Gedanken zur aktuellen Steuerpolitik

~ 8 min

Wer bezahlt gerne Steuern? Eben! Deshalb haben wir die Tendenz, Steuersenkungen zu fordern und anzunehmen, wo nur möglich…

 

Rahmen dergedan aktuellen Steuerdebatte

In den neunziger Jahren sind in der Schweiz die Reichen massiv reicher und die Armen ärmer geworden. Das reichste 1% der Bevölkerung konnte ihr Vermögen verdoppeln. Inzwischen besitzten die reichsten 3 % die Hälfte des Vermögens in der Schweiz. Die Vermögensverteilung ist etwa dieselbe wie in Pakistan, nur auf einem höheren Niveau.

 

In den neunziger Jahren konnen die obersten 10% der Einkommensleiter ihr verfügbares Einkommen um 12 % steigern, die untersten 10% verloren 19%. Verfügbares Einkommen, das ist das Einkommen nach dem Abzug eines definierten Grundlebensbedarfs sowie den Steuern, der Krankenkasse, etc.

 

Teilen und Ausgleich wäre also dringender denn je, aber es geschieht nun genau das Gegenteil: Teilen wird immer unpopulärer: gerade die Ausgleich schaffenden Steuern werden abgebaut. Trotz der oben gezeigten zunehmenden Profitabilität der Arbeit der oberen Schichten werden erstaunlicherweise auch Stimmen laut, die sagen, Leistung müsse sich wieder lohnen, indem die Steuern für die Reichen gesenkt werden.

 

Es stimmt, dass in den letzten 10 Jahren die Steuern insgesamt stark zugenommen haben. Es waren dies vor allem die Mehrwertsteuer (mehrheitlich für die AHV), die Lohnabzüge für IV und die Arbeitslosenversicherung. Hinzu kamen viele Gebührenerhöhungen, Erhöhung des Benzinzolls, der Tabaksteuer sowie Steuererhöhungen der direkten Steuern vor allem in Gemeinden. Hinzugezählt werden können auch der obligatorische Teil der Krankenkassen. Es waren also grösstenteils nichtprogressive Steuern, die alle Zahler prozentual gleich betrafen, zum Teil sogar mit einer Höchstgrenze wie bei der Arbeitslosenversicherung. Insgesamt machen diese zusätzlichen Steuern etwa 14 Milliarden aus, was im Durchschnitt sieben Prozent der Haushaltseinkommen ausmacht.

 

Steuerabbau trotzdem praktisch nur für die Reichen

Seit einigen Jahren wird in der Politik vor allem mit dem Ruf nach tieferen Steuern Stimmen gemacht. Bundesrat Villiger selbst sagte anlässlich seiner 1. August-Rede vor eineinhalb Jahren, dass diejenigen am lautesten schreien, die die Steuern am Besten bezahlen können…

 

Der Steuerabbau wird deshalb seit einigen Jahren gezielt an die Hand genommen. Es sind hauptsächlich die progressiven Steuern, die abgebaut werden, vor allem die Einkommenssteuern der Kantone (z.B. Zürich, Schaffhausen, Basel-Stadt, Genf, etc.). Hier profitieren die hohen Einkommen. Gleichzeitig fällt in einem Kanton nach dem Anderen die Erbschaftssteuer, die wiederum vor allem den Erben in reichen Familien zu gute kommt. Nun sollen beim Bund mit der Familienentlastung und Hauseigentümer-Entlastung wieder hauptsächlich die hohen Einkommen entlastet werden. Hier scheint es mir, dass es offensichtlich nicht darum geht, diejenigen zu entlasten, die es wirklich nötig hätten.

 

In der Diskussion stehen zudem die Flat Tax , das heisst die totale Abschaffung der Progression, weil man sonst die Reichen ans Ausland verliere. Dabei ziehen heute massenhaft Reiche in die Schweiz wegen den tiefen Steuern und den hohen Löhnen… Zudem wünscht sich die Wirtschaft eine Senkung der Unternehmenssteuern, weil die Schweiz sonst nicht mehr konkurrenzfähig sei. Dabei hat die Schweiz heute schon eine der tiefsten Unternehmensteuern, was dazu führt, dass immer mehr Konzerne ihre europäischen Hauptsitze in die Schweiz legen.

