Solidarität – was geht mich das an?

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Solidarität ist ein zentraler Christlicher Wert. Was geht mich das an? Markus Meury berichtet von seinen Erfahrungen als Gewerkschaftssekretär, zeigt biblische Hintergründe und kommentiert die aktuellen Tendenzen als Soziologe.

Zunächst zu meinen persönliche Erfahrungen in der Gewerkschaft

Ich bin ja unter anderem deshalb für dieses Männerzmorge angefragt worden, weil ich als Christ bei einer Gewerkschaft gearbeitet habe, und damit eine sonst vielleicht weniger bekannte Perspektive einbringen kann. (Seit Juli nicht mehr dort, um für einige Monate bei der Menschenrechtskommission von El Salvador mitzuarbeiten. Heute bei Tear Fund, Hilfswerk der Evangelischen Allianz. Leite Kampagne „Stop Armut 2015“, die Christen ermutigen soll, sich vermehrt auf dem Gebiet der weltweiten Armut einzusetzen.)

Die Neunziger Jahre waren eine Zeit, wo vor allem die Einkommensschwachen und die Randgruppen in Bedrängnis gerieten. Vor allem in der Arbeitswelt hatten die Lohnsenkungen für die Einkommensschwachen verheerende Wirkungen, und die Liberalisierungen der Arbeitszeiten hatten ihre Wirkungen auf das Zusammenleben der Familien. Ich hatte auch das Gefühl, dass durch die immer wieder beschriebene internationale Konkurrenz diese Abwärtsspirale seine Fortsetzung finden würde, wenn nicht die Angestellten selber sich wehren können. Deshalb wollte ich für eine Gewerkschaft arbeiten, und bewarb mich vor bald fünf Jahren bei verschiedenen Gewerkschaften. Ich landete schliesslich bei der Gewerkschaft VHTL in Basel, wo ich bis im Juli als Regionalsekretär arbeitete.

VHTL, das heisst Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel. Ich freute mich besonders, hier eine Stelle zu erhalten, denn diese Gewerkschaft vertritt genau die Gruppen, die mir ein Anliegen sind. Es sind dies die Angestellten in den Dienstleistungsberufen mit den niedrigsten Einkommen, so zum Beispiel die Migros-Kassiererinnen, die Putzfrauen, die Nachtwächter und die Arbeiter in der Bell-Wurstfabrik.

Die vergangenen Jahre gaben mir einen tiefen Einblick in die Welt derer, mit denen Sie und ich sonst wenig zu tun haben. Hier ein paar Stichworte dazu:

l Der Lohn: Tatsächlich gab es im Verlauf der 90er-Jahre immer mehr „Working Poor“, vor allem in den Bereichen, die ich vertrete. Zu Beginn meiner Tätigkeit hatten viele VerkäuferInnen oder Putzfrauen einen Lohn von unter 2500 Franken netto. Das reicht knapp zum Leben, wenn man alleine ist, aber sobald man noch zusätzlich Kinder mit aufziehen muss, dann ist dies zu wenig. Zudem muss man sich im Klaren sein, dass dies nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Familienväter. Und so wird es nur zu verständlich, dass beide Elternteile arbeiten müssen, um überhaupt die Familie durchzubringen. Deshalb wird auch als Zweitverdiener die Lohnhöhe wichtig. Durch die Mindestlohnkampagnen der Gewerkschaften konnten die Löhne im untersten Bereich in den letzten Jahren kräftig angehoben werden.

l Stichwort Arbeitszeiten: Seit Ende der achtziger Jahre griff immer mehr Arbeit auf Abruf um sich. Ich musste z.B. selber zusehen, wie meine Mutter Schwierigkeiten hatte, ihr Privatleben zu organisieren, wenn sie immer warten musste, ob der Arbeitgeber sie zur Arbeit rief oder nicht. Das neue Arbeitsgesetz, das Ende der neunziger Jahre kam, brachte dann einen neuen Schub an Deregulierung der Arbeitszeiten. Es wurden immer mehr Abendarbeit eingeführt, abgesehen davon, dass die Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit erleichtert wurde. Hinzu kam verstärkte Deregulierung der Ladenöffnungszeiten. All dies betraf gerade die schwächsten Arbeitnehmer besonders. In diesen Bereichen haben nicht viele Angestellte eine Lehre oder sonstige berufliche Fähigkeiten, die ihnen erlauben würden, den Job zu wechseln, wenn die Arbeitszeiten ein Familienleben nicht mehr zulassen. Ich habe selber in meiner Arbeit etliche Fälle miterleben müssen, wo die Familien auseinandergekracht sind, unter Anderem weil sich die Partner wegen den hyperflexiblen Arbeitszeiten kaum mehr gesehen haben.

