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Der Arbeitgeberverband fordert, dass wir alle mehr arbeiten sollen, um dem Fachkräftemangel beizukommen. Kann das gut gehen? Und: Brauchen wir das wirklich?

Die «betriebsübliche Arbeitszeit» hat im letzten Jahrhundert stetig abgenommen. Während die Schweizerinnen und Schweizer vor hundert Jahren noch weit über 50 Stunden pro Woche arbeiten mussten, so erreichte die durchschnittliche Arbeitszeit im Jahr 1993 42 Stunden und pendelte sich seit 2003 auf 41,7 Stunden ein. Da könnte man meinen, etwas mehr davon könne ja nicht schaden.

Arbeiten wir wirklich weniger?

Die Trendwende zu mehr Arbeit hat schon länger stattgefunden: Auf Druck der Finanzdienstleister hat Bundesrat Schneider-Ammann auf Anfang 2016 verfügt, dass Arbeitnehmende, wenn sie ein Bruttojahreseinkommen inklusive Boni von mindestens 120’000 Franken haben und weitgehend selbst über ihre Zeiteinteilung entscheiden können (und falls die Firma einem Gesamtarbeitsvertrag untersteht), ihre Arbeitszeit «nicht mehr erfassen müssen». Das heisst in den meisten Fällen, nicht mehr erfassen dürfen – und damit arbeiten müssen «bis fertig». Doch fertig ist selten, denn solange keine Schranken da sind, kann man den Angestellten problemlos noch mehr Aufgaben zuweisen. Hunderttausende von Menschen in der Schweiz arbeiteten schon vorher länger als «betriebsüblich», nun sind noch mehr dazugekommen.

Immer dichter, immer schneller

Hinzu kommt die massiv gestiegene Arbeitsintensität: In den letzten Jahrzehnten fand eine starke Verdichtung der Arbeit statt. Leerzeiten existieren kaum mehr. Immer mehr Menschen arbeiten nur noch im «Notfallmodus». Das Dringliche hat überhandgenommen. Ältere Menschen haben mir schon mehrfach gestanden, dass sie froh sind, nicht mehr arbeitstätig zu sein. Früher hätten sie zwar mehr Stunden gearbeitet, aber dafür schön stetig und «eins nach dem anderen». Heute seien alle nur noch am «seckle».

Dieser Dauerstress kommt nicht von ungefähr: Um den Return on Investment (ROI) – die Kapitalrendite – für die Aktionäre zu optimieren, streichen börsenkotierte Unternehmen regelmässig Stellen. Sie wollen dann die Arbeit auf die verbleibenden Angestellten verteilen. Wenn früher ein ROI von 5 Prozent gut war, müssen es heute 30 Prozent sein. Wir haben uns daran und an die Folgen gewöhnt und finden das einfach normal. Doch dieser Druck «von oben» zwingt in der Konkurrenzsituation auch viele andere Unternehmen zur selben «Kostensenkung», wie etwa die Migros, die innert zwei Jahrzehnten die Anzahl der Angestellten pro Ladenfläche halbiert hat.

Steuersenkungen führen in eine Spirale

Vielleicht auch unter dem Eindruck, dass wir ja hart arbeiten und «der Staat» uns nicht «alles wegnehmen» soll, haben wir in den Kantonen regelmässig weiteren Steuersenkungen zugestimmt, mit der Folge, dass danach auch in den Schulen und Spitälern Stellen gestrichen wurden, sodass der Stress in diesen Bereichen unerträglich hoch geworden ist. Grössere Klassen machen die Arbeit der Lehrkräfte noch schwieriger. Heute wollen sich immer weniger gut gebildete junge Menschen diesen Job antun, in gewissen Fächern herrscht inzwischen Lehrermangel, was wiederum zu grösseren Klassen führt. Und in den Spitälern wird längst vom Pflegenotstand gesprochen. In keiner anderen Branche gibt es so viele Aussteiger: 46 Prozent verlassen laut dem Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal (SBK) ihren Beruf wieder, ein Drittel vor dem 35. Altersjahr. Oft deshalb, weil sie ausgebrannt sind.

In die Erschöpfung getrieben

Die Folge all dessen ist eine steigende Anzahl Burnouts, die aber momentan nur die Rückversicherungen stört. Zwischen 2012 und 2020 sind die Arbeitsunfähigkeiten auf Grund von psychischen Gründen um 70 Prozent gestiegen. Der Job-Stress-Index zeigt bis 2020 eine stetige Steigerung der Anzahl Menschen, die im kritischen Bereich arbeiten. Rund 30 Prozent der Menschen sind heute emotional eher oder sehr erschöpft. Auch die ständigen Umstrukturierungen und Veränderungen tragen dazu bei.

Wenn der Arbeitgeberverband unter diesen Umständen nun fordert, dass wir noch mehr und flexibler arbeiten müssten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, dann ist dies hochgradig menschenfeindlich. Damit würden noch mehr Menschen in die Erschöpfung getrieben, und die Schäden müssten nicht einmal die Unternehmen berappen, da der Bundesrat sich ziert, Burnout als Arbeitskrankheit zu anerkennen. Die Gesundheitskosten und IV-Prämien sind auch wegen den Verschleisserscheinungen dieser Menschen gestiegen.

Die Alternative: Mehr Zeit und Beziehungen statt noch mehr «Wohlstand»

Dem «Mangel an Fachkräften» kann nur begegnet werden, indem wir unsere Ansprüche an die weitere Steigerung des Wohlstands zurückschrauben. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir wirklich einen Geländewagen (SUV) brauchen oder ein noch grösseres Heimkino.

Wenn wir weniger Fachkräfte haben, wird unsere Wirtschaft und damit unser Wohlstand tatsächlich etwas weniger schnell wachsen. Ist das wirklich ein Problem? Wir müssen innehalten und uns grundsätzlich die Frage stellen, was wir wirklich brauchen: Noch mehr «Wohlstand» oder ein weniger frenetisches Leben, in dem wir auch Zeit haben, um für unsere Kinder da zu sein oder Raum für die Kontemplation finden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu begrüssen, dass auch Akademiker Teilzeit arbeiten dürfen und nicht «zur Strafe» die Studienkosten zurückzahlen müssen. Warum sollten deren Kinder ihre Eltern kaum mehr sehen dürfen? Sollen sie in Krippen abgeschoben werden, nur weil die Eltern studiert haben?

Erziehung und Beziehung – das ist die Basis unserer Gesellschaft. Diese Grundtätigkeiten dürfen wir nicht leichtfertig opfern.


Dieser Artikel erschien erstmals am 01. März 2024 auf Insist Consulting.
Foto von Verne Ho auf Unsplash

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Das ChristNet-Forum vom vergangenen Samstag, 9. März 2024, in Bern wagte sich unter dem Titel „Gesundheitswesen: Zwischen Errungenschaft und Entgleisung“ an ein besonders brisantes Thema. Drei Referate mit unterschiedlichen Zugängen zum Thema mündeten in Rückfragen und Diskussionen zwischen Referierenden und Teilnehmenden.

Dass das Gesundheitswesen aus dem Ruder läuft, ist ein ständiges Thema in der Öffentlichkeit. Dies zeigt sich laut Dr. med. Severin Lüscher, Grossrat und Hausarzt im Kanton Aargau, zum Beispiel an der Anzahl Vorstössen, die von den eidgenössischen Räten behandelt werden. Waren es im Jahr 2001 noch 100, liege diese Zahl mittlerweile bei 600 pro Jahr. Als eines von vielen Problemfeldern nannte der Präsident der Sozial- und Gesundheitskommission des Aargauer Grossen Rates „Anspruchshaltung, Konsumverhalten und Masslosigkeit“. Die Gesundheitspolitik setze Fehlanreize, „jeder betrügt jeden“. Die Versicherten resp. Patientinnen benähmen sich nach der Bezahlung der Franchise wie im Selbstbedienungsladen ohne Kasse am Ausgang. Die Leistungserbringer verrechneten möglichst viele Leistungen. Daran ändere auch die Fallpauschale nichts. Die Versicherungen liessen die Tarifverhandlungen ins Leere laufen und die Politik habe sich der „Kostendämpfung“ verschrieben und sorge gleichzeitig für die Zunahme von Overheadkosten und nicht-produktiven Tätigkeiten. „Wie steht es mit der Sinnhaftigkeit und der Selbstwirksamkeit bei den Behandelnden und Behandelten?“, fragte Lüscher am Ende seines Referats. Das Gesundheitswesen könne nichts daran ändern, dass das Leben endlich sei. „Sind Spiritualität, Religiosität und Glaube im Kontext mit Gesundheit und Krankheit Privatsache oder ein Grundbedürfnis oder beides?“

Dr. Thomas Wild, Geschäftsleiter der Aus- und Weiterbildung in Seelsorge, Spiritual Care und Pastoralpsychologie (AWS) am Institut für Praktische Theologie der Uni Bern, stellte ebenfalls die „hohen Erwartungen an das Gesundheitswesen“ an den Anfang seines Referats. Sie zeigten sich auch an der gesundheitspolitischen Strategie 2020-2030 des Bundesrats. Nicht berücksichtigt würden dabei ethische Dilemmas und der Betreuungsnotstand ausserhalb der Pflege, die Auflösung der privaten Netzwerke also. Krankheit werde in der Bibel sehr umfassend definiert. Dazu gehörten sowohl körperliche Schwäche als auch seelische Verletzung, Erschöpfung und soziale Ausgrenzung – Aspekte, die heute zwar vermehrt Beachtung fänden, aber aufgrund von finanzieller und personeller Ressourcenknappheit in Zukunft durch das Gesundheitswesen kaum mehr angemessen abgedeckt werden könnten. Der frühere Spitalseelsorger am Berner Inselspital hielt fest, dass gerade christliche Seelsorge ermöglichen müsse, Themen anzusprechen, die in Gesellschaft und Institutionen ausgeblendet, übergangen oder tabuisiert werden, und plädierte für ein starkes kirchliches Engagement in Gesundheitsfragen.

Für mehr Ganzheitlichkeit in der Medizin plädierte auch Dr. med. Ursula Klopfstein. Sie zeigte anhand verschiedener Studien die Wichtigkeit von regelmässiger Bewegung im Zusammenhang mit dem Mikrobiom – der Gesamtheit der Mikroorganismen, die sich im und auf dem Menschen tummeln – auf und wie sich dessen Gesundheit nicht nur auf den Stoffwechsel oder die Entzündungsprozesse, sondern auch auf die Psyche auswirkt. Deshalb spielten nicht nur Medikamente bei der Erhaltung der Gesundheit eine grosse Rolle, sondern auch gesundes Essen und Bewegung. Für die ehemalige Pflegefachfrau und heutige Ärztin und Dozentin Fachbereich Pflege an der Berner Fachhochschule standen deshalb folgende Fragen im Raum: „Wie kommen wir von einem Krankheits- zu einem Gesundheitswesen?“ und „Wie schaffen wir es, die Gesellschaft von einem ganzheitlichen Ansatz zu überzeugen, ohne zu einer Gesundheitsdiktatur zu werden und ohne vulnerable Gruppen zu diskriminieren?“

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Woran denken Sie, wenn Sie das Wort «Migration» in einer Überschrift lesen? An Asylsuchende, an die Zuwanderung von Fachkräften, an illegale Migration oder an alles zusammen? Im vergangenen Wahljahr war die Migrationsfrage das alles dominierende Thema. Die verschiedenen Aspekte der Migration wurden dabei bunt durcheinandergewürfelt und angereichert mit Halbwahrheiten und Falschinformationen. Das Ziel dieser Vernebelungsaktionen war, möglichst starke mediale Resonanz zu erzeugen und Wahlstimmen zu gewinnen.

