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Abgewiesene Asylsuchende, die nicht in ihr Herkunftsland zurückzukehren können, werden in Rückkehrzentren sozusagen entsorgt. Damit ist ihr Schicksal vergleichbar mit den früheren Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, die die Schweiz vor kurzem entschädigt hat.

Mehrere Tausend Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen leben noch heute in der Schweiz, am meisten im Kanton Bern. Es gab bis 1981 auf Grundlage des früheren Zivilrechts zwei Formen dieser Zwangsmassnahmen: Verdingkinder, die fremdplatziert wurden, und administrativ Versorgte, die ohne Gerichtsurteil in Anstalten, Arbeitsheime oder Gefängnisse eingewiesen wurden. Das Unrecht, das diese Menschen erfahren haben, ist staatlich anerkannt: Bis Ende 2023 hat das Bundesamt für Justiz über 10’600 Betroffenen eine Entschädigung ausbezahlt. Das ist erfreulich, aber ebenso wichtig ist es, dass die Schweiz aus diesem dunklen Kapitel ihrer Geschichte etwas lernt.

Doch das scheint nicht der Fall zu sein, denn in den Rückkehrzentren unseres Landes werden Menschen – Kinder, Frauen und Männer – über Monate und Jahre eingepfercht. Es handelt sich um weggewiesene Asylsuchende, die nicht gezwungen werden können, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, weil die politischen Verhältnisse dort prekär sind. So verbleiben sie in den Rückkehrzentren und werden dort sozusagen entsorgt. Wiederholt sich hier die Geschichte?

Der mittlerweile verstorbene Soziologe Zygmunt Bauman sagte bereits 2015 über die Flüchtlingslager, wie sie unsere Rückkehrzentren darstellen: «In ein solches eingewiesen zu werden heisst, aus der Welt und der Menschheit ausgewiesen zu werden … Die Wege zurück in die verlorene Heimat sind versperrt. Die Insassen der Lager werden aller Merkmale ihrer Identität beraubt, mit einer Ausnahme: der Tatsache, dass sie Flüchtlinge sind. Ohne Staat, ohne Zuhause, ohne Funktion, ohne Papiere. Sie sind dauerhaft ausgegrenzt und stehen auch ausserhalb des Gesetzes …»

«Wiederholt sich hier die Geschichte?»

Man kann es sich kaum vorstellen, aber es ist Realität: In der Schweiz leben ganze Familien über lange Zeit in Rückkehrzentren, eingesperrt auf engstem Raum. Sie leben in einer Form von Halbgefangenschaft: Machen sie einen Schritt aus dem Rückkehrzentrum hinaus, droht ihnen jederzeit eine Busse oder gar Inhaftierung wegen illegalen Aufenthalts. Sie leben in ständiger Angst vor behördlicher Repression.

Unsere kantonalen Asylbehörden sind dabei mit einer schier unlösbaren Aufgabe konfrontiert, wenn es um weggewiesene Asylsuchende geht, die nicht unter Zwang zurückgeführt werden können, denn freiwillig kehrt im Moment niemand nach Eritrea, in den Iran oder nach Tibet zurück.

In politischen Kreisen ist diese menschenrechtlich verwerfliche Praxis bekannt, aber niemand will sich an der Asylpolitik die Finger verbrennen. Schliesslich ist eine restriktive Asylpolitik ein Garant für Wählerstimmen. Nicht einmal unsere Landeskirchen engagieren sich öffentlich und mutig in der Sache: Man will die Kirchensteuerzahler nicht vergrämen und agiert neuerdings politisch möglichst neutral. Es scheint, dass unsere Kirche bei brisanten menschenrechtlichen Themen ebenso handelt wie die politische Schweiz. Das Geld kommt vor der Moral. Die Brutalität, mit der mit diesen Menschen umgegangen wird, hinterlässt Spuren in unserer Gesellschaft. Es gilt, die Worte des deutschen Menschrechtsaktivisten Karl Kopp ernst zu nehmen: Die Menschenwürde und die Menschenrechte, die zivilisatorischen Antworten auf die Barbarei, müssen verteidigt werden.

Bilder: Rückkehrzentren | AAZZ

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«Ich wünschte, er würde einfach sterben», sagte mein Kollege erbittert – gemeint war der Aggressor eines grauenhaften Krieges. Diese Aussage mag zunächst schockierend wirken, denn man «darf» doch niemandem den Tod wünschen. Zudem würde der Tod eines Einzelnen kaum das Ende eines Konflikts bedeuten. Doch die Aussage bringt eine innere Spannung zum Ausdruck, mit der wir derzeit wohl alle ringen.

Auf der einen Seite steht das christliche Gebot der Feindesliebe (vgl. Mt 5-7), das uns davon abhalten sollte, andern Schlechtes zu wünschen oder ihnen Gewalt anzutun. Auf der anderen Seite steht das Wissen um das Unrecht, das geschieht – und unser ebenso christlicher Auftrag, gegen Unrecht aufzustehen und die Schwachen zu schützen (vgl. Spr 31,8-9). In manchen Fällen scheint das Nichthandeln schwerwiegendere Folgen zu haben als das Handeln.

Christliche Friedensbotschaft unabhängig von den Umständen

Laut dem Global Peace Index gibt es derzeit 56 bewaffnete Konflikte, an denen 92 Staaten ausserhalb ihrer Landesgrenzen beteiligt sind – der höchste Stand seit dem Zweiten Weltkrieg.1 Für den evangelischen Friedensbeauftragten und Pazifisten Friedrich Kramer ist klar: Kriege lassen sich durch nichts rechtfertigen, und jede militärische Unterstützung einer Kriegspartei hält diese Konflikte nur aufrecht. Er sagt: «Die christliche Friedensbotschaft hängt nicht davon ab, ob es blutrünstige Kaiser oder machtbesessene Oligarchen gibt. Die Idee der Gewaltlosigkeit Jesu überdauert all diese, auch das römische Imperium. Im Krieg sterben nicht die Mächtigen, sondern der einfache Mann. Kriege sind mörderisch und durch nichts zu rechtfertigen. All das spricht für den Pazifismus.»2

Eine radikal pazifistische Sichtweise ist geprägt vom fundamentalen Antimilitarismus.3 Sie betont die kompromisslose Gewaltlosigkeit als christliches Ideal, besonders basierend auf der Bergpredigt Jesu. Sie geht davon aus, dass Gewalt immer Gegengewalt erzeugt, das Leben heilig und Töten grundsätzlich falsch ist. Allerdings ist «der Pazifismus» kein einheitliches Konzept – unter diesem Begriff versammeln sich unterschiedliche Ansätze.

Rechtfertigt unser Auftrag, gegen Unrecht aufzustehen, auch (gewaltsame) Verteidigung?