l Stichwort Konkurrenz: Die Deregulierungen und Lohnsenkungen werden immer wieder mit der internationalen Konkurrenz und der damit einhergehenden Gefahr für unsere Arbeitsplätze gerechtfertigt. Nach dem, was ich gesehen habe, muss ich feststellen, dass es gerade die Schwächsten sind, die bei dieser Art der Wirtschaft unter die Räder kommen.

l Hinzu kommt der zunehmende Stress: früher waren Leer-Zeiten, wo es nicht viel Arbeit gab, gang und gäbe. Heute wird im Gegenteil so viel in die Arbeitszeit hineingepresst, dass die stressbedingten Schäden massiv zunehmen. Ich habe einige dramatische Zusammenbrüche von Angestellten erleben müssen. Es heisst heute zwar, Leistung müsse belohnt werden, aber genau diese massiven Leistungssteigerungen in den untersten Einkommensschichten wurden überhaupt nicht honoriert…

l Und dann die Arbeitslosen: Die Gewerkschaften haben bekanntlich eigene Arbeitslosenkassen, so auch wir. So habe ich ein Bisschen Einblick, wie es funktioniert. Viele der Angestellten, die bei uns ihr Arbeitslosengeld bezogen, hatten enorm Mühe, wieder eine Arbeit zu finden. Die Arbeitswelt verlangt immer mehr Fertigkeiten und eine 100%ige Leistungsfähigkeit. Es gibt aber eine Schicht von Menschen die entweder die intellektuellen Fähigkeiten dazu kaum haben oder aus irgendwelchen Gründen nicht im Vollbesitz der Kräfte sind. Diese will kein Arbeitgeber, auch nicht im Aufschwung, denn in der heutigen Arbeitswelt sind nur noch die Leistungsfähigen gefragt. Dies ergibt die wachsende sogenannte Sockel-Arbeitslosigkeit. Am Schluss landen viele von ihnen in der IV.

Ich habe deshalb besonders Mühe mit pauschalen Postulaten der „Selbstverantwortung“ und der Etikettierung als „Scheininvalide“. Herr Blocher sagte bekanntlich, zwei Drittel der IV-Rentner bräuchten gar keine Rente. Wirklich nicht? Die Frage ist erlaubt, ob ER solche Leute sie aber in seinem Betrieb einstellen würde… Es ist zu einfach, den Rentnern die Verantwortung zuzuschieben. Wir müssen bereit werden, genauer hinzuschauen! Natürlich gibt es einige Leute in den genannten Gruppen, die tatsächlich nicht arbeiten wollen. Und es gibt auch solche, die der Sozialstaat träge macht. Da sollte man Massnahmen ergreifen. Aber es ist schlicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn man nun für alle die Arbeitslosengelder, die IV oder die Fürsorgegelder zusammenstreicht. Schliesslich stellt sich die Frage, was ist uns wichtiger: dass niemand leidet oder dass niemand profitiert?

Biblische Gedanken

Das Thema Solidarität nimmt in der Bibel einen erstaunlich breiten Raum ein. Zentral ist dabei der Begriff der Armen. Dieser Begriff wird einerseits für die materielle Armut und für Unterdrückung (auch „Elende, Geringe“, etc.), aber auch für geistlich Arme, das heisst Demütige gebraucht. Ich befasse mich hier nur mit den zwei ersten Gebrauchsweisen.