Ein Produkt dieser Zeit sind Verwirrungen, Missverständnisse und eine in Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse getrübte und verschobene Realitätswahrnehmung. Daniel Ziblatt, Politikprofessor an der Harvard-Universität, hat in einem Interview die Demokratie der Schweiz gerühmt: «Wie andere habt ihr [d.h. die Schweiz] über die Jahre ein Set ungeschriebener politischer Normen entwickelt, an die sich die meisten halten – das stärkt die Demokratie. In der Schweiz sind dies etwa Normen der Zurückhaltung1 .» Hoffen wir, dass die Schweiz auf den Pfad dieser Tugend der Zurückhaltung und – damit verbunden – zur Redlichkeit zurückkehrt.

Migration bedeutet nicht zuerst Asylzuwanderung, sondern Arbeitszuwanderung

Viele Menschen denken heute und aufgrund der Geschehnisse der vergangenen Zeit beim Wort Migration zuerst an geflüchtete Menschen. Dabei machen Asylsuchende einen verhältnismässig kleinen Anteil der Migration aus. Ein viel grösserer Anteil entsteht durch die Arbeitszuwanderung, dies vor allem aus europäischen Ländern. Bis November 2023 zählten dazu letztes Jahr netto 96’000 Personen. Das ist tatsächlich eine grosse Zahl von Menschen. In dieser Zahl sind Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder Personen mit Status S (Ukraine) nicht eingerechnet. Zu diesen 96’000 Personen gehören mehrheitlich in den Arbeitsmarkt Zugewanderte aus EU-/EFTA-Ländern. Es sind Fachkräfte, die von unserer Schweizer Wirtschaft dringend gesucht und eingesetzt werden.

Gleichzeitig wurden bis Ende November 2023 28’000 Asylgesuche eingereicht. Die Arbeitsmigration wird 2023 also drei- bis viermal höher ausfallen als die Asylmigration. Die Ursache für die grosse Arbeitszuwanderung liegt in der noch immer positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz.

Arbeitszuwanderung begrenzen?

Unsere boomende Wirtschaft beklagt einen Fachkräftemangel. Die inländischen Personalressourcen sind ausgeschöpft, deshalb wird auch weiterhin auf den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland gesetzt. Ist die Schweizer Wirtschaft von daher gesehen überentwickelt? Sind die Grenzen des Wachstums erreicht oder gar überschritten?

Um die Arbeitszuwanderung zu begrenzen, müsste wohl das ungebremste Wachstum der Wirtschaft verlangsamt werden. Wo aber müsste die (Gesund-)Schrumpfung ansetzen? Wer würde sich mit den damit verbundenen Einbussen im Lebensstandard und bei den entsprechenden Annehmlichkeiten anfreunden, die eine florierende Wirtschaft mit sich bringt? Beides zusammen aber gibt es nicht. Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Begrenzung der Arbeitszuwanderung ist die Quadratur des Kreises: Es ist heuchlerisch und populistisch, beides zu fordern.

Asylzuwanderung begrenzen?

Die Schweiz ist bei der Frage der Asylzuwanderung an die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gebunden. Noch immer stammt eine Mehrheit der Geflüchteten aus Ländern mit Kriegen oder aus Staaten mit repressiven Verhältnissen. Fast zwei Drittel der in die Schweiz geflüchteten Menschen erhalten deshalb entweder eine Flüchtlingsanerkennung oder eine vorläufige Aufnahme.

Bei den vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden besteht in Politik und Gesellschaft ein beträchtliches Missverständnis: Für diese Gruppe ist eine Rückkehr im Moment unmöglich oder unzumutbar. Deshalb ist eine vorläufige Aufnahme die richtige Massnahme. Es sind Menschen, die vor Kriegen, Bürgerkriegen oder repressiven Regimes Schutz suchen, auch wenn sie nicht unmittelbar und persönlich gefährdet, bzw. direkt politisch oder religiös verfolgt sind, wie es die Genfer Flüchtlingskonvention fordert. Sie sind aber durch die EMRK geschützt. Sobald sich die Verhältnisse in ihren Herkunftsländern ändern, werden sie zurückkehren können, wie das im Balkan zum Teil auch der Fall war. Diesen Gruppen mit vorläufigen Aufnahmen einen Fluchtgrund abzusprechen, wäre falsch und ein grobes Missverständnis.

Ein verhältnismässig kleiner Anteil von Menschen, die in der Schweiz Asyl suchen, wird weggewiesen. Es sind vor allem Personen aus Maghrebstaaten, deren Motive als «Armutsmigration» bezeichnet werden. In der Frage der Rückschaffung von abgewiesenen Asylsuchenden hat die Schweiz in Europa eine der höchsten Rückführungsquoten.

Herausforderungen rund um die Geflüchteten

Stets wird in Gesellschaft und Politik geklagt, dass bei Geflüchteten eine zu hohe Sozialhilfequote bestehe. Das aber hat verschiedene Gründe, darunter plausible, die wenig bedacht werden: Wer kann in einem fremden Land nach kürzester Zeit die Landessprache beherrschen, um im ersten Arbeitsmarkt zu bestehen? Wer kann sich die nötigen beruflichen Qualifikationen in kürzester Zeit aneignen?

Eine gute Unterstützung ist hier unerlässlich. Die zuständigen Asylorganisationen geben sich im Umgang mit Geflüchteten Mühe, sind aber wegen der vielen Dossiers und angesichts des umfangreichen Case Managements häufig überlastet und überfordert. Sie kennen ausserdem die Verhältnisse vor Ort zu wenig – dort, wo die Geflüchteten wohnen und leben.

Zivilgesellschaftliches Engagement als Erfolgsmodell

Beherzte Freiwilligenarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement sind für Geflüchtete ein Gamechanger. Um diese Menschen auf dem Weg in den Arbeitsmarkt wirksam zu fördern, ist zivilgesellschaftliche Unterstützung das Beste, was ihnen passieren kann: Lernhilfen für den Spracherwerb, Lobbying bei der Stellensuche und Lernunterstützung im Ausbildungsprozess. Behörden- und Freiwilligenarbeit gehen dabei idealerweise Hand in Hand. Werden mehr Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert, wird auf der anderen Seite auch die Arbeitszuwanderung abnehmen. Es entsteht eine Win-Win-Situation.

Geflüchtete sind besonders verletzliche Menschen. Sie leiden häufig unter schrecklichen Fluchtgeschichten, mussten ihre geliebte Heimat, ihre Sprache und häufig auch Angehörige zurücklassen. Es sind Menschen in Not. Sie zu unterstützen, darf auch eine eigennützige Komponente haben. Jeder Mensch kommt im Leben in Situationen, in welchen ihm geholfen werden muss. Wer überschüssige zeitliche und innere Ressourcen hat, unterstütze deshalb Geflüchtete, denn diese Menschen zeigen uns, wie gefährdet und zerbrechlich unser Leben ist. Jeder Tag, den wir in Würde leben können, ist ein Geschenk an uns. Dieses Bewusstsein kann uns Antrieb sein, auch anderen zu einem würdevollen Leben zu verhelfen.

Theologische Überlegungen

Im Hebräerbrief steht der denkwürdige Satz «Die Liebe zu denen, die euch fremd sind, aber vergesst nicht – so haben manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt2 .» Nicht alle Menschen, die in unser Land flüchten, sind Engel. Aber es hat mindestens so viele Engel darunter, wie es unter Schweizerinnen und Schweizern Engel gibt.

Was hat uns dieses Bibelwort aus dem Hebräerbrief heute zu sagen? Wenn vor hunderten von Jahren in unserem Nachbarsdorf im berühmten Kloster Rüeggisberg eine Fremde oder ein Fremder an die Klosterpforte klopfte, legte sich der an der Pforte diensthabende Mönch flach auf den Boden. Es war ein Ausdruck von Ehrfurcht gegenüber dem fremden Gast, ganz unabhängig davon, wer es war. In diesem Fremdling konnte sich Christus oder ein Engel verbergen, das wusste der bibelkundige Mönch.

Gegenüber Menschen, die man noch nicht kennt, verhält man sich freundlich und respektvoll. Ängste gegenüber Fremden sind möglicherweise ein natürlicher Reflex, der uns aber nicht weiterhilft. Misstrauen macht keine Gesellschaft besser. Vertrauen aber hat eine heilsame, verändernde Kraft. Versuchen wir, dieses Vertrauen mit Gottes Hilfe zu stärken.

Dieser Artikel erschien erstmals am 01. Februar 2024 auf Insist Consulting.


1. NZZ am Sonntag, 3.12.2023

2. Hebräer 13,2

Foto von Karen Ruffieux auf Unsplash

~ 4 min

Man sagt, dass im alten Ägypten die Überbringer von schlechten Nachrichten hingerichtet wurden. Dasselbe ist bei uns zwar nicht der Fall, aber Klimaschützer sind nicht gerade beliebt, in Teilen der Gesellschaft sind sie zu Feinden geworden.

In unserer Kultur ist die Freiheit eines der höchsten Güter. Wir sind uns gewohnt, vom technischen Fortschritt intensiv zu profitieren, uns von Neuerungen und neuen Möglichkeiten begeistern zu lassen. Manchmal versprechen diese, unsere Lebensfreude zu vergrössern, neue Perspektiven und Aktivitäten zu ermöglichen (z.B. in die Ferne fliegen), oder vielleicht auch, Mühseligkeiten zu verringern (z.B. durch vereinfachende Apps).

Keine Grenzen

Allerdings ist da nie ein «Genug» vorgesehen. Der Komfort und der Luxus müssen ständig vergrössert werden, was aber «den Wohlstand erhalten» genannt wird. Wir reden zwar von Wirtschaftswachstum, aber nur wenige geben zu, dass es ums «Immer-Mehr» geht. Nicht mal die Fussballstars, die trotz hunderten von Millionen Euro auf dem Bankkonto jetzt nach Saudi-Arabien gehen, um noch viel mehr Geld zu scheffeln und das zwanzigste Haus zu kaufen.

Spielverderber werden zum Feindbild

Wir möchten selber entscheiden können, wie wir unser Leben, unsere Aktivitäten und zum Beispiel auch unsere Mobilität gestalten. Menschen, die einwenden, dass unsere Konsum- und Spasskultur nicht nachhaltig ist und die Lebensmöglichkeiten unserer Kinder einschränkt, sind unangenehm. Sie lassen uns nicht guten Gewissens unsere Aktivitäten und unseren Luxus geniessen. Das ist gemein. Dagegen werden zahlreiche Rechtfertigungen angeboten wie zum Beispiel, dass wir ja mit unserem Konsum Arbeitsplätze schaffen, oder es wird gleich der Klimawandel selber als Grundproblem in Zweifel gezogen. Es scheint einfacher, den Kopf in den Sand zu stecken.

Sehr beliebt ist die Verteufelung der Warner selber. Wechselweise werden sie Neider, Gutmenschen oder Wokisten genannt, die gar unsere Kultur – eigentlich unsere Konsumkultur – zerstören wollen. Anwürfe wie «sie wollen unsere Lebensfreude zerstören» oder «sie wollen uns jeden Genuss wegnehmen» sind öfters zu hören. Mit dem «sie» gegen «wir» werden Feindbilder geschaffen, wodurch jede Nachricht über die Zerstörungen durch unsere Konsumkultur (Klimawandel, Feinstaub, Plastikinseln im Meer, Artensterben, Mikroplastik im Trinkwasser, Zunahme der Krebshäufigkeit bei jungen Menschen) abgewimmelt werden kann. Denn: da die «Feinde» böse sind, kann man auch nicht wissen, ob es stimmt, was sie sagen.

