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Bern/Basel, 23.9.07 „Knapp 100 TeilnehmerInnen nahmen am Samstag in Bern an der ChristNetKonferenz „Die Schweiz “ bekannt für ihre Barmherzigkeit?“ teil. Im aktuellen konfrontativen und hasserfüllten Wahlkampf ist ChristNet überzeugt, dass die Schweizer Politik nicht nur inhaltlich, sondern auch im Stil mehr Barmherzigkeit braucht.

Der Auftrag der Schweiz: Grosszügig teilen

Am Morgen sprach Hanspeter Nüesch, Hauptleiter Campus für Christus, über den Segen des Teilens. Die Schweiz sei materiell sehr reich. Der Lohn eines kubanischen Pastors sei z.B. etwa hundertmal kleiner als in der Schweiz. So könnten Beträge, die bei uns bescheiden aussehen, anderswo riesigen Segen bedeuten. Wenn wir Schweizer unseren Reichtum in Zukunft viel grosszügiger mit den Bedürftigen der Welt teilen, dann, so vermute er, sei eine geistliche Erneuerung in unserem Land nicht mehr fern.

Berufen zur Barmherzigkeit

Scott MacLeod, Musiker und Leiter der Innenstadtarbeit ProVision in Tennessee (USA), erzählte, wie das Gleichnis von den Schafen und Böcken in Matthäus 25 seinen Dienst revolutioniert hat. Praktische Nächstenliebe („Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben?“) werde da als die Heilsbedingung dargestellt, was ihn und sein Team dazu gebracht habe, den Ärmsten in ihrer Stadt konkret zu helfen.

Anschliessend berichtete er von seiner Vision für die Schweiz, die in „Der Löwe des Lichts“  veröffentlicht wurde. Er macht darin zwei Strömungen in der Schweizer Geschichte aus: Einerseits die Tradition der Söldner, die bereit waren, für Geld Ideologien unbesehen zu verteidigen, was bis heute zu einer Überbewertung von Dingen geführt hat (Materialismus). Andererseits die Tradition der Barmherzigkeit, die mit der Aufnahme der Hugenotten im 16. Jahrhundert begann und die Schaffung der Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung, sowie die Gründung des Roten Kreuzes umfasst. „Ihr werdet weltweit für eure Barmherzigkeit bekannt sein“, lautet seine ermutigende Schlussfolgerung.

Barmherzigkeit: Wo steht die Schweiz? Und was können wir tun?

In politischen Mini-Referaten und Workshops wurden verschiedene Bereiche der Schweizer Politik nach Barmherzigkeit untersucht und konkrete Schritte zu mehr Barmherzigkeit gesucht.

1. Die 7 Thesen von ChristNet zum Geld in der Schweiz

Eine Lageanalyse fördert eine Angstkultur, Desolidarisierung, geringe Bereitschaft zum Teilen, das Klammern an unrechte Güter und die Dominanz von Mammon zu Tage. Als Alternativen bieten sich an: Gottvertrauen, eine Politik der Barmherzigkeit und eine neue biblische Barmherzigkeit. Die sieben Thesen mit Erläuterungen können bei ChristNet bestellt werden.

2. Werteopfern auf dem Altar der Wirtschaft

Françoise Hänggi, Geografin, zeigte anhand der neuen Bildungsstrategie des Kantons Bern auf, wie auch in der Schweiz das Wirtschaftsdenken Überhand bekommt. So heisse es in deren Vision, das wichtigste Ziel sei die Förderung der Wirtschaftskompetenz. Damit werde die soziale Kompetenz und Werte wie Konfliktfähigkeit, Versöhnungsbereitschaft und Gewaltfreiheit wirtschaftlichem Leistungsdenken geopfert.

3. Das Bankgeheimnis bremst die Barmherzigkeit

Markus Meury, Soziologe, wies darauf hin, dass auf Schweizer Konten Steuerfluchtgelder von 2,5 Billionen Franken liegen. Da Steuerhinterziehung in der Schweiz nicht strafbar sei, werde den leidtragenden Staaten hierfür keine Rechtshilfe geboten. Seit zwei Jahren arbeitet ChristNet in einer Gruppe von Christen mit, die geistliche und politische Schritte zur Abschaffung dieser Ungerechtigkeit suchen.

4. Barmherzigkeit und Entwicklungshilfe

Béatrice Steiner, Entwicklungsfachfrau, wies darauf hin, dass der Anteil der schweizerischen Entwicklungshilfe am Volkseinkommen mit 0,39% immer noch weit unter den von der UNO empfohlenen 0,7% liegt. Ausserdem steht der Entwicklungshilfe ein Auftragsvolumen für Schweizer Unternehmen gegenüber, dank dem mehr als derselbe Betrag zurück in die Schweiz fliesst.

5. Steuerkonkurrenz

Thomas Tichy, Politologe, räumte ein, dass die Steuerkonkurrenz zwischen Ländern und Kantonen sich positiv auf eine effiziente Finanzpolitik auswirken kann. Doch dient sie in erster Linie Grossunternehmen und Grossvermögen, die mit Pauschalsteuerpaketen bevorzugt behandelt werden. Gleichzeitig führt sie oft zu einem extremen Sparkurs des Staates, bei dem Hilfsangebote für die Schwächsten, sowie die Bildung zuerst leiden.

6. Petition „Genug zum Teilen“

Samuel Ninck, Koordinator von ChristNet, stellte die Petition von ChristNet und ihre Beweggründe vor: Der Bundesrat definiert als erstes Legislaturziel 2003-2007 das Wirtschaftswachstum und die Wohlstandsmehrung. Doch nimmt das Reichtumsgefälle in der Schweiz und weltweit stetig zu. Darum ruft ChristNet den Bundesrat auf, das Teilen ins Zentrum seiner Politik zu stellen. (http://www.christnet.ch/Home.aspx?docid=521&lang=de)

7. Einfacher Lebensstil und Genügsamkeit

Tom Wieland lebt am Stadtrand von Bern in einer mongolischen Jurte. In seinem Workshop ermutigte er die Teilnehmer, wie Jesus die Einfachheit zu suchen. Dies sei ein starkes Zeichen für nicht-materielle Werte in einer konsumorientierten Gesellschaft und stelle in unserer Wegwerfkultur erst noch ein Plus für unsere Umwelt dar.

8. Konsumismus, Fair Trade und Chouf-nüt-Tag

Matthias Stürmer, Betriebswirt und Informatiker, und Samuel Ninck, Koordinator ChristNet, zeigten im Workshop, wie sich unser Konsumverhalten auf unsere Nächsten (z.B. Näherin in der 3. Welt) und auf die Schöpfung auswirken kann. Barmherzigkeit bedeutet hier, sich über diese Zusammenhänge zu informieren und anzufangen, Fair-Trade- und Öko-Label-Produkte zu kaufen. Der Chouf-nüt-Tag am letzten Samstag des Novembers bietet die Gelegenheit, genau darüber nachzudenken.

„Eine Zusammenfassung der ChristNet-Arbeit“

Die Stimmung an der Konferenz war äusserst positiv. Eine Teilnehmerin strich den praxisnahen Bezug der Referate und Workshops heraus: „Der Glaube wurde so wirklich konkret.“

Für ChristNet stellt diese Konferenz eine Zusammenfassung der seit der Gründung vor sieben Jahre erbrachten Arbeiten dar. Von Anfang an liess sich ChristNet von der Förderung der Nächstenliebe in Gesellschaft und Politik leiten: „Nächstenliebe: fundiert, engagiert“, lautet denn auch der Slogan.