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Der Philosoph und Ökonom Dominic Roser beschäftigt sich mit elementaren Fragen rund um Schöpfungsgestaltung, Klimarisiken und Umweltverantwortung. Das wirft nicht nur politische, sondern auch ethische und ganz praktische Fragen auf – und letztendlich auch Glaubensfragen.

Das Klima verändert sich
Die aktuellen Erkenntnisse über das Klima überfahren uns regelmässig. Ständig kommen neue Zahlen, Warnungen, politische Absichtserklärungen hinzu – es ist schwer, in der Flut der Meldungen einen Überblick zu behalten. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da blieben die Meldungen noch unter dem Radar der Öffentlichkeit. Unbeachtet von der breiten Masse tauchten bereits anfangs des 20. Jahrhunderts allererste Sorgen über den Klimawandel auf; und schon Mitte der Sechzigerjahre hat der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson vor der Gefahr gewarnt, die Zusammensetzung unserer Atmosphäre zu verändern. Ein lauter Weckruf erfolgte dann in den Siebzigerjahren mit dem Bestseller «Grenzen des Wachstums». Das Buch legte nahe, dass die herrschende Form unseres Wachstums langfristig zum Kollaps führen wird.

Es ging aufwärts …
Dieser Kollaps ist kurzfristig – jedenfalls bis jetzt – nicht eingetreten. Im Gegenteil: Die Menschheit hat seither grossartige Fortschritte gemacht. Im Schnitt sind die Menschen mehr als doppelt so reich wie in den Siebzigerjahren. Der Anteil der Analphabeten ist von rund einem Drittel auf rund einen Siebtel gesunken. Der Anteil der Menschen in extremer Armut ist sogar noch stärker gesunken! Schon nur in den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, halbiert – bei gleichzeitig stark wachsender Weltbevölkerung.

Bis vor rund fünf Jahren hat auch die Demokratisierung der Welt grosse Fortschritte verzeichnet. Das ist wunderbar und wir sollten diese positiven Trends bewusst wahrnehmen und feiern. Ja, wir sollten sogar anerkennen, wie diese Errungenschaften kaum möglich gewesen wären ohne all die Entwicklungen, die durch die Industrialisierung und ihren fossilen Energien in Gang gesetzt wurden.

… aber ohne solide Basis
Allerdings hat dieses Wachstum nicht auf einem tragfähigen Fundament stattgefunden. Die Menschheit als Ganzes ist vergleichbar mit einem Menschen in Armut, der überraschend die Chance aufs grosse Geld bekommen hat. Schnell wird eine Villa aus dem Boden gestampft. In der Hast und im Umgang mit unvertrauten Möglichkeiten wird das Haus auf Sand gebaut. Bei der Statik, beim Feuerschutz und bei der Sicherheit wird gespart. Das Haus ist einsturzgefährdet. So auch die Menschheit: All das Heil, das durch den technologischen Fortschritt in die Welt kam, ist real. Aber es ging alles so schnell, dass die Errungenschaften auf wackligem Boden stehen. Wenn wir Glück haben, geht es weiter aufwärts; wenn wir Pech haben, stürzt das Haus ein. Das 21. Jahrhundert könnte das beste oder das schlechteste Jahrhundert unserer Geschichte werden.

All die Risiken, die wir in Kauf nehmen
Der bisherige Fortschritt war echt, aber zwiespältig, weil er als Nebeneffekt die klimaschädlichen Treibhausgase mit sich brachte. Seit der Industrialisierung ist die Erde bereits rund ein Grad erhitzt worden und schon dieses eine Grad kam mit ernsten Schäden. Die Schweizer Gletscher sind in den letzten 40 Jahren um einen Drittel geschrumpft. Aber so prominent die Gletscher in der medialen Bildauswahl auch sind, die relevantesten Auswirkungen betreffen nicht das Eis, sondern die von der Schmelze betroffenen Menschen und Tiere. Und weil der Klimawandel zeitverzögert passiert, werden die grössten Schäden erst in Jahrzehnten anfallen. Und weil er nicht hauptsächlich dort wirkt, wo er verursacht wird, sondern besonders stark im Süden, stehen die Menschen in Armut besonders unter Druck. Und weil das Ausmass des Klimawandels mit grosser Unsicherheit behaftet ist, machen nicht die wahrscheinlichsten Szenarien am meisten Angst, sondern die kleine Chance, dass wir die Kontrolle über das Experiment mit unserer Atmosphäre komplett verlieren. Der Klimawandel ist auch nicht der einzige Schauplatz, wo wir grossartige Fortschritte nur mit schädlichen Nebenwirkungen erreicht haben: Künstliche Intelligenz, Luftverschmutzung, Tierausbeutung, Atombomben usw. sind ebenfalls auf der anderen Seite der Medaille der menschlichen Flucht aus der Armut der letzten 200 Jahre eingraviert. Es ist schwierig, all diese langsamen Trends unseres Wachstums – sowohl die positiven wie negativen – in einem Mal vor Augen zu halten.