Schäden kurzfristig reparieren, statt die Ursachen anzugehen

Eine Mehrheit der Bevölkerung ist im Moment nur für die Reparatur der Schäden nach dem Konsum zu haben. Katalysatoren, um trotzdem mit dem Auto herumfahren zu dürfen, Umstellung auf «saubere» Energie, um unseren Energiekonsum weiter erhöhen zu können, oder die Hoffnung auf Techniken, die das CO2 senken. Doch langfristig kann auch das nicht funktionieren, denn es warten in der Welt noch Milliarden von Menschen, die unseren Lebensstil kopieren wollen. Ein Luxusleben, wie wir es in der Schweiz kennen, ist auch mit Schadensbegrenzung nicht möglich: Katalysatoren und Sonnenkollektoren müssen entsorgt werden und auch weniger Plastik landet schliesslich im Meer. Und jedes neue Mikro- und Nanoprodukt wird letztendlich im organischen Kreislauf angereichert, bis es zu grossen und nicht mehr reparablen Schäden kommt. Wer Einschränkung fordert oder dies gar durchsetzen will, indem er sich an die Fahrbahn klebt, wird zum Feindbild. Dann kommt es zum kollektiven Greenbashing – auch im aktuellen Wahlkampf. Die FDP in der Romandie hat’s mit ihrem Plakat vorgemacht: Sie will «décoller», also die Bahn für mehr Wachstum freimachen, und hat bewusst die «Klimakleber» als feindliches Sujet ausgesucht. Der Konsum darf ja nicht eingeschränkt werden!

Ein Kulturwandel ist unumgänglich – wann ist «genug»?

Doch, den Kopf in den Sand zu stecken, geht nicht: auch mit Reparaturtechniken werden wir auf Kosten unserer Kinder leben. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, ist, uns auf ein «Genug» zu besinnen. Die gesellschaftliche Diskussion dazu, wann wir genug zum Leben und zum Glücklichsein haben, muss geführt werden. Auch über gesetzliche Grenzen müssen wir diskutieren dürfen. Man müsste meinen, unter uns Christinnen und Christen sollte das einfacher sein, denn wir beziehen unser Glück ja nicht nur aus dem Materiellen. Aber selbst unter uns wird Wachstum beschworen. Auch bei uns ist also der Aufruf angebracht: Fangen wir bei uns an!

Und ja: es gibt Menschen, die Mühe haben, über die Runden zu kommen. Für diese braucht es ein «Mehr». Doch dies muss nicht mit noch mehr Wachstum geschaffen werden. Wer kann sagen, dass die Schweiz nicht genügend Ressourcen hat, um auch für die Armen zu sorgen? Oder haben wir noch immer Angst, zu wenig zu haben oder zu eingeschränkt zu sein, wenn wir etwas abgeben? Wer kann uns gegen diese Angst helfen?

In 1. Joh. 4,18 heisst es: «Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus». Und auch die Schuldgefühle werden ausgetrieben. Denn wir müssen uns nicht schuldig fühlen, sondern einfach verantwortungsvoll handeln!

Foto de Rux Centea sur Unsplash

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Bei uns am Kühlschrank hängt dieser Zettel, der uns daran erinnert, was nachhaltig Einkaufen konkret bedeutet. Er ist während einer Buchlektüre entstanden, die ich euch hier empfehlen will: «101 Antworten für deinen nachhaltigen Alltag» von Sabina Galbiati. Wer mehr als die angegebenen Mengen pro Person konsumiert, überschreitet sein Kontingent an den zur Verfügung stehenden Ressourcen unseres Planeten. Ich musste feststellen, dass wir als Familie diese Grenzen höchstens knapp einhalten. Natürlich kann man zum Beispiel weniger Fleisch und dafür mehr Käse konsumieren. Aber die Mengen sind bescheiden.

Wieso genau dieses Buch?

Nachhaltig einkaufenIn diesem Buch geht es nicht bloss um den Einkauf, sondern auch ums Wohnen, die Mobilität, Freizeit und Ferien, und selbst um psychologische Kniffs, wie man sein Verhalten nachhaltig verändern kann. Aus zwei Gründen ist es für mich eines der besten Bücher zu diesem Thema. Erstens, basieren die Empfehlungen auf aktuellen Zahlen und Fakten der Schweiz. Globale Durchschnittswerte und selbst Zahlen aus Deutschland finde ich oft schwierig als Referenz für meine persönlichen Entscheidungen. Und zweitens, werden fünf grosse Hebel benannt, die dem Klima und der Umwelt am meisten helfen. Gewöhnlich sind es nur deren drei: Mobilität, Wohnen, Ernährung. Sabina Galbiati fügt diesen politisches Engagement und gezieltes, finanzielles Engagement hinzu. Diese letzten beiden Möglichkeiten hätten im Buch auch noch etwas ausführlicher thematisiert werden dürfen.

Was lohnt sich wirklich?

Eine Bekannte von mir hat der Umwelt zuliebe von Klarsichtfolie auf Wachstücher umgestellt. Ihren Einkauf erledigt sie nach wie vor mit ihrem Dodge Durango, der 12 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht. Glücklich ist, wer sein schlechtes Gewissen so einfach übertölpeln kann.

Im Alltag gibt es aber durchaus viele Fragestellungen, die nicht so einfach geklärt sind. Hier ein paar Aha-Erlebnisse, die ich beim Lesen von Galbiatis Buch hatte:

  • Ohne Auto einzukaufen bringt mehr als alle Massnahmen auf unserem Zettel zusammen. Eine vegetarische/vegane Ernährung würde aber am meisten bewirken.
  • Beim Waschen werden synthetische Mikrofasern ins Abwasser gespült. Ein Drittel davon landet trotz Kläranlage als Mikroplastik in den Gewässern.
  • Bier aus der Dose ist unter allen erhältlichen Verpackungen am wenigsten schädlich für die Umwelt.
  • Beim Kaffee fällt der Mammutanteil der Umweltbelastung auf den Anbau zurück – die Menge reduzieren bringt also mehr als die Zubereitungsart anzupassen.
  • 80% des Energieverbrauchs von Privathaushalten entfällt auf Heizen (65%) und Warmwasser (15%). Mit Lichtlöschen bewirken wir wenig.
  • Bei nahezu allen Haushaltsgeräten (ausser Tumbler und Backofen) lohnt sich eine Reparatur ab 10 Jahren aus ökologischer Sicht nicht mehr (neue Geräte sind energieeffizienter).

Tolle Link-Sammlung

Wusstest du, dass es diverse Angebote zu Carsharing und Fahrgemeinschaften gibt? Oder dass man alltägliche Gebrauchsgegenstände ausleihen oder mieten kann? Und dass es unzählige Angebote für nachhaltige Mode gibt, darunter über ein Duzend Labels aus der Schweiz und dem nahen Ausland? Auf ihrer Website bietet Sabina Galbiati eine strukturierte Liste mit hunderten von Links zu Angeboten, Projekten, Shops und Inspiration zum Thema – und auch hier passend zum Schweizer Kontext. Damit findet man für fast jeden Bedarf diverse nachhaltige Angebote. Denn eines musste ich mir eingestehen: Man kommt nicht umhin, sich ausgiebig und fortwährend mit den Auswirkungen des eigenen Konsums zu befassen, wenn man einen nachhaltigen Lebensstil anstrebt. Sonst kümmert man sich plötzlich um die Klarsichtfolie und verliert sein SUV aus den Augen.


Das Buch kann auf der Autorinnen-Website bestellt werden:
https://www.sabinagalbiati.ch/buchprojekt

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Der mennonitische Theologe Lukas Amstutz skizzierte am 28. Januar dieses Jahres am «ChristNet-Forum» die göttliche Perspektive zum Umgang mit Geld. «Geldgier ist eine Wurzel allen Übels», zitierte er aus der Bibel. Mit dem Kollaps der Credit Suisse am 19. März hat sich diese Aussage als prophetisch erwiesen.

Was die wenigsten wissen: Geld ist ein wichtiges Thema in der Bibel. Aus biblischer Sicht können wir nicht gleichzeitig dem Geld und Gott dienen: Gott oder Mammon, so heisst die Gretchenfrage.

Geld zwischen Segen, Gefahren und Ungerechtigkeit

Lukas Amstutz wies an der Tagung auf den heutigen Papst Franziskus hin, der schon 2013 in seinem ersten apostolischen Schreiben schrieb: «Geld muss dienen und nicht regieren.» Und dann am WEF in Davos ein Jahr später die Teilnehmenden aufrief, «sicherzustellen, dass Wohlstand der Menschheit dient, anstatt sie zu beherrschen».

Laut Amstutz1 gibt es im Alten Testament drei Positionen zum Geld: Reichtum als Segen – etwa bei Abraham –, die weisheitliche Warnung vor den Gefahren und die prophetische Kritik an unrechtmässig erworbenem Reichtum, der zu sozialen Ungerechtigkeiten führt.

Die göttliche Reaktion darauf ist der Ausgleich dieser Ungerechtigkeiten. Im Neuen Testament gibt es dann eine breite Kritik an den Reichen. Geld versperrt den Weg zu Gott, solange man es für sich behält. Amstutz sieht im Spendenverhalten am Opferstock, wie es in Markus 12 geschildert wird, mehr als den Gegensatz zwischen Reichen, die etwas aus ihrem Überfluss geben und einer Witwe, die trotz ihres Mangels alles gibt. Laut der Vorgeschichte geht es um viel mehr: nämlich um die Ausbeutung dieser Witwe durch die Reichen, welche die Häuser der Witwen leer fressen. Eigentlich müsste die Witwe das Geld erhalten, betonte Amstutz.

Schon der Sündenfall sei eine Konsumsünde gewesen: Eine Frage habe gereicht, um aus Neugierde Gier zu machen. Die Reichen sollten dafür sorgen, dass die Armen selber reich werden können. Soweit die prophetische Rede an der ChristNet-Tagung.

Die Suche nach ethischen Banken

Geld soll also dienen. Das wäre der sinnvolle Einsatz von Kapital. Kennen Sie eine Bank, die nach diesem Prinzip geschäftet?

Die ursprüngliche Raiffeisenbank wäre ein gutes Beispiel in dieser Richtung. «Vor dem Hintergrund der sozialen Not und des Wucherunwesens seiner Westerwälder Heimat, kam Friedrich Wilhelm Raiffeisen durch die Bibel zur Erkenntnis, dass eine Verbesserung der Verhältnisse auf dem Lande von den Betreffenden selbst bewirkt werden müsste. Einer sollte für die anderen eintreten; alle sollten für den einstehen, der in Not geraten war. Keiner konnte es schaffen, den Teufelskreis von Verschuldung, Armut und sozialem Elend zu durchbrechen, aber gemeinsam würden sie der Not Widerstand leisten können – die Genossenschaftsidee war geboren2 .» Hier wurde in einem landwirtschaftlichen Umfeld Geld zusammengelegt, um allen Beteiligten zu helfen. Mit seiner Initiative wurde Raiffeisen zu einem bedeutenden Sozialreformer des 19. Jahrhunderts.

Etwas davon ist auch noch in der heutigen Genossenschaftsbank Raiffeisen zu spüren. Allerdings stehen die Banken in einem scharfen Konkurrenzkampf untereinander. In der Theorie führt die Konkurrenz zu besseren Unternehmen. In der Praxis gab es da zum Beispiel Pierin Vincenz, der bei Raiffeisen laut Medienberichten schalten und walten konnte, wie er wollte. Der Raiffeisenchef wurde vom Bezirksgericht Zürich Ende 2021 zu einer Haft von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es ging um den Vorwurf des Betrugs im Zusammenhang von mehreren Firmenübernahmen. Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser gewesen, könnte man hier sagen.

