geborgenheit meist am Besten in der Familie. Was wir brauchen, ist aber eine Politik, die Familie wirklich möglich macht. Eltern müssen frei sein, qualitativ gute Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Erstes Ziel muss es sein, dass Kinder von ihren eigenen Eltern betreut werden können. Es muss möglich sein, dass immer ein Elternteil bei den Kindern zu Hause ist (ob Mutter oder Vater spielt weniger eine Rolle). Dies ist vor Allem in den ersten Lebensjahren wichtig, in denen das Grundvertrauen, der innere Halt und der «feste Boden» entwickelt werden. Eine Betreuung durch die erweiterte Familie (Grosseltern etc.) ist heute aufgrund der geforderten beruflichen Mobilität und der Schwierigkeit, eine Wohnung am gewünschten Ort zu finden nicht mehr allen möglich. Eltern sollten zusammengezählt nicht mehr als 100% arbeiten müssen.

Umsetzungsmöglichkeiten

Um dies zu erreichen, sind folgende Voraussetzungen nötig:

1.           Löhne, die für eine Familie reichen

In vielen Wirtschaftssektoren sind die Löhne so tief, dass beide Elternteile erwerbstätig sein müssen. Hier braucht es höhere Löhne für die unteren Einkommen durch Förderung von Gesamtarbeitsverträgen und Mindestlöhnen.

2.           Jobsharing ermöglichen

Damit beide Elternteile an der Erziehungsarbeit teilhaben können, müssten Arbeitgeber etwas umdenken: Auch in Teilzeitarbeit sollte verantwortungsvolle Arbeit möglich sein. Viele Eltern wagen es heute nicht, in der Kleinkinderzeit kürzer zu treten oder die Karriere zu unterbrechen, weil sie sonst den Anschluss verlieren.

3.           Kinderzulagen erhöhen

Dies ist die direkteste Methode. Der Bundesrat und die beiden Kammern meinen aber, hierfür habe man zu wenig Geld und es handle sich dabei um ein unerwünschtes Giesskannenprinzip. Diese Einschätzung steht im krassen Widerspruch zu den von denselben Gremien angestrebten Steuersenkungen, mit denen auf Milliardenbeträge verzichtet werden soll, was einem Giesskannenprinzip in Potenz entspricht…

4.           Heimbetreuung ermöglichen

Statt blind Kinderkrippen für alle zu finanzieren, wie die SP es will, sollte ein Teil dieses Geldes als Kinderbetreuungsgeld denjenigen Eltern ausbezahlt werden, die für ihre Kinder teilweise zu Hause bleiben. Dieser Ansatz ist in Deutschland bereits erfolgreich erprobt worden.

5.           Kinderbetreuung an AHV und Pensionskasse anrechnen

Wenn jemand während einer gewissen Zeit nicht arbeitet, um Kinder zu betreuen, fällt er bei der Altersvorsorge (AHV, Pensionskasse) in ein Loch. Dies darf nicht sein. Kinderbetreuung muss genauso als Arbeit gelten, auch wenn sie niemand bezahlt!

6.           Familienfreundliche Arbeitszeiten

Seit den 1990-er Jahren hat die Flexibilisierung der Arbeitszeit zugenommen. Aus «Gründen der Wirtschaftlichkeit» ist die Abend-, Nacht und Sonntagsarbeit massiv ausgedehnt worden. Das Familienleben leidet darunter, wie ich es in meiner Zeit als Gewerkschaftssekretär von Nahem gesehen habe. Wir müssen uns der weiteren Deregulierung der Arbeits- und Ladenöffnungszeiten widersetzen, sonst opfern wir die Familien auf dem Altar der Wirtschaft und des Konsums ohne Grenzen.

7.           Grosse Wohnungen für die Familien

Der Bund müsste den Bau grosser Wohnungen fördern, anstatt die Subventionen für Genossenschaften, die heute meist Familienwohnungen erstellen, abzubauen. Zusätzlich braucht es gesetzliche Massnahmen, um den Zugang für Familien zu grossen Wohnungen oder Bauhypotheken zu erleichtern. Denn Vermieter und Hypothekengeber ziehen Doppelverdiener ohne Kinder den Familien vor, weil letztere ein grösseres finanzielles «Risiko» darstellen.

8.           Krankenkassenprämien

Kinder müssen gratis versichert werden. Die Grundversicherung darf gerne etwas entrümpelt werden, vor allem müssen aber einkommensabhängige Prämien eingeführt werden.

9.           Familienverträglichkeitsprüfung

Bei politischen Entscheiden könnte eine Familienverträglichkeitsprüfung eingeführt werden. Eine solche hätte beispielsweise beim Entscheid von Bundesrat Burkhalter, auch Kinderbrillen nicht mehr durch die Krankenkassen bezahlen zu lassen, seine Wirkung gezeigt.

Eine echte Familienpolitik braucht nicht primär Steuersenkung, sondern Ermöglichung. Das bedeutet auch Einschränkung und Teilen. Und die Angst vor «dem Staat» abzulegen. Ist unsere Gesellschaft dazu bereit?

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