„Woher kommt Ihr Mehl?“
Am Samstag, 21. April fand in Bern ein Forum von StopArmut und ChristNet statt. Es stand unter dem Thema „Fair Teilen: Und wir Christen? Antworten auf die Armut – persönlich, wirtschaftlich, politisch“.
Persönliche Antwort: Gerechter Handel
In seinem Referat stellte Peter Weidmann von teartrade.ch die provokative Frage: „Wissen Sie, woher Ihr Mehl kommt?“ Und gab die Antwort gleich selbst: „60% des Mehls, das mein Bäcker verwendet, stammt aus Indien.“ Anhand des Beispiels Kaffee zeigt er auf, dass die Produzentenlöhne sehr oft nicht zum Leben reichen. Dann zitiert er Jakobus: „Gott hat den Schrei der Arbeiter gehört, die ihr um ihren verdienten Lohn betrogen habt.“ (5,4) Fair Trade packe das Problem der Armut an der Wurzel an, weil er den Ärmsten, der Landbevölkerung des Südens, ihren „verdienten Lohn“ gebe. Und das sei für uns im Norden erst noch relativ billig: Wir bezahlen für Fair-Trade-Kaffee nur ein Fünftel mehr, damit sich das Verdienst des Kaffeebauern verdoppelt. Als Konsumenten hätten wir die Macht, die Entscheide der Grosskonzerne und Detailhandelsketten zu beeinflussen. „Wir teilen mit den Ärmsten dieser Welt. Sie sind unsere Nächsten“, so Weidmann.
Wirtschaftliche Antwort: Mikrofinanz
Karl Rechsteiner von Oikocredit zeigte anhand konkreter Beispiele, wie Mikrokredite von wenigen Dollars in Afrika oder Südamerika Kleinstunternehmern die nötigen Finanzen für ihren Geschäftslauf bieten können. So konnte eine 22-jährige Waise in Accra (Ghana), die für ihre 2 Geschwister sorgen musste, dank einer Mikrofinanzbank ein Coiffeurgeschäft eröffnen, in dem sie heute 10 Angestellte beschäftigt. Oder in einem Bergdorf in Peru wurde der Aufbau einer traditionellen Essiggärerei möglich, die heute zu den grössten des Landes zählt. Rechsteiner forderte die Christen und Gemeinden auf, bei ihren Geldanlagen ethische Kriterien anzuwenden und Mikrofinanzinstitute oder Regionalbanken den Grossbanken vorzuziehen.
Politische Antwort: Gerechte Handelsregeln
Markus Meury, Koordinator von StopArmut und Mitglied von ChristNet, wies auf das politische Ungleichgewicht des Welthandels hin. Zum einen verfügten die ärmsten Länder nicht über die Finanzen, um sich beim Abschluss von Handelsabkommen kompetent beraten und informieren zu lassen, womit sie von den Vorarbeiten der reichen Länder abhängig sind. Zum anderen schade die ständige Liberalisierung des Welthandels den armen Ländern, deren Volkswirtschaften zuerst erstarken müssten, bevor sie sich der internationalen Konkurrenz stellen könnten. Dies sei ja auch in Amerika, Europa und Asien so geschehen. Meury forderte, dass die Schweiz ihre Politik der Eigeninteressen aufgeben soll, um sich für Handelsregeln einzusetzen, die den schwächsten Ländern zugute kommen.
Grenzen des Teilens
Das Podiumsgespräch wurde von Christian Waber, EDU-Nationalrat, eingeleitet, der zu bedenken gab, dass in der Schweiz mit ihren 133 Milliarden Franken Schulden nicht von Überfluss gesprochen werden könne, sondern von Überkonsum auf Kredit, und dass wir darum nicht soviel zu teilen hätten, wie oft angenommen werde. Dem wurde erwidert, das Einkommen in der Schweiz liege 400-mal höher als in gewissen armen Ländern.
Ein Teilnehmer wandte ein, die beste Antwort auf die Armut sei eine Herzensveränderung und die Förderung der christlichen Werte. Darum sollten wir uns auf die Evangelisation konzentrieren. Darauf reagierte ein anderer Teilnehmer: „Es braucht beides: Ein geistliches Engagement und ein praktisches; wir können fair einkaufen, Mikrofinanzinstitute berücksichtigen und uns für gerechte Handelsregeln einsetzen“. Die lebhafte Podiumsdiskussion wurde für ihre offene und konstruktive Gesprächskultur gerühmt.
Abschliessend zeigt sich eine Teilnehmerin erfreut: „Für mich war dieses Forum eine Entdeckung. Jetzt weiss ich, dass ich mit meinen Einkäufen etwas verändern kann.“
ChristNet ist ein Forum von ChristInnen, das sich mit Sozialem, Wirtschaft, Umwelt, Kultur und Entwicklung auseinandersetzt. Im Wahljahr 2007 fordert ChristNet den Bundesrat mit einer Petition auf, das Teilen ins Zentrum der schweizerischen Politik zu rücken: www.genug-zum-teilen.ch
StopArmut2015 ist die Kampagne der Schweizerischen Evangelischen Allianz zur Umsetzung der UNO-Millenniumsziele. Sie engagiert sich seit mehreren Jahren, dass sich die Christen für die Überwindung der Armut in der Welt einsetzen.