An dieser Stelle wären auch noch andere Banken mit einem ethischen Anspruch zu nennen, deren Gebaren man näher untersuchen könnte. Etwa die Alternative Bank Schweiz3 . Neben vielen guten Investitionen unterstützt sie aber auch zweifelhafte Projekte, wie Abtreibungen im Weltsüden, weil sie darin eine Frauenförderung erkennen will.

Der Fall der Credit Suisse

Wenn wir ein paar Etagen höher  – in die grossen internationalen Bankgeschäfte wechseln, gehen uns die ethischen Probleme leider nicht aus. Die Kreditanstalt (später: Credit Suisse) wurde am 5. Juli 1856 vom Geschäftsmann Alfred Escher gegründet. Er brauchte Geld, um seine geplanten Eisenbahnprojekte in der Schweiz (u.a. auch durch den Gotthard) zu finanzieren. Ein hoch riskantes Unternehmen. Immerhin gab es dazu einen echten Gegenwert: Eisenbahnlinien als wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz. Dass die meisten dieser Linien später durch die Kantone oder den Bund übernommen werden mussten, sei hier nur am Rande vermerkt.

So lange Geld dazu dient, Arbeit, Immobilien und überprüfbare wirtschaftliche Entwicklung zu finanzieren, ist ein realer Gegenwert ersichtlich. Banken können aber auch anders eingesetzt werden. Man kann sie zum Hort von zwielichtigen Geldern machen und damit viel Geld verdienen – statt mit Geld zu dienen. Obwohl die CS bereits unter Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) stand, tätigte sie in den letzten 20 Jahren immer wieder zweifelhafte Geschäfte4 . 2004 tauchten bei der Bank 60 Millionen Franken der japanischen Mafia auf. Die Bank leistete sich Sanktionsbrüche am Laufmeter. Sie wickelte über Schweizer Filialen im Ausland bis 2006 Zahlungen in MIllardenhöhe für Länder und Personen ab, die auf der Sanktionsliste der USA standen, so Zahlungen aus dem Iran. Quasi eine Form von gelebter Neutralität. Dabei ersetzten die CS-Mitarbeitenden bei Transaktionen aus dem Iran den Namen der auftraggebenden Bank einfach mit einer neutralen Bezeichnung. Später einigte sich die CS mit den USA wegen dieser Geschäfte auf Strafzahlungen von 536 Millionen Dollar. Man hätte eigentlich gewarnt sein müssen.

Umso mehr, weil neben den dubiosen Geschäften auch spekulative Investionen getätigt wurden. Hier wurde quasi Geld in Geld investiert, um noch mehr Geld zu machen. Ein idealer Spielplatz dafür waren und sind die internationalen Börsen. Die Millardenverluste der CS durch ihr Engagement beim pleite gegangenen Hedgefonds Archegos oder beim heute geschlossenen Greensill-Lieferkettenfonds sind die bekanntesten Rauchzeichen dafür. Die Finma meinte dazu nur, es sei zu «schweren Verletzungen von Schweizer Aufsichtsrecht» gekommen. Einschreiten konnte oder wollte sie nicht. Sie hat schliesslich kein Recht, Bussen auszusprechen. Trotz anderweitiger Versprechen und angekündigten Reformen konnten die CS-Manager deshalb weitermachen im Geschäft – bis zum abrupten Ende am 19. März.

Der Duft des Casino-Kapitalismus

Dabei gab es in der Politik immer wieder auch warnende Stimmen. Sie wurden aber von der bürgerlichen Mehrheit systematisch überhört. Die SP-Ständerätin Anita Fetz forderte schon 2011, als das Parlament die «Too big to fail»-Regeln diskutierte, eine Verschärfung der Regeln, die sich, wie wir heute wissen, im konkreten Fall als kaum umsetzbar erwiesen haben. Fetz forderte damals im Ständerat, bei Universalbanken den Eigenhandel zu verbieten. «Sie alle wissen, dass der Eigenhandel null Produktivität hat. Es wird schlicht und einfach mit Kundengeldern spekuliert. Mal hat man Glück im Casino, mal hat man Pech. Hat man Glück, bekommt man extrem viel Bonus; hat man Pech muss man nicht hinstehen, sondern dann werden die unteren Angestellten entlassen. Ich meine, das ist ein System, das wir im Schweizer Finanzsektor nicht brauchen5

Kritiker, die ein Trennbankensystem in Investment- und Geschäftsbanken vorschlugen, wurden von der damaligen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf auf den wirtschaftsfreundlichen Schweizer Weg verwiesen, «weil wir eine Bundesverfassung haben, welche die Wirtschaftsfreiheit sehr hochhält». Dieser Gedankengang wurde auch vom damaligen UBS-Chef Oswald Grübel unterstützt: «Sollten die Grossbanken von der Politik gezwungen werden, sich zu verkleinern, hätte das den Verlust Tausender Arbeitsplätze zur Folge.» Und der damalige CS-Konzernchef Brady Dougan doppelte nach: «Wir jedenfalls machen uns Sorgen, dass die unzähligen Regulierungsvorhaben der Finanzbranche Handschellen anlegen und damit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen.»

Das mit den Handschellen sollten wir uns vielleicht merken, allerdings angewandt auf einzelne Personen aus dieser Branche. Leider haben die ehemaligen CS-Manager aber trotz ihrem schlechten Wirtschaften und manchen Verstössen gegen die Regeln wenig zu befürchten. Anders als bei Pierin Vincenz kann den ehemaligen CS-Managern kein Betrug vorgeworfen werden. «Wenn allein schlechtes Wirtschaften strafbar wäre, wären viele Manager im Gefängnis», sagt Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz. Möglich seien allenfalls zivilrechtliche Klagen mit Schadenersatzforderungen, etwa durch Aktionäre oder auch die CS selbst. Eine strafrechtliche Haftbarkeit von Managern sei aber nicht sinnvoll. «Denn es ist absolut illusorisch zu glauben, dass sich mit einem solchen Gesetz dann noch Manager für eine Grossbank finden liessen.»

Was ist nach dem CS-Skandal zu tun?

Ich bin mit dem Hamburger Ethiker Udo Krolzik einig, dass die christliche Ethik «keine Sektenethik» ist – sie ist für alle Menschen heilsam. Deshalb greife ich an dieser Stelle die biblischen Massstäbe wieder auf und messe damit unsere Geldwirtschaft. Geld sollte nicht nur zum Verdienen gebraucht werden, sondern vor allem auch dafür, andern gemäss den biblischen Leitlinien zu dienen. Eine ethisch orientierte Geldwirtschaft wird lebensfördernde Prozesse in der realen Wirtschaft fördern und damit die soziale Gerechtigkeit und die Umweltgerechtigkeit unterstützen. Sie wird so zum Wohle der Gesellschaft handeln und die Armen reich machen. In den Geschäftsberichten müsste neben den nackten Zahlen auch dieses Wirken transparent ausgewiesen werden, damit wir entscheiden können, ob die Bank unseren Vorstellungen entspricht.

Vielleicht brauchen unsere Banken ja tatsächlich eine Trennung zwischen Investment- und Geschäftsbank, allenfalls auch die Trennung zwischen dem Inland- und dem Auslandgeschäft. Auch wenn der Casino-Kapitalismus unsere Wirtschaft kaputt macht, verbieten kann man ihn wohl nicht. Wer zocken will, soll dies weiterhin tun können. Aber er soll die damit verbundenen Risiken selber tragen müssen: als Investor und Aktionär, aber auch als Manager. Vorbild könnten die Privatbankiers sein. Sie haften schon heute mit ihrem eigenen Vermögen für das, was sie tun.

Die nun vollzogene Übernahme der CS durch die UBS ist eine Notlösung, die aus dem Moment und dementsprechend mit Notrecht geboren worden ist. Ob es dabei bleibt, wird sich zeigen. Der Präsident der UBS gilt als fromm. Dies könnte ein Hoffnungszeichen sein. «Der UBS-Präsident ist ein Pilger», schreibt Markus Baumgartner im Dienstagsmail vom 21. März6 . Der Ire Colm Kelleher war zwischendurch 500 Meilen als Pilger auf dem Jakobsweg unterwegs, bevor er letztes Jahr Präsident der UBS wurde. Ob er – zusammen mit dem neuen CEO der UBS – ein im oben genannten Sinne ethisches Banking zustandebringen kann, bleibt abzuwarten. Voraussetzung dafür wäre, dass er sich als integrierter Christ versteht, der den Glauben nicht auf den privaten und zwischenmenschlichen Bereich beschränkt, sondern dabei auch die Gesellschaft und die Kirche als Anwendungsbereiche einbezieht7 .

Dasselbe gilt natürlich auch für alle andern Christinnen und Christen. Die Gier ist ein Kind der Habsucht. Es ist wichtig, dass wir uns von dieser Sucht befreien lassen. Als private Bankkunden und Anleger haben wir die Wahl, unser Geld sinnvoll arbeiten zu lassen, indem wir es nicht in Geld, sondern in Arbeit und lebensfördernde Projekte investieren. Sei es über eine ethisch orientierte Bank – oder gleich direkt durch Investitionen in Unternehmen oder kirchliche Projekte, die ethisch überzeugend und transparent aufgestellt sind.

 


Dieser Artikel erschien erstmals am 01. April 2023 auf Forum Integriertes Christsein.

1. Der ganze Vortrag findet sich hier: https://christnet.ch/de/geld-in-der-bibel/

2. Fritz H. Lamparter & Walter Arnold: «Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Einer für alle – alle für Einen.» Neuhausen-Stuttgart, 1996, Hänssler-Verlag (Klappentext)

3. https://www.abs.ch/de

4. Beispiele gemäss «Der Bund» vom 24.3.23

5. Quelle für dieses und die folgenden Zitate: «Der Bund» vom 23.3.23

6. http://dienstagsmailch.createsend.com/t/ViewEmailArchive/j/414926227B3861DA2540EF23F30FEDED/C67FD2F38AC4859C/

7. siehe die 4 Felder des integrierten Christenseins in der entsprechenden Ausgabe der Zeitschrift «Bausteine» https://www.insist-consulting.ch/ressourcen/magazin-insist-2.html

~ 8 min

Ein biblisch-theologischer Überblick

«ChristNet-Forum – Wie Geld die Politik und uns selber bestimmt
Samstag, 28. Januar 2023, Nägeligasse 9, Bern»
Es gilt das gesprochene Wort

Gott und Geld – es ist kompliziert

Gott und Geld – das passt nicht zusammen. Dieser Beziehungsstatus ist gelinde gesagt «kompliziert». Zu diesem Schluss muss kommen, wer an das bekannte Jesus-Wort denkt:
«Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon» (Mt 6,24).

Dieses Entweder-Oder irritiert, kennt das Alte Testament doch eine wesentlich differenzierte Sicht auf Geld, Wohlstand und Reichtum. Es lassen sich drei Positionen unterscheiden:1

  • Reichtum (Geld) als Segen
    Reichtum wird immer wied er ausdrücklich als Gabe Gottes genannt . Etwa wenn Abrahams Verwalter sagt: «Gott hat meinen Gebieter reichlich gesegnet, so dass
    er reich geworden ist; er hat ihm Schafe und Rinder, Silber und Gold, Sklavinnen und Sklaven, Kamele und Esel gegeben» Gen 24,35
  • Warnung vor den Gefahren des Reichtums
    Das AT verweist durchaus auf Gefahren des Reichtums, wenn etwa der weisheitliche Prediger festhält: «Wer das Geld lieb hat, wird des Geldes nicht satt» Koh 5,9
  • Kritik am Reichtum
    Diese Warnung geht in teils harsche Kritik an Reichtum über, der unrechtmässig erworben wurde. Die daraus folgenden sozialen Missstände werden von Propheten wie Jeremia schonungslos angeprangert: «[…] so sind ihre Häuser voll Betrug; dadurch sind sie mächtig und reich geworden, fett, feist. Auch sündigen sie durch ruchloses Tun. Das Recht pflegen sie nicht, dem Recht der Waisen verhalfen sie nicht zum Erfolg und die Sache der Armen entscheiden sie nicht» (Jer 5,27b-28).