Doch so einfach ist es nicht. Wofür sind wir als Christinnen und Christen verantwortlich? Nach Ambrosius von Mailand sind wir nicht nur für unser Handeln, sondern auch für unser Nicht-Handeln verantwortlich.4 D.h. wenn ich etwas Schlechtes verhindern könnte und das nicht tue, dann bin ich genauso verantwortlich, wie wenn ich es tue: «Denn wer nicht von seinem Mitmenschen Unrecht abwehrt, wenn er kann, ist ebenso schuldbar wie jener, der es begeht.»5 Ambrosius bezieht sich hier auf die rechtliche Ausnahmeregelung der Notwehrhilfe. Interessant ist, dass sowohl er als auch Augustinus von Hippo die Notwehr auf individueller Ebene zurückweisen, da diese bedeuten würde, das eigene Leben über das Leben des Angreifers zu stellen. Hingegen sei es etwas anderes, wenn ich in eine Situation komme und Notwehrhilfe leisten kann, denn dann stelle ich das Leben der bedrohten Person über das Leben des Angreifers, und werte somit in diesem Moment das Gebot der Nächstenliebe höher als das Gebot der Feindesliebe. Aus diesem Gedanken heraus befürworten Ambrosius und Augustinus schliesslich die Notwehr, also die (gewaltvolle) Verteidigung, auf kollektiver Ebene, abgeleitet nicht aus der Notwehr auf individueller Ebene, sondern der Notwehrhilfe.6

Wie viel wissen wir über die Folgen unseres Handelns – oder Nichthandelns?

Laut dem Philosophen Olaf Müller vertreten verantwortungsethische Pazifistinnen und Pazifisten die Haltung, dass es in den meisten Fällen deutlich schlimmer ist, auf Gewaltmittel zu setzen als auf friedliche Lösungen. Doch, so Müller, überschätzen sie sich oft: Wer kann schon zuverlässig vorhersagen, welche Massnahmen zu welchen Konsequenzen führen? Wie viele Tote es geben wird – je nach Entscheidung?

Verantwortungsethiker, die militärische Mittel befürworten, verfügen über genauso wenig Vorhersagekraft wie Pazifistinnen. An diesem Punkt tritt unser Menschenbild in den Vordergrund: Menschen mit einem eher optimistischen Menschenbild neigen eher zu pazifistischen Lösungen. Wer dagegen glaubt, dass der Mensch grundsätzlich nicht gut ist, wird dazu tendieren, Gewalt (oder deren Androhung) für notwendig zu halten, um Vernunft und Frieden zu erzwingen.

Der Streit ums Menschenbild lässt sich wissenschaftlich nicht entscheiden. Ein positives Menschenbild ist schön – doch hilft es uns durch die Härten der Realität? Ist es naiv, auf das Gute zu vertrauen, wenn rundherum aufgerüstet wird und Dialogbereitschaft fehlt?7

Relativer politischer vs. absoluter persönlicher Pazifismus?

Hier treffen zwei Prinzipien aufeinander: das Gebot absoluter Gewaltfreiheit und das Gebot absoluter Liebe. Es ist ehrenwert, wenn Christinnen und Christen auf jede Form von Gegengewalt verzichten und dabei sogar Gefahren für ihr eigenes Leben in Kauf nehmen. Aber können sie diese Entscheidung auch für andere – oder für eine ganze Gesellschaft – treffen?

Sollte man nicht im Einzelfall prüfen, ob etwa defensive Waffen (und nur defensive!) dazu beitragen können, Leid in einem Kriegsgebiet zu begrenzen und zu einem raschen, dauerhaften Ende der Kampfhandlungen beizutragen?8 Jedoch erst, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft, es keine nicht-militärische Handlungsoptionen mehr gibt und parallel noch immer diplomatische Verhandlungen geführt werden?

Für mich bleibt das ein schwieriger Gedanke. Ausserdem würde ich gerne, obwohl das vielleicht naiv ist, mein optimistisches Menschenbild aufrechterhalten. Doch hilft diese Einstellung in der aktuellen Lage?

Christliche Hoffnung in den Spannungen dieser Welt

Kant sagte einst, der Friede sei nie gegeben – man müsse ihn aktiv schaffen.9

Die Spannungen, die uns heute beschäftigen, werden uns vermutlich weiterhin begleiten. Und doch haben wir Hoffnung und eine Verheissung: «Er wird richten unter vielen Völkern und zurechtweisen mächtige Nationen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr das Schwert gegen ein anderes erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.» (Micha 4,3)


1. Vision of Humanity. (2024). Highest number of countries engaged in conflict since World War II.
https://www.visionofhumanity.org/highest-number-of-countries-engaged-in-conflict-since-world-war-ii/. Abgerufen am 18.05.2025.

2. pro Medienmagazin. (2022). Friedrich Kramer: „Waffen schaffen keine Gerechtigkeit“.
https://www.pro-medienmagazin.de/friedrich-kramer-waffen-schaffen-keine-gerechtigkeit/. Abgerufen am 18.05.2025.

3. Evangelische Aspekte. (o. J.). Pazifismus – verschiedene Konzepte.
https://www.evangelische-aspekte.de/pazifismus-konzepte/. Abgerufen am 18.05.2025.

4. SRF Kultur. (2022). Europa rüstet auf – kommt so der Frieden? | Sternstunde Philosophie. [YouTube-Video, ab Minute 34:20].
https://www.youtube.com/watch?v=b34_dOWp9ts Abgerufen am 18.05.2025.

5. Ambrosius von Mailand. De Officiis Ministrorum. Erstes Buch: Vom Sittlichguten, Kapitel XXXVY (179).

6. Bewegung Plus Bern. (2025). Spannungsfeld: Krieg und Frieden – Gottesdienst vom 18.05.2025 mit Patrik Hofstetter. [YouTube-Video, ab Minute 36:05]. https://www.youtube.com/watch?v=ktuLfnLv4CM Abgerufen am 18.05.2025.

7. SRF Kultur. (2022). Europa rüstet auf – kommt so der Frieden? | Sternstunde Philosophie. [YouTube-Video, ab Minute 8:45].
https://www.youtube.com/watch?v=b34_dOWp9ts Abgerufen am 18.05.2025.

8. https://www.evangelische-aspekte.de/pazifismus-konzepte/

9. SRF Kultur. (2022). Europa rüstet auf – kommt so der Frieden? | Sternstunde Philosophie. [YouTube-Video, ab Minute 27:00].
https://www.youtube.com/watch?v=b34_dOWp9ts Abgerufen am 18.05.2025.


Dieser Artikel erschien zuerst im Gerechtigkeitslab bei StopArmut. ChristNet ist Mitglied des Trägerkreises der StopArmut-Konferenz, die am 1. November 2025 stattfindet.

Titelbild von lummi.ai

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Das „Bad Horn» ist ein beschauliches Hotel im Thurgauer Dorf Horn, direkt am Bodensee. An einem Wochenende im Januar 2025 herrschte dort allerdings Asyl-Alarm, wie die „Weltwoche» berichtete. Was war passiert?

Der SVP-«Asylchef» und Thurgauer Nationalrat Pascal Schmid hatte zur SVP-Kadertagung geladen und präsentierte alarmierende Zahlen. Während die Nachbarländer es geschafft hätten, die Zahl der Asylgesuche zu reduzieren, verharrten sie in der Schweiz auf Rekordniveau. Bereits dies stimmt so nicht. Viel mehr gingen die Asylgesuche in der Schweizab Sommer 2024 deutlich zurück. Zwar setzte der Rückgang in Deutschland früher ein als in der Schweiz, doch in der zweiten Jahreshälfte war die Entwicklung prozentual ähnlich. Für die Schweiz sah das so aus – immer verglichen mit dem Vorjahresmonat: Minus 26% im August, minus 40% im September und jeweils minus 26% im Oktober und November , über das gesamte Jahr gesehen minus 8 Prozent. Die Gründe dafür liegen gemäss SEM weitgehend ausserhalb des Einflussbereichs der Schweiz: ein Rückgang der Fluchtbewegungen von Syrern und Afghanen via Türkei und viel weniger Überfahrten über das zentrale Mittelmeer nach Europa.