 

Gleichzeitig wird mit der Begründung, wir hätten kein Geld, ein Sparpaket nach dem Anderen geschnürt und die Solidarität abgebaut.

 

·         Im ersten Paket, das im vergangenen Dezember vom Bund verabschiedet worden ist, wurde überdurchschnittlich der Umweltschutz, der öffentliche Verkehr und die Entwicklungshilfe tangiert. Insgesamt wurden etwa zwei Milliarden eingespart.

·         Im zweiten Paket, das in der Diskussion ist, sollen nochmals 2-3 Milliarden eingespart werden. Bundesrat Hans-Rudolf Merz hat bereits im Dezember seine Vorstellungen dazu im Parlament geoffenbart.

·         Wenn die Steuersenkung im Mai angenommen wird, wird ein drittes Paket fällig werden… Zwei Drittel der Steuersenkungen werden bei den Kantonen anfallen. Diese sind wie der Bund bereits heute an den ihrigen Sparpaketen, die dannzumal noch um durchschnittlich 100 Millionen erhöht werden müssen. Betroffen sind hier vor allem die Schulen, die Studiengebühren, die Spitäler, der öffentliche Verkehr, die kantonalen Ergänzungsleistungen zur AHV, etc.)

·         Obwohl die AHV noch immer nicht überlebenssichernd ist, wie sie es nach der Verfassung sein sollte, wird auch bei der neusten AHV-Revision weiter gespart, weil man zu wenig Geld habe…

 

Gerade diejenigen, die immer mehr haben (individuell und als Nation), sagen also immer mehr, sie hätten kein Geld für Solidarität, für die Erhaltung unseres Planeten etc… Es ist meines Erachtens einzig eine Frage des teilen Wollens!

 

Ein grosser Teil der Bevölkerung verliert also bei diesem Spiel. Warum stimmt sie trotzdem zu?

 

–         Steuerabbau wollen alle, aber man ist sich nicht bewusst, dass damit auch ein Sozialabbau einher geht.

–         Mit dem Argument weniger Steuern zahlen lässt sich heute jede Abstimmung gewinnen. Erinnern wir uns an die Abstimmung über die steueraufkommensneutrale CO2-Abgabe, die von der Wirtschaftslobby als neue Steuer verleumdet wurde. Bei Erbschaftssteuer-Abschaffungsinitiativen und bei Projekten zur Senkung der progressiv ausgestalteten direkten Einkommenssteuern wird ebenfalls regelmässig behauptet, dies komme den Armen zu Gute, obwohl dies kaum zutrifft. Und bei der Einführung der Kapitalgewinnsteuer behaupteten die Gegner ebenfalls, die kleinen Bürger müssten sie bezahlen, obwohl in der Schweiz hauptsächlich vermögende Personen Aktien besitzen und Kleinaktionäre mit der Gewinn-Freigrenze von 5000 Franken im Jahr kaum je etwas bezahlen müssten.

–         Wie ich weiter oben bereits gesagt habe, ist ?Staat? als Einschränkung immer unpopulärer, und deshalb wird jede Gelegenheit wahrgenommen, um ihm Geld wegzunehmen bzw. weniger abgeben zu müssen. Der Staat wird ja auch schon als Ratte dargestellt, die alles wegfrisst. Es wird Panik geschürt vor dem ?Untergang der Schweiz?.

–         Tiefe Steuern oder eine tiefe Staatsquote werden als Argument verkauft, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wir sehen im Artikel von Dr. Andrew Lee, dass diese Theorie nicht unbedingt funktioniert. Und ein Aufschwung kommt nicht unbedingt den Bedürftigsten zu Gute, wie die USA zeigen. Es soll auch mehr Geld in die Staatskasse kommen, um wieder die Aufgaben zu erfüllen. Doch Abgebautes wird kaum je wieder aufgebaut.