Der hier kritisierten sozialen Ungerechtigkeit steht im Alten Testament eine umfassende Sozialordnung gegenüber, die diese Missstände beheben oder zumindest ausgleichen will.2 Die Kritik an den Reichen spitzt sich im Neuen Testament mit dem eingangs zitierten Jesus-Wort deutlich zu. Mit Burkhard Hose lässt sich sagen:
«Die Reichen haben es schwer im Neuen Testament. Gemessen an anderen Themen nehmen die reichtumskritischen Töne in den Jesusüberlieferungen einen verhältnismässig breiten Raum ein […]. Die Botschaft ist unmissverständlich: Geld versperrt den Weg zu Gott – zumindest, solange man es für sich behält.»3

Wie ist mit dieser biblischen Ambivalenz zum Thema «Geld» umzugehen?

Geld muss dienen

Als neu gewählter Papst veröffentlichte Franziskus im November 2013 sein erstes Apostolisches Schreiben.4 Darin warnt er vor der Vergötterung des Geldes und schreibt: «Das Geld muss dienen und nicht regieren!»5

In diesem Sinn rief der Papst dann 2014 die Teilnehmenden am WEF in Davos auf, «sicherzustellen, dass Wohlstand der Menschheit dient, anstatt sie zu beherrschen.»6

Diese Aussage des Papstes kann sich auf viele Stellen in der Bibel berufen. Sie hier umfassend und nuanciert darzustellen, ist nicht möglich. Ich muss mich hier auf ein Beispiel beschränken. Ein Beispiel, das zeigt: Geld darf nicht knechten. Es muss das Leben ermöglichen.

Mit Geld Gutes tun?

Ein erster kritischer Blick (Mk 12,41-44)

41 Und er [Jesus] setzte sich der Schatzkammer gegenüber und sah zu, wie die Leute Geld in den Opferstock warfen. Und viele Reiche warfen viel ein.
42 Da kam eine arme Witwe und warf zwei Lepta ein, das ist ein Quadrant.
43 Und er rief seine Jünger herbei und sagte zu ihnen: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingeworfen als alle, die etwas in den Opferstock eingeworfen haben.
44 Denn alle haben aus ihrem Überfluss etwas eingeworfen, sie aber hat aus ihrem Mangel alles hergegeben, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt.

Dies Szene spielt im Tempelbereich.
Im Bereich der Tempelschatzkammer sind die Opferstöcke aufgestellt. Die Gaben werden von den Priestern überprüft und dann in den Opferstock gelegt. Jesus beobachtet mit seinen Jüngern die Szenerie. Die Jünger sind vermutlich von den hohen Spendensummen beeindruckt. Doch Jesus lenkt ihren Blick auf eine Witwe, die zwei Lepta gibt (ein Zehntel eines normalen Tageslohnes). Diese Witwe hat ihren ganzen Lebensunterhalt (ihr ganzes Leben: bi,oj) investiert. Jesus schaut kritisch auf das, was ihm da vor Augen liegt.

  • Mit Geld Gutes tun, ist für ihn mehr als grosszügige Wohltätigkeit.
  • Mit Geld Gutes tun, darf nicht zur (frommen) Selbstinszenierung verkommen.
  • Mit Geld Gutes tun, ist nicht eine Frage von möglichst ho hen Geldsummen.
  • Mit Geld Gutes tun, bedeu tet nicht lediglich vom Übermass geben, sondern beinhaltet auch den Verzicht zugunsten Anderer.
  • Mit Geld Gutes tun, stellt die Frage nach Motivation und Haltung.

Jesus lenkt den Blick auf die arme Witwe.

  • Gerne wird sie in ihrem Umgang mit Geld als Vorbild dargestellt.
  • Ihr Vorbild animiert dazu, nicht kleinlich zu sein. Mehr zu spenden und damit auch mehr Gutes zu tun.

Kritischer Einwand: Ist diese arme Witwe aber wirklich ein Vorbild?

  • Sicher: Ihre Haltung ist beeindruckend und die Sympathien in diese m Text sind klar bei ihr.
  • Aber: Jesus lobt ihr interessanterweise Verhalten nicht ausdrücklich. Er sagt  seinen Jüngern nicht: «Macht es wie diese Witwe.» Sie wird von ihm nicht als explizites Vorbild dargestellt das tun meist die, die über das Spenden predigen.

Ich wage daher noch einen zweiten kritischen Blick auf diese Szene. Und dieser ergibt sich aus dem textlichen Zusammenhang. Just vor dieser Passage mit der armen Witwe lesen wir folgendes:

Ein zweiter kritischer Blick (Mk 12,37b-40)

37bUnd viele Leute hörten ihm [Jesus] gerne zu.
38 Und er lehrte sie und sprach: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, denen es gefällt, in langen Gewändern einherzugehen und auf den Marktplätzen gegrüsst zu werden
39 und in den Synagogen den Ehrensitz und bei den Gastmählern die Ehrenplätze einzunehmen,
40 die die Häuser der Witwen leer fressen und zum Schein lange Gebete verrichten – sie werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Auch diese Szene spielt bereits im Tempel. Sie enthält eine Warnung vor den Schriftgelehrten. Denn die kommen ihrer Aufgabe als «Hirten» nicht nach. Schlimmer noch: Sie «fressen die Häuser der Witwen leer»!

Damit erscheint das Scherflein der Witwe in einem neuen Licht. Sie ist gewissermassen Opfer eines ungerechten Systems. Anstatt die Witwen zu schützen (vgl. Dtn 24,17.20-21) bereichern sich die Schriftgelehren – und damit das Tempelsystem – am Geld dieser armen Bevölkerungsschicht. → ausbeuterisches System

Mit Geld Gutes tun, bedeutet daher

  • nicht, dass eine arme Witwe noch ihren letzten Rappen geben muss
  • sondern, dass diese Witwe Geld erhält

Mit Geld Gutes tun, kann da geschehen, wo Finanzsysteme die Reichen nicht immer reicher und die Armen nicht immer ärmer macht.

Alternatives System

Geld muss dienen und nicht regieren! Diese Grundüberzeugung ist tief in den biblischen Schriften verankert. So gehört das Ringen um eine alternative Wirtschaftsform zu den bemerkenswerten Kennzeichen der Jerusalemer Gemeinde.

Die zuweilen als „Liebeskommunismus“ belächelte Gütergemeinschaft in Apostelgeschichte 4,32 war kein kommunistisches Ideal, wurde das Privateigentum doch nicht abgeschafft. Worauf es ankam, war aber die radikale Bereitschaft zum Teilen. Wenn der Bericht festhält, dass dies dazu führte, dass keiner unter ihnen Mangel litt (Apg 4,34), muss dies als Erfüllung der Sozialgesetzgebung aus Dtn 15,4f. gelesen werden, wo es heisst, dass es in Israel keine Armen geben soll.

Es ist dies eine Entscheidung für Gott und gegen den Mammon.

Geld – eine geistliche Frage

Denn die von Jesus formulierte Alternative – Gott oder Mammon – ist letztlich nicht eine moralische Frage, sondern eine spirituelle.

«Jesus spricht zunächst gar nicht über die Weise, wie man sein Geld benützt. Wenn er vom Reichtum spricht, geht es um die Frage, worauf man sein Dasein baut – und damit formuliert er auf dem Fundament der alttestamentlichen Tradition eine neue und radikalere Frage: Worauf baust du dein Leben? Welchem Gott gibst du dich hin?»7

Es ist daher durchaus bemerkenswert, dass der sogenannte «Sündenfall» in Genesis 3 aus ökonomischer Perspektive als «Konsumsünde» gelesen werden kann.8 Eine Frage der Schlange reicht, um die Aufmerksamkeit der Menschen mit klugem Marketing auf den einen Baum inmitten vieler Bäume zu lenken. Die anfängliche Neugier weicht rasch der Begierde.

Diesen einen Baum, seine Früchte – so schön. Das Produkt wird absolut begehrenswert. Das müssen wir haben. Nicht weil wir hungrig sind, sondern weil die Gier geweckt nach etwas geweckt ist, dass wir eigentlich nicht brauchen. Dafür riskiert der Mensch den paradiesischen Garten. Seine Gier entfernt ihn von Gott, seinen Mitmenschen und der übrigen Schöpfung.

Dieses Muster zieht sich durch die Menschheitsgeschichte, so dass der 1Timotheusbrief pauschalisierend festhält: «Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen» (1Tim 6,10).

Solidarität und Gerechtigkeit

Wenn Geld dienen und nicht herrschen soll, darf Geld nicht zum Gott werden. Die Bibel appelliert daher im Umgang mit Reichtum und Besitz immer wieder an «Solidarität» und «Gerechtigkeit», um der lebensverhindernden Gier auf Kosten anderer zu begegnen.9

In der Erzählung von der armen Witwe zeigt sich, dass diese eine Verabschiedung von einer «Wohltäter-Mentalität»10 bedeutet. Reiche konnten sich ihren Status und Einfluss nicht mehr länger mit teils grosszügigen Spenden sichern. Gefordert ist eine Umverteilung, die neue Machtverhältnisse mit sich bringt:

«Das Verhältnis von Reich und Arm gestaltet sich nicht mehr vertikal – nach dem Motto: die Reichen geben von oben herab etwas von ihrem Geld, damit die Bedürftigen leben können, sondern horizontal: Wer reich ist, begibt sich auf eine Ebene mit den armen Gemeindegliedern und wir selber arm. Die Armen aber gewinnen an Ansehen und werden selber reich. […] Eine gerechte Umverteilung der Güter beinhaltet demnach immer auch die Notwendigkeit einer Beteiligung der Schwachen an der Macht.»11

Quer durch die Jahrhunderte gab es immer wieder Bewegungen, die auf diese Weise beitragen wollten, dass Geld nicht regiert, sondern dient. Wie unser Beitrag dazu aussieht, müssen wir für uns klären.


1. Vgl.RAINER KESSLER: Reichtum (AT), in: wibilex (2006) Online: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33027/ [Zugriff am 23. Januar 2023]

2. Vgl. LUKAS AMSTUTZ: Werte, Menschenbild und soziale Verantwortung. Alttestamentliche Aspekte, in: Mennonitisches Jahrbuch (Soziale Verantwortung) (2007), S. 14–18 Ferner auch: LUKAS AMSTUTZ: Das Jubeljahr in Bibel und Theologie, in: Die Schweiz, Gott und das Geld, hrsg. von ChristNet, St. Prex 2013, S. 159–177.

3. BURKHARD HOSE: Kirche der Reichen? Ein neutestamentlicher Denkanstoss, in: BiKi 62 (2007), 1, S. 42–45, hier S. 43.

4. Deutscher Text von Evangelii gaudium online zugänglich: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html#Nein_zu_einem_Geld,_das_regiert,_statt_zu_dienen [Zugriff am 24. Januar 2023]

5. Absatz 58 im obigen Dokument.

6. Deutscher Text online zugänglich: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/pont-messages/2014/documents/papa-francesco_20140117_messaggio-wef-davos.html [Zugriff am 23. Januar 2023]

7. DANIEL MARGUERAT: Gott und Geld – ein Widerspruch? Wie die Bibel Reichtum und Besitz einschätzt, in: Welt und Umwelt der Bibel [WuB] (2008), 1, S. 10–15, hier S. 12–14.