Wie werden die Armen in der Bibel betrachtet? Welche Schuld haben sie an ihrer Situation? Die Stellen, wo Armut mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wird, sind rar. Sie finden sich nur im Buch der Sprüche und in der Aussage im NT, wer nicht arbeiten WILL, soll auch nicht essen. Ansonsten wird Armut als gesellschaftliches Übel, oft in Verbindung mit sozialer Benachteiligung oder Unterdrückung, beschrieben. Natürlich kann man deshalb nicht sagen, dass die Armen heute generell unschuldig sind an ihrer Situation, aber ich sehe gewisse Parallelen.

Deshalb ist das Alte wie das Neue Testament voll von Aufrufen, die Armen zu schützen (physisch und rechtlich) und mit ihnen zu teilen.

  • Wir sollen dem Armen die Hand grosszügig offnen (5. Mose 15. 7-11)
  • Spr. 21.13 „Wer Ohren verstopft vor dem Hilfeschrei der Geringen, der wird einst rufen und keine Antwort erhalten.“
  • Und in Matthäus 25 lesen wir, wonach gerichtet wird: Ich war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben, etc.

Almosen werden in der Bibel allgemein als gut angesehen. Es gab im alten Testament aber auch gesetzlich geregelte Umverteilung:

  • Der Zehnte diente auch zur Armutslinderung
  • Alle 3 Jahre ging 10 % der Ernte an Arme
  • Die Nachlese nach der Ernte war den Armen vorbehalten (3. Mose 19.10)
  • Alle 7 Jahre blieb ein Feld unbestellt. Die Frucht gehörte den Armen (2. Mose 23.11)
  • Alle 7 Jahre wurden die Schulden erlassen („damit kein Armer unter Euch sei“, wie es in 5. Mose 14.4 heisst)
  • Von den Angehörigen des eigenen Volkes durften keine Zinsen verlangt werden
  • Alle 50 Jahre ging in der Not verkauftes Land zurück an die ursprüngliche Besitzer, damit es keine Anhäufung von Reichtum bzw. keine Landlosigkeit geben sollte

Gesetzliche Umverteilung ist also nicht gleich Raub, wie Anhänger des Wohlstandsevangeliums es behaupten.

Die verschiedenen Verfasser des Alten Testaments forderten auch auf, die Armen und Geringen zu schützen und ihnen Recht zu verschaffen. Denn nur zu oft versuchten die Starken, die Rechte der Armen zu ignorieren oder beugten ungerechte Richter die Sache der Armen. Damals (wie heute) war Armut auch oft mit Machtlosigkeit verknüpft. Vor allem die Propheten gingen hart mit den Israeliten ins Gericht, wenn diese trotz Reichtum die Armen im Elend liessen oder deren Rechte beugten.

Die Bibel fordert uns denn auch auf, die Armen und Geringen als gleichwertige Menschen zu behandeln und uns für deren Rechte und soziale Gerechtigkeit einzusetzen. So zum Beispiel in Ps. 82.3-4: Schafft Recht dem Geringen und der Waise, dem Elenden und dem Bedürftigen lasst Gerechtigkeit widerfahren! Rettet den Geringen und den Armen, entreisst ihn der Hand der Gottlosen.

Abgesehen davon ist laut Jesus das höchste Gesetz die Liebe zu Gott und zu den Nächsten: da ist die Solidarität auf Grund des im ersten Teil gesagten selbstverständlich.

Wir haben gesehen, dass dem Teilen besondere Bedeutung zukommt, da der Armut offenbar auch strukturelle Ursachen zu Grunde liegen.

Aber wie denn Teilen?

  • Die Urchristen teilten praktisch alles. Dies könnte als Modell dienen, ist deswegen aber noch kein „Muss“.
  • Teilen wir, so viel wir teilen können und nicht nur von unserem Überfluss. Dies zeigt uns die Geschichte von der armen Witwe im Tempel in Markus 12. Tendenziell führt uns dies zu einem einfacheren Lebensstil
  • Es heisst auch, wir sollen „arbeiten, damit wir den Armen geben können“. Behalten wir also unser gutes Einkommen nicht für uns alleine. Aber wir müssen auch nicht unbedingt arm werden. Unsere Haltung sollte geprägt sein von Grosszügigkeit und von Zufriedenheit mit dem, was wir haben.

