Abschaffung der Verrechnungssteuer – Einladung zu Steuerbetrug auf Kosten der Bevölkerung?

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Die Verrechnungssteuer von 35 % hat zum Zweck, die Steuerpflichtigen Privaten und Unternehmen dazu zu bringen, ihre steuerpflichtigen Gewinne und Wertzuwächse auch ehrlich anzugeben und damit zu versteuern. Erst nach vorschriftsmässiger Angabe werden die 35% wieder zurückerstattet. Doch die Bankenlobby hat das Parlament dazu gebracht, die Verrechnungssteuer bei der Ausgabe von Obligationen abzuschaffen. Dies mit dem Argument, dass auf Grund des administrativen Aufwands und des vorübergehenden Liquiditätsentzugs die Obligationen heute im günstigeren Ausland ausgegeben würden und der Schweiz damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung entgingen. Gleichzeitig wurde auch grad noch die Umsatzabgabe, die auf dem Handel mit bestimmten Wertpapieren erhoben wird, abgeschafft, da sie sich ebenfalls hemmend auf den schweizerischen Fremdkapitalmarkt auswirke. Gegen dieses Paket wurde das Referendum ergriffen.

Das Loch riskiert grösser zu werden – auf Kosten der Bevölkerung

Die treibenden Kräfte hinter dieser Steuersenkung behaupten, durch den Zuzug von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung aus dem Ausland würden die Kantone und Gemeinden einen Gewinn von mindestens 400 Millionen Franken pro Jahr erwirtschaften. Gleichzeitig allerdings gehen dem Bund nach neusten Zahlen 215 bis 275 Millionen Franken an Einnahmen verloren. Dies sind sehr konservative Schätzungen und wohl viel zu tief gegriffen. Denn erstens basieren diese Berechnungen auf dem aktuell sehr tiefen Zinsniveau, das aber in naher Zukunft ansteigen wird. Und zweitens hat die Finanzindustrie die Angewohnheit, alles zu verheimlichen, was nur möglich ist, um den Gewinn zu maximieren. Ohne Kontrolle fehlt die Motivation, diese Gelder zu versteuern. Schon die Unternehmenssteuerreform II hat gezeigt, dass die Finanzindustrie jegliche Möglichkeiten zur Steuerumgehung ausnutzt. Aus den bei der Abstimmung im Jahr 2008 im Abstimmungsbüchlein angegebenen maximal 933 Millionen Franken Verlusten für Bund und Kantone sind es ab der Inkraftsetzung im 2011 pro Jahr rund 2 bis 2,5 Milliarden Franken geworden (und sind es immer noch), weswegen ein Kanton nach dem anderen drastische Sparprogramme bei Schulen, Spitälern etc. durchgezogen hat. Dafür konnten die Aktionäre Dividenden und Firmenchefs (die sich nun oft Lohn auf andere Weise auszahlen lassen) Einnahmen von den Steuern befreien. Total wurden von 1.1.2011 bis 31.11.2016 CHF 1 Billion 692 Milliarden von 7‘365 Aktiengesellschaften angemeldet und durch die Eidgenössische Steuerverwaltung zur steuerfreien Ausschüttung an die Aktionäre genehmigt.

Steuersenkungen – nachweislich schlecht für die Schwächsten

Auch die Mär, dass es bei Steuersenkungen automatisch allen besser geht wurde schon längst widerlegt. Das zeigt eindrücklich die Oxfam-Studie aus dem Jahr 2014: Die Steuersenkungen im Zuge des Neoliberalismus haben weltweit vor allem die Reichsten noch reicher (und damit auch mächtiger) gemacht, den Ärmsten (also denjenigen, die es am meisten nötig hätten) aber kaum geholfen. In den USA ist so beispielsweise der mittlere Lohn zwischen 1984 und 2016 gleichgeblieben, das mittlere Haushaltseinkommen nahm nur wegen dem zunehmenden Einstieg der Frauen in die Lohnarbeit um insgesamt 20 % zu. Und gerade die Entstehungsgeschichte der USR II zeigte eindrücklich auf, dass es bei dieser gar nicht um die KMU und erst recht nicht um die Gesamtbevölkerung ging, sondern rein um die Interessen der Aktionäre.

Die lebenswichtigen Dienstleistungen brauchen mehr Mittel: Jetzt die Spirale umdrehen

Die Abschaffung der Verrechnungssteuer ist für die Schweizer Bevölkerung also höchstwahrscheinlich wieder einmal ein Verlustgeschäft. Und nicht nur für die Schweizer Bevölkerung, sondern schlussendlich auch für die Länder, aus denen die Arbeitsplätze abgesogen werden sollen. Die Steuerkonkurrenz hat insgesamt die Folge, dass die lebenswichtigen Dienstleistungen wie Schulen, Spitäler, Umweltmassnahmen etc. Schaden nehmen. Die Schulklassen werden immer grösser, Spitäler werden reihenweise geschlossen, das Pflegepersonal wird zu knapp gehalten und schlecht entlöhnt, und Subventionen für Sonnenenergie «sind zu teuer». In diesem System kommen die Schwächsten und die Schöpfung unter die Räder. Dieser Entwicklung gilt es Einhalt zu gebieten. Umso mehr, wenn diejenigen, die es sich am besten leisten könnten, dazu eingeladen werden, keine Steuern mehr zu zahlen.

Photo by Kevin Matos on Unsplash

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