Das Schiff muss wenden
Diese Situation ruft nach einer Umkehr. Die Hälfte der Menschheit, die die Flucht aus der Armut bereits geschafft hat, sollte den Fokus nicht auf weiteren Luxus legen, sondern diese Flucht der anderen Hälfte ebenfalls ermöglichen, und zwar auf eine Weise, die ohne drastische Risiken als Nebenwirkung auskommt. Das geschieht zurzeit nicht: Seit der Jahrtausendwende sind die globalen Treibhausgasemissionen nochmals um über einen Drittel gestiegen und an Schweizer Flughäfen steigen über 50 Prozent mehr Passagiere ein und aus. Dabei wäre das Ziel nicht nur ein Ende des Emissionswachstums, sondern eine Halbierung bis 2030 und danach eine schnelle Reduktion auf Netto-Null. Die Menschheit ist nicht daran, die Zusagen aus dem Übereinkommen von Paris von 2015 einzuhalten.

Neue Technologien sind unabdinglich
Es gibt aber Hoffnung! Ein Grund dafür ist: Weil die Klimaherausforderung global ist, zwingt sie uns auch zur globalen Zusammenarbeit. Wir können den Klimawandel dazu nützen, diese Zusammenarbeit zu üben, zu verbessern und positiv zu gestalten, so dass die weltweite Gemeinschaft andere Herausforderungen in der Pipeline – wie beispielsweise künstliche Intelligenz oder Antibiotikaresistenz – schneller und wirksamer angehen kann als den Klimawandel. Ein zweiter Grund zur Hoffnung ist, dass Chancen auf Lösungen da sind – wir müssen sie nur packen. Am hoffnungsvollsten stimmt das Potential sauberer Technologien. Saubere Technologien haben gegenüber anderen Lösungen den Vorteil, dass sie das Klima schützen und den Menschen in Armut (und auch den Menschen, die süchtig nach Wohlstand sind) trotzdem Wachstum ermöglichen. Saubere Technologien haben zudem den Vorteil, dass sie gefördert werden können, ohne dass zuerst auf der ganzen Welt Mehrheiten für den Klimaschutz gesucht werden müssen: Einzelne Länder und Individuen guten Willens können alleine vorangehen. Und: Grosse Sprünge sind möglich. Die Photovoltaik beispielsweise ist innerhalb eines Jahrzehnts um ganze 80 Prozent billiger geworden.

Allerdings macht Solarenergie immer noch weniger als zwei Prozent des globalen Primärenergieverbrauchs aus. Deshalb gilt es ohne Scheuklappen saubere Technologien auf der ganzen Linie zu fördern: Technologien, die der Atmosphäre Emissionen entziehen; sauberes Fleisch und saubere Milch; neue Formen der Kernkraft usw. Gott hat uns unsere Kreativität und Weisheit nicht nur gegeben, um die Schöpfung zu bewahren, sondern auch um sie zu gestalten. Eine Welt mit zehn Milliarden Menschen, die der Armut entkommen sind, braucht ein anderes Wirtschaften als die ländliche und spärlich besiedelte Welt zur Zeit der Bibel.