Extrem kriminelle Nordafrikaner?

Der Untertitel des nächsten Abschnitts des Weltwoche-Artikels war noch alarmierender: „90 Prozent der Täter aus Nordafrika»! Aber langsam. Zunächst behauptete Herr Schmid, 56 Prozent der 522’558 Straftaten im Jahr 2023 wurden von Ausländern begangen. Das stimmt gemäss Kriminalstatistik 2024, wobei die Polizei von «beschuldigten Personen» spricht, nicht von verurteilten. Was die erwähnte Zahl von 90 Prozent betrifft, war dies eine dramatisierende Verkürzung des Weltwoche-Journalisten. Die Zahl bezog sich nämlich nicht auf die Gesamtheit der Delikte, sondern nur auf Fahrzeugeinbrüche im Kanton Thurgau. Zudem schlüsselt die Kriminalstatistik der Kantonspolizei Thurgau die einzelnen Deliktsarten nicht nach Nationalitäten auf. Es ist daher nicht klar, auf welche Quellen Schmid seine Behauptung stützt. Jedenfalls hatte sich der SVP-Asylchef eine Deliktsart ausgesucht, bei der der Anstieg – bei relativ geringen Zahlen – besonders eindrücklich war: eine Verfünffachung in drei Jahren! Beim Fahrzeugdiebstahl waren es im gleichen Zeitraum «nur» 85 Prozent.

Statistiken selektiv herangezogen

Unbestritten ist: sowohl 2023 als auch 2024 stieg in der Schweiz die Kriminalität deutlich, vor allem bei Eigentumsdelikten, gerade auch im digitalen Bereich. Was tun? Grundsätzlich gilt für alle das Strafgesetzbuch sowie für Ausländer das Asyl- bzw. Ausländergesetz. Eine seriöse Analyse müsste zeigen, wo punktuell weitere Massnahmen nötig sind. Die SVP verfolgt seit vielen Jahren eine andere Strategie: Handverlesene alarmierende Statistiken werden präsentiert. Diese bilden jeweils die Grundlage für eine Situations-»Analyse» : Die Schweiz, wie die SVP sie sieht, steht punkto Migration im permanenten Krisenmodus, man liest Schlagzeilen wie «Einbrecher geschnappt – es war ein Algerier!» oder «Neue Normalität? Kaum in der Schweiz, schon zugestochen, eingebrochen und gestohlen.»Begleitet wird dies von einem permanenten EJPD-Bashing. Zurzeit ist es SP-Bundesrat Beat Jans, der sich ein Trommelfeuer an Vorwürfen und Beschimpfungen gefallen lassen muss.

Die SVP verfolgt seit vielen Jahren eine andere Strategie: Handverlesene alarmierende Statistiken werden präsentiert.

Und daraus wiederum leitet die grösste Volkspartei ihre radikalen politischen Forderungen ab. Im «Bad Horn» klang es so: «Für Flüchtlinge darf es kein dauerhaftes Bleiberecht mehr geben. Für Nichtflüchtlinge darf es überhaupt kein Bleiberecht geben.» Die vorläufige Aufnahme müsse abgeschafft und der Familiennachzug eingeschränkt werden. Die Kantonskollegin von Pascal Schmid, SP-Nationalrätin Nina Schläfli, berichtete aus der Frühlingssession, die Forderungen überschlügen sich von Woche zu Woche. Die SVP stelle überrissene Forderungen, die teilweise gar nicht umsetzbar seien. Die Aussagen in den SVP-Vorstössen würden zum Teil jeder Faktenlage widersprechen.

Eingeschränkter Familiennachzug knapp abgelehnt

Dennoch wurden auch diesen Frühling Verschärfungen beschlossen. So traten auf Antrag der SVP in Kraft: Verstärkte Kontrollen an der Grenze, junge Afghanen sollen unter Umständen nach Afghanistan ausgeschafft werden können, Entzug des Flüchtlingsstatus‘ für anerkannte Flüchtlinge, die straffällig geworden sind – obwohl ein entsprechendes Gesetz bereits existiert. Ein Vorstoss, der den Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen einschränken wollte, wurde im Nationalrat knapp abgelehnt. Er hätte auch beinhaltet, dass Kinder nur bis 15 Jahre in die Schweiz hätten kommen dürfen. Schon länger ist ein 24-Stunden-Verfahren für Asylsuchende aus Nordafrika in Kraft, wodurch unberechtigte Asylsuchende aus dieser Region schnell wieder weggewiesen werden.

Die SVP vermischt also in ihren Statistiken gerne «Chruut und Rüebli» und in ihren Vorstössen Straftäter mit unbescholtenen Flüchtlingsfamilien, um Stimmung gegen Asylsuchende und Flüchtlinge zu machen – und erreicht trotz zahlreicher Niederlagen im Parlament oder an der Urne Verschärfung um Verschärfung der Gesetze.

Vor mehr als 2000 Jahren hatte Gott den Israeliten – selber ein Volk mit Migrationshintergrund – die Beachtung gleicher Rechte und spezielle Schutzbestimmungenfür Fremde aller Art aufgetragen. Vielleicht könnten wir trotz unseres «Fortschritts» von ihnen noch etwas lernen. Auch Jesus selbst musste als Kleinkind nach Ägypten flüchten, weiss also selbst, was es heisst, als Kind mit Migrationshintergrund in einem fremden Land aufzuwachsen.


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Seit dem ChristNet-Forum im Januar 2025 ist Demokratie zum Fokusthema des Vereins geworden. An der Generalversammlung vom 8. März 2025 griff ChristNet dieses Thema im Workshop «Demokratie – wie können wir sie stärken?» nochmals auf.

Seit den US-Wahlen im November 2024 bewegt das Thema Demokratie den Verein ChristNet stark. Während beim ChristNet-Forum vom 18. Januar 2025 noch die Frage «Demokratie – gefährdet oder gefährlich?» im Raum stand, lag der Fokus an der Generalversammlung anfangs März 2025 beim individuellen Einsatz für die Stärkung der Demokratie in der Schweiz. Während eines kurzen Workshops setzten sich die Teilnehmenden mit fünf Fragen auseinander. Diese Fragen und die Antworten der Teilnehmenden möchten wir im Folgenden mit dir teilen.

Was können wir persönlich zur Stärkung der Demokratie beitragen?

Politische Rechte, wie z.B. die Möglichkeit zum Abstimmen, sollen aus Sicht der Teilnehmenden wahrgenommen nehmen. Um sich eine politische Meinung bilden zu können, braucht es nebst Informationen auch ein Grundverständnis von politischen Prozessen und Strukturen. Ist diese politische Bildung vorhanden, kann differenziert über bestimmte Themen nachgedacht und diktatorische Tendenzen innerhalb der Politik erkannt sowie aufgezeigt werden. Eine Person schlug das Kennenlernen von Politikern als Strategie vor, um Vertrauen in die Politik zu gewinnen. Das Gebet für Amtsträger betrachteten dieTeilnehmenden als sehr wichtig für die Stärkung der Demokratie. Jemand nannte zudem das Abschliessen eines Medienabonnements, um sachliche Berichterstattungen zu unterstützen. Politische Themen polarisieren stark, weshalb die Teilnehmenden es als wichtig erachteten, dass Christinnen und Christen die Rolle von Vermittlern einnehmen, anstatt die Polarisierung weiter zu verstärken.

