Am 24. November 2024 stimmt die Schweiz unter dem Titel «einheitliche Finanzierung des Gesundheitswesens» (EFAS) über eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes ab. Einmal mehr erhofft man sich eine Dämpfung der Gesundheitskosten.
«Da liess Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so dass er einschlief.» 1
Als Adam die Augen aufschlug, sah er vor sich EFAS. EFAS war vollkommen und in ihrer Schönheit unübertrefflich.
Wenig später schlitterte der Beginn der Menschheit in die erste grosse Krise. Krankheit und Tod wurden initiiert. Und obwohl Adam und Eva seit längerem Geschichte sind, kämpfen wir heute in der Schweiz auch nach Jahrtausenden immer noch mit den Folgen dieses «Apfels». Unendlich viele Krankheiten und die Vermeidung von Tod prägen einen grossen Teil unseres Denkens. Die Hauptsorgen der Schweizerinnen und Schweizer waren 2023 die Gesundheit und die Prämien der Krankenkassen2 . Und die jährlich steigenden Prämien sind ein Abbild der steigenden Kosten, die im Gesundheitswesen der Schweiz generiert werden.
Seit Jahrzehnten wird verzweifelt nach den Ursachen dieses Kostenanstiegs gesucht.
Expertinnen, Politiker, Journalisten, ja, wir alle, kennen die Bösewichte: Einmal sind es die überteuerten Spitäler, dann die viel zu gut bezahlten Ärztinnen und Ärzte, dann die extrem teuren Medikamente und Implantate, ja, auch die Spitex und die Physio kosten einfach zu viel, nicht zu vergessen die horrenden Verwaltungskosten der Krankenversicherer. Ob diese Aussagen nun jeweils so im Detail stimmen oder nicht, Tatsache ist, dass bei jeder Diskussion, ob im privaten Rahmen, am Stammtisch oder in der «Arena», die Emotionen hoch schwappen.
Es ist nun nicht von der Hand zu weisen, dass die Kosten ansteigen. Es ist keine Kostenexplosion, sondern mehr oder weniger ein jährlich linearer Anstieg um rund 4%, wie die folgende Grafik zeigt:3
Und es sind nicht nur die Kosten, die steigen. Auch die Anzahl «konsumierter» Leistungen bewegt sich kontinuierlich nach oben, wie an den Balken in der Graphik ersichtlich ist.
Der Sorgenbarometer zeigt, dass unsere grösste Sorge die Gesundheit ist.
Einer Sorge und einem so grossen Problem begegnet man in der Regel, indem wir als Hauptverursacher etwas dagegen tun. Eine Schuldzuweisung an andere ist nun mal selten eine wirklich gute Lösung. Wie wäre es, wenn wir das Problem uns zu eigen machen und in dieser Angelegenheit anpacken und beispielsweise die Sache mit der Selbstverantwortung ernst nehmen? Sind wirklich nur die andern, wie oben ausgeführt, Schuld an dieser Misere im Gesundheitswesen? Schon Adam und Eva versuchten ihrem Schöpfer klarzumachen, dass nicht sie selber die Verantwortung tragen wollen. Bei Eva war die Schuldige die Schlange, bei Adam war es Eva.
So sollten wir selber die Sache in die Hand nehmen und mit einer positiven und konstruktiven Haltung und mutigen Vorgehensweise dem Lösungsansatz EFAS eine Chance geben.
Nach vielen Jahren des Ringens zwischen Kantonen, Krankenversicherern und den sogenannten Leistungserbringern ist nun endlich EFAS mit einem einheitlichen und klaren Verteilschlüssel für die ambulanten, stationären und pflegerischen Leistungen zu Stande gekommen. Die Gegner der Vorlage monieren, dass insbesondere mit dem Einbezug der Pflegeleistungen die Prämien für die Krankenkassen steigen werden. Das stimmt, die Prämien werden steigen. Wie wir wissen, steigen sie aber seit vielen Jahren und werden auch künftig steigen, mit oder ohne EFAS. Dies darf aber kein Grund sein, einem unsinnigen und schon zu lange dauernden Finanzierungs-Hickhack endlich mit EFAS eine gute valable Lösung gegenüberzustellen. Lösungsorientiert unterwegs sein heisst, für das nächste anstehende Problem eine neue Lösung zu suchen. Und nicht, aus Angst vor vielleicht möglichen Schäden stehen zu bleiben.
Auch die Bedenken, dass die Krankenkassen mit dem grösser werdenden Finanzierungsanteil mehr Macht erhalten werden, kann ich nachvollziehen. Aber auch hier gilt es, diese Herausforderung anzunehmen und zu überlegen, wie wir genau diesem Problem etwas Konstruktives entgegenstellen können.
Als Arzt bin ich persönlich zuversichtlich, dass wir unsere Selbstverantwortung mehr und mehr wahrnehmen und künftig aktiver für unsere persönliche Gesundheit und unser Gemeinwohl einstehen werden. Auch wenn EFAS nicht in jeder Hinsicht vollkommen und unübertrefflich ist, so lohnt es sich, verantwortungsvolle Schritte zu tun, indem wir als erstes ein klares JA für EFAS haben und als zweites jetzt die Turnschuhe anziehen und eine Runde laufen gehen ☺!
1. Genesis 2,21; Einheitsübersetzung 1980
2. CS-Sorgenbarometer 2023; https://www.credit-suisse.com/about-us/de/research-berichte/studien-publikationen/sorgenbarometer/download-center.html (Zugriff 20241101)
3. BAG Bundesamt für Gesundheit, Dashboard Krankenversicherung; https://dashboardkrankenversicherung.admin.ch/kostenmonitoring.html (Zugriff 20241101)
Foto von Jair Lázaro auf Unsplash