Klimagerechtigkeit – ein grosses Wort
Damit die Flucht aus der Armut nicht nur uns früh industrialisierten Ländern vorbehalten ist, müssen wir einerseits unsere eigenen Emissionen auf Netto-Null senken. Aber noch viel wichtiger: Wir müssen den Ländern in Armut die sauberen Technologien zur Verfügung stellen, die ihnen die Flucht aus der Armut ebenfalls ermöglichen, ohne dabei das Klima zu zerstören. Dabei sollten wir nicht darauf achten, ob andere reiche Länder wie die USA genauso fest mitziehen, sondern notfalls auch mutig alleine vorangehen. Klimagerechtigkeit heisst aber nicht nur, die Zukunft gut aufzugleisen, sondern auch vergangenes Unrecht wiedergutzumachen. So hat Zachäus nach seiner Begegnung mit Jesus ausgerufen: «Sieh, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen. Und wenn ich von jemandem etwas erpresst habe, gebe ich es vierfach zurück.» Genauso müssen wir nicht nur die künftigen Emissionen reduzieren, sondern auch die Länder in Armut darin unterstützen, mit dem Klimawandel umzugehen, der aufgrund vergangener Emissionen nicht mehr aufzuhalten ist.

Eine neue Welt in Ewigkeit?
Wir Christen haben manchmal ein zu «statisches» Idealbild: Wir glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat und wir nun dafür schauen sollen, sie im Ursprungszustand zu bewahren, bis unsere jetzige Welt eines Tages Platz macht für ein komplett neues Modell. Aber weder sollen wir die jetzige Welt einfach in ihrem gefallenen Zustand bewahren, noch sollen wir einfach auf einen zukünftigen Ersatz hoffen. Wir sollen die Welt mutig weiterentwickeln und bereits jetzt an der neuen Welt arbeiten: In aller Demut und mit Gottes Schwung gilt es, unsere Welt so zu gestalten, dass sie und alle Geschöpfe, denen Gott sie zum Zuhause gegeben hat, zum Aufblühen kommen.


Dieser Text stammt aus dem ERF Medien Magazin 01/2023, dem monatlich erscheinenden Printmagazin der ERF Medien. http://www.erf-medien.ch/magazin

Foto von Gabriel Garcia Marengo auf Unsplash

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Interne Dokumente der Ölindustrie zeigen, dass diese seit den 70er-Jahren von der Klimaerwärmung durch den CO2-Ausstoss weiss. Sie hat der Öffentlichkeit aber trotzdem immer das Gegenteil erzählt, wenn Wissenschafter vor der Klimaerwärmung warnten. Seither sind 50 Jahre vergangen und die Wissenschaft ist sich einig, dass die Erwärmung stattfindet, dass sie zum allergrössten Teil menschengemacht ist und die Folgen auch extreme Schäden beinhalten: Hitzetote, Dürren, Hunger, Migrationsströme, Überschwemmungen, Ansteigen des Meeresspiegels, Verschiebung der Klimazonen mit Verlust der Biodiversität, sowie volkswirtschaftliche Schäden von weit über 10’000 Milliarden Euro pro Jahr. Auf die Schweiz umgerechnet wären das mindestens 10 Milliarden Franken pro Jahr.

Verantwortung übernehmen

Unser Handeln wird also immer dringender. Jedes Jahr, das wir dabei verlieren, fügt noch mehr Schaden hinzu und verändert die Welt, in der unsere Kinder (und noch einige von uns) leben müssen. Sie werden den Preis für die Zerstörungen bezahlen, die wir anrichten. In unserem Rechtssystem sind wir es gewohnt, jemanden haftbar zu machen, der ein Gut zerstört oder jemandem Schaden zugefügt hat. In der Regel muss der Verursacher für den Schaden aufkommen. Sollen wir nun allen Ernstes behaupten, wir wollten weiter das Recht auf Vandalismus haben? Und unsere Kinder und die armen Länder, die am wenigsten CO2 produzieren, die Schäden zahlen lassen? Auch sie sind unsere Nächsten, die wir genauso lieben sollen wie uns selbst.

Was werden wir unseren Kindern sagen, wenn sie uns in 30 Jahren fragen, warum wir so wenig getan oder gar noch gegen Massnahmen gestimmt haben? Wenn wir weiterhin so die Lebensgrundlagen unserer Kinder zerstören, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie eine Wut auf uns entwickeln und sich dereinst auch nicht mehr um uns kümmern wollen, wenn wir alt sind.