8. TOMÁŠ SEDLÁČEK: Die Ökonomie von Gut und Böse, München 2013 (Goldmann, 15754), S. 270–272.

9. Zu den Begriffen «Solidarität» und «Gerechtigkeit» als regulative Ideen der Bibel, siehe MICHAEL SCHRAMM: Das gelobte Land der Bibel und der moderne Kapitalismus. Vom „garstig breiten Graben“ zur „regulativen Idee“, in: BiKi 62 (2007), 1, S. 37–41.

10. Vgl. hierzu Gerd Theissen, Die Religion der ersten Christen: Eine Theorie des Urchristentums. 3. Aufl. Gütersloh 2003, 133-146.

11. Burkhard Hose, «Kirche der Reichen? Ein neutestamentlicher Denkanstoss», in: BiKi 1/2007, 42-45, hier 44.

 

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Geraten Flüchtlinge häufiger mit dem Gesetz in Konflikt als Schweizer? Sind sie weniger arbeitsam als die einheimische Bevölkerung? Wer genauer hinsieht, merkt rasch, dass bei der Beantwortung dieser Fragen Vorurteile mit Fakten vermischt werden.

Der Berner Integrationsdirektor Pierre Alain Schnegg äusserte sich Ende des vergangenen Jahres in Zeitungs- und Radio-Interviews zur Frage der Arbeitsintegration wie folgt: «Aber es ist ein Fiasko für unsere Integrationspolitik, wenn man schaut, wie viele Menschen auch nach fünf oder sieben Jahren in der Schweiz noch immer nicht arbeiten. Wer gesund ist und nach so langer Zeit – trotz Vollbeschäftigung – noch immer keine Arbeitsstelle hat, der will doch einfach nicht arbeiten1

Ausserdem erklärte er im Zusammenhang mit der gemischten Unterbringung von ukrainischen und aussereuropäischen Flüchtlingen, dass sich beide Gruppen stark unterscheiden. Dies nicht nur aufgrund der Sozialstruktur: hier Familien, oft Mütter mit Kindern, dort junge Männer. Bei der aussereuropäischen Flüchtlingsgruppe sah er ein erhöhtes kriminelles Potenzial: «Die Kriminalitätsstatistik ist doch eindeutig. Die Journalisten wollen darüber nur nicht schreiben2 .» Was ist wahr an diesen Aussagen?

Überrepräsentation von Ausländern in der Kriminalstatistik

Tatsächlich ist es so, dass unter der ausländischen Bevölkerung, die ungefähr 25% Anteil an der Gesamtbevölkerung stellt, ein viel grösserer Teil straffällig wird. Bei den Gewaltstraftaten wurden im Jahr 2021 7367 Personen verurteilt, davon 3‘911 mit einem ausländischen Pass und 3‘456 mit Schweizer Staatsbürgerschaft3 . Wie lässt sich diese erhöhte Delinquenz erklären?

André Kuhn, Professor für Kriminologie und Strafrecht an den Universitäten Lausanne, Neuenburg und Genf hat sich mit der Überrepräsentation von Ausländern in der Kriminalitätsstatistik befasst. Dabei hat er die Variablen für Straffälligkeit herausgearbeitet. Es sind dies das Geschlecht, das Alter, der sozioökonomische Status – also die Armutssituation –, das Bildungsniveau und in seltenen Fällen die Staatsangehörigkeit. Junge Männer, schlecht situiert und mit tiefem Ausbildungsstand werden von allen Gruppen am häufigsten kriminell. Die Wahrscheinlichkeit, dass nun ein junger, mittelloser Ausländer ohne Bildung ein Verbrechen begeht, ist ziemlich gleich hoch wie bei einem Schweizer mit den gleichen Voraussetzungen. Tatsache ist nun aber, dass verhältnismässig viel mehr Ausländer als Schweizer die obigen Merkmale erfüllen, denn die Migration betrifft vor allem junge und weniger oft ältere Menschen, zudem eher Männer als Frauen. Fakt ist, wie diese Ausführungen zeigen: Die Nationalität ist nicht wirklich ausschlaggebend für kriminelles Verhalten.

Die Staatsangehörigkeit kann in seltenen Fällen ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko erklären. Wenn Geflüchtete direkt aus Kriegsgebieten kommen und selbst am Kriegsgeschehen partizipiert haben, besteht die Möglichkeit einer grösseren Gewaltbereitschaft, die sie sozusagen ins Gastland mitbringen4 . Bei den in den vergangenen Jahren in die Schweiz geflüchteten Gruppen aus Eritrea, Iran, Syrien, Tibet oder der Türkei gibt es diesen direkten Kriegskontext eher selten. Viele sind wegen der Gefahr eines Krieges oder dem Einzug in die Armee geflüchtet. Es ist ausserdem anzumerken, dass aussereuropäische Flüchtlinge mit einer hohen Anerkennungsquote viel seltener kriminell werden als Geflüchtete aus Staaten mit einer tiefen Flüchtlingsanerkennung, wie beispielsweise Menschen aus Nord- oder Zentralafrika. Wer nach einer lebensgefährlichen Flucht als Asylsuchender abgewiesen wird, ist enorm frustriert und desillusioniert. Nur in diesen Gruppen erhöht sich das Potenzial für kriminelles Handeln, was sich auch in der Statistik niederschlägt.

 

80% der Menschen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich leben von der Sozialhilfe

Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt im Auftrag des Staatssekretariats für Migration die Sozialhilfequote im Asyl- und Flüchtlingsbereich. Für das Jahr 2021 gibt das BFS die Sozialhilfequote im Asylbereich mit 78,4%, im Flüchtlingsbereich mit 82,1% an. Mehr als ein Drittel der Sozialhilfebeziehenden sind im Übrigen Kinder. Bei Flüchtlingsfamilien besteht somit ein massiv erhöhtes Sozialhilferisiko.

Im Jahr 2022 sind ungefähr 100’000 Flüchtlinge in die Schweiz gekommen, davon 75’000 aus der Ukraine. Wer im Erhebungsjahr mindestens einmal eine finanzielle Sozialhilfe beansprucht hat, findet Eingang in die Sozialhilfestatistik. Dieser Fall – ein mindestens einmaliger Sozialhilfebezug – wird für eine Mehrheit der 100’000 Geflüchteten eintreffen. Und das wird auch die Sozialhilfequote im Jahr 2022 weiter erhöhen. Auch wer sich Wochen nach seiner Ankunft mit herausragenden Sprachfähigkeiten und einem sehr guten Ausbildungsstand im ersten Arbeitsmarkt wiederfindet, wird in der Erhebungsperiode in der Sozialhilfestatistik geführt. Macht eine statistische Auswertung Sinn, wenn das Resultat dermassen undifferenziert ist?

Die hohe Quote ist aber auch sonst zu erwarten: Wer in die Schweiz flüchtet, hat in der Regel nicht die nötigen Sprachkenntnisse und ein entsprechendes Bildungsniveau, um sich rasch im ersten Arbeitsmarkt zu etablieren.

Eine Ausnahme bilden Geflüchtete aus der Ukraine, die über einen sehr hohen Anteil an akademisch gebildeten Personen verfügen und zudem ein grosses Wohlwollen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche erfahren. Aber auch in dieser Gruppe wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Während der Flüchtlingskrise von 2014/2015 mussten viele aussereuropäische Asylsuchende lange Zeit auf ihren Asylentscheid warten. Diese zermürbende Situation hat Integrationsschritte gehemmt. Rasch gute Deutschkenntnisse zu erwerben, gelingt nicht jedem gleich gut.

Eine weitere Herausforderung sind anspruchsvolle und zeitintensive Ausbildungen. Danach müssen Betriebe gefunden werden, die bereit sind, beispielsweise vorläufig aufgenommene Personen zu beschäftigen, die auf dem Papier wenig Planungssicherheit versprechen, obwohl de facto die grosse Mehrheit in der Schweiz bleibt. Mit diesen Hürden ist der Schritt in den ersten Arbeitsmarkt kein Sonntagsspaziergang und ein Prozess, der selbstredend einige Jahre in Anspruch nimmt. Die Aussagekraft der Zahl 80% Sozialhilfequote im Asyl- und Flüchtlingsbereich ist ähnlich wertlos wie eine Studie zur Alphabetisierungsquote von Drei- und Vierjährigen. Man weiss im Vornherein, dass Drei- und Vierjährige noch nicht lesen und schreiben können, Ausnahmen vorbehalten.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt ist die Frage des Teilsozialhilfebezugs. Es gibt viele Geflüchtete mit Familien, die den Schritt in die vollständige Sozialhilfeunabhängigkeit noch nicht geschafft haben. Sie arbeiten, obwohl sie bei Untätigkeit etwa gleich viel Geld zur Verfügung hätten. Sie wollen aber arbeiten, weil es zu ihrer Würde gehört. Kein gesunder Mensch will Tag für Tag die Beine vor dem Fernseher hochlagern oder Däumchen drehen.

 

Das Beispiel Riggisberg BE nach 7 Jahren

Nach der Schliessung der Asylunterkunft im Januar 2016 blieben ungefähr 25 Flüchtlinge in unserem Dorf. Wir haben sie von Seiten «riggi-asyl» auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt begleitet. Zu den heute 22 mehrheitlich aus Eritrea geflüchteten Personen gehören sechs Frauen, sieben Männer, vier Jugendliche in Ausbildung und fünf Kinder. Vier Frauen arbeiten im ersten Arbeitsmarkt, davon zwei in einer Küche, eine in der Wäscherei, eine im Pflegebereich. Von vier Männern im ersten Arbeitsmarkt sind zwei in einer Küche angestellt und zwei im Pflegebereich beschäftigt. Diese acht Erwachsenen sind allesamt sozialhilfeunabhängig und arbeiten in Riggisberger Institutionen. Zwei Familien sind teilsozialhilfeabhängig. Die beiden betroffenen Väter arbeiten in der Küche einer Institution in Riggisberg. Die beiden Mütter verbessern ihre Deutschkenntnis und suchen im Moment erfolgreich Anstellungen im Reinigungsdienst mit dem Ziel, als Familien völlig sozialhilfeunabhängig zu werden. Ein junger Mann ist noch in Ausbildung im Gastrobereich. Aufgrund einer starken Lernschwäche ist es unsicher, ob er seine Ausbildung bestehen wird. Arbeitslos ist aus dieser Gruppe im Moment niemand.

 

Schlussfolgerungen – und eine theologische Reflexion

Um die Kriminalitätsrate zu senken und die Sozialhilfequote zu verbessern, sind soziale Massnahmen und Bildungsanstrengungen nötig. Die Begleitung von Geflüchteten kann dabei nicht nur den Behörden überlassen werden. Der Einbezug zivilgesellschaftlicher Gruppen für die Unterstützung des Integrationsprozesses ist ein Erfolgsmodell. Eine wichtige Aufgabe fällt hier den Kirchen zu. Für sie ist es eine Kernaufgabe, die Schwächsten der Gesellschaft zu begleiten. Dazu gehören unter anderen auch Flüchtlinge.

Am Ende eines Gottesdienstes hören wir häufig die Worte aus dem aaronitischen Segen: «Gott wende sein Angesicht dir zu und lasse leuchten sein Angesicht über dir … 5 .»  Zuwendung, ein freundliches Gesicht: Was in der Beziehung von Gott zu uns gilt, das soll auch für unser menschliches Zusammenleben gelten. Es ist eine menschliche Grunderfahrung, dass wir uns erst dann wirklich als Mensch fühlen, wenn wir angeschaut werden. Wer gesehen wird, hat Ansehen, und wer von niemandem angeschaut wird, kommt sich unansehnlich vor. Unsere Lebensstimmung und unsere Lebenshaltung sind wesentlich davon abhängig, wer uns wie in die Augen schaut. Wer nicht angeschaut wird oder wer, aufgrund von Vorurteilen, grundlos in hasserfüllte Augen schaut, reagiert mit Angst und Abwehr.