Was macht mir Angst in Bezug auf die weltweite Schwächung der Demokratie?

Besonders besorgniserregend empfinden einige Teilnehmende die Passivität der Mehrheit der Bevölkerungvor allem der jüngeren Generation in Bezug auf die globale Schwächung der Demokratie. Sie beobachten, dass christliche Werte zusehends an den Rand gedrängt werden und die sozial Schwachen unter die Räder geraten bzw. eine Entwertung erleben. Zwei Teilnehmende sind der Meinung, dass die Schwächung der Demokratie auf globaler Ebene zu einer erhöhten Kriegsgefahr führt.

Was macht mir Mut in Bezug auf die Demokratie?

Für die Teilnehmenden gehörten gewaltloser Widerstand und die Stärke der christlichen Werte zu den Ermutigungen angesichts der weltweiten Schwächung der Demokratie. Als konkrete Beispiele nannten siepositive Entwicklungen in Ländern wie Südkorea, Senegal und Serbien, sowie die Sojourners, die in den USA mutig ihre Stimme gegen Donald Trumps Anhänger erheben.

Was möchte ich an der direkten Demokratie in der Schweiz nicht missen?

Die direkte Demokratie der Schweiz hat aus Sicht der Teilnehmenden sehr viele Vorteile. Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung haben das Stimmrecht, Politiker sind Teil des Volkes und in der Kommunalpolitik kann viel bewegt werden. Die Teilnehmenden schätzen die Möglichkeit zur Meinungsbildung, die Offenlegung der Abstimmungsfinanzierung, die Vielfalt der Abstimmungsthemen sowie das Referendumsrecht und Petitionen sehr. Sie betrachten die direkte Demokratie in der Schweiz als klar antidiktatorisch.

Wie setze ich meine politische Stimme am liebsten ein?

Für die Teilnehmenden ist die Mitgliedschaft bei ChristNet eine wertvolle Möglichkeit, ihre politische Stimme aktiv für Nächstenliebe in Politik und Gesellschaft einzusetzen. Während ein Mitglied gerne Leserbriefe schreibt, publiziert ein anderes Mitglied Beiträge im Forum integriertes Christsein. Die Beteiligung an Gemeindeabstimmungen- und Gemeindeversammlungen sowie nationalen Abstimmungen und Wahlen erwähnten die Teilnehmenden ebenfalls als wichtiges Mittel, die politischen Stimmeeinzusetzen. Wer sich konkret in die Politik einbringen möchte, könnte zum Beispiel einer Partei beitreten, für den Gemeinderat kandidieren oder Unterschriften sammeln. Hierbei empfinden die Teilnehmenden die Bereitschaft zur Diskussion und das Aufarbeiten von Themen wie Nächstenliebe und sozialer Gerechtigkeit als wichtig. Als Christinnen und Christen dürfen wir uns auch auf den Heiligen Geist verlassen, der uns die richtigen Worte schenkt und den Willen Gottes offenbart.

Einsatz für christliche Werte

Der Workshop zeigte auf, dass Christinnen und Christen im Angesicht einer weltweiten Schwächung der Demokratie eine zentrale Rolle in der Bewahrung christlicher Werte einnehmen dürfen. Lasst uns mutig unsere politische Stimme für christliche Werte in der Schweizer Politik und Gesellschaft einsetzen!

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Das Bundesgericht hat entschieden, dass eine Krankschreibung bei Konflikten am Arbeitsplatz nicht unbedingt vor Kündigung schützt. Wie wenn ein Konflikt auf Grund einer unmöglichen Arbeitssituation nicht zu einem Zusammenbruch führen könnte!

Im Zusammenhang mit dem Bundesgerichtsurteil fällt auf, dass Burnout in der Schweiz im Gegensatz zu einigen Staaten der EU nicht als Arbeitskrankheit anerkannt ist und der Arbeitgeber dafür nicht haftbar gemacht werden kann. Dies öffnet der Ausbeutung Tür und Tor. Im Zeitalter, in dem Elon Musk in den USA die grenzenlose Arbeit ausruft, sind Grenzen zum Schutz der Angestellten dringender als je zuvor.

In einem Aufsehen erregenden Fall hat das Bundesgericht1 im Jahr 2024 entschieden, dass die übliche Sperrfrist für eine Kündigung bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit (z.B. in Folge von Mobbing oder Konflikten) nicht gelten muss.

Konflikte ernst nehmen

Ein solcher Entscheid geht an der Realität vorbei: Konflikte bei der Arbeit haben immer auch mit Dysfunktionalitäten am Arbeitsplatz zu tun. Wenn ein Arbeitgeber sich diesen nicht annimmt, hat er seine Fürsorgepflicht nicht wahrgenommen.
Konflikte müssen frühzeitig angegangen werden, bevor sie ausarten. Regelmässige Umfragen zur Arbeitszufriedenheit und Klärung von Bedürfnissen der Mitarbeitenden, um sich in der Arbeit entfalten zu können, sind in allen Unternehmen unumgänglich. Leider werden in vielen Unternehmen – traurigerweise sind Nichtregierungsorganisationen diesbezüglich nicht besser – Unzufriedenheiten noch immer als Stänkerei angesehen, statt als Gelegenheit, durch die Verbesserung der Bedingungen oder der Entfaltungsmöglichkeiten auch die Produktivität zu erhöhen.
Die meisten Angestellten in der Schweiz wollen gute Arbeit leisten. Mangelnde Wertschätzung und Mitwirkungsmöglichkeiten untergraben aber die Motivation. Wenn dann Direktionen darauf hin noch autoritär reagieren und keine psychologische Sicherheit zum Ausdruck von Befindlichkeiten geben können, dann ist die Eskalation unausweichlich.
Menschen mit grosser Sensibilität brechen als erste zusammen. Eine darauffolgende Krankschreibung wird dann oft als «Beweis» der Stänkerei interpretiert, eine Entlassung als unausweichlich angesehen. Dabei handelt es sich hier meist um ein Burnout in Folge einer emotionalen Überlastung. Der Bundesgerichtsentscheid ist also falsch und erleichtert es Arbeitgebern, Konflikte nicht richtig anzugehen, da sie sich mit Entlassungen lösen lassen. So aber kommen wir nicht weiter.

Burnout – Die Verursacher zur Verantwortung ziehen

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Burnout in der Schweiz im Gegensatz zu einigen Staaten der EU nicht als Berufskrankheit anerkannt2 ist und der Arbeitgeber dafür nicht haftbar gemacht werden kann. Bei gehäuften Burnouts in einem Unternehmen werden die Prämiensteigerungen der Krankentaggeldversicherungen hälftig den Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebürdet, wie wenn die Arbeitnehmenden dafür mitverantwortlich wären.