–         Mythos ?Ausländer kriegen alles?: Arme Schweizer glauben, die Ausländer erhalten mehr als sie, und die Sozialwerke, die sie mit ihrem kargen Lohn mitfinanzieren, würden durch die Ausländer missbraucht. Deshalb stimmen die armen Schweizer der Forderung der rechten Parteien, die Sozialwerke, ihr ureigentliches Sicherheitsnetz, abzubauen, auf Empfehlung der SVP noch zu…

 

Ausgleich zwischen den Kantonen

Zwischen den Kantonen und den Gemeinden herrscht heute ein panischer, ruinöser Steuerwettbewerb. Selbst der Regierungsrat des Kantons Zug, der damals die zweittiefsten Steuern der Schweiz besass, behauptete im Jahr 2001, wenn nicht die Steuern gesenkt würden, könne sich der Kanton als Wirtschaftsstandort vergessen…

 

Gewisse Politiker behaupten immer, die Kantone mit tiefen Steuern hätten halt eine seriösere Finanzpolitik. Doch Kantone mit Zentrumslasten (Infrastruktur, Ausländer, Sozialfälle, etc.) oder abgelegene Bergkantone können schlicht nicht so tiefe Steuern haben wie Kantone, die nahe von Zentren liegen, aber statt der Lasten nur die Einfamilienhauszonen beherbergen (wie Zug, Schwyz, Baselland, etc.). Inzwischen sind die Kantone dazu übergegangen, sich vor allem die Reichen abzujagen (mit der Aufhebung der Erbschaftssteuer und Steuerrabatten)… Dafür wird auch hier die Solidarität aus Geldmangel abgebaut.

 

Könnten wir nicht ein Zeichen der Solidarität setzen, in dem wir nicht wegen den Steuern die Gemeinde oder den Kanton wechseln?

 

Steuerflucht und Bankgeheimnis

Die Schweiz fördert die Steuerflucht.

 

–         Reiche Ausländer, die vor den Steuern ihres Herkunftslandes ?fliehen?, erhalten im Gegensatz zu Armen sofort Asyl bei uns. Die Gemeinden und Kantone haben gar das Recht, für solche Personen einen Sonderstatus einzuführen, damit sie noch weniger Steuern zahlen müssen als nach dem lokalen Steuergesetz vorgesehen. Beispiel: Michael Schumacher.

–         Dank der weltweit wohl einmaligen Unterscheidung zwischen Steuerbetrug (Falsche Angaben) und Steuerhinterziehung (Nichtangabe von Einkommen) wird die Schweiz zum Hafen von Steuerfluchtgeld. Denn wegen dieser willkürlichen Unterscheidung und dem Bankgeheimnis gibt die Schweiz keine Rechtshilfe ans Ausland bei Steuerhinterziehung. Nach Angaben von schweizer Hilfswerken befinden sich etwa die Hälfte der weltweiten Steuerfluchtgelder in der Schweiz, was ca. eine halbe Billion Franken (500’000’000’000 Franken) ausmacht… Nachdem Italien in den Jahren 2001 und 2003 Steueramnestien erlassen hat, sind aus Schweizer Banken etwa 70 Milliarden Franken nach Italien zurückgeflossen…

–         Dank dem Bankgeheimnis sind wir auch der Hort der von Milliarden weiteren schmutzigen Geldern. Aber das wäre ein weiteres Forum wert…

–         Könnte es sein, dass die Schweiz durch diese Schuld, die sie bisher nicht anerkennt und weshalb noch keine Umkehr stattgefunden hat, nicht umkehrt, am Segen Gottes gehindert wird?

 

Mythen und Fakten

–         Arbeiten lohnt sich nicht, die Steuern fressen alles weg: nach den Steuerstatistiken lässt es sich gut belegen, dass der grösste Teil jedes zusätzlich verdienten Frankens in der Tasche des Verdienenden bleibt.

–         Wir haben immer mehr Steuern (?Steuerspirale?): wir haben oben gesehen, was es damit auf sich hat.

–         Die Unternehmenssteuern sind zu hoch: Die Unternehmenssteuern sind im europäischen Vergleich beinahe die tiefsten.

–         Der Staat verschwendet immer mehr Geld: auch diese Behauptung ist falsch, ausser man subsumiert Umweltschutz etc. unter Verschwendung, was aber von vielen getan wird…

–         Ich habe alles selber verdient. Umverteilung ist Raub: die grössten Lohndifferenzen sind wohl keineswegs mit der Leistung zu rechtfertigen.