– Ich glaube, dass echte Solidarität und Nächstenliebe nur gelebt werden wann, wenn wir selber frei sind von unseren eigenen Ängsten um unser täglich Brot, wenn wir in allen unseren Bedürfnissen vollständig von unserem himmlischen Vater getragen werden. Dann wird Solidarität zur Freude und geschieht nicht einfach aus Schuldgefühlen.

  • Wie wir in der Bibel gesehen haben, ist manchmal auch gesetzlich verordnete, organisierte Umverteilung angesagt, denn offensichtlich sind die Armen Gott zu wichtig, als dass Er deren Wohlergehen der reinen Freiwilligkeit der Spender überlassen würde.

Aktuelle Tendenzen

Die Gesellschaften in allen Ländern der westlichen Welt scheinen heute aber trotz zunehmender Armut ein wachsendes Problem mit dem Teilen zu haben. Es besteht eine allgemeine Tendenz der Desolidarisierung. Nachdem ein Teil der Solidarität an Institutionen delegiert worden ist, werden diese Institutionen selber nun auch in Frage gestellt (ohne dass allerdings die frühere Solidarität deshalb zurückkehren würde). Sichtbar ist diese Desolidarisierung auch im Wertewandel: Untersuchungen zeigen die zunehmende Beliebtheit des Begriffes „Freiheit“ gegenüber des Begriffes der „sozialen Gerechtigkeit“.

Meines Erachtens beruht dieser Wertewandel unter Anderem auf den folgenden drei Punkten, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen:

  • 1. Zunehmender Individualis­mus: die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wird mit dem zunehmenden Wohlstand und den daraus resultierenden Lebens-Gestaltungsmöglichkeiten immer kleiner. Die Interdependenz (und damit die Notwendigkeit der gemeinsamen Organisation) wird nicht mehr wahrgenommen.
  • 2. Der wachsende Wohlstand hat auch die Angst vor Verlust immer stärker werden lassen.
  • 3. Diese Angst erzeugt eine immer grössere Priorisierung des wirtschaftlichen Wachstums, was einen Übergriff des wirtschaftlichen Denkens auf alle gesellschaftlichen Bereiche nach sich zieht.

Diese Desolidarisierung wird von Rechtfertigungsideologien und beliebten Mythen begleitet, die wir nur allzu gerne glauben:

  • 1. „Jeder kann alles selber“. Die Unterschiedlichkeiten in Fähigkeiten, Herkunft, etc. zeigen genug, dass diese Behauptung der Realität nicht standhält.
  • 2. „Der Sozialstaat wird immer mehr missbraucht“. Eine um sich greifende Behauptung, die kaum belegt ist und eher unsere zunehmenden Ängste widerspiegelt. Die Angst vor Profitismus ist in der Bibel ebenfalls nie so stark gewesen.
  • 3. „Der Sozialstaat hält die Armen und Arbeitslosen nur in Abhängigkeit, deshalb ist es für die Bedürftigen besser, man gibt ihnen nichts mehr“. Wie wir vorher gesehen haben, ist den Betroffenen genauso wenig geholfen, wenn wir nichts mehr geben, denn sie können zum grossen Teil nichts an ihrer Situation.
  • 4. „Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es allen gut“. Meist ist es aber so, dass die Schwächeren unter Liberalisierungen doppelt leiden: sie sind dann weniger geschützt, und sie haben in Wirtschaften mit weniger Umverteilung kaum etwas vom Wirtschaftswachstum (was auch eine Weltbankstudie nachweist)
  • 5. „Armut kann nur durch mehr Wachstum bekämpft werden“. Die westlichen Länder sind so reich, dass theoretisch alle genügend haben könnten. Doch dies ist schlicht eine Frage des Teilens.

Solidarität – was geht uns das also an?

1) Es wird oft gesagt, der Staat sei heute überfordert, das Ganze System ist nicht mehr bezahlbar. Wir haben die Wahl

a) die Leistungen abzubauen oder

b) mehr zu teilen.