Dabei zeigt die steigende Anzahl Burnouts, dass die Arbeitswelt grundsätzlich aus den Fugen geraten ist: Zwischen 2012 und 2020 sind die Arbeitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Ursachen um 70 Prozent gestiegen. Der Job-Stress-Index3 zeigt bis 2020 eine stetige Steigerung der Anzahl Menschen, die im kritischen Bereich arbeiten. Rund 30 Prozent der Menschen sind heute emotional eher oder sehr erschöpft. Auch die ständigen Umstrukturierungen und Veränderungen tragen dazu bei.
Die Verdichtung und Intensivierung der Arbeit in den letzten Jahrzehnten, sowie die Aufweichung der gesetzlichen Schranken für die maximale Arbeitszeit4 haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Es ist also Zeit, dass die Verantwortung für Burnouts besser wahrgenommen wird. Denn ein Burnout heisst nicht einfach, dass man endlich auf der faulen Haut liegen darf. Für zahlreiche Betroffene bedeutet dies ein schwerer Einschnitt in der Laufbahn; etliche finden nie wieder zu einer guten Gesundheit und werden aus der Arbeitswelt ausgeschlossen. Für einige Familien bedeutet dies den Abstieg in die Armut.

Ohne Verantwortung droht die Ausbeutung

Solange sich die Verursacher aus der Verantwortung ziehen können, wird sich an diesem Trend nichts ändern. Die Kosten für Burnouts werden so auf die Sozialhilfe und die IV verschoben. Der Druck der Finanzmärkte zu noch höherer Kapitalrentabilität und der Druck der sinkenden Budgets für soziale Aufgaben werden die Probleme noch verstärken. Ohne Schranken und ohne die Klärung der Verantwortlichkeiten für Schäden stehen Tür und Tor offen für jegliche Ausbeutung.
Grenzen zu setzen und Arbeitgeber zur Verantwortung zu ziehen, ist dringender denn je. Elon Musk, der momentan wohl mächtigste Mann der Welt, ist daran, die USA umzugestalten. Er treibt, mit Unterstützung von hiesigen Parteien seiner Gunst, auch in Europa sein Unwesen. Bei der Übernahme von Twitter hat er die grenzenlose Arbeit5 ausgerufen, streikende Angestellte in seinen Werken werden kurzerhand entlassen. Mit seinen riesigen Spenden an Donald Trump, die Republikanische Partei und deren Parlamentarier hat er die Empfänger von sich abhängig gemacht und diktiert ihnen nun seine eigene Politik, wie diverse Beispiele6 zeigen.
Damit kann er auch seine Sicht der Arbeitswelt durchsetzen. Hier ist es nicht mehr unangebracht, von Ausbeutung zu sprechen. Das Wohl der Arbeitnehmenden ist nicht seine Priorität, wie seine Weigerung, die Tesla-Produktion während der Covid-Pandemie zu unterbrechen, gezeigt hat: Darauf hin sind hunderte Angestellte erkrankt und haben das Virus weiterverbreitet.
Diese Entwicklungen erhöhen den Druck auf die Unternehmen in anderen Teilen der Welt, die Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls auf Kosten der Arbeitnehmenden aufrecht zu erhalten. Es ist also höchste Zeit, Schranken gesetzlich zu fixieren und gerichtlich durchzusetzen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf INSIST.

1. https://www.beobachter.ch/magazin/gesetze-recht/auch-bei-krankschreibung-droht-nun-kundigung-719865?srsltid=AfmBOordYr64rRRcZD4ag4Ks8xvP6HvQ-aiDgJus1fIll2yE65bFBlxa
2. Postulat
3. https://gesundheitsfoerderung.ch/sites/default/files/remote-files/Faktenblatt_072_GFCH_2022-08_-_Job-Stress-Index_2022.pdf
4. siehe auch: https://www.insist-consulting.ch/forum-integriertes-christsein/24-3-5-arbeit-muessen-wir-arbeiten-bis-zur-erschoepfung-oder-brauchen-wir-mehr-raum-zum-leben.html
5. https://www.theverge.com/23551060/elon-musk-twitter-takeover-layoffs-workplace-salute-emoji
6. https://www.youtube.com/watch?v=79KDKWEOJ1s

Foto von Mykyta Kravčenko auf Unsplash

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Mit dem Aschermittwoch am 5. März beginnt die Fastenzeit. Sie erinnert uns daran, dass weniger oft mehr ist – nicht nur für uns persönlich, sondern auch für die Umwelt.

Wer verzichtet, gewinnt neue Perspektiven: Dankbarkeit für das, was wir haben und Achtsamkeit im Umgang damit. Doch warum nicht auf etwas verzichten, das nicht nur uns selbst, sondern auch unserer Umwelt guttut? Die Klimakrise fordert uns heraus, unser Verhalten zu überdenken – und die Fastenzeit bietet die perfekte Gelegenheit, bewusst eine klimaschädliche Angewohnheit abzulegen.

Folgend einige konkrete Fastenideen, die gleichzeitig zu einer klimafreundlicheren Lebensweise führen.

Ernährung

• Eine vegetarische oder vegane Ernährung ausprobieren
• Regionale und saisonale Lebensmittel kaufen
• Auf importierte Früchte (z. B. Avocados, Bananen) verzichten
• Keine Lebensmittel wegwerfen – bewusster einkaufen und Reste verwerten
• Fairtrade- und Bio-Produkte kaufen
• Leitungswasser statt Flaschenwasser trinken

Mobilität

• Das Auto stehen lassen und stattdessen zu Fuss gehen oder Velo fahren
• Öffentliche Verkehrsmittel statt das Auto nutzen
• Keine Flugreisen in der Fastenzeit
• Fahrgemeinschaften bilden
• Kurzstreckenflüge durch Zugreisen ersetzen

Energie & Konsum

• Den Heizenergieverbrauch reduzieren: z. B. ein bis zwei Grad weniger heizen
• Elektronische Geräte konsequent ausschalten statt auf Stand-by lassen
• Duschzeit verkürzen und Wasser sparen
• Keine neuen Kleider shoppen – stattdessen tauschen oder secondhand kaufen
• Auf Online-Bestellungen verzichten, um unnötigen Transport und Verpackung zu vermeiden

Digitale Gewohnheiten

• Weniger Streaming und Videokonsum: Netflix, YouTube – wegen des hohen Stromverbrauchs
• Social-Media-Detox: weniger Bildschirmzeit spart Strom und fördert Achtsamkeit
• Unnötige E-Mails löschen: E-Mail-Server verbrauchen viel Energie

Ressourcen & Abfall

• Auf Einwegprodukte verzichten: z. B. Coffee-to-go-Becher, Plastikflaschen
• Müll reduzieren und besser recyceln
• Wiederverwendbare Produkte nutzen: Stofftaschen statt Plastiktüten, Glasflaschen statt PET
• Kosmetik und Pflegeprodukte ohne Mikroplastik wählen
• Papier sparen: Digital lesen statt drucken

Der Artikel erschien erstmals auf www.stoparmut.ch

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Vor 12 Jahren gab ChristNet das Buch «Die Schweiz, Gott und das Geld» heraus. Es thematisierte den problematischen Umgang der Schweiz mit Geld und stellte viele gesellschaftliche und politische Missstände in den Fokus. Wo stehen wir heute?

Die Autorinnen und Autoren des Buches beschrieben die Schweiz als ein Land, dessen Geldpolitik und Wirtschaftspraktiken weltweit einen fragwürdigen Ruf geniessen. Die Liste der problematischen Aspekte war schon damals lang: Steuerflucht, illegale Geldströme und Steuerprivilegien für Reiche. Ein prominentes Beispiel ist bis heute die Praxis, dass Banken Steuergelder ausländischer Potentaten und korrupter Regime verwalten, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen. Auch die Steuervermeidung durch Unternehmen und das Steuerdumping zugunsten ausländischer Konzerne, die Menschenrechte im Ausland verletzen, bleiben ein ungelöstes Problem. Im Buch wird betont, dass auch viele Christen in der Schweiz diesem Verhalten gegenüber entweder ohnmächtig oder indifferent seien.