 

Vergleich zu einer biblischen Steuerpolitik

Im Kapitel Biblische Steuerpolitik habe ich Beispiele aufgezählt, was die Steuerpolitik meines Erachtens leisten sollte. Wagen wir nun einen Vergleich mit der aktuellen Steuerpolitik:

 

Chancengleichheit: Wegen der Verknappung des Geldes der Kantone werden die Studengebühren erhöht und Stipendien abgeschafft. Die SVP will im Kanton Zürich 40% des Bildungsetats einsparen, was auch zu einer massiven Qualitätsreduktion der staatlichen Schulen führt. Nur noch Reiche können sich gute Bildung an Privatschulen leisten. Statt Chancengleichheit gehen wir in die andere Richtung.

 

Differenz arm-reich: Trotz immer höherem Gefälle zwischen arm und reich (sowohl punkto Einkommen wie auch Vermögen) wird die Erbschaftssteuer abgeschafft und die Umverteilungsträchtige Einkommenssteuer geschwächt.

 

Nächstenliebe/Solidarität: Couchepin und die SVP wollen die Solidarität in der Krankenversicherung aushöhlen, die SVP hat vor drei Jahren gar einen Vorstoss lanciert, die AHV zu privatisieren und nur noch einen minimalen Ausgleich zu garantieren. Solidarität ist aber in anderen Bereichen noch immer nur im Giesskannenprinzip möglich, weil sonst gewisse gesellschaftliche Gruppen kein Interesse mehr daran haben.

 

Wie viel Steuern: Wie gesagt geht die Tendenz gerade weg von der auf Grund der hohen Einkommensdifferenzen gerechten progressiven Steuer.

 

Wie viel dem Staat: Die Staatsquote hat sich stark erhöht, was tatsächlich auch das Wirtschaftswachstum tangiert.

 

Besser freiwillige Solidarität statt Steuern?

In christlichen Kreisen wird oft gesagt, es sei besser, die Leute würden freiwillig Gutes tun als erzwungene Steuern zahlen. Das Problem ist nur, dass die freiwilligen Spenden auch in Ländern mit tiefen Steuern nur einen kleinen Teil der Differenz zu Ländern mit höheren Steuern ausmachen. Die Rechnung geht nicht auf.

 

Es wird manchmal auch gesagt, der Staat sollte die Hände von den Wohlfahrts-Aufgaben wie Fürsorge und AHV lassen, die Kirchen sollten das übernehmen. Solche Ideen sind völlig undurchdacht, denn wo sollen die Kirchen die Milliarden hernehmen? Wir riskieren, dass viele Menschen in Not geraten und ihnen niemand hilft, und vor allem, dass den Kirchen, die schon heute am finanziellen Limit sind, das Geld für die Evangelisation fehlt. Damit hätten sie dem Reich Gottes einen Bärendienst erwiesen…

 

Die gerechte Steuerprogression, die heute noch besteht, wird durch die Freiwilligkeit aufgehoben. Teilen ist aber für alle eine biblische Pflicht, und nicht nur vom Überfluss. Wer als Milliardär eine Million spendet, hat nur von seinem Überfluss abgegeben (siehe auch Lukas 21 und Markus 12 zum Scherflein der armen Witwe). Wer Geld hat, der verweist auch in christlichen Kreisen schnell auf den eigenen Verdienst, obwohl es Gott ist, der uns versorgt, und der uns auch die Kraft und Dynamik zu Top-Leistungen in der Wirtschaft gibt. Oder sind Lohndifferenzen zwischen 2500 Franken und 250’000 Franken im Monat durch Eigenanstrengung gerechtfertigt?

 

Geld macht nicht glücklich, aber wer keines hat, der ist in der heutigen Gesellschaft ausgeschlossen.

 

Forderungen

–         Nationale Erbschaftssteuer

–         Progression aufrecht erhalten

–         Kinderabzüge direkt von der Steuerrechnung und nicht vom Steuerbaren Einkommen

–         Keine Dumpingabkommen mir reichen Ausländern

–         Steuerschlupflöcher schliessen

–         Lastenausgleich zwischen Kantonen bzw. Gemeinden

–         Limite der Steuerunterschiede zwischen den Kantonen und zwischen den Gemeinden

–         Kein Kantonswechsel wegen Steuerunterschieden

–         Steuerhinterziehung muss strafbar werden

–         Lockerung des Bankgeheimnisses


Photo by Mathieu Stern on Unsplash

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