Was sollen wir Gott antworten, wenn er uns fragt, warum wir seine schöne Schöpfung zerstört und die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Nächsten so ausgehöhlt haben?

Wir können nicht nur, wir müssen es uns leisten!

Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir können also nicht sagen, wir könnten uns die Massnahmen nicht leisten. Das würde ja heissen, wir seien gezwungen, weiter auf Kosten unserer Kinder zu leben. Kann das sein? Darf das sein? Wenn wir uns eine Umstellung auf gleich viel nichtfossile Energie nicht leisten können, dann heisst das in der Konsequenz, dass wir unseren Energiekonsum vermindern und nicht weiter auf Kosten unserer Nachkommen leben sollen. Wir kommen also nicht darum herum, unseren Konsum und damit auch unsere Lebensinhalte zu überdenken. Weniger ist mehr! Gehen wir als Christen mutig voran!

Wagen wir den Schritt in die Solidarität

Gemäss Umfragen ist der Klimawandel eine der Hauptsorgen der Schweizer Bevölkerung. Aber Massnahmen dagegen werden letztendlich trotzdem abgelehnt. Die Angst vor den kurzfristigen persönlichen Konsequenzen ist bei vielen stärker als diejenige vor den langfristigen Folgen. Hier wäre auch unsere Solidarität mit denjenigen gefragt, die wegen der Massnahmen gegen den Klimawandel in echte Schwierigkeiten geraten. Dazu gehören Beihilfen für Armutsbetroffene und auch höhere Löhne.
Wir lassen uns aus Angst um unseren Lebensstandard auch leicht von der Propaganda von Vertreterinnen und Vertretern von Partikularinteressen beeinflussen, wie bei der Abstimmung zum CO2-Gesetz vor 2 Jahren, und glauben lieber denjenigen, die Zweifel an der Klimaerwärmung streuen. Lassen wir uns diesmal nicht wieder vom Handeln abhalten! Was haben wir für eine Alternative, wenn nicht dieses Gesetz? Freiwilligkeit genügt offensichtlich nicht. Die Gegner fordern, «dem Wahnsinn der rosa-grünen Linken ein Ende zu machen». Die Alternative ist demnach, den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis die Hitze uns den Hintern versengt…