Das erleben heute viele Flüchtlinge in unserer westlichen Welt. In ihnen potenziell kriminelle oder faule Menschen zu sehen, sind Ansichten, die aus dem Giftschrank populistischer Parteien stammen. Sie fördern Pauschalurteile und Kollektivverdacht. Menschen auf ihre Gruppenzugehörigkeit zu reduzieren, macht sie gesichtslos und entmenschlicht sie als einzelne Person. Ein solches Verhalten widerspricht den Grundwerten der Bibel, die jedem Menschen, unabhängig seiner Herkunft, seiner Hautfarbe und seiner Gesinnung, eine einmalige Würde zuspricht.

 

1. SRF Regionaljournal, 1.12.2022

2. Berner Zeitung, 22.11.2022

3. Quelle: Bundesamt für Statistik

4. Quelle: Revue Vivre Ensemble, März 2013

5. 4. Mose 6,24ff

Dieser Artikel erschien erstmals am 01. Februar 2023 auf Forum Integriertes Christsein.

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Jacques Ellul gilt heute als einer der wichtigsten Vordenker der französischen Décroissance-Bewegung, die sich seit etwa der Jahrtausendwende formiert und mit der ich mich in meinem Buch „Der Schritt zur Seite“ beschäftige. Man kann Ellul nicht in eine Schublade stecken. So war er Widerstandskämpfer, Marx-Kenner und zugleich Antikommunist, was ihn von so vielen heute (noch) hochverehrten französischen Denkern unterschied, die trotz aller offensichtlichen menschlichen und Umweltverbrechen unter Stalin und darüber hinaus den UdSSR-Kommunismus als alleinige Alternative zum Kapitalismus sahen.

Er war libertär, dem Geiste nach den Situationisten nahestehend und Guy Debord freundschaftlich verbunden, zugleich aber auch gläubiger Christ, was eine Aufnahme in Debords engen Zirkel in dessen Augen unmöglich machte. Aktiv und „lokal“ hat sich Ellul gegen die Verschandelung der französischen Regionen durch Industrie, Infrastruktur, Tourismus und generell den „Fortschritt“ zur Wehr gesetzt. Theoretischer und „global“ hat er als Autor von Dutzenden größeren Veröffentlichungen schon früh Phänomene und Zusammenhänge beschrieben, die erst später, zum Teil erst heute, ihre katastrophalen Folgen zeigen – moderne Propaganda, Globalisierung, Atom-, Nano- und Gentechnik, „Fortschritt“ als Religionsersatz, die Gleichformung des Menschen, die Rolle des Staates, kurz: den „technologischen Totalitarismus“, mit all seinen psychologischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen.

Vor allem blieb er sein Leben lang seinen Überzeugungen treu und war niemals auf akademische oder mediale Ehren aus. Leidlich bekannt geworden ist er zunächst in den USA, nachdem dort sein erstes Buch La Technique durch Vermittlung von Aldous Huxley übersetzt und veröffentlicht worden war. Entsprechend bedeutsam ist auch heute noch die Beschäftigung mit seinen Schriften im englischsprachigen Raum. In seiner Heimat Frankreich wird er gerade erst (wieder)entdeckt, nicht zuletzt als Autor des fast schon zur Marke gewordenen Spruchs „global denken, lokal handeln“.

13 Thesen zur „Technologie“

Es ist schwer, Elluls sehr umfangreiches Werk im Rahmen eines kleinen Artikels auf wenige greifbare Sätze herunterzubrechen. Der Ellul-Kenner Jean-Luc Porquet rechnet folgende zu Elluls wichtigsten und aktuellsten Analysen – der Begriff „Technologie“ (bei Ellul technique) ist hier als die Gesamtheit der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis zu verstehen, ähnlich Lewis Mumfords „Megamaschine“:

1. Die Technologie macht die Zukunft unvorhersehbar.
Niemand weiß, wie die Welt in zwanzig Jahren aussehen wird. Ein Beispiel: 1965 hat Gordon Moore korrekt vorhergesagt, dass sich Rechnerleistungen und Chipkapazitäten alle anderthalb Jahre verdoppeln würden, aber niemand konnte sich noch vor wenigen Jahren die Folgen dieser Entwicklung ausmalen.

2. Die Technologie ist weder gut noch schlecht.
Das bedeutet nicht etwa, sie sei neutral und alles hänge von ihrer Anwendung ab. Ihre Entwicklung vollzieht sich jenseits aller Moral, die negative, militärische, unmenschliche Nutzung läuft parallel zur positiven.

3. Die Technologie wächst aufgrund ihrer inneren Logik unaufhörlich.
Zunächst voneinander unabhängige Entdeckungen und Entwicklungen verbinden und verstärken sich, führen zu neuen Entdeckungen und Anwendungen, man denke an die immer weiter um sich greifende Gen- oder Nanotechnologie. Was gemacht werden kann, wird gemacht.

4. Die Technologie schafft Probleme, die sie durch neue Technik zu lösen verspricht.
Egal ob Umweltverschmutzung, Klimawandel, Artensterben, Atommüll – alle großen und viele nur im Vergleich „kleine“ Probleme wie z.B. die Zivilisationskrankheiten sind Folgen der technologischen Entwicklung, und das vermeintlich einzige Heilmittel ist „mehr davon“.

5. Die Probleme der Technologie werden erst bewusst, wenn sie unentwirrbar und massiv sind.
Die von uns Industrienationen herbeigeführten Veränderungen (Klima, Gifte, Artensterben etc.) betreffen den ganzen Erdball; wir spüren die Auswirkungen unseres Handelns allerdings erst mit jahrelanger Verzögerung.

6. Die Technologie ist undemokratisch.
Niemand wählt den „Fortschritt“, im besten Falle werden wir informiert oder als Laien an einen runden Tisch voller Expert/innen und Entscheider/innen gebeten.

7. Die Technologie ist zur Religion geworden.
„Fortschritt“ und Wachstum sind Dogmen, wer sie kritisiert, ist Ketzer und wird medial geächtet.

8. Die Technologie stärkt den Staat, der wiederum die Technologie antreibt.
Ellul warnte die Umweltbewegung vor einer Politisierung im bestehenden System und generell vor wachsender Überwachung und Unterdrückung unter ökologischem Vorwand.

9. Die transnationalen Unternehmen sind Abkömmlinge der Technologie.
Zu Elluls Zeiten galt für die Chemie- und Pharmaindustrie das Gleiche wie heute für Google, Facebook oder Amazon: Der „Fortschritt“ bestimmt die Wirtschaft und umgekehrt, Staat, Gesellschaft und der Mensch in ihnen sind nachgeordnet.

10. Eine technologisierte Gesellschaft braucht Propaganda.
Der Staat „bildet“ die Meinung der Wähler, damit sie zu wollen meinen, was für sie entschieden wurde.

11. Werbung und technologische Irreführung („Bluff“) sind der Antrieb der technologischen Gesellschaft.
Werbung ist die Propaganda der Technologie- und Konsumgesellschaft. Ihre Milliarden finanzieren Rundfunkmedien und „freie“ Presse, ihre Inhalte formen Ansichten, Geschmäcker und Lebensstile.

12. Die Technologie macht alle Kulturen gleich; sie ist die eigentliche Globalisierung.
Egal ob im Nachbarland, in China oder bei „indigenen Völkern“, die vermeintlichen Segnungen der westlichen Industrie nivellieren über kurz oder lang alle kulturellen Unterschiede.

13. Die Technologie erschöpft die Naturvorkommen.
Was heute banal erscheint, wusste Ellul schon 1954: Der „Fortschritt“ stößt an natürliche Grenzen.

Damit sind, wie gesagt, Elluls Ideen gerade einmal angerissen. Man sieht, er gehört zweifellos zu den im positiven Sinne „radikalen“ Denker/innen, denen es nicht darum geht, techn(olog)ische Lösungen für ebensolche Probleme zu finden, sondern die Übel der modernen Welt von ihrer Wurzel (lat. radix) her zu verstehen. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens seine wichtigsten Werke bald der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.

 

Illustration © Stéphane Torossian, aus dem Buch: Cédric Biagini, David Murray, Pierre Thiesset (Hg.): Aux origines de la décroissance. Cinquante penseurs. Paris: L’Echappée 2017.

Eine Langfassung des Artikels ist in der Nr. 59 der philosophischen Zeitschrift Lichtwolf erschienen (September 2017).

 

Französisch- und englischsprachige Auswahlbibliographie (nach Original-Erscheinungsdatum sortiert):

Money and Power. Trans. LaVonne Neff. Downers Grove, IL: InterVarsity, 1984. Basingstoke, England: Marshall Pickering, 1986. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2009.
L’homme et l’argent (Nova et Vetera). Neuchâtel: Delachaux & Niestlé, 1954. Lausanne: Presses Bibliques Universitaires, 1979.
Reprinted in Le défi et le nouveau: œuvres théologiques, 1948–1991. Paris: Table ronde, 2006, 2007.

The Technological Society. Trans. John Wilkinson. New York: Knopf, 1964. London: Jonathan Cape, 1965. Rev. ed. New York: Knopf, 1967.
La technique, ou, l’enjeu du siècle. Paris: Colin, 1954. Paris: Économica, 1990, 2008.

Propaganda: The Formation of Men’s Attitudes. Trans. Konrad Kellen and Jean Lerner. New York: Knopf, 1965. New York: Random, 1973.
Propagandes. Paris: Colin, 1962. Paris: Économica, 1990, 2008.

The Political Illusion. Trans. Konrad Kellen. New York: Knopf, 1967. New York: Random House, 1972.
L’illusion politique. Paris: Robert Laffont, 1965. Paris: Livre de poche, 1977. Paris: Librairie Générale Française, 1977. Paris: Table ronde, 2004, 2012.

A Critique of the New Commonplaces. Trans. Helen Weaver. New York: Knopf, 1968. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2012.
Exégèse des nouveaux lieux communs. Paris: Calmann-Lévy, 1966. Paris: Table ronde, 1994, 2004.

Métamorphose du bourgeois. Paris: Calmann-Lévy, 1967. Paris: Table ronde, 1998, 2012.

Les Chrétiens et l’État. With Jacques Jullien and Pierre L’Huillier. Tours: Mame, 1967.

Autopsy of Revolution. Trans. Patricia Wolf. New York: Knopf, 1971. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2012.
Autopsie de la révolution. Paris: Calmann-Lévy, 1969. Paris: Table ronde, 2008.

De la révolution aux révoltes. Paris: Calmann-Lévy, 1972. Paris: Table ronde, 2011.

Hope in Time of Abandonment. Trans. C. Edward Hopkin. New York: Seabury, 1973. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2012.
L’espérance oubliée. Paris: Gallimard, 1972. Paris: Table ronde, 2004.

The Ethics of Freedom. Trans. Geoffrey Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1976. London: Mowbrays, 1976.
Éthique de la liberté. V. 1, Paris: Librairie Protestante, 1973. Geneva: Labor et Fides, 1973. V. 2, 1974. V. 3, Paris: Centurion, 1984.

The New Demons. Trans. C. Edward Hopkin. New York: Seabury, 1975. London: Mowbrays, 1975.
Les nouveaux possédés. Paris: Fayard, 1973. Paris: Mille et une nuits, 2003.

The Betrayal of the West. Trans. Matthew O’Connell. New York: Seabury, 1978.
Trahison de l’Occident. Paris: Calmann-Lévy, 1975. Paris: Princi Negue, 2003.