Der schweizerische «Krämergeist»

Eine Episode, die das zynische Wirtschaftsdenken der Schweiz widerspiegelt, ist die Aussage des Direktors der International Chamber of Commerce (ICCC), vor Jahren bei einer Tagung: «Die Schweiz hat einen Krämergeist». Er beschrieb damit treffend eine bis heute dominierende Mentalität. Ein Beispiel aus der Berner Oberländer Gemeinde Wengen verdeutlicht diese Haltung: Der Gemeindepräsident unterstützt den Bau eines Luxushotels, da er überzeugt ist, dass nur solche Projekte Menschen anziehen würden, die viel Geld mitbringen werden. Diese Sichtweise auf wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand zeigt, wie stark das Streben nach finanziellen Vorteilen in vielen Bereichen der Gesellschaft verankert ist.

Korruption und die Schattenseiten der Finanzwelt

Ein weiteres zentrales Thema ist bis heute die Unfähigkeit der Schweiz, gegen Geldwäsche und illegale Finanzpraktiken wirksam vorzugehen. Zwar gibt es Gesetze wie das Geldwäschereigesetz, doch gerade die Rechtsanwälte wurden bei der Umsetzung weitgehend verschont. Zudem sind die sogenannten «Clans», die illegale Gelder verschieben, ein zunehmendes Problem. Der schon fast verzweifelte Ruf des Bundesanwalts nach mehr Polizei und strengeren Kontrollen findet kaum Widerhall in der Sicherheitskommission des Bundes.

Oder ein weiteres aktuelles Beispiel: Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zum Fall der ehemaligen Grossbank «Credit Suisse» hat kürzlich aufgezeigt, dass der Umgang mit den Banken und deren Fehlverhalten lange Zeit zu lasch war – obwohl frühzeitig Alarmsignale vorlagen. Dies spiegelt ein grundlegendes Problem wider: Das Streben nach Gewinn und Macht geht oft zu Lasten von ethischen Standards und öffentlichem Wohl.

Politische Missstände und die Macht des Geldes

Organisationen wie die «Erklärung von Bern» – heute: «Public Eye» – und die «Swiss Social Watch» haben wiederholt auf die problematischen Praktiken hingewiesen, bei denen Parteien grosse Spenden von wohlhabenden Einzelpersonen oder Unternehmen erhalten, ohne dass diese ausreichend transparent gemacht werden. Diese Organisationen fordern strengere Regeln und eine echte Kontrolle der Wahlkampfspenden. Zwar gibt es mittlerweile Regeln, dass grosse Spenden bei Wahlkämpfen offengelegt werden müssen; doch die Kontrollbehörde, die diese Geldflüsse überwachen soll, wird bewusst schlank gehalten. Das Geld dürfte somit weiterhin grossen und intransparenten Einfluss auf politische Entscheidungen haben.

Eine besonders auffällige Haltung der Schweizer Gesellschaft gegenüber dem Geld ist die weit verbreitete Vorstellung, dass Ausgaben als «Verlust» betrachtet werden und nicht berücksichtigt wird, dass auf der anderen Seite Einnahmen und Investitionen wirtschaftliches Wachstum und Existenzen fördern. Die Frage «Was kostet das?» wird bei vielen gesellschaftlichen Ideen zu einem zentralen Hemmschuh. Investitionen in das Gemeinwohl oder in eine nachhaltige Zukunft werden dabei häufig nicht ausreichend gewichtet. Diese Sichtweise führt zu einer weiteren Verengung des Blicks auf Wohlstand, bei dem nur das Sichtbare und unmittelbar Einträgliche als wertvoll erachtet wird.

Schulden und Spekulation: Ein gespaltenes Verhältnis zum Geld

In der Schweiz ist es nahezu eine gesellschaftliche Schande, Schulden zu machen. Das Bild von Schulden als moralischem Versagen prägt das Denken der Bevölkerung. Das geltende System zur Entschuldung ist jedoch oft so schwierig, dass viele Menschen in der Falle von Schulden gefangen bleiben, ohne eine echte Chance auf Befreiung. Ein Gesetz, das die Schuldentilgung für Private ermöglicht, gibt es in der Schweiz bislang nicht.

Im Gegensatz dazu erscheint Spekulation auf den Finanzmärkten – das Umverlagern von Geld ohne reale Wertschöpfung – unproblematisch. In der Schweiz herrscht die weit verbreitete Illusion, dass Geld ohne Schaden für andere unbegrenzt vermehrt werden könne. Börsentipps sind populär, und es wird suggeriert, jeder könne nur gewinnen.

Die Kirche und das Geld: Ein ambivalentes Verhältnis

Das Verhältnis der Kirchen zum Geld ist ebenfalls einseitig. In vielen Kirchenreformen der letzten Jahre dominierte unterschwellig der Umgang mit den sinkenden Steuereinnahmen. Die Frage, wie die Kirche ihre finanziellen Ressourcen verwalten und erhalten kann, wird intensiv diskutiert – die Gewinnung von Seelen hingegen nicht.

In einem Beitrag weist die NZZ vom 14. Januar 2025 darauf hin, dass die Missionierung und der persönliche Glaube heute oft von finanziellen Überlegungen überschattet werde. Wichtiger als die spirituelle Ausrichtung sei in vielen Fällen die Frage, wie die Kirche ihre finanzielle Stabilität sichern könne. Die Frage bleibt: Warum wird nicht mehr Energie in die geistliche Erneuerung und die Verbreitung des Glaubens gesteckt, statt in die finanzielle Existenzsicherung?

Der Einfluss von Vermögen auf die gesellschaftliche Stellung und Macht

In einer Gesellschaft, in der das Vermögen so stark mit der gesellschaftlichen Stellung und Macht verknüpft ist, stellt sich die Frage, wie viel Einfluss materieller Wohlstand auf politische und soziale Entscheidungen haben sollte. Kann und will die Politik hier einen Ausgleich schaffen?

Die Antwort darauf ist in der Schweiz oft unklar. Zwar gibt es einige Bestrebungen, Ungleichheit zu bekämpfen und den Wohlstand gerechter zu verteilen, doch der Widerstand gegen entsprechende Massnahmen bleibt stark. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Schweiz in Zukunft zu einer gerechteren und ethischeren Verteilung von Ressourcen positionieren wird.

Ein ethischer Kompass für Christen

Abschliessend stellt sich die Frage, wie sich Christen in der Schweiz zu all diesen Themen verhalten sollen. Sollten sie sich weiterhin mit den gesellschaftlichen Normen und den vorherrschenden Wirtschaftsmodellen arrangieren oder einen alternativen Weg einschlagen, der stärker auf Gerechtigkeit sowie soziale und ökologische Verantwortung setzt? Die Bibel fordert die Gläubigen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Geld und Reichtum auf.

Der Weg der Christen sollte daher auch darin bestehen, für ein gerechteres Wirtschaftssystem einzutreten, das nicht nur den Wohlstand der Reichen sichert, sondern auch den Ärmsten zugutekommt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Schweiz und ihre Bürger, besonders in christlichen Kreisen, sich verstärkt der ethischen Frage stellen, wie Wohlstand geschaffen und verteilt werden sollte – und dass der Umgang mit Geld nicht länger als ein Selbstzweck angesehen wird, sondern als Mittel, das Wohl aller zu fördern. Aktuell zum Beispiel mit der Initiative zur Schöpfungsverantwortung, die im Abstimmungskampf typischerweise von kurzfristigen wirtschaftlichen Argumenten bekämpft wird. Hier gilt es, ein Gegenzeichen zu setzen.