Argumente

  1. Die Erderwärmung ist real und menschengemacht – Haben wir den Mut, der Realität in die Augen zu schauen!
    Es gibt kaum mehr wissenschaftlich haltbare Gegenargumente. Über 99 % der Klimatologen sind sich einig. Umso erstaunlicher, dass noch im Jahr 2020 nur 60 % der Schweizerinnen und Schweizer glaubten, dass der Klimawandel menschengemacht sei. 40 % entschieden sich also dafür, dem einen Prozent der «Skeptiker» und den Ausreden-Produzenten zu glauben. Wir haben enorm Mühe, etwas anzunehmen, was eine Verhaltensänderung erfordert. Wollen wir allen Ernstes behaupten, 99% der Klimatologen lägen falsch? Oder wollen wir allen Ernstes glauben, all die zehntausenden von Klimatologen seien bestochen und völlig geldgetrieben? Alle, die mal in der Wissenschaft gearbeitet haben, wissen, dass das unmöglich ist: Die meisten Wissenschafter haben die Wahrheitsfindung zum Ziel und es ist unmöglich, dass nicht eine Gruppe unter ihnen Bestechungen auf die Spur kommt.
    Wenn wir warten, bis kein einziger Skeptiker mehr da ist, ist es zu spät. In vielen Bereichen ist eine 100%-ige Sicherheit kaum möglich, aber es ist vernünftig und notwendig zu handeln. Wir werden sicher nicht sagen können, man hat es nicht so genau gewusst! Im 2021 sagte gar die Internationale Energieagentur, die bisher aufs Öl gesetzt hat, dass eine radikale Umkehr nötig ist: Keine neuen Ölfelder mehr erschliessen, massive Investitionen in alternative Energien.
  2. Gottes Schöpfung bewahren
    Gott hat die Erde geschaffen und am Schluss gesagt, es sei gut so. Was würden wir sagen, wenn wir ein schönes Kunstwerk schaffen und jemand anderes es verunstaltet oder zerstört? Wir wären betrübt! Was tun wir mit Gottes Schöpfung, einem fantastischen Kunstwerk? Ehren wir den Schöpfer, wenn wir sein Werk mit Füssen treten?
  3. Die Lebensgrundlagen der Nächsten bewahren
    Das höchste Gebot ist die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten. Die Klimaerwärmung bringt aber Milliarden unserer Nächsten in schwere Bedrängnis: Wenn tiefliegende fruchtbare Ebenen überschwemmt werden, Naturkatastrophen ganze Landstriche zerstören und noch mehr Gebiete zu Wüsten werden, ist Leben für sie dort nicht mehr möglich. Deshalb ist Klimaschutz gelebte Nächstenliebe.
  4. Die Schäden sind bereits gross, und sie werden riesig sein
    Bereits heute gehen die Schäden durch die Klimaerwärmung in die Milliarden. Das deutsche Umweltbundesamt rechnet bereits heute mit jährlichen Schäden alleine in Europa von 20 Milliarden Euro. In Zukunft sind eine Verschiebung der Klimazonen, noch mehr Dürren, Hungersnöte und damit grosse Migrationsströme zu erwarten. Damit steigen die Kosten ins Unermessliche. Wirtschaftliche Berechnungen gehen von weltweit weit über 10 Billionen Euro Schäden und einer massiv verringerten Wirtschaftsleistung aus. Wer kann das bezahlen?
  5. Wir brauchen Unabhängigkeit vom Öl von Regimes
    Die Hauptreserven von Öl liegen heute zu einem grossen Teil auf den Gebieten von Diktaturen auf der arabischen Halbinsel, in Irak, Iran, Libyen aber auch in Russland, China, Venezuela, Aserbaidschan, etc. Beim Gas sieht es noch schlimmer aus. Die Schweiz tut gut daran, sich aus der Abhängigkeit dieser diktatorischen Regimes zu befreien!