The Technological System. Trans. Joachim Neugroschel. New York: Continuum, 1980.
Le système technicien. Paris: Calmann-Lévy, 1977. Paris: Cherche-midi, 2004, 2012.

The Empire of Non-Sense: Art in the Technological Society. Trans. Michael Johnson and David Lovekin. Winterbourne, UK: Papadakis, 2014.
L’empire du non-sens: l’art et la société technicienne. Paris: Presse Universitaires de France, 1980.

The Humiliation of the Word. Trans. Joyce Main Hanks. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1985.
La Parole humiliée. Paris: Seuil, 1981. Paris: Table ronde, 2014.

Changer de révolution: l’inéluctable prolétariat. Paris: Seuil, 1982. Paris: Table ronde, 2015.

Anarchy and Christianity. Trans. Geoffrey Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1991. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2011.
Anarchie et Christianisme. Lyon: Atelier de Création Libertaire, 1988. Paris: Table ronde, 1998, 2001.

The Technological Bluff. Trans. Geoffrey Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1990.
Le bluff technologique. Paris: Hachette, 1988, 1990, 2004. Paris: Pluriel, 2012.

What I Believe. Trans. Geoffrey Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1989.
Ce que je crois. Paris: Grasset, 1987, 1989.

https://www.jacques-ellul.org/

Foto von Ben White auf Unsplash

~ 6 min

Kompass, Schiesspulver und Eisenbahn haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Ein zweiter Blick zeigt: All diese Erfindungen und Entdeckungen haben unsere europäische Geschichte entscheidend geprägt. Sie bildeten jeweils den Anfang einer erfolgreichen neuen Etappe. Zumindest für einen Teil der Menschheit. Unterwegs haben wir aber etwas verloren: den Massstab für eine gesunde Mobilität.

Die Mobilität ist keineswegs eine Erfindung der Moderne. So ermöglichte das römische Reich innerhalb seiner Grenzen mit seinen befestigten Strassen eine noch nie gesehene Mobilität. Römische Streitkräfte konnte von Rom aus der Küste entlang Jerusalem innerhalb von etwa 22 Tagen erreichen1 . Sie legten dabei über 3400 km zurück. Oder man denke an die spätere so genannte Völkerwanderung der germanischen Völker zwischen dem 2. und 6. Jahrhundert. Dabei verschoben sich über mehrere Jahrhunderte ganze Völkerbünde: Sie wurden umgesiedelt bzw. waren gezwungen, das Weite zu suchen.

Es fällt auf, dass biblische Beispiele der Mobilität meist positiv besetzt sind. Abraham  wurde aufgefordert, sich aufzumachen «in das Land, das ich dir zeigen werde». Das Volk Israel brach in das verheissene Land auf. Der neutestamentliche Missionsbefehl ist verbunden mit der Aufforderung, hinzugehen. Und schliesslich wird der Himmel oft als ein ferner Ort im Jenseits verstanden, in den man geht2 .

Kurz: Mobil zu sein, ist keine Erfindung unserer Zeit. Allerdings sind die Möglichkeiten dazu heute fast unbegrenzt geworden. Deshalb stellt sich die Frage dringender als je zuvor, wie wir mit diesen unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten umgehen. Die Antwort hängt vom Massstab ab, den wir ansetzen. Deshalb möchte ich nicht die Mobilität an sich hinterfragen, sondern die Richtschnur, mit der wir sie einschätzen. Dabei hilft uns ein Blick in die Geschichte.

Kompass, Schiesspulver und ein neues Weltbild

Der Kompass, den die Seeleute nutzten, läutete ein neues, technisches Zeitalter ein: Er ist das Symbol des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Die Schiffe auf den Meeren konnten das avisierte Ziel in der Ferne nun trotz Stürmen erreichen. In diese Zeit fällt die grosse Entdeckung einer von uns noch nicht erschlossenen Welt: Kolumbus wollte nach Indien und traf auf Amerika, Vasco da Gama fand ein paar Jahre später den Seeweg nach Indien. Mit diesen neuen Mobilitätsmöglichkeiten konnten die einen grosse Beute machen, während die Einheimischen ausgebeutet wurden, ohne einen Anspruch auf ihren Kontinent stellen zu können.

Das Schiesspulver, eine weitere grosse Entdeckung jener Zeit, ermöglichte wirkungsvollere Waffen. Es gehört neben dem Buchdruck und dem Fernrohr zu den grossen Entdeckungen im 15. Jahrhundert3 .  Das Schiesspulver veränderte die Stellung des mittelalterlichen Rittertums und läutete eine soziale Umgestaltung ein, während der Buchdruck und vor allem das Fernrohr eine Zäsur für das damalige Weltbild bedeutete.

Aber wohl noch stärker als diese technischen Entdeckungen im 15. Jahrhundert wirkte das neue philosophische Paradigma seit dem 14. Jahrhundert, das die Naturwissenschaften  später überhaupt erst ermöglichte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ebnete diese neue Denkweise den Weg für die grossen Entdeckungen, die später mit den Namen Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Johannes Kepler (1571-1630), Galileo Galilei (1594-1641), aber auch mit Isaac Newton (1643-1727) verbunden wurden: Sie alle haben auf ihre Weise den Durchbruch des naturwissenschaftlichen Weltbildes besiegelt. In der Neuzeit standen nun der Mensch, seine technischen Möglichkeiten und die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Vordergrund. Ein Weltbild, das uns noch heute prägt4 .

Es läuft wie geschmiert!

Zur nun aufkommenden Industrialisierung gehörte als wichtigster Treiber die Dampfmaschine. Das grosse Geld konnte nun in der Industrie verdient werden: zuerst in England Ende des 18. Jahrhunderts – und anfangs 19. Jahrhundert in weiteren europäischen Ländern. Dies veränderte das ganze bisherige gesellschaftliche Leben. Fabriken wurden gebaut und die bisherige Handarbeit durch Maschinen ersetzt; Arbeitslosigkeit und Armut entwickelten sich im Gleichschritt mit dem Wachstum der Städte. Im Bereich Mobilität eröffnete vor allem die Eisenbahn neue Möglichkeiten. Sie war enorm wichtig für den Transport von Kohle und Eisen, brauchte aber selbst Unmengen an Eisen bei ihrer Herstellung. Dank der neuen Mobilitätsmöglichkeiten konnten die Preise der Waren gesenkt werden, was wiederum die Produktion förderte.

Die Eisenbahn war allerdings im Blick auf die Industrie und ihre Produktionsmöglichkeiten entwickelt worden. Die Vorstellung von Freizeit, Urlaub und vom Bereisen der Welt war zu jener Zeit noch undenkbar. Es waren erst Einzelne wie etwa Alexander von Humboldt, die sich aufmachten, um die Welt mit den neuen Möglichkeiten zu entdecken. Der gemeine Mann blieb seiner Scholle treu. Oder er war nun neu an die Fabrik des Kapitalisten an der Spitze gebunden, falls er überhaupt noch Arbeit fand und so vor Ort überleben konnte.

Im Zeichen des neuen wissenschaftlichen Paradigmas entwickelte sich auch die Mobilität: die alte Welt sollte mit dem Fortschritt überwunden werden. Parallel und trotzdem miteinander verwoben wurde die Freiheit des Einzelnen immer zentraler, vorerst zumindest in der neureichen Elite. Heute wissen wir es im Rückblick: Mit der Industrialisierung hat auch die globale Erwärmung stark zugenommen. Gleichzeitig haben die neuen technischen Möglichkeiten und die Autonomie des Menschen auch in der breiten Bevölkerung einen quasi religiösen Wert erlangt.

Das richtige Mass finden

Ist das nun verwerflich oder nicht? Die Antwort darauf entscheidet sich am Massstab, mit dem wir messen. Welche Mobilitätsmöglichkeit ist für uns normal? Der Gegenpol des normalen Zustands, der möglicherweise weit weg von gut ist, wäre der anormale Zustand. Gehört unsere Mobilität also mehr zur Normalität oder zur Anormalität?

Was wir sagen können: Nach wie vor gilt der Fortschritt als Trumpf. Allerdings sind es heute nicht mehr neue Kontinente, die erschlossen werden sollen, sondern neue Planeten5 . Damit der gewohnte Massstab für Mobilität weiterhin gewissensfrei beibehalten werden kann, wird das Benzinauto allmählich durch das Elektroauto abgelöst. Gleichzeitig steigen die Verkaufszahlen von schweren Autos, als wäre die Schöpfung eine ersetzbare Maschine6 . Kurz: Die Mobilität ist geblieben, sie ist sogar luxuriöser, ausdifferenzierter und weiter gesteigert worden. In Anbetracht der gewaltigen Zerstörung der Natur seit der Industrialisierung stellt sich heute die Frage, ob es Auswege aus diesem Muster gibt. «Dank» der Industrie wurden ganze Landstriche und Gewässer unbrauchbar, viele Menschen verloren ihre Arbeitsstelle7.

Bieten die Kirchen in dieser Situation alternative Antworten an oder geben sie der Problematik einfach einen theologischen Anstrich? Übernehmen sie sogar die Philosophie dahinter und basteln aus dem menschlichen Fortschritt das Paradigma des kirchlichen Wachstums?

Kirchen tun gut daran, ihre reiche biblische und kirchliche Tradition heranzuziehen und sich selber, aber auch die Gesellschaft zu hinterfragen. Damit soll nicht die vergangene Welt idealisiert, sondern der Frage nachgegangen werden, wie wir – aus christlicher Perspektive – uns selber, dem Nächsten und am Ende Gott näherkommen können.

Die Kirchen müssen dabei nicht auf die grossen Hebel der Politik warten. Sie sollen die Schritte gehen, die sie bereits gehen können, auch wenn sie noch so unbedeutend wirken. Exemplarisch dafür zeigt das Eco Church Network8 viele schlichte Wege, welche eine Kirche gemeinsam mit ihren Mitgliedern gehen kann. So zeigt das Merkblatt D4 – Mobilität konkrete Schritte, um neue Wege im Bereich der Mobilität zu suchen – und so das verloren gegangene Mass der Mobilität vielleicht wieder zu finden.


1. vgl. Orbis, The Standford Geospatial Network Model of the Roman World, Mai 2022 (online)

2. 1. Mose 12,1; 2. Mose 1-15, Matthäus 28,19

3. Störig, Die kleine Weltgeschichte der Philosophie (2000), S. 318-322

4. Ruffing, Einführung in die Geschichte der Philosophie (2007), S. 119

5. vgl. t3n, Mars-Mission: Elon Musk warnt vor einem «nuklearen Armageddon», Mai 2022 (online)

6. vgl. AGVS, SUV dominieren Angebot, Mai 2022 (online)

7. Ruth Valerio nennt verschiedene Aspekte der Zerstörung der Schöpfung, die oft den Menschen tangieren.  Exemplarisch sind die teilweise ausgefischten Meere, welche den lokalen Fischern den Erwerb verunmöglichen.

8. https://ecochurch.ch

Literaturverzeichnis

AGVS, SUV dominieren Angebot: https://t3n.de/news/mars-mission-elon-musk-warnt-1429807, abgerufen am 20. Mai 2022

Orbis, The Standford Geospatial Network Model of the Roman World, online unter https://orbis.stanford.edu, abgerufen am 22. Mai 2022

Ruffing, Reiner: Einführung in die Geschichte der Philosophie, Paderborn, 2007

Störig, Hans Joachim: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Stuttgart, 2000

t3n, Mars-Mission: Elon Musk warnt vor einem «nuklearen Armageddon», online unter https://t3n.de/news/mars-mission-elon-musk-warnt-1429807, abgerufen am 20. Mai 2022

Valerio, Ruth: Saying Yes to Life, London, 2020

Dieser Artikel erschien erstmals am 01. Juni 2022 auf Forum integriertes Christsein.