Dieser Artikel erschien zuerst auf INSIST.

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Unsere Migrationspolitik ist unverhältnismässig restriktiv. Es wäre Zeit für eine Allianz des Anstands.

Der Wahlsieg Donald Trumps folgt einem Muster, das in immer mehr westlichen Demokratien Erfolge feiert: der gezielten Bewirtschaftung von Ängsten. Zum einen ist da die Angst vor dem Wohlstandsverlust, die viele Menschen umtreibt, und zum anderen das Übermass an gesellschaftlichen und weltweiten Krisen, die überfordern. Diese Ängste werden heute nicht verantwortungsbewusst begleitet, sondern verstärkt und instrumentalisiert.

In biblischen Zeiten gab es mit dem Sündenbock ein Ritual, um Ängste zu beruhigen. Ein Ziegenbock wurde in die Wüste geschickt, um symbolisch alles Böse, die Schuld und die Angst vor dem Zorn der Gottheit wegzutragen und so das Volk zu befreien. Stellvertretend übernehmen heute Flüchtlinge diese Rolle. Sie eignen sich ideal als Projektionsfläche für eigene Ängste und Wut. Der inzwischen verstorbene Soziologe Zygmunt Bauman äusserte sich dazu wie folgt: «Asylbewerber nehmen heute die Rolle ein, die ehemals den Hexen, Kobolden und Gespenstern der Sagen zukam.»

Trump schürt Ängste gegenüber Migranten, bezeichnet sie als Ungeziefer oder Müll und macht sie für fast jedes Unheil verantwortlich. Auch die SVP als wählerstärkste Partei der Schweiz und mit ihr neuerdings die FDP folgen dieser miserablen Strategie: Mit Flüchtlingen als Sündenböcken gewinnen Parteien Wählerstimmen und erringen damit politische Macht. Der moralische Preis dafür ist jedoch hoch, denn ein solch polemischer Diskurs vergiftet eine Gesellschaft.

Isolation, Perspektivlosigkeit und Ohnmacht schaden ihrer psychosozialen Entwicklung und ihrer psychischen Gesundheit.

Als Konsequenz dieser Sündenbock-Strategie haben wir eine mittlerweile sehr restriktive Migrationspolitik. Wer die Zahlen der Asylmigration sorgfältig analysiert – und sie nicht mit der Arbeitsmigration vermischt –, stellt fest, dass relativ wenige Flüchtlinge die Schweiz erreichen. Deshalb ist die Rede von einer angeblichen «Überflutung» reines Geschwätz, ganz nach dem Motto: «Lerne, zu klagen, ohne zu leiden.»

Eine weitere Konsequenz davon ist, dass in der Schweiz abgewiesene Asylsuchende über Monate und Jahre hinweg in Rückkehrzentren untergebracht werden, in denen ganze Familien in einzelnen Zimmern leben. Häufig handelt es sich um Personen, die aus autokratisch regierten Ländern kommen und nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Eine Studie des Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind hat gezeigt, dass die in Rückkehrzentren befindlichen Kinder und Jugendlichen – rund 700 an der Zahl – in einem schlechten psychischen Zustand sind. Sie sind traumatischen Erlebnissen ausgesetzt. Isolation, Perspektivlosigkeit und Ohnmacht schaden ihrer psychosozialen Entwicklung und ihrer psychischen Gesundheit. Rückkehrzentren dürfen keine Menschendeponien werden.

Es braucht in der politischen Schweiz eine Allianz des Anstands, die sich von machiavellistischem Streben verabschiedet und anerkennt, dass Geflüchtete zunächst einmal Menschen sind, die unsere Zuwendung verdienen. Es ist eine Binsenwahrheit, dass es in jeder Bevölkerungsgruppe anständige und unanständige Menschen gibt, und die Proportionen sind überall ähnlich. Gleichzeitig muss anerkannt werden, dass nicht alle Migranten hier in der Schweiz bleiben können. Es sei denn, es handelt sich um Oligarchen oder Milliardäre. Ihnen stehen bei uns alle Türen offen.

Dieser Artikel erschien im Dezember 2024 als Gastkommentar im «Tagesanzeiger», im «Bund» und im «Berner Landboten».

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Letzten Samstag nahmen 200 Personen an der Jacques-Ellul-Tagung «Welche Hoffnung für unsere Krisenzeiten?» teil. Sie wurde aus Anlass von Elluls (1912–1994) 30. Todestag von ChristNet und weiteren Organisationen in St-Légier (VD) organisiert. Referate, Workshops mit Plenumsrückmeldung und ein Podiumsgespräch haben dem technikkritischen, pessimistischen, aber fundamental hoffnungsvollen Denken des französischen Autors Tiefe und Schärfe verliehen.

Auf dem Campus der Theologische Hochschule HET-Pro erfuhren die Tagungsteilnehmenden, dass Elluls Schriften auch 30 Jahre nach seinem Tod erstaunlich aktuell sind und Antwortansätze bieten, die aber nicht einfach sind. Die grosse Zahl der Anwesenden zeigte, dass das Bedürfnis gross ist, solche Fragen gemeinsam zu vertiefen. Mit der Publikation der Wortbeiträge im Juni 2025 («Das Desaster ist da») und einer Ideenbörse geht es nach der Tagung weiter.

Neun Referenten aus Fachbereichen wie Theologie, Philosophie, Sozial-, Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften stellten das fruchtbare Werk von Ellul in Referaten, Workshops und in einem Podiumsgespräch vor.

Zu Beginn sprach Jacob M. Rollison, Theologe und Worker in der Gemeinschaft L’Abri (Huémoz VD), über die Technik, die den Menschen mächtig mache, aber in Hoffnungslosigkeit stürze. Laut Ellul sei die Technik selbstwachsend – eine Erfindung führt zur nächsten und bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten –, wobei die Richtung der Entwicklung dem Menschen entgleite. Wie ein steuerloses Rennauto rase sie richtungs- und ziellos voran und verursache Katastrophen, die sich immer weniger vermeiden liessen. Rollison fragte sich: «Warum nehmen wir nicht den Fuss vom Gaspedal?»

Ohnmacht oder Machtverzicht?

Auf diese hoffnungslose Diagnose reagierte Frédéric Rognon, Philosophieprofessor an der Universität Strassburg und einer der grössten Ellul-Kenner unserer Zeit: «Ohne Hoffnungslosigkeit keine Hoffnung.» Ellul fordere uns auf, die Hoffnung auf eine technische Lösung der Krise aufzugeben. Zwar verfüge der Mensch dank der Technik über eine nie dagewesene Macht, die aber zutiefst ambivalent (mit untrennbar verknüpften positiven und negativen Effekten) und selbstwachsend sei. Dagegen habe Ellul die «Nicht-Macht» gestellt, also den Verzicht auf (technische) Machtmittel, der darin besteht, nicht alles zu tun, was machbar ist. Als Vorbild dafür bezeichnete er Jesus, der als allmächtiger Gott seine Macht abgelegt habe und Mensch geworden sei.
Den Vormittag schloss David Bouillon ab, Professor an der HET-Pro. Anhand des ellul’schen Kommentars zum Jona-Buch warf er ein biblisches Licht auf den Katastrophismus. Die Geschichte dieses Propheten zeige, dass es Gottes Liebe sei, die uns für unseren Auftrag verantwortlich mache. Angesichts der technischen Allmacht (Ninive) bekräftige Gott sein Erbarmen mit allen Lebewesen. Dies sei unser Ausweg aus der «Hölle» und unseren Krisen, dies sei unsere Hoffnung.