Gegenargumente – und was wir davon halten

  1. «Gott hat alles in der Hand»
    Dieses Argument wird in christlichen Kreisen manchmal so verwendet, wie wenn trotz unseres Handelns nichts passieren könnte.
    -> Gott hat alles in der Hand, aber er lässt uns auch frei walten. Wenn wir seine Schöpfung zerstören, räumt er nicht gleich hinter uns wieder auf.
    -> Die Realität zeigt ein anderes Bild: Nach der Abholzung der Wälder in den Alpen gab es zahlreiche Erdrutsche und Lawinenniedergänge, Gott hat diese nicht verhindert. Es waren die Menschen, die mit Wiederaufforstung reagieren mussten. Der Aralsee ist ausgetrocknet, die Umgebung durch Windablagerung versalzen; in vielen Regionen sind ganze Landstriche oder Flüsse und Seen verseucht und unbrauchbar geworden. Gott verhindert nicht die Folgen unseres Handelns.
  2. «Die Massnahmen sind zu teuer, wir können uns das nicht leisten»
    Die Gegner behaupten ohne glaubwürdige Berechnungen, der Umstieg auf Elektrizität und andere Energiequellen würde die Bevölkerung hunderte von Milliarden Franken kosten. Das sei nicht zahlbar. Dazu meinen wir:
    – Die Zahlen sind erstens völlig überrissen und gehen zweitens von einem technologischen Stillstand aus. In der Realität ist die Nachfrage aber ein Treiber von Innovation und damit von Preissenkung.
    – Schon nur die finanziellen und wirtschaftlichen Schäden eines Verbleibs bei fossilen Brennstoffen sind ab 2050 mit 10 Milliarden Franken pro Jahr zu veranschlagen. Langfristig sind die Kosten für alle also noch viel höher, dazu kommt die Hitze, der Verlust an Biodiversität und viel Leid.
    – Wir müssen also sowieso zahlen. Bei einem Nein bürden wir die Kosten unseren Nachkommen auf.
    – Ob benachteiligte Schichten die Heizung nicht mehr bezahlen können, hängt einzig davon ab, wie viel wir teilen! Es ist also Solidarität und gerechte Einkommensverteilung gefragt.
    – Welches Land kann sich denn Massnahmen leisten, wenn nicht wir? Wenn wir sagen, wir könnten es nicht, was werden dann die anderen Länder sagen?
    – Im Grunde richten wir Zerstörung an, wollen diese aber nicht berappen -> rein rechtlich gesehen, geht das nicht!
  3. Die Versorgungssicherheit ist mit der Umstellung gefährdet
    -> Schon vor dem Winter 2022/23 wurde die Angst vor einer Stromlücke geschürt. Und nirgends in Europa ist sie eingetreten. Sollen wir nun wieder auf diese Angstmache eingehen?
    -> Bei den nicht-fossilen Energiequellen wie Sonnen- oder Windenergie und Erdwärme sind noch riesige Potentiale lokaler Energiegewinnung unausgeschöpft.
    -> Wir werden nicht darum herumkommen, unseren Energiekonsum zu überdenken. Brauchen wir wirklich all das? Wann ist genug? Die meisten können ihren Konsum fossiler Brennstoffe zurückschrauben, wenn sie wollen: Flugreisen sind meist nicht zwingend, früher sind wir auch ohne Flugzeug in die Ferien gereist. Und für viele wäre der Gebrauch des ÖV oder zumindest der Verzicht auf einen SUV zumutbar.
  4. «Freiwilligkeit genügt»
    -> Bisher haben wir auf Freiwilligkeit gesetzt. Der Nachweis, dass dies nicht genügt ist längst erbracht: Der CO2-Ausstoss nimmt nur wenig ab und ein guter Teil der Verminderung ist der Verlagerung der Industrieproduktion ins Ausland geschuldet.
    -> Wenn Vandalen ein Auto beschädigen, fänden wir es akzeptabel, wenn die Polizei die Täter lediglich bittet, vielleicht, falls sie möchten, etwas an den Schaden zu zahlen? Dies widerspricht unserem Rechtsverständnis. Die Abgeltung eines verursachten Schadens darf nicht freiwillig sein. Warum sollen nur die einen zahlen und die andern nicht?
  5. «Aber wir tun doch schon so viel»
    Die Reduktion unseres CO2-Ausstosses genügt nie und nimmer, um bis 2050 klimaneutral zu sein. Es braucht leider noch viel mehr Engagement und zwar von allen!
    Wenn man mit 50 km/h auf eine Wand zufährt, nützt es nichts zu sagen: «Aber ich bremse ja schon auf 30 km/h herunter,  jetzt lass es endlich gut sein…». Der Aufprall wird trotzdem hart.
  6. «Andere Länder sind ja noch schlimmer – es nützt nichts, wenn die Schweiz vorangeht»
    -> Jeder Mensch ist verantwortlich für sein eigenes Handeln, jeder ist mitverantwortlich, weil jeder CO2 beiträgt. Wenn alle warten, bis die Schlimmsten zuerst handeln, dann vergrössert sich die Katastrophe weiter.
    -> Zudem: Wir haben es ja eben auch mit der Gesetzgebung und mit internationalem Druck/Einsatz in der Hand, die grössten CO2-Produzenten zur Reduktion ihres Ausstosses zu zwingen (Ölproduzenten; Frachtschiffe; Kreuzfahrtschiffe; etc.).
    -> Doch, es nützt: Jede Tonne CO2, die eingespart wird, hilft! Würden wir dasselbe auch in anderen Bereichen sagen wie z.B. bei der Abfalltrennung, dem Umsteigen auf den ÖV, dem Wasserverbrauch, etc.? Sollen wir uns nur noch egoistisch verhalten, weil der Beitrag jedes Einzelnen so klein ist? Nein, wir haben alle Mitverantwortung. Gott verlangt von uns, zu tun, was richtig ist, nicht nur dann, wenn andere es auch tun!
    Zudem bewegen sich andere Länder schnell: Die USA und die EU streben Klimaneutralität bis 2050 an und Dutzende von Ländern haben bereits ein Verbot von Benzinmotoren in den nächsten 15 Jahren beschlossen.

Foto von Janosch Diggelmann auf Unsplash