Obwohl das Volksvermögen stetig steigt, wählen wir heute a). Aktuell werden auch die Subventionen für christliche Eingliederungsstätten wie die Steppenblüte massiv gekürzt und deren Existenzen gefährdet. Die Kosten tragen dann einfach Andere (bzw.Folie: weiter runter…)

Es ist aber offensichtlich nicht so, dass wir nicht mehr teilen könnten. Der Mythos der ständig steigenden Steuern lässt sich leicht entkräften. Sondern wir wollen einfach nicht mehr. Siehe USA: wo das Geld Ende der neunziger Jahre wieder da war, da wurde trotzdem nicht wieder mehr geteilt

Es ist auch interessant zu sehen, dass trotz stetigem staatlichem Abbau die private Spendentätigkeit nicht zunimmt, obwohl Solidarität uns mehr und mehr auch persönlich angeht.

2) Beispiel BS: 8% IV, also Missbrauch? Typische Vorverurteilung dieser Menschen, denn eigentlich haben wir zwei Erklärungsvarianten:

a) Schuld der IV-Bezüger

b) am Wirtschaftssystem wo sie rausgefallen sind, etwas faul

Wiederum wählen wir eher a), denn wenn wir b) wählen würden, hätten wir ein Problem: wir müssten das ganze System, von dem die Mehrheit unter uns profitiert und mehr oder weniger gut lebt, in Frage stellen.

Doch eigentlich ist es zu offensichtlich: Arbeitsplätze sind heute nur noch ein zufälliges Nebenprodukt der Wirtschaftstätigkeit. Lieber ist der Börse ein Arbeitsplatzabbau, da jubeln die Broker. Heute kommt zuerst der Profit, dann das Produkt und dann der Mensch. Wir müssen das Ganze umkehren. Aber dazu ist auch die Veränderung der Herzen nötig. Denn schon die Bibel sagt „Habsucht ist die Wurzel allen Übels“…

Wie aber soll ein Unternehmen überleben, das zuerst auf den Menschen schaut? Der Wirtschaftsethiker Peter Ulrich fordert „moralische Rückenstützen“, also ein Bremsen der für die Gesellschaft offensichtlich tödlichen Konkurrenz durch gesetzliche Schranken und durch Vorteile für Unternehmen, die sich moralisch verhalten. Dazu bräuchte es allerdings globale Koordination…

3) Wachstum als Lösung? Wenn wir in die USA schauen, dann müssen wir enttäuscht sein: trotz für ein Industrieland hohen Wachstumsziffern in den neunziger Jahren hat sich die soziale Situation nicht wesentlich verbessert. Es sind zwar mehr Jobs da als vorher, aber die Armut hat nicht abgenommen.

Zudem stellt sich die Frage, was wir für das Wachstum alles opfern. Generell wird im Namen des Wachstums nämlich gerade die organisierte Solidarität, die Chancengleichheit und der Schutz der Schwächeren abgebaut… Wachstum also als Absurdität. Alle Massnahmen sind also auf ihre Auswirkungen auf die Armen und die Schwachen zu überprüfen.

4) Wir müssen auch von unserer Mammon-Orientierung wegkommen. Wirtschaft gut, alles gut gilt nicht mehr, und reines Profitdenken bringt eine Gesellschaft ins Grab.

5) Was wir brauchen, das sind auch verstärkte Bildungs- und Integrationsunterstützung statt Strafen für die Betroffenen. Aber das kostet eben mehr, und deshalb schrecken wir zurück.

6) Und wir Christen? Wir sagen oft, der Staat sei überfordert, also müssten wir ran. Also, dann Ärmel hochkrempeln. Leider meinen gewisse Christen auch, der Staat solle am Besten die Finger von allem lassen, denn die Christen lieben besser. Nur sind wir noch lange nicht soweit, die gesamte AHV, die IV, die Arbeitslsenkasse und alle anderen Aufgaben zu übernehmen…

Es stimmt allerdings auch, dass jeder von uns private Betreuung von angehörigen Alten und Kranken so weit wie möglich übernehmen sollte. Auch zu sonstiger privater Solidarität sind wir aufgerufen. Das ist unser Teil!

Wie wir gesehen haben, geht der Wertewandel weg von der Solidarität, bis in die Kirchen hinein. Gerade wir Christen könnten aber im Namen der Nächstenliebe die Solidarität wieder neu entdecken und für die Wertverbreitung in der Gesellschaft eine Pionierrolle übernehmen.


Photo by Tim Marshall on Unsplash

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