Workshops und Partizipation

An der Jacques Ellul Tagung arbeiteten die Teilnehmenden aktiv mit. Ein Höhepunkt am Nachmittag waren die acht Workshops, die über eine Stunde dauerten und Raum schufen für einen kollektiven Prozess, um konkrete Lösungsansätze für die Tagungsthemen zu suchen. Das Ergebnis wurde am Podiumsgespräch vorgestellt und diskutiert. Die Organisatoren sind zuversichtlich, dass die Tagung den Anwesenden geholfen hat, in unserer krisengeschüttelten Gesellschaft ihren Platz besser zu finden.

Das Buch zur Tagung

Im Juni 2025 wird ein Buch mit den Referaten, Workshop-Präsentationen und den kollektiven Lösungsansätzen publiziert:
« Face aux désastres – Avec Jacques Ellul, penser la crise et choisir l’espérance.» («Das Desaster ist da – Mit Jacques Ellul Krise denken und Hoffnung wählen.»)
Verlag Editions Mennonites (Dossier «Christ seul»), 96 Seiten. Ab sofort sind Vorbestellungen möglich.

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Am 24. November 2024 stimmt die Schweiz unter dem Titel «einheitliche Finanzierung des Gesundheitswesens» (EFAS) über eine Änderung des Kranken­versicherungs­gesetzes ab. Einmal mehr erhofft man sich eine Dämpfung der Gesundheitskosten.

«Da liess Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so dass er einschlief.» 1
Als Adam die Augen aufschlug, sah er vor sich EFAS. EFAS war vollkommen und in ihrer Schönheit unübertrefflich.

Wenig später schlitterte der Beginn der Menschheit in die erste grosse Krise. Krankheit und Tod wurden initiiert. Und obwohl Adam und Eva seit längerem Geschichte sind, kämpfen wir heute in der Schweiz auch nach Jahrtausenden immer noch mit den Folgen dieses «Apfels». Unendlich viele Krankheiten und die Vermeidung von Tod prägen einen grossen Teil unseres Denkens. Die Hauptsorgen der Schweizerinnen und Schweizer waren 2023 die Gesundheit und die Prämien der Krankenkassen2 . Und die jährlich steigenden Prämien sind ein Abbild der steigenden Kosten, die im Gesundheitswesen der Schweiz generiert werden.

Seit Jahrzehnten wird verzweifelt nach den Ursachen dieses Kostenanstiegs gesucht.

Expertinnen, Politiker, Journalisten, ja, wir alle, kennen die Bösewichte: Einmal sind es die überteuerten Spitäler, dann die viel zu gut bezahlten Ärztinnen und Ärzte, dann die extrem teuren Medikamente und Implantate, ja, auch die Spitex und die Physio kosten einfach zu viel, nicht zu vergessen die horrenden Verwaltungskosten der Krankenversicherer. Ob diese Aussagen nun jeweils so im Detail stimmen oder nicht, Tatsache ist, dass bei jeder Diskussion, ob im privaten Rahmen, am Stammtisch oder in der «Arena», die Emotionen hoch schwappen.

Es ist nun nicht von der Hand zu weisen, dass die Kosten ansteigen. Es ist keine Kostenexplosion, sondern mehr oder weniger ein jährlich linearer Anstieg um rund 4%, wie die folgende Grafik zeigt:3

Und es sind nicht nur die Kosten, die steigen. Auch die Anzahl «konsumierter» Leistungen bewegt sich kontinuierlich nach oben, wie an den Balken in der Graphik ersichtlich ist.

Der Sorgenbarometer zeigt, dass unsere grösste Sorge die Gesundheit ist.

Einer Sorge und einem so grossen Problem begegnet man in der Regel, indem wir als Hauptverursacher etwas dagegen tun. Eine Schuldzuweisung an andere ist nun mal selten eine wirklich gute Lösung. Wie wäre es, wenn wir das Problem uns zu eigen machen und in dieser Angelegenheit anpacken und beispielsweise die Sache mit der Selbstverantwortung ernst nehmen? Sind wirklich nur die andern, wie oben ausgeführt, Schuld an dieser Misere im Gesundheitswesen? Schon Adam und Eva versuchten ihrem Schöpfer klarzumachen, dass nicht sie selber die Verantwortung tragen wollen. Bei Eva war die Schuldige die Schlange, bei Adam war es Eva.
So sollten wir selber die Sache in die Hand nehmen und mit einer positiven und konstruktiven Haltung und mutigen Vorgehensweise dem Lösungsansatz EFAS eine Chance geben.

Nach vielen Jahren des Ringens zwischen Kantonen, Krankenversicherern und den sogenannten Leistungserbringern ist nun endlich EFAS mit einem einheitlichen und klaren Verteilschlüssel für die ambulanten, stationären und pflegerischen Leistungen zu Stande gekommen. Die Gegner der Vorlage monieren, dass insbesondere mit dem Einbezug der Pflegeleistungen die Prämien für die Krankenkassen steigen werden. Das stimmt, die Prämien werden steigen. Wie wir wissen, steigen sie aber seit vielen Jahren und werden auch künftig steigen, mit oder ohne EFAS. Dies darf aber kein Grund sein, einem unsinnigen und schon zu lange dauernden Finanzierungs-Hickhack endlich mit EFAS eine gute valable Lösung gegenüberzustellen. Lösungsorientiert unterwegs sein heisst, für das nächste anstehende Problem eine neue Lösung zu suchen. Und nicht, aus Angst vor vielleicht möglichen Schäden stehen zu bleiben.

Auch die Bedenken, dass die Krankenkassen mit dem grösser werdenden Finanzierungsanteil mehr Macht erhalten werden, kann ich nachvollziehen. Aber auch hier gilt es, diese Herausforderung anzunehmen und zu überlegen, wie wir genau diesem Problem etwas Konstruktives entgegenstellen können.

Als Arzt bin ich persönlich zuversichtlich, dass wir unsere Selbstverantwortung mehr und mehr wahrnehmen und künftig aktiver für unsere persönliche Gesundheit und unser Gemeinwohl einstehen werden. Auch wenn EFAS nicht in jeder Hinsicht vollkommen und unübertrefflich ist, so lohnt es sich, verantwortungsvolle Schritte zu tun, indem wir als erstes ein klares JA für EFAS haben und als zweites jetzt die Turnschuhe anziehen und eine Runde laufen gehen ☺!

1. Genesis 2,21; Einheitsübersetzung 1980
2. CS-Sorgenbarometer 2023; https://www.credit-suisse.com/about-us/de/research-berichte/studien-publikationen/sorgenbarometer/download-center.html (Zugriff 20241101)
3. BAG Bundesamt für Gesundheit, Dashboard Krankenversicherung; https://dashboardkrankenversicherung.admin.ch/kostenmonitoring.html (Zugriff 20241101)


Foto von Jair Lázaro auf Unsplash